Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

AW: Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

Arrgh! Wenn Journalisten mit medizinischem Fachwissen aus dem Privatfernsehen versuchen, einen anspruchsvollen Beitrag zu produzieren:

hr-info schrieb:
"... dem Notarzt nur die Möglichkeit von Elektroschock und Defibrillation bleibt ..."
Würde mir mal einer den Unterschied zwischen dem Elektroschock bei Herzstillstand und der Defibrillation erklären? :wall:

Leute, wenn ihrs macht, dann bitte richtig. Solche Aussagen - insbesondere die Verwendung des Wörtchens "und" impliziert die Verfügbarkeit zweier separater Maßnahmen - bewegen sich ja noch unter Privatfunk-Niveau. :eek:

Die Defibrillation ist der Elektroschock bei Herzstillstand. Streng genommen arbeitet das Herz zwar noch, aber nicht mehr suffizient, das heißt, von außen erscheint das Kammerflimmern (dieses wird mit dem Elektroschock nämlich durchbrochen) genau so wie ein Herzstillstand. Je länger das Herz flimmert, um so wahrscheinlicher ist die "Null-Linie" (Asystolie) - da hilft dann auch keine Defibrillation mehr (Erfolgsrate < 2%).

Schöne Grüße an den Kollegen, der diese Aussage verzapft hat. Ich weise ihn gerne entsprechend ein.
Alles andere ist Privatfernsehen. Bitte etwas weniger RTL schauen, das ist Müll. :mad:

Gruß, Uli ;)
(Medizinprodukteberater nach MPG für automatische externe Defibrillatoren (AED))
 
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Würde mir mal einer den Unterschied zwischen dem Elektroschock bei Herzstillstand und der Defibrillation erklären? :wall:
Nein, Uli, du siehst das leider wieder völlig falsch.
Defi ist, wenn Einer schon hinüber scheint und zurückgeholt werden soll und Elektroschock ist so ungefähr umgekehrt mit weniger Her(t)z.
Zum Beispiel wenn während des Duschens plötzlich das Wasser eiskalt wird und du mit seifenverklebten Augen aus der Dusche sprintest und auf der Suche nach Orientierungsmöglichkeit mit nassen Fingern in die Steckdose langst.
Oder aber wenn der Bauer beim Bullen den Viehtreiber ansetzt, das kann auf den Bullen eine durchaus belebende Wirkung haben, bei dir an der richtigen Stelle und völlig unverhofft auch zum Herzstillstand führen.... ;) :D
 
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Defi ist, wenn Einer schon hinüber scheint und zurückgeholt werden soll und Elektroschock ist so ungefähr umgekehrt mit weniger Her(t)z.

Hä? Das verstehe nicht mal ich. Davon abgesehen gibt es Themen, über die ich mit ihm SO nicht diskutieren, weil garantiert verlieren würde. Mal schauen, ob er deine Lotterei mit dem Humor nimmt, den du möglicherweise zu verbreiten berabsichtigtest.
 
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Ach wo, das Thema bedarf keinerlei Diskussion weil Uli "ernsthaften Unfug" selbst ohne seine Fachkompetenz leicht von Dilettantismus unterscheiden könnte.
 
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Ich dachte immer, Elektroschocks seien das Nonplusultra der russischen Verhörkunst (vielleicht auch zuviel James Bond gesehen), während der Defibrilator Leben rettet.:D
 
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Au weia, Uli... :D
Beim nochmaligen Lesen meines Sermons vom März fällt mir allerdings auf, dass ich das Linsengericht dem Falschen zugeordnet habe. Esau, entschuldige...
 
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Der Sermon auf HR1 heute Morgen hat mir ein leichtes Schmunzeln entlockt weil der Prediger den Weihnachtsrummel mit "Gib mir das Gefühl zurück" bestimmt nicht ohne Hintergedanken betitelt hat.
 
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Unbedingt lesenswert:
Ein sprach- und sprechkritischer Artikel im heutigen Feuilleton der F.A.Z. Leider kann ich ihn nicht verlinken. Er beginnt so:

"Der Deutschlandfunk funkt oft daneben
Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat die Grenzen der Sprache als die Grenzen der Welt bezeichnet. Die Sprache, die der Kölner Deutschlandfunk gebraucht, spricht für zu enge Grenzen.

Kennen Sie Morgen Tschwangärei? Als Deutschlandfunk-Hörer müssten Sie hellhörig werden. Nein? Der Mann ist Oppositionsführer im südafrikanischen Zimbabwe. Das sagt Ihnen nichts? Aber der Daila Lama wird Ihnen ein Begriff sein..."

Ich will hinzufügen: Der Zweispalter beschäftigt sich zwar ausschließlich mit dem Deutschlandfunk, die erwähnten Defizite treffen aber auf die meisten (nicht nur) Wortwellen zu!
 
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Unbedingt lesenswert:
Ein sprach- und sprechkritischer Artikel im heutigen Feuilleton der F.A.Z.
Sehr richtig. Ich habe den Artikel angehängt, in momentaner Ermangelung eines Scanners leider nur als abfotografierte Version. Aber man kann ihn lesen. Nicht von den verschwommenen Buchstaben abschrecken lassen, die Lektüre lohnt sich!
 

Anhänge

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Danke fürs Abfotografieren und Anhängen!

Dem Tenor des Artikels kann ich natürlich zustimmen: dem Aufruf zu mehr Sorgfalt mit den Formulierungen und Aussprachen und generell zu mehr aufrichtigem Interesse an den Meldungsinhalten.

Leider hat sich der Autor dabei nicht verkneifen können, auf die „üblichen Verdächtigen“ („macht Sinn“ usw) einzuschlagen, und hat sich damit unnötig auf das glatte Eis der Sprachpflege begeben. Denn nicht alles, wovon Bastian Sick behauptet, daß es „falsch“ sei, ist in Bausch und Bogen abzulehnen. Aber das auszuführen ginge hier zu weit.

Was mich aber am meisten ärgert, ist die Reduzierung der „nutzlosen Rechtschreibreform“ auf Äußerlichkeiten, der Vergleich mit Thal und Zukker, die unsinnige Behauptung, Barbarei und Untergang wären vorhergesagt worden. Fehlte eigentlich nur der Delfin, der Tunfisch und das Känguru.

Der eigentliche Unsinn der Rechtschreibreform wie heute Früh, es tut mir Leid usw wird dabei tunlichst ignoriert - er würde ja nicht ins (Welt-)Bild passen. Schade, daß ein ansonsten offenbar gut recherchierter Artikel mit diesem Gebiet so lässig-schludrig umgeht. Ginge es zu weit, hier den Autor mit seiner eigenen Elle zu messen?
 
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gerade live bei hr-info gehört schrieb:
Minister Gabriel hat das Gesetz gecancelled
Nichts gegen den Einsatz moderner Sprache; ich bin auch kein Hardcore-Gegner von "Denglisch" - aber in einem journalistischen Beitrag auf einer öffentlich-rechtlichen Informationswelle hätte ich jetzt doch eine bessere Sprachwahl erwartet.

Nachdenkliche Grüße, Uli
 
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Nachtrag zum F.A.Z-Artikel, der seinen Alleinvertretungsanspruch auf die korrekte Aussprache ein wenig zurückdrehen sollte:

Am 25. Juni 2008 hat ARD-Korri Claus Stäcker Morgan Tsvangirai interviewt und ihn persönlich nach der Aussprache seines Namens befragt (teilt die ADB mit) – und Tsvangirai sprach sich selbst „Mooogen (mit langem, offenem o) TschWangirai“. Das /r/ in „Morgan“ wird also nicht gesprochen und das /v/ als labiodentaler Reibelaut artikuliert.

Der Aussprache-Duden und die ADB sagen zur Artikulation von „Missouri“:
1. Variante (eingedeutscht) Mi-sssuuh-ri (mit langem /u:/ und stimmlosem /s/)
2. Variante (amerikanisches Englisch: Mi-su-ri – mit kurzem /u/ und stimmhaftem /z/). (Für Phonetikfetischisten: Mangold transkribiert im Gegensatz zur ADB hinter dem kurzen /u/ noch einen Schwa.)

Bei der Aussprache hätte der Autor der FAZ besser recherchieren müssen. Ansonsten hat er ja recht, äh, hat er Recht.

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Und ganz aktuell eingeflogen: die Mail eines Freundes, der heute im morgendlichen Straßenverkehr folgende Beobachtung machte:

"Eben auf dem Weg ins Büro die Aufschrift auf einem Raumausstatter-Fahrzeug gesehen: "Bodenbelege". - Ob die einfache Kassenbons dafür nehmen oder richtige Rechnungen ausstellen?"
 
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Die Aussprache "Moogen" von "Morgan" dürfte aber eher dem typischen afrikanisch angehauchten Englisch entspringen. Wie die Engländer mit unseren Umlauten haben Afrikaner Probleme mit gewissen Lauten. Dazu gehört das in "Morgan" vorkommende englische "R", das daher meistens nicht gesprochen wird.
 
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Für mich endete das Lesen des Artikels bereits an dieser Stelle:
Schließlich war er im Vorfeld der Olympiade in aller Munde, auch wegen seinem Besuch bei der Kanzlerin

Du Dativ dessen wohl ihr Genitiv dem sein Tod am machen ist. -.-
 
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aus dem Artikel schrieb:
„Miss Ssuhri“, „Räischen Schopps“, „Ehdinbörg“, etc. ...
Darauf einen Jynnan Tonnyx, oder Jinnut-o-Nicks, oder einen Ouisghi Zodah oder wie auch immer... :wow:

Gruß
Wilson
 
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Für mich endete das Lesen des Artikels bereits an dieser Stelle:
Schließlich war er im Vorfeld der Olympiade in aller Munde, auch wegen seinem Besuch bei der Kanzlerin
Du Dativ dessen wohl ihr Genitiv dem sein Tod am machen ist. -.-
Hättest Du mal die Augen zusammen gekniffen und weiter gelesen. Vorfeld, Olympiade und Dativ - auf alle Fehler wurde eingegangen.

sk_pade
 
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Ich habe den Artikel angehängt, in momentaner Ermangelung eines Scanners leider nur als abfotografierte Version.
Faszinierend. Sei bedankt dafür! Wenn man einen Schotten fragen würde wo es nach "Edinbörg" geht würde der vermutlich überhaupt nicht wissen was gemeint ist. Man muß sich die Aussprache auch einmal mit schottischem Akzent vorstellen, bzw. englischsprachige Begriffe aus ehemaligen Kolonialgebieten z.T. auch in Pidgin-English.
 
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Nun ja, gerade das Edinburgh-Beispiel überzeugt mich in dem Artikel auch weniger. Wenn London deutsch ausgesprochen wird (und nicht „Landn“), warum sollte man nicht auch „Ehdinburg“ sagen dürfen? Wenn Leipzig in englischen Nachrichten vorkommt, spricht es der BBC-Sprecher „Laip-sik“. Wird er deshalb als ungebildet belächelt?

BTW, weil wir schon bei „korrekter“ Aussprache sind: Wer will sich mal an Chris de Burgh versuchen? Und, wo im deutschen Radio hat man jemals einen Sprecher so sagen gehört?
 
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Sehe ich genauso. Es sagt ja auch niemand Parii, wenn er Paris meint (Ausnahme natürlich bei Eigennamen "xxx de Parii").
Schlimmer finde ich die schon mehr als hundert mal gehörte Queen Elithabess. Dann schon lieber Königin E-li-sa-beth und jeder weiß, wer gemeint ist.
 
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Hoffentlich fällt auf, dass wir jetzt zum -gefühlten- 500. Mal das Problem der Exonyme durchdiskutieren und immer wieder bei Parii/Paris oder Rom/Roma landen? Es hat sich nun mal eingebürgert, "Paris" zu sagen - und es hat sich eingebürgert, dass wir die Ewige Stadt im Deutschen nicht "Roma" nennen und London nicht "Landen". Das sind Welthauptstädte - und da gibt es zum Teil Jahrhunderte alte Konventionen.
Bei 'Edinburgh" lautet die zulässige deutsche Variante (Ausspracheduden) "Ehdinburrk", die englische aber natürlich nicht "Äddinböök". Das sollte zum Handwerk gehören! Ich bin übrigens ein Anhänger der Sprechermaßgabe „So viel Deutsch wie möglich, so viel Fremdsprache wie nötig", würde also liebend gern „Arr'kansas" sagen, obwohl wir uns intern auf "Aaaakensoooh" geeinigt haben *grummel*. Menschen allerdings, die "Aaarr'kännses" sagen, bekommen nur noch Erbsensuppe aus der hr-Kantine! Und Kollegen, die „Los Äindscheles“ über den Sender blasen, kriegen gar nix mehr zu essen :p

Als viel schrecklicher noch empfinde ich die Fehlbetonungen bei "Vancouver" oder "Canberra" oder "Caracas". Das zeigt nämlich, dass man in falscher Selbstsicherheit nicht mehr in den Jones/Duden oder in die ADB guckt. So! Jetzt aber Schluss, denn spätestens in der nächsten Sendung plumpse ich selbst in irgend eine Falle, weil ich in falscher Selbstsicherheit...
 
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