Berichterstattung über Mügeln

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Liebe Freunde des journalistischen Radios,


Kamerateams "überfallen" Mügeln, die Sender überbieten sich in Porträts des beschaulichen Ortes, das, wie viele andere ländlichen Gebiete nicht nur in Ostdeutschland, ein flächendeckendes Rechtsextremismus-Problem hat. Bei allem Respekt den Indern gegenüber: Das was da passiert ist, ist schrecklich, schlimm, abscheulich.
Aber warum sind die Medien jetzt voll von solchen Stimmungsbildern? Warum gilt der Bürgermeister als ein Häufchen Elend? Warum ist Mügeln jetzt Schwerpunkt in den Nachrichten? Und warum weiß auf einmal wieder jeder Politiker was zu dem Thema zu sagen?
Warum spielt das Thema Rechtsextremismus sonst kaum eine Rolle? Warum machen sich das Medien und Politiker nur zum Thema, wenn wieder einmal etwas dramatisches passiert?
Die NPD in Sachsen liegt laut Umfrage bei 7%. Jede Studie sagt, das ist nicht nur ein Strohfeuer, sondern konstantes Wählerpotential.
Ich spüre nicht, dass die Politik, außer im Landtag selbst, ernsthaft etwas gegen Rechtsextremismus tut. Im Gegenteil: Mobile Beratungsteams, Initiativen, die demokratische Kultur fördern, müssen ständig um Zuschüsse bangen und können so keine kontinuierliche Arbeit machen, werden gar von Kommunen und Kreisen argwöhnisch betrachtet.
Warum wird Mügeln gerade sowohl von Politikern als auch Medien gehypt? Warum wird das Versäumnis der Politik nur bei solchen Vorgängen oder nach Wahlen angeprangert? Warum tickt das Mediensystem so, wie es tickt? Liegt es wieder einmal an Einsparungen, Schlagzeilen-Hascherei? Versagt vielleicht gar der Journalismus?

(Bevor Fragen kommen, wieso ich solche Fragen nicht journalistisch aufwerfe/ kläre: Ich tue es. Das reicht aber nicht.)
 
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Die ARD hatte im vergangenen Jahr eine Anti-Rassismus-Woche, in der in TV, Hörfunk und Internet alle möglichen Aspekte dieses Themas eine Woche lang beleuchtet wurden. Das war damals nicht an einen Aufhänger geknüpft. Nur mal so als Beispiel.

Die Sinnfrage, warum über einen solch spektakulären Vorfall wie jetzt in Mügeln berichtet wird, erschließt sich mir allerdings nicht so recht.
 
AW: Berichterstattung über Mügeln

Mit der Themenwoche gebe ich dir Recht.
Ich fand es eine sehr gute Idee und auch die umsetzung war sehr gelungen.
Das war aber leider nur eine der berühmten Außnahmen, denn normalerweise wird leider immer erst drüber Berichtet wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Das gleiche gilt auch für die Politik,
nachher zeigen sich Politiker aller Parteien betroffen.
Aber das man besser Präventiv mal was getan hätte,
verstehen diese Damen und Herren nicht.
 
AW: Berichterstattung über Mügeln

Liebe Freunde des journalistischen Radios,


Kamerateams "überfallen" Mügeln, die Sender überbieten sich in Porträts des beschaulichen Ortes, das, wie viele andere ländlichen Gebiete nicht nur in Ostdeutschland, ein flächendeckendes Rechtsextremismus-Problem hat. Bei allem Respekt den Indern gegenüber: Das was da passiert ist, ist schrecklich, schlimm, abscheulich.
Dem stimme ich voll zu.

Aber warum sind die Medien jetzt voll von solchen Stimmungsbildern?

Davon habe ich nichts mitbekommen. Liegt wohl daran, dass ich (Privat-)Fernsehen so gut wie nie schaue.

Warum gilt der Bürgermeister als ein Häufchen Elend?

Weil er nicht möchte, dass sein Ort jetzt als rechtsradikale Hochburg verrissen wird. So äußerte er sich in einer Reportage in den "Informationen am Morgen" heute früh im DLF.

Warum ist Mügeln jetzt Schwerpunkt in den Nachrichten?

Weil ein solch sensibles Thema gerne verrissen wird (gerade von den Privaten). Aber das ist doch nichts Neues.

Und warum weiß auf einmal wieder jeder Politiker was zu dem Thema zu sagen?

Profilierung.

Warum spielt das Thema Rechtsextremismus sonst kaum eine Rolle? Warum machen sich das Medien und Politiker nur zum Thema, wenn wieder einmal etwas dramatisches passiert?

Weil es in den letzten Jahren verharmlost wurde (zumindest von den meisten).

Die NPD in Sachsen liegt laut Umfrage bei 7%. Jede Studie sagt, das ist nicht nur ein Strohfeuer, sondern konstantes Wählerpotential.
Ich spüre nicht, dass die Politik, außer im Landtag selbst, ernsthaft etwas gegen Rechtsextremismus tut. Im Gegenteil: Mobile Beratungsteams, Initiativen, die demokratische Kultur fördern, müssen ständig um Zuschüsse bangen und können so keine kontinuierliche Arbeit machen, werden gar von Kommunen und Kreisen argwöhnisch betrachtet.

Das ist eine der Gründe, weswegen auch die Politik kritisiert wird. In Mügeln oder Umgebung wurde einer Initiative, welche sich mit dem Ziel, gegen Rechtsradikalismus aufzuklären und demokratische Kultur zu fördern, die finanzielle Hilfe versagt (schlagt mich, weil ich nicht mehr genau weiß, wo das war, ich musste heute morgen noch meinen Haushalt neben Radiohören schmeißen ;)).

Warum wird Mügeln gerade sowohl von Politikern als auch Medien gehypt?

Antwort siehe weiter oben.

Warum wird das Versäumnis der Politik nur bei solchen Vorgängen oder nach Wahlen angeprangert?

Weil sonst (leider) kaum jemand drüber spricht.

Warum tickt das Mediensystem so, wie es tickt? Liegt es wieder einmal an Einsparungen, Schlagzeilen-Hascherei? Versagt vielleicht gar der Journalismus?

Ich kenne mich jetzt nicht aus, wie unser Mediensystem intern "tickt", daher sage ich auch nichts dazu. Bei den Privaten ist es häufig Schlagzeilen-Hascherei, da sich mit Sensation (leider) auch Geld verdienen lässt. Hier greift häufig Angebot/Nachfrage. Beim Deutschlandfunk gefiel mir bislang, dass über dieses Thema objektiv berichtet und sachlich informiert wurde; hier war m. E. nichts von Schlagzeilen-Hascherei zu erkennen, was ich persönlich sehr begrüße.
 
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Nur um das mal festzuhalten: Ich habe die letzten Tage weder RTL aktuell geschaut, noch Sat.1-News oder RTL 2, sondern heute, tagesschau und mdr aktuell. In der kurzen, gestrigen tagesthemen-Ausgabe hatte das Thema gefühlt die Hälfte der Sendung ausgemacht.

In Mügeln oder Umgebung wurde einer Initiative, welche sich mit dem Ziel, gegen Rechtsradikalismus aufzuklären und demokratische Kultur zu fördern, die finanzielle Hilfe versagt
Netzwerk für demokratische Kultur in Wurzen.
 
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Danke für die Info, Sachsenradio! :)

Ich habe die letzten Tage überhaupt kein Fernsehen gesehen, daher war mir auch nicht bekannt, inwieweit die ÖR's (zumindest im TV) das Thema intensiv verfolgen, aber danke für die Information mit den Tagesthemen.
 
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Das in der ostdeutschen Provinz die Saat des Rechtsradikalismus besonders gut aufgeht ist doch nichts neues. Dass es jezt Mügeln ist, ist reiner Zufall. Es hätte auch jede andere Ortschaft treffen können.

Die Sinnfrage, warum über einen solch spektakulären Vorfall wie jetzt in Mügeln berichtet wird, erschließt sich mir allerdings nicht so recht.

Mir auch nicht. Natürlich stürzen sich jetzt die Medien darauf, aber das ist ja nichts neues und dürfte allseits bekannt sein. In ein paar Tagen wird sich das aber beruhigen und dann kehrt wieder Ruhe ein und eine andere Sau wird dann durch's Dorf getrieben ( leider im wahrsten Sinne des Wortes).
 
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Ich finde es durchaus nachvollziehbar, dass in dieser Intensität über den Fall berichtet und diskutiert wird. Schließlich waren es nicht bloß zwei oder drei Täter sondern 50(!), die eine wesentlich kleinere Gruppe Inder durch den Ort gehetzt haben. Damit hat der Fall für mich schon eine andere, bisher - glücklicherweise - noch nicht dagewesene Qualität.

Und noch was: Nach NDR2-Nachrichten soll der Herr Bürgermeister zum Thema Rechtsradikalismus gesagt haben, eine Parole wie "Ausländer raus!" könne jedem mal rausrutschen. Das sei kein Zeichen für ein entsprechendes weitläufigeres Problem... Soviel zum Theam "Häufchen Elend". Das ist ja wohl auch eine Aussage, die er sich besser verkniffen hätte. Wem rutscht denn do etwas raus?
 
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Was so nicht stimmt. Er hat gesagt, dass es nicht unbedingt etwas besonderes ist, wenn dort jemand Ausländer raus ruft. Derartige Sprüche hat jeder schon einmal gehört. So oder so ähnlich hat er sich geäußert. Gesendet gestern im Vorabendprogramm der ARD. Das Dumme daran: Er hat damit (leider!) ausnahmslos Recht.
 
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Hallo Sachsenradio,

ich halte das für ein Dilemma der Gesellschaft. Du musst Dich mal in die Situation des Bürgermeisters versetzen: Nach allem was man weiß, ist Rechtsextremismus zu einem Gutteil strukturell bedingt - relative Deprivation, Arbeitslosigkeit, (relativer) Negativismus, Perspektivlosigkeit. Der Bürgermeister kann an diesen Strukturen wenig drehen, das betrifft vorrangig die Ebene der Bundes- und Landespolitik. Das Auftauchen und Bekämpfen rechtsextremistischer Phänomene hingegen ist nun wieder in der Kommunalpolitik angesiedelt. Das heißt: Er hat das Problem vor den Füßen, kann an den Ursachen aber nichts machen. Das betrifft auch die von Dir zitierten Netzwerke: Sie können allenfalls an den Symptomen doktern, aber nicht an die Ursachen gehen. Eine ausgeprägte Bürgerkultur pflanzt Du nicht in eine Gegend, in der sich ein großer Teil als Wendeverlierer sieht. Politische Legitimation ist in Deutschland outputorientiert. Daran kann der charismatischste Bürgermeister nichts ändern. (Im übrigen bekommen die Kommunen ja kaum noch ihre Pflichtaufgaben finanziert. Die Mittelstreichungen sind also kein böser Wille, eher ein weiterer Ausdruck der Hilflosigkeit.)
Räumt er nun aber ein, dass Mügeln ein Problem mit Rechtsextremismus hat, dann wird von ihm erwartet, dass er es auch löst. Aber wie? Das ist der eine Teil des Medienmechanismus'.
Der zweite Teil besteht darin, dass Rechtsextremismus sehr mit Symbolen arbeitet. Wer sich da nicht tief genug einarbeitet, hat keine Chance, die Strukturen und Zusammenhänge zu überblicken. Deshalb hängt sich alles an solchen Einzelfällen auf - sie sind anscheinend überschaubar und taugen daher bestens dazu, daran eine ganze Problematik aufzuhängen. Aber kennst Du ein tagesaktuelles Medium, dass sich noch richtige Rechercheure leistet, die Zeit haben, sich da hineinzufitzen? Alles muss schnell gehen. In dem Falle klappt das aber nicht.
Der dritte Teil ist die große Unsicherheit darüber, wie überhaupt mit dem Thema umzugehen ist. Die "Maske vom Gesicht reißen"? Sachlich berichten und die Meinungsbildung dem Rezipienten überlassen? Ignorieren, weil ja jede Thematisierung der Rechtsextremen bedeutet, ihnen eine Plattform zu geben? Das ist eine Frage, die sehr polarisiert - in einem Maße, in dem der eine die Meinung des anderen weder respektiert, noch toleriert. Du musst also damit rechnen, dass ein "Masken"-Medium die "Plattform-Theoretiker" verliert. Null Chance auf einen Kompromiss.
Es ist momentan (gesamtgesellschaftlich) sehr viel einfacher, mit dem Thema so verfahren, wie wir es in Mügeln sehen. (Rational Choice) Diese Mechanismen kommen bei sehr vielen Themen zum Tragen - nur haben die nicht die gesamtgesellschaftliche Tragweite des Rechtsextremismus'. Deshalb fällt das weniger auf.
Soweit zum Problem - auf die Lösungsvorschläge hier im Forum bin ich gespannt.
Beste Grüße
Die Hexe
 
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Nach allem was man weiß, ist Rechtsextremismus zu einem Gutteil strukturell bedingt - relative Deprivation, Arbeitslosigkeit, (relativer) Negativismus, Perspektivlosigkeit.
Was machst du, um mal bei Sachsen zu bleiben, mit "Vereinen" wie der unsäglichen Kameradschaft Sächs. Schweiz? Dem Landstrich geht es dank Tourismus-Hochburg im Großen und Ganzen ziemlich gut. Die oben angeführten Ursachen ziehen dort nicht. Die SSS ist zwar inzwischen verboten, dass aber gerade dort ein nicht zu unterschätzendes Potential teilweise extrem rechten Gedankengutes vorhanden ist, ist ja allgemein bekannt.
Ansonsten Zustimmung!
 
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Ähem... Verwechselst Du da was? Die Sächsische Schweiz ist ziemlich strukturschwach. (Abwanderung - wer ist gegangen, wer geblieben?, Arbeitslosigkeit, viel plattes Land - beste Rekrutierungsmöglichkeiten, etc.) Und sooo dolle ist das mit dem Tourismus da nicht. Eher im Elbland. Und auch dort würde ich nicht sagen wollen: Geht es im Großen und Ganzen ziemlich gut. Abgesehen von Radebeul vielleicht. ;) Aber allgemein: Es kann durchaus vorkommen, dass es einer Region objektiv/statistisch besser geht, als subjektiv wahrgenommen. Das kann sogar seeehr weit auseinandergehen.
 
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Dem besagten Netzwerk wurden die Mittel zum Beispiel des Muldentalkreises nicht aus schierer Finanznot gestrichen, sondern weil die Auffassung, wie gegen Rechtsextremismus vorgegangen werden soll, unterschiedlich sind. Nebenbei betont man im Muldentalkreis, sei auch Linksextremismus ein Problem. Das will ich nicht mal negiern, im Muldentalkreis allerdings nicht und auch sonst kann man die Gefahren des Links- mit dem Rechtsextremismus nur sehr unzureichend vergleichen.
Ob die Meinung daran liegt, dass die NPD im Kreistag sitzt, weiß ich nicht.
Angesprochene Einrichtungen arbeiten vor allem mit Jugendlichen kulturell, versuchen ihnen eine Freizeitperspektive zu geben, so dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, die Jugendarbeit der NPD in Anspruch zu nehmen.
Da nun wären lokale Medien gefragt, solche Missstände anzuprangern. Wir wissen aber, wie es um den Lokaljournalismus bestellt ist. Für überregionale Medien scheinen solche Dinge nicht relevant genug zu sein.

Weiters ist es durchaus keine zu verniedlichende Frage, ob Rechtsextremen eine Plattform gegeben wird, wenn über Rechtsextremismus berichtet wird. Aber ist es nicht Aufgabe der Medien, diese Leute zu demaskieren? Ist es nicht Aufgabe von uns, Versäumnisse der Politik im Kampf gegen den RE anzuprangern? Zumindest letzteres sollte doch (auch vom personellen Einsatz her) nicht soo schwierig sein.
 
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Meine Freundin kann ein Lied davon singen, wie durch Rechtsradikalismus und die Berichterstattung in den Medien eine ganze Stadt in Verruf kommen kann: sie kommt gebürtig aus Hoyerswerda, und da nützt es sehr wenig, dass es dort inzwischen eine schöne Altstadt gibt, wunderschöne Badeseen im Umland, das wohl genialste Radwegenetz Deutschlands etc. Wenn sie hier im Westen den Namen Hoyerswerda erwähnt, kommt als Reaktion nur: düstere Stadt ganz tief im Osten, in der alle Nazis sind und Asylantenwohnheime in Brand setzen. Ach ja, ihre beste Freundin kommt zufällig aus Mügeln, und ich fürchte, ihr wird es in Zukunft nicht anders gehen...
 
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Wenn an einem Ort eine Treibjagd gegen Ausländer veranstaltet wird und die breite Masse nur blöd glotzt muss sie eben damit rechnen, den Stempel "ausländerfeindlich" aufgedrückt zu bekommen. Sollen die Medien vielleicht nicht darüber berichten? Wird's dadurch besser?
 
AW: Berichterstattung über Mügeln

Mein Mitleid mit Mügeln, das jetzt einen schlechten Ruf hat, hält sich auch in Grenzen. Nicht einer von ihnen hat die Polizei gerufen.
Keine Ahnung, was es dort für Infrastruktur und Gewerbe/Industrie gibt, aber offensichtlich wollen diese Leute keine Touristen und Inverstoren bei sich. Na gut, machen wir einen weiten Bogen um dieses Kaff.
 
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Wenn an einem Ort eine Treibjagd gegen Ausländer veranstaltet wird und die breite Masse nur blöd glotzt muss sie eben damit rechnen, den Stempel "ausländerfeindlich" aufgedrückt zu bekommen. Sollen die Medien vielleicht nicht darüber berichten? Wird's dadurch besser?
Wirds natürlich nicht. Aber wie das Radiohexlein schon amerkte, die Medien vergessen bei ihrer skurillen "Wir-haben-die-böseste-Schlagzeile"-Manier gerne ihre Aufgabe, diverse Ereignisse auch mal zu hinterfragen. Rechtsradikalismus entsteht nicht aus Spaß an der Freude sondern hat Ursachen!
Der Ansatz von SR2 betreffs lokaler Medien ist gut, hat aber leider den Haken, dass man viel zu sehr von Unternehmen etc. vor Ort abhängig ist. In der Haut eines Mügelner Journalisten möchte ich derzeit jedenfalls nicht stecken. Was sind alle journalistischen Prinzipien wert, wenn sie nicht mehr oder nur schwer umsetzbar sind? Von Luft und Liebe allein lebt sich's nämlich relativ schlecht.





Radiohexe schrieb:
Abgesehen von Radebeul vielleicht.;)
Ach ja, Radebeul... da fällt mir immer spontan "Brandenburg" von Grebe ein. Begraben sein möchte ich da nämlich auch nicht. Mit das Hässlichste was Sachsen zu bieten hat. ;) :D
 
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Ich kann das irgendwie nicht ganz nachvollziehen. Gewisse Medien sind doch immer auf der Jagd nach der besten („bösesten“) Schlagzeile. Warum sollte das im Fall Mügeln anders sein? Oder sind es diesmal auch andere - seriösere – Medien, deren Art so etwas sonst nicht ist? Wenn ja, welche Fälle denn konkret. Wer hat mit welcher Aussage/Schlagzeile/... den Bürgermeister als „Häufchen Elend“(Sachsenradio2)dargestellt? Das würde ich gern wissen.
 
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Ich wollte keinesfalls alle Medien über einen Kamm scheren. Es gibt aber auch bei großen öffentlich-rechtlichen Anstalten inzwischen teilweise erschreckende Anflüge boulevardesker Berichterstattungen, auch über Mügeln.
 
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Wenn an einem Ort eine Treibjagd gegen Ausländer veranstaltet wird und die breite Masse nur blöd glotzt muss sie eben damit rechnen, den Stempel "ausländerfeindlich" aufgedrückt zu bekommen. Sollen die Medien vielleicht nicht darüber berichten? Wird's dadurch besser?
Die Frage, ob Medien darüber nicht berichten sollen, stellt sich gar nicht. Es geht um das wie!
Mein Mitleid mit Mügeln, das jetzt einen schlechten Ruf hat, hält sich auch in Grenzen. Nicht einer von ihnen hat die Polizei gerufen.
Keine Ahnung, was es dort für Infrastruktur und Gewerbe/Industrie gibt, aber offensichtlich wollen diese Leute keine Touristen und Inverstoren bei sich. Na gut, machen wir einen weiten Bogen um dieses Kaff.
Es lebe die Schwarz-Weiß-Malerei. So einfach ist es eben nicht. Aber das kommt natürlich in solchen Medien-Hypes nicht rüber. Ich mache übrigens auch einen riesen Bogen um Sebnitz, weil da andersfarbige Kinder im Freibad ersoffen werden.

Wer hat mit welcher Aussage/Schlagzeile/... den Bürgermeister als „Häufchen Elend“(Sachsenradio2)dargestellt?
Der Bürgermeister wird in vielen Berichten als hilfloser Provinzbürgermeister vorgestellt, der um seine rechtsextreme Stadt weiß und nichts dagegen unternehmen will/ kann. Dabei wird ihm gern auch mal das Wort im Mund verdreht, wie hier zum Ausdruck kommt:
Nach NDR2-Nachrichten soll der Herr Bürgermeister zum Thema Rechtsradikalismus gesagt haben, eine Parole wie "Ausländer raus!" könne jedem mal rausrutschen. Das sei kein Zeichen für ein entsprechendes weitläufigeres Problem...
Das ganze Problem ist viel differenzierter, als es derzeit dargestellt wird. Ich habe durchaus Mitleid mit den Mügelnern und ihrem BM. Denn diese Stadt wird als rechtsextremistisch gebranntmarkt, während andere Städte lediglich das "Glück" haben, dass dort keine Hetzjagden veranstaltet werden oder es zumindest nicht bekannt wird.
Dann wird den Bürgern und Stadtpolitikern die Schuld am Geschehenen zugeschoben, was zwar nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig ist. Bundes- und Landespolitiker schwingen sich in Absichtserklärungen, aber wenn es dann hart auf hart kommt, gibt es für wirklich sinnvolle Projekte eben doch kein Geld.

Übrigens gibt es im Fall Mügeln durchaus Parallelen mit Sebnitz. Aber aus Sebnitz haben "wir" anscheinend nix gelernt.
 
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Denn diese Stadt wird als rechtsextremistisch gebranntmarkt, während andere Städte lediglich das "Glück" haben, dass dort keine Hetzjagden veranstaltet werden oder es zumindest nicht bekannt wird.
Genau das ist doch das zentrale Problem in dieser Debatte. Ich sehe die Medien im allgemeinen aber auch in einem Dilemma, was die Berichterstattung über die rechte Szene angeht. Bei vielen (Stichwort Protestwähler) scheint immer noch nicht angekommen zu sein, wozu diese Gruppierungen in der Lage sind, wenn sie denn erst mal loslegen. Dass sich ein derart abscheulicher Vorfall ausgerechnet in Mügeln ereignet hat, ist zwar bedauerlich für das Städtchen, aber andererseits auch nicht zu ändern. Hätte diese Hetzjagd in einem Nachbarsdorf stattgefunden; gut möglich, dass das Gros der Umstehenden genauso teilnahmslos zugeschaut hätte. Nichtsdestotrotz ist es meiner Meinung nach gerechtfertigt, all denen, die nichts getan haben, ihr Nichtstun zum Vorwurf zu machen. Ich erinnere mich daran, was hier los war, als sich hier ein Jugendlicher aus Nordwest-Mecklenburg über die hohe NPD-Akzeptanz in der Bevölkerung beschwerte und gleichzeitig einräumte, aus Prinzip nicht wählen zu gehen. Mit ihm wart ihr weniger zimperlich als mit diesen desinteressierten Zuschauern.
Allerdings ist dies ein Vorwurf, der jedem einzelnen gemacht werden sollte. Es liegt mir fern, den Ruf des ganzen Örtchens zu demolieren, aber der dürfte nun ohnehin schon ruiniert sein. Dazu hätte die Berichterstattung aber noch so objektiv ausfallen können. Man fällt sich halt doch mal gerne sein eigenes vorschnelles Urteil.

Ein Aspekt wird in dieser Diskussion gerne übersehen, und ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wie ich ihn mit oben Genanntem verknüpfen soll, darum nun ein neuer Abschnitt. Offenbar haben die Inder doch, bevor es zum Angriff kam, schön mit den übrigen Stadtbewohnern gefeiert, ansonsten wären sie doch gar nicht auf dem Stadtfest anzutreffen gewesen. Also scheint die Mehrheit der Mügelner kein Problem mit Ausländern zu haben, was die Vorwürfe, die ihnen zu machen sind, vielleicht doch wieder ein wenig relativiert. Das war natürlich etwas spekulativ, dabei war ich auch nicht.
 
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Offenbar haben die Inder doch, bevor es zum Angriff kam, schön mit den übrigen Stadtbewohnern gefeiert, ansonsten wären sie doch gar nicht auf dem Stadtfest anzutreffen gewesen. Also scheint die Mehrheit der Mügelner kein Problem mit Ausländern zu haben, was die Vorwürfe, die ihnen zu machen sind, vielleicht doch wieder ein wenig relativiert.

Also sagen wir mal so, sie waren dabei. Ob sie jetzt wirklich mitgefeiert haben, glaube ich eher nicht. Der höhere Alkoholpegel hat dann zu späterer Stunde auch die Hemmschwelle sinken lassen und ein Grund zum Pöbeln findet sich immer. Von daher kann man das wohl kaum als Entschuldigung gelten lassen.

Das die meisten Einwohner in einem Dilemma stecken ist nicht zu leugnen. Wenn sie sich offen gegen rechts stellen, dann werden sie wahrscheinlich in diesem Dorf ihres Lebens nicht mehr froh und wenn sie sympathiesieren zeigt die halbe Welt mit dem Finger auf sie. Das ist ähnlich wie mit der Mafia. Am Besten nichts sehen und nichts hören.
 
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Insofern kann sich der BM einer solchen Stadt gern auch mal von der großen Politik im Stich gelassen fühlen. Und auch von der Polizei.

Die Frage ist ja jetzt die: Was können WIR Journalisten tun? Wie können wir beispielsweise die Redaktionen davon überzeugen, solche Beiträge auch zu kaufen, wenn gerade nix spektakuläres wie in Mügeln passiert?
 
AW: Berichterstattung über Mügeln

Tweety schrieb:
Also sagen wir mal so, sie waren dabei. Ob sie jetzt wirklich mitgefeiert haben, glaube ich eher nicht.
Interessant - Du hast nähere Informationen? Dann enthalte sie uns doch bitte nicht vor. Ansonsten gilt Dieter Nuhr.

Im übrigen wären "die Medien" in ihrer Berichterstattung über den Rechtsextremismus ebenso wie "die Politik" in ihren Reaktionen zum Thema wesentlich glaubwürdiger, wenn sie nicht gleichzeitig den Linksextremismus ein wenig augenzwinkernd als irgendwie nicht so schlimm hinstellen würden. Allein die Tatsache, daß "links" hierzulande keineswegs etwas Extremistisches, sondern vielmehr was irgendwie Cooles bezeichnet, während "rechts" automatisch mit "rechtsextremistisch" gleichgesetzt wird, zeigt, daß das politische Koordinatensystem in Deutschland schwer im Ungleichgewicht ist.

Wäre das anders, könnte man auch endlich mal aufhören, "den Strukturen" und "den Umständen", gern auch "der Politikverdrossenheit" die Schuld an rechtsextremistischen Umtrieben zu geben und nüchtern feststellen, daß in so ziemlich jedem Land in Europa ein struktureller Anteil von fünf bis zehn Prozent rechtsradikal Denkender und Wählender zu verzeichnen ist. Daß so etwas in Deutschland mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet wird, versteht sich angesichts der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dadurch wird es aber im europäischen Kontext nicht weniger normal (wenn es auch unappetitlich bleibt).

Ebenso könnte man dann, anstatt bei jeder rechtsextremistischen Straftat (zu denen übrigens, auch wenn das bei der Vermeldung der Statistiken durch die Medien gern verschwiegen wird, größtenteils Schmierereien, Denkmalsbeschmutzungen und ähnliches gehören) laut aufzuheulen und nach noch mehr offensichtlich sinnlosen Aktionsprogrammen und Bündnissen zu rufen, mal gegenrechnen, wie viele linksextremistische Straftaten es gibt und sich fragen, ob das eine nicht ebenso schlimm ist wie das andere. Übrigens wäre es auch interessant, zu wissen, wie hoch die Zahl der von Linksextremisten begangenen Straftaten erst wäre, wenn deren Zeichen, Symbole und Parolen ebenso strafbewehrt wären, wie die der Rechtsextremisten.

Solange die einfachste Methode, Tabus zu brechen und Medienaufmerksamkeit zu erhaschen, darin besteht, mit ausgestrecktem Arm durch die Stadt zu laufen und "Ausländer raus" zu rufen, wird der Reiz, genau dieses zu tun, kaum nachlassen.

Selbst in den indischen Medien übrigens, so berichtete es heute morgen im Deutschlandradio der (indischstämmige) migrationspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, der gerade von dort zurückgekommen ist, wurde die Geschichte (die ich keinesfalls verniedlichen will) nicht sonderlich hoch gehängt.
 
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