Die Meldung des Jahres

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Gerade in den SWR2-Nachrichten gehört:
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat bei Tageslicht ein Glas Wasser getrunken.
Haben n-tv und N24 schon Liveschalten eingerichtet? Gibt es schon eine Reaktion aus Washington? Und wird für heute Abend ein aktueller ARD-Brennpunkt eingerichtet?
 
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Das schreit ja geradezu nach

++EILMELDUNG+++++EILMELDUNG+++++EILMELDUNG+++++EILMELDUNG+++

Ich denke, Horst Köhler wird sich vor Ort noch heute vom Geschehen überzeugen. Außerdem werden sicher Abgesandte der UNO-Friedenstruppen an den Ort des außergwöhnlichen Vorfalls reisen, um die Terrorgefahr zu bannen. Vielleicht wird Kofi Annan auch als Vermittler in die Türkei geschickt? :wall:
 
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Wenn man die Meldung in ihrer Gänze hört läßt sich schon an der Wiederwahl Güls zweifeln (vor allem wenn man sich seine Ausrede auf der Zunge zergehen läßt).
 
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Das melden die erst heute? Ist doch von gestern, die Meldung.

Egal.

Ich weiß ja nicht wie die Kollegen vom SWR das eingeordnet haben. Auf den ersten Blick sieht es natürlich aus wie diese berühmte ZEIT-Reklame von vor zehn Jahren ("Wir sind jetzt live bei dem Mann, der es wagt, ein Glas Wasser zu trinken...")

Was man dazu wissen muss: Bekanntlich war gestern Beginn des Ramadans, wo es strenggläubigen Muslimen verboten ist, während des Tages zu essen und zu trinken, und dieses Tabu hat Herr Gül offenbar mehr oder weniger aus Versehen gebrochen. Das alles muss man betrachten vor dem ganzen Vorlauf in der Türkei, seine drei Anläufe zur Kandidatur, die die erhitzte Debatte um die Frage, ob er möglicherweise die strenge Trennung von Staat und Religion aufhebt usw. usf.

Langer Rede kurzer Sinn: das einfach nur so zu melden ist natürlich blödsinnig, wenn man die entsprechenden Hintergrundinfos nicht mitliefert.

Guckst du z. B. hier
 
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Bekanntlich war gestern Beginn des Ramadans, wo es strenggläubigen Muslimen verboten ist, während des Tages zu essen und zu trinken, und dieses Tabu hat Herr Gül offenbar mehr oder weniger aus Versehen gebrochen.

Ganz richtig. Aber es ist bekannt, dass - zumindest unter den Nicht-Strenggläubigen - das Verbot nicht mehr allzu genau genommen wird. Studien zeigen auf, dass die meisten Menschen während des Fastenmonats sogar zunehmen. Die Restaurants machen allerhöchstens in den ersten Tagen etwas weniger Umsatz. Insofern finde ich es reichlich übertrieben, es als Glaubensbruch zu bezeichnen. Das Fasten ist eher eine Tradition.
 
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Was wäre denn eine vergleichbare Meldung aus Deutschland? Welches religiöse Tabu müsste ein Politiker übertreten, um vergleichbar in den Nachrichten aufzutauchen.
Mir fällt nichts ein.
 
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Welches religiöse Tabu müsste ein Politiker übertreten

Das wird schwer .......vielleicht 1), 9), 10)

1. Du sollt keine anderen Götter haben neben mir
2. Du sollst den Namen des Herrn ... nicht missbrauchen
3. Du sollst den Feiertag heiligen
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren
5. Du sollst nicht töten.
6. Du sollst nicht ehebrechen.
7. Du sollst nicht stehlen
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.


Falls einer der hier Lesenden diese Aufzählung nicht kennen sollte : Das sind die 10 Gebote, nach denen es sich in unserer christlichen Welt zu leben lohnt.
Und sicher auch in den anderen Gegenden der Welt !
 
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Entschuldigung, DS, aber unter den "Strenggläubigen", und davon gibt es in der Türkei nicht wenige, wird das ganz sicher als Glaubensbruch, wie du das nennst, angesehen. Und zunehmen kann man auch wunderbar nachts. Vertreten nicht hochwertige Publikationen, die vorwiegend von Frauen mittleren Alters gelesen werden, ohnehin die Position, alles, was nach sechs Uhr abends gegessen wird, setze an?
 
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Was wäre denn eine vergleichbare Meldung aus Deutschland? Welches religiöse Tabu müsste ein Politiker übertreten, um vergleichbar in den Nachrichten aufzutauchen.
Der Grund, warum diese Geschichte hochgespielt wird, ist ja, dass Herr Gül und seine AKP-Partei aus der islamischen Ecke kommen, und nun an ihren eigenen Maßstäben gemessen werden. Hätte ein Attatürk-Politiker im Ramadan tagsüber sein Schnitzelweck verputzt, so hätte man ihm das vielleicht sogar als laizistisch-staatstragend ausgelegt.

Von daher kann man diese Angelegenheit vielleicht mit Herrn Seehofer vergleichen, der zum einen ein Kind mit einer Geliebten hat, zum anderen Vorsitzender einer C-Partei werden möchte.
 
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Entschuldigung, DS, aber unter den "Strenggläubigen", und davon gibt es in der Türkei nicht wenige, wird das ganz sicher als Glaubensbruch, wie du das nennst, angesehen.

Ist schon korrekt: Zugeschlagen wird v. a. natürlich nachts. In den "westlicheren" Regionen nehmen viele Menschen das Gebot aber nicht mehr als zu ernst. In der Türkei gibt es aber bekanntlich sehr viele Gläubige, die sich an das Fasten halten. Die Ehefrau des Präsidents gilt z.B. als sehr streng gläubig - und auch Gül selbst galt so. Möglicherweise möchte er sich mit dem Bruch des Gebotes ja von diesem Image lösen.
Gül selbst soll sich übrigens im Nachhinein beschwert haben, dass man ihn nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass er das Wasser nicht drinken sollte und man ihm überhaupt Wasser bereitgestellt hatte. Die Reaktionen über diese Aktion haben sich in Grenzen gehalten, man habe ihm "vergeben"..
 
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Was wäre denn eine vergleichbare Meldung aus Deutschland? Welches religiöse Tabu müsste ein Politiker übertreten, um vergleichbar in den Nachrichten aufzutauchen.
Mir fällt nichts ein.

Mir auch nicht. Ich glaube (sic!), eine vergleichbare Meldung aus Deutschland hätte wahrscheinlich keinen religiösen Bezug, weil die Religion (zumindest im Moment) hier nicht den Stellenwert hat wie derzeit in der Türkei.

Die Parallele von @*freiwild mit Seehofer finde ich ziemlich gut. Ein Politiker, der im privat gegen die eigenen Maßstäbe verstößt, die er öffentlich vertritt. Das hat ja schon so manchen Politikerkopf ins Rollen gebracht.

Wobei ja Herr Gül nach seiner Wahl betont hat, sooo islam-fundamentalistisch sei er gar nicht. Deswegen wundert mich diese öffentliche Hysterie auch ein bisschen. Vielleicht, weil da gerade so eine aufgeheizte Stimmung herrscht. Kann es sein, dass sie da unten im Ramadan alle ein bißchen ... wie soll ich sagen ... sensibel sind?
 
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Kann es sein, dass sie da unten im Ramadan alle ein bißchen ... wie soll ich sagen ... sensibel sind?
Wenn ich an Weihnachten mit einem "Jesus-the-Motherfucker"-T-Shirt in die Kirche gehen würde, könnte es auch sein, dass der ein oder anderes etwas "sensibel" reagiert. ;)
 
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Den Seehofer-Vergleich find ich auch recht passend.

Die interessante Frage an dem Thema wäre ja nun, ob Gül tatsächlich nicht so islam-fundametal eingestellt und die Bedrohung der westlichen Werte schlechthin und des Laizismus in der Türkei ist, wie das die hiesigen Medien und seine Gegner in der Türkei im Vorfeld der Wahl dargestellt haben. Eventuell gibt es ja jenseits des Themas Islam noch andere weniger bekannte Themen und Interessen, wegen denen der Herr Gül unter hysterischen Dauer-Beschuß steht?
 
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Wenn ich an Weihnachten mit einem "Jesus-the-Motherfucker"-T-Shirt in die Kirche gehen würde, könnte es auch sein, dass der ein oder anderes etwas "sensibel" reagiert. ;)

Im Prinzip richtig, aber nicht ganz. Ich sehe da ehrlich gesagt schon einen kleinen Unterschied zu Herrn Gül, mit Verlaub. So wie ich seine Erklärung verstehe, hat er nicht bewusst provokativ, sondern fahrlässig-vergesslich gehandelt. Und da finde ich die Reaktion denn doch ein bißchen "über-sensibel".

Das ist was ganz anderes als z.B. der Ausbruch der zweiten Intifada vor sieben Jahren. Da ist Scharon über den Tempelberg gegangen, der für Moslems heilig ist. Das war ein ganz bewußter Akt, er war als Provokation gemeint, und er hatte dann ja auch die entsprechenden Konsequenzen.

Also, um Deinen Vergleich zu bemühen: das mit Gül wäre ungefähr so, als ginge mitten im Weihnachtsgottesdienst aus Versehen mein Handy los.

Insofern hinkt auch Dein Seehofer-Vergleich doch ein bißchen, je länger ich drüber nachdenke. Es ist ja wohl schon was anderes, ob man einen Schluck Wasser trinkt oder ob man eine uneheliche Geliebte schwängert. Ich weiß - für viele Kollegen ist das Jacke wie Hose, aber ... okay, das wird jetzt OT... :rolleyes:

P.S. Literaturtipp in diesem Zusammenhang: "Wir brauchen keinen Gott. Warum man jetzt Atheist sein muss" von Michel Onfray, erschienen im Piper-Verlag, 8,95 Euro.
 
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Wenn Gül im Ramadan ein Glas Wasser trinkt, dann ist das ungefähr so, wie wenn Herr Stoiber oder sonst ein katholischer Politiker hohen Ranges in der Karwoche ein Schnitzel vertilgt. Nicht mehr und nicht weniger.
 
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Fehlen zwar die Worte "öffentlich", "im Beisein von zahlreichen Kameras und Mikrofonen" sowie "nach wochenlangen erhitzten Debatten über die Trennung von Kirche und Staat".

Aber ansonsten: d'accord.
 
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