Massaker und die Medien

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In einem Dorf ca 17 Kilometer von meinem Wohnort ist zur Zeit ein echter Medienrummel los.

Kurze Zusammenfassung.


Sechs Leichen in der chinesischen Gaststätte und anliegenden Räumen, ein Schwerstverletzter, ein kaum zweijähriges, glücklicherweise unverletztes Kind.


Was die Medien daraus machen ist fast unglaublich. Die Radio und Fernsehreporter laufen sogar auf dem Parkplatz des Edeka Marktes rum und fragen die Einwohner, was die zu der Tat sagen können und so weiter.

Was hält ihr von dieser Art der Berichterstattung?
 
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Mitgehangen, mitgefangen.
Ich halte nix davon, es wird sich aber so schnell nix ändern, wenn die Chefs solche Bilder und Berichte wollen...
Stichwort Sebnitz.
Aber sei dir gewiss: Die Karawane zieht weiter!
 
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Und die siebte, eine schwer verletzte Person, ist noch vor einer polizeilichen Vernehmung ihren Verletzungen erlegen.

Das ist leider normal, meiner Erfahrung nach.
Auch wenn es jetzt nicht zwingend Radio ist - als regelmäßiger maintower-Zuschauer beobachte ich immer wieder Reporter, die sich auf unschuldige Zivilisten stürzen mit Fragen à la "Hätten sie gedacht, dass ....?". Die stereotypen Antworten sind doch vorhersehbar. Würde hingegen mal ein Nachbar / Anwohner / InderNäheGassigeher ins Mikro texten "Des habbisch schon immer geahnt dass bei so emme Kerle wie demm das ema e bees end nehme werdd", wäre das medial schon fast eine Sensation.
*gähn*
Zur Ehrenrettung der Medienvertreter sei aber auch gesagt, dass dieses Phänomen nicht zwingend auf Privatsender und Reizüberflutung auf allen Kanälen nach dem - hier abgewandelten - Motto "Das Beste aus Blut und Tränen" zurückzuführen sein muss.
Vor nicht all zu langer Zeit war im hr-Fernsehen (oder ARD?) eine Retrospektive auf das Tanklaster-Unglück von Herborn zu sehen. Spannend daran war, dass schon damals ein regelrechter Medien-Hype ausbrach. Hier u.a. von der schreibenden Zunft. Da haben stern-Fotografen dem Chefredakteur des Herborner Tagblattes astronomische Summen für seine ersten Bilder, aber auch noch leere Filme - wer erinnert sich noch an die Zeit vor der digitalen Fotografie? - oder deren Entwicklung im Fotolabor des Verlages geboten.
Die Hotels in der Umgebung machten ein unerwartetes Zusatzgeschäft.

Von daher: Im Westen (leider) nichts neues.
Außer dass da jetzt noch zusätzlich so ein paar doofe Bild-Leser-Reporter mit durch die Gegend trampeln und den Einsatzkräften im Weg rumstehen.

Gruß, Uli :rolleyes:
 
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Die größte Freheit war folgende.

Ein Reporter erkundigt sich bei dem Ermittlungsleiter und Polizeidirektor, wie es dem Hund geht, den die erschoßenen Gaststättenbesitzer hinterlassen haben und ob dieser Hund in guten Händen ist.

Der Beamte reagierte genervt und gereizt auf eine Fragen gut gebildeter Journalisten. Das ist auch verständlich.

Lernt man solche Fragestellungen in einer Journalistenschuleoder brauch man dafür ein Journalistisches Studium?

Es ist unglaublich wie klug und gebildet einige Reborter und Journalisten sind. In einem schweren Kriminalfall in der wahrscheinlich eine international agierende Verbrecherbande verbunden ist, solche blöden Fragen zu stellen, ist eine echte Unverschämtheit.
 
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Vermutlich kam der Reporter von der Zeitschrift "Wild & Hund", "Partner Hund" oder "Ein Herz für Tiere" - und bestimmt hat er seiner Frage die Bemerkung vorangestellt:
"Es mag jetzt vielleicht zynisch klingen, aber meine Leser interessiert vor allem dieser Aspekt..."
 
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Nee nee Nähkästchen...
Beispiel: PK in Leipzig aus Anlass der Bekanntgabe in Sachen Sanierungsfortschritt der berühmten Thomaskirche in Leipzig, im Bachjahr!
Dabei wird auch nebenbei bekannt, dass in einem Nebengebäude neue, öffentlich zugängliche, Toiletten eingerichtet wurden.
Für einen Kollegen eines großen privaten Leipziger Radiosenders war DAS DIE!!! Meldung, in den Nachrichten war keine Rede vom Sanierungsfortschritt in der Thomaskirche.
 
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Das Verbrechen an sich ist schon von unglaublicher Brutalität. Wenn sowas im Irak passiert, ist das wahrscheinlich noch nicht mal ne Meldung wert, aber in der deutschen Kleinstadtidylle Sittensen ist sowas einfach nur unfassbar. Vermutlich steckt da die chinesische Mafia hinter. Schon unglaublich wer sich hier in Deutschland so tummelt und hier völlig unbeobachtet schalten und walten kann. Deutschland wird immer mehr zum Tummelplatz für Kriminelle aus aller Herren Länder.
 
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Selbst wenn das so ist (wäre?), ist das ein Grund, die Anwohner unnötigerweise noch mehr verrückt zu machen, Polizei und Behörden durch diverse belanglose Banalitäten von ihrer Arbeit abzuhalten, Tweety? Ich glaube nicht.
 
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Selbst wenn das so ist (wäre?), ist das ein Grund, die Anwohner unnötigerweise noch mehr verrückt zu machen, Polizei und Behörden durch diverse belanglose Banalitäten von ihrer Arbeit abzuhalten, Tweety? Ich glaube nicht.

Nein, natürlich nicht. Aber das erklärt das unglaubliche Medieninteresse an dem Fall.
 
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Schon unglaublich wer sich hier in Deutschland so tummelt und hier völlig unbeobachtet schalten und walten kann. Deutschland wird immer mehr zum Tummelplatz für Kriminelle aus aller Herren Länder.
Nein. Der Vorfall zeigt aber deutlich, wie sehr Viele von uns die Realität schon ausgeblendet haben. Es geht in diesem Land keineswegs so friedlich und geordnet zu, wie es scheint. Das organisierte Verbrechen gab und gibt es auch in Deutschland. Als Normalbürger bekommt man davon üblicherweise nichts mit. Nur manchmal, da passiert etwas, was nicht ins eigene Weltbild passt.
 
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Berichterstattung? Ja, gerne und von mir aus auch jetzt, recht kurz nach der Tat, noch viel. Auf das "Wie" kommt es an. Sicher muss ein Reporter nicht nur angenehme Fragen stellen, aber in einer solchen Situation sollte vor allem mit Anwohnern und betroffenen sehr sensibel umgegangen werden. Und wer ist von einer solchen Tat nicht betroffen? Richtig, an sich ist JEDER, der als potenzieller Interview-Partner in Frage kommt betroffen. Also meiner Meinung nach lieber Sensibilität, als sinn- und taktlose Fragen, über die sich die Hälfte der Hörer es aufregt. Dann lieber den O-Ton ganz weglassen. Oder - und jetzt komme ich zum anderen, sicher umstrittenen Aspekt - die Sache anders aufziehen. 6 Menschen sind gestorben, dass ist schrecklich und Deutschland fragt sich im ersten Moment: "warum?", im zweiten jedoch "kann mir das auch passieren?" Wo ist also die Reportage über organisiertes Verbrechen in unserem Staat oder die Aktivitäten der chinesischen Mafia oder das Problem von Schutzgelderpressung und anschließendem Ruin allgemein? Bitte, das soll nicht als Angstmacher direkt an die Berichterstattung vom Tatort gehängt werden, aber ist DAS nicht das erste, was die Leute hören wollen, nachdem sie über Fakten informiert wurden?

lg Tim
 
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Schlimm finde ich, dass solche Fälle immer die gleichen Reflexe bei Hörfunkjournalisten auslösen. Ich werde zum Beispiel immer besonders aggressiv, wenn die Floskel "Die Nachbarn sind fassungslos" fällt, und dann eine Umfrage mit den immer gleichen Tönen folgt: "Die waren so nett und unauffällig." - "Dass sowas bei uns passiert..." - "Ja, man ist schon geschockt." - "Schlimm sowas." Da gibt's beim MDR in Sachsen zum Beispiel einige Kollegen. Ich erinnere mich noch an eine Tierparkgeschichte mit einer getöteten Pflegerin vor kurzem, da kam ein unmöglicher Bericht mit völlig sinnlosen O-Tönen von Tierparkbesuchern bei MDR Info. Der gleiche Reporter hat glaub ich auch mal von einer Familientragödie (irgendwo in oder um Chemnitz) berichtet, und da war's das gleiche. Man kann auch anders (und trotzdem interessant) über solche Fälle berichten.
 
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Darf ich an dieser Stelle mal die Frage einwerfen, inwieweit die Verwendung des Wortes "Massaker" hier und in der Berichterstattung angemessen ist?
 
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Von Massaker hab ich nix gehört oder gelesen. Meiner Meinung nach klar die falsche Wortwahl. Wie übrigens auch "Restaurant-Morde" (Tagesschau heute). Sind da Restaurants erschossen worden? In Sachsen gab's mal den "Pizzamord" ... genau so ein Blödsinn.
 
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Was mich eher gewundert hat, alle reden nun von angeblich Triaden. hat einer mal versucht, bei einem der LKAs oder einem anderen Experten in Sachen Organsierte Kriminalität nachgefragt? Ich finde diesen Aspekt wesentlich spannender, als nun mediale Blutlachen auszubreiten.

Eigenartig fand ich, dass sich eine Hamburger Zeitung (und diesmal wars nicht die BILD) nicht mal an die wirklich deutlich formulierte Bitte der Polizei gehalten hat, nicht über das zweijährige Mädchen zu berichten. Und die haben es mit dem Hinweis darauf getan, ein Radiosender hätte sich auch nicht dran gehalten. Super. Tolle Kollegen, vielen Dank!

Und das vor dem Hintergrund, dass die Pressearbeit der Polizei dort wirklich sehr gut ist, fair und offen - man darf sich fragen, wie lange noch, wenn hier wieder irgendwelche profilneurotischen Idioten verbrannte Erde hinterlassen. Ich hätte ja fast Verständnis dafür, wenn das Kind ein wichtiger Zeuge wäre. Man darf aber bei Zweijährigen eher davon ausgehen, dass sie ihre Beobachtungen eher für sich behalten - musste das denn sein, dass man hier gezielt die verprellt, die uns Informationen geben sollen und bisher auch wollen?

Und vielleicht sollte man mal ne Floskel-Kasse einführen. Erschütterung. Massaker. Blutbad. Sehr einfallsreich.
 
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Was mich eher gewundert hat, alle reden nun von angeblich Triaden. hat einer mal versucht, bei einem der LKAs oder einem anderen Experten in Sachen Organsierte Kriminalität nachgefragt?
Brisant, gestern: Befragung mindestens ihres China-Korrespondenten.
 
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Darf ich ganz am Rande einwerfen, dass in den Medien, die auf dem "Strahle der elektrischen Kraft" übertragen werden, gerne von einem Massaker die Rede ist. Es spricht sich aber korrekt Massaker. Die Betohnung liegt auf dem zweiten a.:cool:
 
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Und sie haben uns doch nur benutzt. Am Montag um 13:10 Uhr haben die schon zwei Tatverdächtige festgenommen. So langsam frage ich mich tatsächlich, warum man dann auf Bitten reagiert, gewisse Dinge nicht zu erwähnen. Auf der anderen Seite: Wenn mit vertraulichen Informationen dann so umgegangen wird wie geschehen und sie dann doch irgendeiner rausposaunt, muss man sich nicht wundern, wenn die Polizeivertreter einem nur noch Ablenkungskram erzählen.

@Qualiton
Immerhin haben wir nur von Morden gesprochen und weder von Massaker noch von Massaker.
 
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Die Pressearbeit der Polizei in Rotenburg ist sehr gut. Ich habe selten so geduldige Beamte gesehen. Der Polizeidirektor Detlef Kadinski geht höfflich auf jede dumme und blöde Frage ein und antwortet sachlich. Die Polizei aus dem Landkreis Rotenburg hat ein Orden, für ihren vorbildhaften Umgang mit den Journalisten, verdient.
Wie auch in den letzten Tagen ist der rund 5600 Einwohner zählende Ort von Journalisten überlaufen und wollen einfach nicht weiterziehen.Die Polizei hat sogar Fakten mitgeteilt die eine Ermittlung erschweren können, mit der Bitte dies nicht jetzt zu veröffentlichen. Daran haben sich die Medienvertreter nicht gehalten. Solche Leute ruinieren nur den Ruf und sind nicht vertrauenswürdig und zuverlässig. Verständlich wenn andere Ermittlungsdirektoren mit der Presse nicht so einen höfflichen Umgang pflegen.

Etwas lustiges am Rande.


stern.de sprach mit den letzten Gästen des Restaurants.

Gelessen auf stern.de
 
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Gut - geduldig und höflich ist Herr Kaldinski sicher , allerdings hört sich das innerhalb einer PK auch schon sehr seltsam an...
 

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Eigenartig fand ich, dass sich eine Hamburger Zeitung (und diesmal wars nicht die BILD) nicht mal an die wirklich deutlich formulierte Bitte der Polizei gehalten hat, nicht über das zweijährige Mädchen zu berichten. Und die haben es mit dem Hinweis darauf getan, ein Radiosender hätte sich auch nicht dran gehalten. Super. Tolle Kollegen, vielen Dank!

Die dpa hat die Geschichte in allen Tickern gebracht mit dem Verweis darauf, dass die Polizei eigentlich darum gebeten hatte, es nicht breitzutreten. Nach dem Motto "Wir wollten's trotzdem mal gesagt haben" ... Tolle Journalisten, kann auch ich da nur sagen.
 
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