AW: Professional Digital Recorder DR2 - Taugt der was?
Um mal auf den DR2 zurückzukommen, ich besitze ihn seit Donerstag und kann nur sagen: Vorerst Finger weg, nämlich mindestens bis zum nächsten Firmware-Update.
Die Soundman-Leute haben sich offenbar entschieden, nach den wochenlangen Lieferverzögerungen eine unzureichend getestete Version herauszugeben, die bei den verschiedenen Codecs (linear, mp3) unterschedliche Störgeräusche (Rauschen bzw. Pfeifen) produziert. Peinlich für eine Firma, die ja mit den OKM einen ziemlich tollen Wurf gemacht hatte.
Was spricht dafür, auf die verbesserte Firmware zu warten?
1. Der Preis.
2. Das Ding ist klein, leicht, vielseitig.
Beide Vorteile bedingen natürlich zugleich Nachteile. Die Frage ist für mich als Reporter, welche Kompromisse ich dabei eingehen muss:
- Dass so ein kleines Ding z.B. keinen XLR-Stecker hat, muss man da hinnehmen (wer jahrelang mit Consumer-MD-Recordern gearbeitet hat, weiß ja, dass das geht, und dass man höllisch auf guten Kontakt achten muss).
- Auch MP2 und 48 kHz wären natürlich schön, aber einmal konvertieren vorm Produzieren ist sicher auch hinnehmbar - wenn man die Datei in DigAS zieht, dauert das eher ein paar Sekunden, bei langen Pks vielleicht Minuten. Praktisch gesehen ohne Qualitätsverluste. Also: hinnehmbar, wenn Preis und Klangqualität OK sind, das Gerät ein paar Jahre durchhält und die Bedienung nicht zu hakelig ist.
- Dass das Gerät (anders als noch auf der Packung und bis heute im Web angekündigt) keine 256 bzw. 320 kbps mp3-Kodierung unterstützt ("kommt vielleicht mit einem der nächsten Updates") stört mich auch weniger, eine saubere Informationspolitik stelle ich mir aber anders vor. Für Sprache sind 128 kbps reichlich. Mir wäre lieber, man könnte die für eine Mono-Kodierung verwenden, aber so muss man immer sein Mono-Mikro-Signal als Stereo aufzeichnen.
Mal davon abgesehen, dass die Klangqualität bei der jetzigen Firmware indiskutabel ist (und damit das ganz Gerät, ich habe keine Ahnung, was der Rezensent im mp3-player-forum an Gutem gehört haben will), ich habe wegen des bis jetzt ja unstrittig guten Rufs von Soundman tatsächlich die Hoffnung, dass die Audiowerte mit der richtigen Firmware in Ordnung sein könnten.
Davon mal abgesehen hat das Gerät bei mir trotzdem mehr Wünsche geweckt als befriedigt:
- Markierungen setzen während der Aufnahme? "Zur Zeit nicht möglich", diese Funktion sei aber angedacht, so die Auskunft im Laden. Ließe sich per Firmware nachrüsten, "steht auf der Ideenliste".
- Die Abhörmöglichkeit während der Aufnahme ist viel zu leise (bis man mir das im Laden so erklärte, dachte ich, es gibt gar kein Monitoring). Soll mit dem nächsten Update behoben sein.
- Die manuelle Aussteuerung von Mik-Aufnahmen ist schön und gut, aber dass dabei die Automatik ganz fehlt, ist für mich ein klarer Mangel.
- Lieber ganz verzichten würde ich auf die 1-Klick-10-dB-Absenkung während der Aufnahme - an den Knopf kann man nämlich auch leicht unfreiwillig kommen. Den sollte man lieber für die Marker-Funktion nutzen.
Das sind die Sachen, die eigentlich gut per Update korrigiert werden könnten. Immerhin lästig sind noch ein paar andere Dinge.
- Das Display (OLED2) ist mehrfarbig und wirkt im abgedunkelten Büro sehr hübsch, sitzt aber hinter einer derart spiegelnden Oberfläche, dass ich daraußen, selbst bei bedecktem Himmel, statt der winzigen Track-Nummern nur meine Nasenhaare bewundern konnte - nicht schön...
- Eigentlich clever, aber durch das mangelhafte Monitoring ein echter Nachteil: Während der Aufnahme wird aus Energispargründen das Display abgedunkelt - so dass man noch schlechter sieht, was man aufnimmt.
Ich dachte mir: bei 150 Euro kann man nicht so viel falsch machen. Zur Not wird es eben ein Ersatz-Gerät, so leicht wie es ist, trägt das im Reporter-Rucksack wirklich nicht auf. Und dann kann ich es noch als mp3-Player, USB-Stick-Ersatz und UKW-Radio nutzen. Gut, für jede dieser Nebennutzungen eindeutig zu teuer, aber alles zusammengenommen? Das Radio ist in meinem Ohren gar nicht so schlecht (wenn ein Update auch die Sender-Speicherung verbessern sollte). Und weil der mp3-Player keine Playlists unterstützt und keine Navigation durch die Verzeichnisse möglich ist (immer nur vor- oder zurückklicken ist möglich), ist diese Fuktion auch nicht wirklich konkurrenzfähig. Ach ja, habe selten einen sich so langsam befüllenden Flash-Speicher am Rechner gehabt wie den DR2.
Also, Moral von der Geschicht: So gut die Idee ist, einen MP3-Player aufzubohren und zum Kampfpreis mit guten Audiowerten auszustatten, so schwierig ist das Vorhaben offensichtlich im Detail. Mal ganz davon abgesehen, dass es total ungünstig ist, einen "Professional Digital Recorder" an professionelle Kunden verkaufen zu wollen und dann nur rauschende Aufnahmen zu bieten hat: Fast alle Funktionen sind nicht bis zu Ende gedacht (oder zumindest nicht fertig geworden). Schade, ich finde 150 Euro eigentlich einen sympatischen Preis, bei dem ich auch ein Auge zudrücken würde. Sollte sich beim Update noch etwas merklich verbessern, melde ich mich noch mal hier. Sonst ist das Gerät nächste Woche wieder im Laden.
Gruß,
Christoph