Rettet das Radio!

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winnie1178

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Hallo,

finde eure Forenbeiträge zumeist sehr gut und tiefgehend.Wenn ich mir das so durchlese mit dem Hintergrund, dass sich gerade in diesem Forum viele Profesionelle aus der Radiobranche tummeln, dann frage ich mich ernsthaft wie es dazu kommen konnte das große Teile des Radios einfach nur noch lächerlich geworden sind.

Einige Beispiele: Das heißdiskutierte Antenne 1-Fake um den 10 €-Schein. Absolutes Kasperlestheater, unterste Schublade. Aber es paßt ja zu diesem Sender, ich würde sogar so weit gehen und die Behauptung aufstellen dass viele Stammzuhörer nach einem längeren Konsum dieses Senders in ihrem Denk- und Leitungsvermögen automatisch abnehmen müssen. Trotzdem hat der Sender Erfolg - warum?

Radio Regenbogen. Schmeißt seine besten Moderatoren einfach raus, ohne erkennbaren Grund. Und erdreistet sich sogar noch seine Gewinnspiele in die richtigen Nachrichten einzubinden. Sozusagen gleich nach dem Terroranschlag im Irak folgt der Gewinnanschlag aus Nordbaden. Aha, so ernst nimmt man das also gleich. Damit scheint man den Verstand seines Zielpublikums doch noch viel weiter unten anzusiedeln als er ist.

So könnte man die Liste über den Duddelfunk weiterführen. Aber die tiefgründige Frage muß man sich doch tellen: Für wie blöd halten uns die Sendemacher eigentlich? Oder sind wir zusammen genommen als breite Maße wirklich so blöd? Warum müssen bei diesem Wahnsinn inzwischen sogar schon Öffentlich-Rechtliche mitmachen - SWR 3 hört sich für mich nicht mehr viel anders an wie andere Sender auch? Warum bekommen immer weniger qualitativ-hochwertige Sendeformate Platz?

Was muß geschehen dass wir nicht nur quantitativ viele Sender haben sondern auch wieder qualitativ mehr Abwechslung möglich ist?
 
AW: Rettet das Radio!

Für wie blöd halten uns die Sendemacher eigentlich? Oder sind wir zusammen genommen als breite Maße wirklich so blöd?
Die Privaten haben kein Interesse daran, mit Qualität zu punkten. Das kostet nur. Solange es mit Pseudo- Inhalten a la Antenne 1- Fake auch geht, ambitionierte Anbieter dank abgeschotteter Märkte ausgeschlossen bleiben, und viele ör Sendern nicht willens oder in der Lage sind, alternative Programme zu entwickeln, werden wirkliche Radiomacher von irgendwelchen "BWL- Fuzzis" verdrängt.

Was muß geschehen dass wir nicht nur quantitativ viele Sender haben sondern auch wieder qualitativ mehr Abwechslung möglich ist?
In die Politik gehen. Dort die Verantwortlichen für diese Fehlentwicklung
sensibilisieren.
Wenn das Volk schon bei den Kürzungen im Gesundheitswesen nicht "französisch reagiert", wird es wohl für das Radio (leider) erst recht nicht auf die Strasse gehen.
 
AW: Rettet das Radio!

Was muß geschehen dass wir nicht nur quantitativ viele Sender haben sondern auch wieder qualitativ mehr Abwechslung möglich ist?

Beides geht nicht. Du kannst nur entweder eine große Anzahl Sender haben, die sich um den Werbekuchen streiten (schlecht), oder nur eine Handvoll Sender, die nicht primär für die Werbekunden, sondern für die Hörer senden und dadurch ein besseres Programm fahren können.

Der einfachste Weg wäre sicher, das duale Rundfunksystem für gescheitert zu erklären und zu beenden.

Ansonsten hilft nur Abstimmung mit den Füßen: Abschalten oder auf die paar wenigen guten Sender umschalten und diese bei der MA-Befragung auch ausschließlich zu nennen.
 
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....., werden wirkliche Radiomacher von irgendwelchen "BWL- Fuzzis" verdrängt.
...das bekannte Problem: Rundfunk mutiert zunhemend vom Kulturgut zum Wirtschaftsgut. Paßt perfekt zu anderen gesellschaftlichen Trends. Siehe "Privatisierung"; "Neoliberalismus" usw usw...
..... wird es wohl für das Radio (leider) erst recht nicht auf die Strasse gehen.

...weil Radio passiv konsumiert wird, es genug Ausweichmöglichkeiten gibt, um Informationen, Musik oder andere Unterhaltung zu konsumieren, und weil bis auf einen Teil der Macher niemand drauf angewiesen ist, sprich, davon lebt usw usw..... (und viele, die davon leben, geraten grade deswegen in diese hier kritisierten Trends und fahren das deswegen mit; verständlicherweise...)
 
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Der einfachste Weg wäre sicher, das duale Rundfunksystem für gescheitert zu erklären und zu beenden.

Das ist der Gedanke, der mir sofort auch kam.
Ich habe Neffen zwischen 18 und 20, die in diesem System aufgewachsen sind. Die haben in ihrem Leben noch nie eine Tagesschau von Anfang bis Ende gesehen (liegt natürlich auch an deren Elternhäusern). Vielleicht könnt ihr Euch vorstellen, welche Folgen der ausschließliche Konsum von NRJ, Arno, RTL2 und BILD nun hat. Bestimmte Gespräche bzw. Gesprächsthemen sind gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.
 
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Und so kommt es dann, dass Redaktricen der jüngeren Generation, bevor sie ihre Nachrichten schreiben, erst einmal in die Runde fragen müssen, wer eigentlich Hans Filbinger war (so geschehen heute morgen)...
 
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...oder wie bei uns neulich, ich erwähnte es wohl schon, die Frage: Wer oder was ist Limes und spricht man das Leims?
 
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Und so kommt es dann, dass Redaktricen der jüngeren Generation, bevor sie ihre Nachrichten schreiben, erst einmal in die Runde fragen müssen, wer eigentlich Hans Filbinger war (so geschehen heute morgen)...

So ganz unberechtigt ist die Frage nätürlich nicht. Immerhin ist es dreissig Jahre her, dass er das Ländle regiert hat und oberhalb des Weisswurstäquators wirst du bei dem Namen auch nur mehrheitlich Kopfschütteln bekommen.
 
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Genau, Tweety. Und deswegen geht man auch als Redakteur zum Radio, um mit seinem Unwissen zu glänzen....

Hier lauert nämlich die Gefahr, dass Meldenswertes nicht gemeldet wird, weil dem Redakteur der Hintergund fehlt. Und in dem Moment stirbt so ganz nebenbei - wie in diesem Fall - Grundwissen der Zeitgeschichte.
 
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Und in dem Moment stirbt so ganz nebenbei - wie in diesem Fall - Grundwissen der Zeitgeschichte.

Was wiederum erklärt, warum sich Oettinger hinstellen und ungestraft solche Äußerungen von sich geben kann. Wenn die sog. Elite nur mittelmäßig ist, braucht man sich nicht über junge unwissende Menschen wundern. Denen ist das Wissen nicht abhanden gekommen, sondern gar nicht erst vermittelt worden.:(
 
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Es würde OT werden, wollten wir über die Motive Oettingers spekulieren, den Herrn Marinerichter reinwaschen zu wollen. In seinem Fall ist es wohl kaum biographisches Nicht-Wissen...
 
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Bei uns in der Redaktion wäre fast eine Meldung mit der Schlagzeile "Frühes Einkaufen mit Musik" veröffentlicht worden...
Da wusste doch tatsächlich jemand nicht, was "Frühschoppen" bedeutet! :D
 
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viele nachrichtenredakteure haben sich doch auch aufs dpa-abschrieben eingeschworen. es ist ja mittlerweile soweit, dass teilweise exklusive infos nicht gesendet werden weil es die agenturen noch nicht bringen.
 
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Bei uns in der Redaktion wäre fast eine Meldung mit der Schlagzeile "Frühes Einkaufen mit Musik" veröffentlicht worden...
Da wusste doch tatsächlich jemand nicht, was "Frühschoppen" bedeutet! :D

Tim:
c040.gif
 
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@Flyer: Ja, ein weiteres Problem. Der fehlende Mut, Eigenrecherchen oder Exklusiv-Themen in die Sendung zu nehmen. Kommt's von DPA, AP, AFP oder (weniger gerne genommen) DDP, ist man den Vorgesetzten gegenüber nicht mehr selber für mögliche Fehlinformationen verantwortlich.
 
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viele nachrichtenredakteure haben sich doch auch aufs dpa-abschrieben eingeschworen. es ist ja mittlerweile soweit, dass teilweise exklusive infos nicht gesendet werden weil es die agenturen noch nicht bringen

Deswegen schwöre ich auf die Grundausbildung in einem Lokalsender mit ambitionierter Nachrichtenredaktion: Raus zu den Themen und Terminen, selber recherchieren, selber O-Töne mitbringen, selber daraus die News formulieren oder den Beitrag basteln, selber präsentieren.

Wer es gelernt hat, aus einer Ganztagesveranstaltung eine solide News mit vier oder fünf Sätzen zu formulieren, wer das Gleiche mit den Inhalten einer dreistündigen Pressekonferenz machen kann, wer eine solche News aber auch aus dem Nebensatz eines O-Tons herausfiltern kann, oder aus der Einladung zu einem ersten Spatenstich, etc., etc.,... den kann man auf die Menschheit loslassen.
 
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als verantwortlicher Redakteur in einem OK habe ich öfter "ganz neue" junge Leute als Praktikanten, die dann ganz begeistert "zum Radio wollen, weil da Musik ist und so..."...
Hab mir angewöhnt, als Grundvorraussetzung anzugeben, daß sie überhaupt erstmal eine solide "Neugier" mitbringen müssen, die Welt da draußen erkennen und durchschauen zu wollen, sich wirklich für gesellschaftliche Dinge zu interessieren, das einzuordnen usw....
Grade kürzlich kam dann noch die Antwort "muß ich denn wirklich erst Abitur machen ?"..... Wenn der Erwerb eigenen Wissens im Ansatz nicht Begeisterung auslöst, sondern nur als lästige Arbeit verstanden wird, hat man eigentlich in dem Job nix verloren, oder ?

....okay, etwas OT jetzt, aber das beschreibt doch die Defizite bei Manchen, die sich scheinbar inzwischen auch in Senderedaktionen tummeln..... :confused:
 
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Wer es gelernt hat, aus einer Ganztagesveranstaltung eine solide News mit vier oder fünf Sätzen zu formulieren, wer das Gleiche mit den Inhalten einer dreistündigen Pressekonferenz machen kann, wer eine solche News aber auch aus dem Nebensatz eines O-Tons herausfiltern kann, oder aus der Einladung zu einem ersten Spatenstich, etc., etc.,... den kann man auf die Menschheit loslassen.

Hmm... aber haben wir nicht schon genug "Schlagzeilennachrichten" im Radio? Nicht dagegen dass man viel Geschwaffel in wenigen Sätzen wiedergibt und das wesentliche herausfiltert, aber bleibt bei einer solchen Art nicht viel Hintergrundwissen oder tiefergehende Information auf der Strecke?

Natürlich kann nicht jeder Sender so hochwertige Nachrichten wie der DLF senden, aber manchmal würde ich mir beispielsweise ein Expertengespräch über 3,4 Minuten zu einem Thema schon wünschen. Klar, SWR1 z.B. macht sowas, aber die Zielgruppe die ihr oben beschrieben hat hört halt nun mal nicht SWR1 sondern solche Sender die Nachrichten als 2-Minuten-Untermalung mit Hintergrundsmusik und Werbung in eigener Sache präsentieren. Trägt doch auch mit zur Unkultur bei...
 
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Winnie, zähle selbst: Vier oder fünf Sätze pro Meldung sind bei weitem keine "Schlagzeilennachrichten", sondern richtiges Radio. (Jene kommen mit ein bis zwei kurzen Sätzen aus.) Mehr Hintergrund ist auch in den besten klassischen Nachrichten nicht gefragt, sondern Stoff für weiterführende Sendungen.


Gruß TSD
 
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Sein's doch nicht so streng, die jungen Leute kennen halt Werner Höfer und seinen Internationalen Räucherschuppen nicht mehr :wow:


Und:

Der einfachste Weg wäre sicher, das duale Rundfunksystem für gescheitert zu erklären und zu beenden.

Das ist der Gedanke, der mir sofort auch kam.

Daran denkt so mancher. Die Frage ist nur, welchen Teil dieses Systems man gern abgeschafft sehen würde :rolleyes: :mad:
 
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