AW: Der DLF und die Tagesschau
Hmm, ich habe mir die erste Viertelstunde angehört. Weil ich für die restlichen 30 Minuten vorerst keine Zeit habe, bliebt mein Eindruck ein vorläufiger (ich werde ihn bei Bedarf ergänzen).
Der Autor legt für die Tagesschau Maßstäbe an, die sein eigener Sender nicht erfüllt. So zeigt ein Vergleich der Nachrichtentexte zum Bericht der Baker-Kommission: Auch der DLF erwähnt in seinen Nachrichten vom selben Tag, 18 Uhr, nicht die Gegengutachten und spekuliert auch nicht über die Motive von Baker und Co (am Vormittag, 11 Uhr, sendete der DLF sogar diesen Lead-Satz: "In den USA will heute der
unabhängige Expertenausschuss zur Irak-Politik seinen Bericht vorstellen").
Stattdessen berichtet der DLF, dass Bush versprochen habe, rasch zu handeln:
DLF-Nachrichten-Archiv schrieb:
Mittwoch, 06. Dezember 2006 18:00 Uhr
USA-Irak-Kommission fordert radikalen Kurswechsel
Mit einem radikalen Kurswechsel im Irak sollten die USA nach Ansicht einer hochrangigen Expertengruppe einen baldigen Abzug ihrer Truppen ermöglichen. Fast vier Jahre nach dem US-Einmarsch drohe ein Abgleiten des Golfstaats ins Chaos und ein Übergreifen des Konflikts auf die Region, warnt die vom ehemaligen Außenminister Baker und dem früheren Abgeordneten Hamilton geleitete Kommission in ihrem heute veröffentlichten Bericht. Präsident Bush erklärte, er nehme die Empfehlungen sehr ernst und werde rasch handeln. Die Kommission war vor neun Monaten vom US-Kongreß ins Leben gerufen worden. Die Experten verlangen, an einer Lösung für den Irak müssten auch die mit den USA verfeindeten Nachbarstaaten Iran und Syrien beteiligt werden. Die Regierung Bush müsse zugleich eine neue Initiative für einen arabisch-israelischen Frieden starten. Ohne ein Engagement in diesem Kernkonflikt der Region würden die USA ihre Ziele nicht erreichen. Die Experten warnen, sollte Washington nicht rasch und effizient umsteuern, dann drohten ein Zusammenbruch der irakischen Regierung und ein Eingreifen der Nachbarländer. Dies würde dann zu einer Katastrophe für die Menschen im Irak führen und zu einem Propaganda-Sieg der Al-Kaida-Terroristen.
Auch über die Hintergründe der Irak-Krieges, über die Lage dort, informiert dieser Text nicht. Auch in dieser DLF-Nachricht ist ausschließlich von den Zielen der USA die Rede.
Auch, was die Einordnung der Fußball-WM angeht, gibt sich der DLF in seiner 23-Uhr-Ausgabe (vorher taucht das Thema offenbar nicht in den Nachrichten auf) streng nachrichtlich:
DLF-Nachrichten-Archiv schrieb:
Bundesregierung zieht positive Bilanz der Fußball-WM
Die Bundesregierung hat die Fußball-Weltmeisterschaft vom Sommer sportlich, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch als Erfolg bezeichnet. Deutschland sei auf vielfache Art der Gewinner gewesen, sagte Innenminister Schäuble in Berlin bei der Vorlage des offiziellen Abschlussberichts. Das sportliche Großereignis habe gezeigt, dass der Sicherheitsverbund von Bund und Ländern gut funktioniere. Auch die deutsche Wirtschaft habe von der WM profitiert.
Allerdings bleibt hier anzumerken, dass der Deutschlandfunk auf den Aspekt der angeblich gesteigerten Toleranz gegenüber Fremden nicht eingegangen ist.
Meinem - wie gesagt: ersten - Eindruck nach scheint das Feature keine Unterscheidung zu machen zwischen der Nachrichten-Sendung tagesschau und dem Nachrichtenmagazin tagesthemen.
Sicherlich wäre es möglich gewesen, an der Tagesschau-Meldung über die WM-Folgen einen Satz anzuhängen: "Wissenschaftler der Uni Blablubb zweifeln allerdings an, dass die Fußball-WM für mehr Toleranz gegenüber Fremden in Deutschland gesorgt hat. Ergebnis ihrer repräsentativen Befragung: Dings bums..."
Wer weiß, vielleicht ist das in den Tagesthemen vom selben Tag geschehen, vielleicht auch in den DLF-Magazinen vom selben Tag.
Vielleicht geht der Autor im weiteren Verlauf ja auch noch auf die Sprache ein,und ob die vielleicht verständlich ist oder nicht - oder auf die Tatsache, dass in manchem Beiträgen der Tagesschau die Trennung von Nachricht und Kommentar aufgehoben scheint. Vielleicht wagt er ja auch noch einen weiteren Blick über den Tellerrand auf die Nachrichten im ZDF oder bei Privaten. Und er wird hoffentlich in der verbleibenden halben Stunde nicht weiter den Eindruck erwecken, dass die Tagesschau in 15 Minuten auch all denjenigen die Welt mit allen Hintergründen erklären muss, die zuvor noch nie auch nur irgendeine Nachrichtensendung gesehen, eine Zeitung gelesen oder sich sonstwie informiert haben.
Und dann noch etwas Handwerkliches: Dieses Gedudel und verfremdete Musik vor einigen O-Tönen, das fand ich schon immer einfallslos - auch in diesem Feature. Einfach nur ein paar Töne hintereinander weg, wem nützt das?
Vorläufige Grüße,
FC