Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

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OnkelOtto

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Unter der Überschrift „Das Kulturradio des WDR soll leichtgewichtiger werden“ berichtet die ZEIT vom 7. Februar über geplante Veränderungen bei WDR3:

Mit Billigung der neuen Intendantin Monika Piel habe Hörfunkdirektion und Wellenleitung eine "Optimierung" des Nachmittagsprogramms im dienstältesten Kulturradio der Republik zum 1. Mai (bei Zustimmung des Rundfunkrates) angekündigt. Hier sei eine Veränderung vom Einschalt- zu einem Tagesbegleitprogramm beabsichtigt.
Die Leitungsgremien begründen diesen „Relaunch“ mit der „insgesamt sinkenden Akzeptanz von WDR 3“. Vor allem würde die Welle ihr Publikumspotenzial am Nachmittag unzureichend ausschöpfen.

Die ZEIT fasst die Veränderungen so zusammen: „Das Kulturradio soll eine musikgestützte Kulturwelle werden und sich schärfer vom Wortprogramm WDR 5 abgrenzen.
Pro Sendestunde stehen künftig 13 Minuten Wort zur Verfügung.“

Die Redakteure allerdings laufen dagegen Sturm. „Qualitätsvernichtung", "Entwortung", „Verflachung“ sind die Stichworte. So sollen die „Musikpassagen“ nur noch am Samstag stattfinden. Andere Sendungen, wie „TagesZeichen“ oder 3.pm verfüssigen sich in einem nachmittäglichen Kulturmagazin in "‘neuem Kulturtonfall‘, mit klassischer Musik, kleinen Beiträgen und stündlich unterbrechenden Nachrichten, die nicht mehr zulassen werden, das ganze Werk auszuspielen“, so die Zeit wörtlich.
Auch das Feature verliert Sendeplätze.
Präsentiert werden soll das „neue“ WDR3 vornehmlich von „bewusst jüngeren Stimmen“, die gerade angeworben würden. Die ZEIT berichtet auch über das Mischungsverhältnis:
„Für alle Sendungen vorgegeben ist ein Musik-Wort-Verhältnis von 70 zu 30, wobei Anmoderation und Nachrichten auf das Wortkonto gehen. Pro Stunde, heißt das netto, stehen dem Kulturradio künftig 13 abgezählte Minuten Wort zur Verfügung.“
Der Vorwurf an die Führungsebene lautet zusammengefasst: „Organisierte Entintellektualisierung“.

Die leitenden Personen allerdings berufen sich auf die Ergebnisse der Medienforschung und argumentieren mit Hörerschwund, vor allem wegen „der schlechten Dramaturgie des Nachmittagsprogramms“.

Die ZEIT dokumentiert die Aussage von Hörfunkdirektor Schmitz: "Wir haben nicht vor, aus Konkurrenzdruck-Denken unser Tafelsilber zu verscherbeln, ganz im Gegenteil: Wir wollen es besser polieren, damit mehr Leute Spaß dran haben."

Die Zustimmung zu WDR 3 sei in den letzten drei Media-Analysen von 2,1 Prozent auf 1,6 Prozent gesunken. Schmitz wörtlich: "Da müssen Sie reagieren, die Gruppe der über 60-Jährigen reicht auf Dauer nicht mehr aus. Es ist unbefriedigend, nur jene zu erreichen, die ohnedies schon für Kultur gewonnen sind."

Und Wellenchef Karst sagt: "WDR 3 soll das Feuilleton von Nordrhein-Westfalen werden, das zentrale Kulturmedium für das Land." Die Redakteure allerdings sehen in diesen Aussagen/Ankündigungen die Entstehung eines „adrett durchmoderierten Klassikkanals mit bunten Kulturinfos“ nach dem Motto „Kultur to go“.
Die ZEIT schließ ihren Artikel mit der Prognose:

„Dann könnte der große Profiteur der WDR-Reform der Deutschlandfunk sein. Mit Vorsicht und langem Atem setzt man dort auf das Bedürfnis nach Tiefe, Qualität und Ruhe, nach Gesprächen statt Interviews und der Renaissance des Wortes. Es soll in der Republik noch Menschen geben, die mehr wollen als die Welt in zwei Minuten dreißig.“

Wie sieht dies die Forengemeinde?
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Unter der Überschrift „Das Kulturradio des WDR soll leichtgewichtiger werden“ berichtet die ZEIT vom 7. Februar über geplante Veränderungen bei WDR3:

Mit Billigung der neuen Intendantin Monika Piel habe Hörfunkdirektion und Wellenleitung eine "Optimierung" des Nachmittagsprogramms im dienstältesten Kulturradio der Republik zum 1. Mai (bei Zustimmung des Rundfunkrates) angekündigt. Hier sei eine Veränderung vom Einschalt- zu einem Tagesbegleitprogramm beabsichtigt.

Na herzlichen Glückwunsch! :rolleyes: Ist der Qualitätsabfall eines landesweiten Kulturradios jetzt auch beim WDR angekommen? Seit wann ist Kulturradio ein Begleitradio?

Die Leitungsgremien begründen diesen „Relaunch“ mit der „insgesamt sinkenden Akzeptanz von WDR 3“. Vor allem würde die Welle ihr Publikumspotenzial am Nachmittag unzureichend ausschöpfen.

Die ZEIT fasst die Veränderungen so zusammen: „Das Kulturradio soll eine musikgestützte Kulturwelle werden und sich schärfer vom Wortprogramm WDR 5 abgrenzen.
Pro Sendestunde stehen künftig 13 Minuten Wort zur Verfügung.“

Sind die Nachrichten mit eingerechnet oder nicht? Ähm, ich lese weiter unten - sie sind es! Gute Nacht - WDR 3 goes Klassik Radio. Acht Minuten Wort in einer Stunde (fünf gehen für die Nachrichten drauf) sind für Kultur absolut unzureichend.

Die Redakteure allerdings laufen dagegen Sturm. „Qualitätsvernichtung", "Entwortung", „Verflachung“ sind die Stichworte.

Womit sie Recht haben.

So sollen die „Musikpassagen“ nur noch am Samstag stattfinden. Andere Sendungen, wie „TagesZeichen“ oder 3.pm verfüssigen sich in einem nachmittäglichen Kulturmagazin in "‘neuem Kulturtonfall‘, mit klassischer Musik, kleinen Beiträgen und stündlich unterbrechenden Nachrichten, die nicht mehr zulassen werden, das ganze Werk auszuspielen“, so die Zeit wörtlich.

Kulturtonfall oder Klassikdudel mit gelegentlichen Wortpassagen? Das ist hier die Frage...

Auch das Feature verliert Sendeplätze.
Präsentiert werden soll das „neue“ WDR3 vornehmlich von „bewusst jüngeren Stimmen“, die gerade angeworben würden.

Ich möchte jetzt nicht pauschal klingen, aber verkörpern jüngere Stimmen auch automatisch einen Bezug zur Kultur oder ist das möglicherweise sogar gar nicht beabsichtigt?

Die ZEIT berichtet auch über das Mischungsverhältnis:
„Für alle Sendungen vorgegeben ist ein Musik-Wort-Verhältnis von 70 zu 30, wobei Anmoderation und Nachrichten auf das Wortkonto gehen. Pro Stunde, heißt das netto, stehen dem Kulturradio künftig 13 abgezählte Minuten Wort zur Verfügung.“

Hat der WDR schon mal daran gedacht, dass Kultur nicht nur aus Musik besteht? Und wenn ich abgezähltes Wort lese, bekomme ich automatisch einen Anfall. Seit wann muss Wort in einem Kulturradio auf die Minute genau abgezählt sein? :wall:

Der Vorwurf an die Führungsebene lautet zusammengefasst: „Organisierte Entintellektualisierung“.

Vollste Zustimmung!

Die leitenden Personen allerdings berufen sich auf die Ergebnisse der Medienforschung und argumentieren mit Hörerschwund, vor allem wegen „der schlechten Dramaturgie des Nachmittagsprogramms“.

Klar darf ein öffentlich-rechtliches Programm sich nicht allzu weit vom Publikum entfernen, aber auch hier die Frage: Ist es Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Massen zu befriedigen? Ich sage: NEIN! Außerdem war WDR 3 nie ein Massenprogramm.

Die ZEIT dokumentiert die Aussage von Hörfunkdirektor Schmitz: "Wir haben nicht vor, aus Konkurrenzdruck-Denken unser Tafelsilber zu verscherbeln, ganz im Gegenteil: Wir wollen es besser polieren, damit mehr Leute Spaß dran haben."

Also doch eine Veränderung zum Massenprogramm. Das Tafelsilber ist verscherbelt, wenn oben genannte Aussagen bzgl. der Programmänderungen zutreffen.

Die Zustimmung zu WDR 3 sei in den letzten drei Media-Analysen von 2,1 Prozent auf 1,6 Prozent gesunken. Schmitz wörtlich: "Da müssen Sie reagieren, die Gruppe der über 60-Jährigen reicht auf Dauer nicht mehr aus. Es ist unbefriedigend, nur jene zu erreichen, die ohnedies schon für Kultur gewonnen sind."

Stimmt, statt dessen vertreibt man diese und bedient sich Nebenbeihörern, lässt aber die Möglichkeit aus, diesen Hörern einen tieferen Einblick in die Materie zu ermöglichen.

Und Wellenchef Karst sagt: "WDR 3 soll das Feuilleton von Nordrhein-Westfalen werden, das zentrale Kulturmedium für das Land." Die Redakteure allerdings sehen in diesen Aussagen/Ankündigungen die Entstehung eines „adrett durchmoderierten Klassikkanals mit bunten Kulturinfos“ nach dem Motto „Kultur to go“.

Auch hier gebe ich den Redakteuren Recht.

Die ZEIT schließ ihren Artikel mit der Prognose:

„Dann könnte der große Profiteur der WDR-Reform der Deutschlandfunk sein. Mit Vorsicht und langem Atem setzt man dort auf das Bedürfnis nach Tiefe, Qualität und Ruhe, nach Gesprächen statt Interviews und der Renaissance des Wortes. Es soll in der Republik noch Menschen geben, die mehr wollen als die Welt in zwei Minuten dreißig.“

Das kann allerdings zutreffen, zumal der Deutschlandfunk tatsächlich genannte Mittel einsetzt. Und ja - es gibt genügend Menschen, die sich für mehr Wort begeistern können!

Wie sieht dies die Forengemeinde?

Negativ - in jeder Hinsicht. Ich hoffe lediglich, dass genannte Meldung nicht umgesetzt wird, rechne aber mit allem.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Vorbemerkung: Da ich es nicht als prickelnd empfinde, ein Klassikprogramm ohne Not über Webradio zu hören und mir andere Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, höre ich zugegebenermassen WDR 3 nicht allzuoft bis eher selten.

Aber: Es scheint ein Trend zu sein, der bei den Kultur/Klassikwellen um sich greift. Mit so ziemlich genau der gleichen Begründung wurde bei Bayern2 (Kultur) der Nachmittag verändert, um mehr zum Tagesbegleitmedium zu werden. (Einschaltradio heisst wohl auch immer, dass der Hörer ausschalten kann.) Schleichend ist diese Entwicklung auch bei Bayern4 zu bemerken. Nachdem der Programmbereichsleiter von Bayern2 das Musikquiz 'Das kenn ich doch' aus dem Programm verbannte, gibt es nun allsonntäglich eine 'light'-Variante in B4.
Insofern, meine Conclusio: Die angekündigte Reform hat für mich nichts Gutes zu bedeuten. Ausgehend von meiner persönlichen Geschichte schalte ich einen Klassiksender ein, wenn ich Klassik gerade auch in längeren Strecken hören will, ein Werk, das ich (noch) nicht kenne. Dies zu den Musikstrecken und _meinem_ Einschaltimpuls.
Desweiteren empfinde ich es als geradezu unerhört, dass jüngere Stimmen gezielt angeworben werden sollen. Für mich klänge ein 20-40jähriger (hier bin ich jetzt sicher stark verallgemeinernd) als Präsentator einer Klassiksendung nicht glaubwürdig. Gehört doch eine gewisse Lebenserfahrung dazu, auch Nicht-Pop-Kost so darzubieten, dass eine Sendung eben 'rund' klingt. (Damit meine ich NICHT(!) formatiert.)

Das nur meine ersten Gedanken aus der bayerischen Ferne, die ja nicht das Gelobte Land ist (Erzbischof Marx).
Greisslich, wenn Kultur und Klassik auch schon nach dieser gottverdammten Quote schielen müssen und das auch noch schamlos tun.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Warum wird eigentlich im gleichen Atemzug wenn von Kulturradio die Rede ist Klassik als die einzig wahre kulturelle Musik gesehen? WDR3 sollte sich von dem Klassikzwang befreien und auch offener für andere Stile wie z.B. Jazz, finnische Musik etc. Klar, dass sie Hörer verlieren, wenn sie immer nur auf Klassik setzen. Das hören nun mal die Älteren. Da hilft es auch nicht, die Wortbeiträge zu kürzen bzw. zu streichen. Die sind nicht undbedingt schuld an der sinkenden Akzeptanz.
Wobei, es ist schon ein guter Ansatz das Programm hörbarer zu machen. DeutschlandRadio Kultur macht auch nichts anderes. Im Prinzip ist es ein durchformatiertes Kulturradio. WDR3 nimmt sich nun ein Beispiel daran. Was ist daran verkehrt, wenn man sich mehr den Hörgewohnheiten anpasst und endlich auch mal in den Kulturwellen die Wortbeiträge strafft, das Programm etwas verjüngt um endlich auch mal unter anderem Kulturradio für junge Leute zu machen? Es gibt genügend Leute im Alter von sagen wir 20 bis 35, die auch offen für Kulturradio sind. Die bedient man aber mit Klassik z.B. nicht. Eher mit Popkultur, neuartiger Musik und Jazz. Warum immer nur Kulturradio für die ältere Generation?

Schade, dass das Feature weniger Platz findet. Gerade das ist eine tolle und interessante Form, die es in Deutschland immer weniger gibt. Gerade ein öffentlich-rechtliches Kulturradio sollte so etwas vermehrt bringen.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Stichwort Deutschlandfunk:

Im Süden gibt es mittlerweile keinen Landessender mehr, der längere Zeitfunksendungen ohne Häppchenjournalismus und Musikunterbrechungen (Info-Magazine) ausstrahlt. Da gibt es keine Alternative zum DLF. Während der hr und die Sender der Südwest-Schiene ihre ehemaligen Journale durch Langstrecken-Magazine ersetzt haben, ist auch die Radiowelt des BR nur noch auf Durchhörbarkeit ausgelegt. Ähnlich dürfte es jetzt der Kultur im Westen ergehen.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

In den letzten Jahren habe ich die Wellen des WDR mit immer größer werdender Faszination gehört. Nicht etwa, weil dessen Programme immer besser geworden sind, sondern weil ich spürte, dass der WDR selbst dem stärksten Verflachungsorkan Widerstand zu leisten vermochte.

Nachrichten, die zu jeder Tageszeit fünf Minuten dauern, eine Popwelle, die kurz vor Mitternacht -als wäre es eine Selbstverständlichkeit- 30 Minuten Wort am Stück sendet (Berichte von heute). Die Meldungen "zur Verkehrslage", welche andernorts schon seit einer knappen Dekade nicht mehr ohne mindestens eine Steigerungsform und Musikbett auskommen. Moderatoren auf WDR 5, denen man in jeder Moderation anhört, dass sie ihren Beruf der Begeisterung am Medium wegen ausüben. Auch das Klassikforum auf WDR 3, das man geradezu mit Demut lauscht, weil man anerkennt, mit welcher Sorgfalt die Musik ausgewählt wurde, mit welch präzisen Hintergrundinformationen sie an- und abgesagt wird. Und schließlich die ungewöhnlich kritischen, im oben verlinkten Thread auch als "äußerst linkslastig" bezeichneten, aber dennoch überraschend selten oberflächlichen oder plakativen Kommentare in TagesZeichen auf WDR 3.
Das alles -repräsentativ für den gesamten WDR- gab mir immer wieder das Gefühl, Hörer bei der letzten Rundfunkanstalt zu sein, die ihre Hörer respektiert. Eine Anstalt, die sich durch hochwertigen Inhalt qualifizieren kann, während man woanders mit Sprüchen vom Vakuum hinter der Fassade ablenken muss, die sogar im Radio genauso grell zu blinken scheinen wie Las Vegas bei Nacht.
Da konnte man auch schon einmal über den häufig eher trocken-distanzierten Umgang mit den Hörern hinwegsehen. Bekam die Wetterfee bei einer Sturmankündigung in einer süddeutschen Rundfunkanstalt fast einen Herzkasper, las der Nachrichtensprecher des WDR staubtrocken und seelenruhig von seinem Papier: "Das Wetter in Nordrhein-Westfalen, anschließend eine Unwetterwarnung".
Eigentlich müsste ich mich mit meiner Vorstellung von Radio beim DLF pudelwohl fühlen, seltsamerweise schalte ich aber sogar für die Nachrichten lieber zum WDR und finde keine rationale Antwort für diese Bauchentscheidung...

Jetzt scheint es, als hätte die Gesellschaft den WDR rechts überholt. Die Welt nicht mehr verstehend und immer wieder die 94,8 MHz aus Linz einschaltend, sproß in Köln mit 1Live der erste Angsttrieb. Danach bestellte man den Gärtner zu WDR 2, um dort die exotischen Pflanzen aus dem Biotop zu entfernen. Überzeugt davon, dass die Welt doch nicht so schlecht sein kann, gebar man als Ausgleich WDR 5, während man in Bayern und anderswo Häppchenjournalismus im Viertelstundentakt startete. Aber einmal in dieser Spirale gefangen, mit dem Auge auf der Konkurrenz, steckt man im Teufelskreis.

Eigentlich bin ich Optimist. Jedoch habe ich schon bei SWR, und mit fünf Jahren Distanz auch beim hr einen Wandel miterlebt, für den sich meiner Meinung nach der Begriff "Hinrichtung des Journalismus" anbieten würde (nein, ein paar wenige Sendungen bei SWR2 und hr2 kann ich als Alibi nicht gelten lassen). Jener Todesschuss ist dieser Tage offenbar auch beim WDR gefallen.

Macher, die ihr Programm als Feuilleton bezeichnen, geben zu, nicht verstanden zu haben, dass Rundfunk mehr als nur ein Wegweiser auf Kunst und Kultur ist. WDR 3 selbst ist Objekt der Kultur. Bisher jedenfalls. Gerade in der multimedialen Welt von heute muss Rundfunk mehr bieten, als das Verlesen von Presseinformationen und Schlagzeilen aus Nachrichtenagenturen. Nur dann bietet er einen Mehrwert, sprich nur dann wird er eingeschaltet oder heruntergeladen.

Und um doch noch konstruktiv zu werden:
Wie definieren wir Nebenbeimedium? In den Rundfunkanstalten argumentiert man zurecht, dass nahezu niemand mit geschlossenen Augen um 15 Uhr auf dem Sofa liegt und eine dreistündige Konzertübertragung hört. Dennoch gibt es genügend Lebenslagen, die es auch Nachmittags erlauben, intensiv zuzuhören. Außerhalb von Auto und Badewanne und obwohl wir nebenbei etwas tun.
Warum gehen wir also nicht den umgekehrten Weg, schaffen die Resonanzen ab, und ersetzen sie durch strikt getrennte 90 Minuten Musik abseits der Klassik, und widmen uns in den restlichen 90 Minuten dem Wort? Denn genau diese Magazinformate sind es, die das Hinhören unmöglich machen. Sie sind es, die nur noch als Geräuschteppich wahrgenommen werden. Bei der nächsten Reform argumentiert man dann, das Wort würde den Fluss stören und WDR 3 wird zur Acid Jazz-Jukebox.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Mit Billigung der neuen Intendantin Monika Piel habe Hörfunkdirektion und Wellenleitung eine "Optimierung" des Nachmittagsprogramms im dienstältesten Kulturradio der Republik zum 1. Mai (bei Zustimmung des Rundfunkrates) angekündigt.

WDR 2 scheinen sie nach dem, was man hier so liest, ja auch gerade zu „optimieren“ ...


Präsentiert werden soll das „neue“ WDR3 vornehmlich von „bewusst jüngeren Stimmen“, die gerade angeworben würden.

Da fragt man sich doch gleich, von wo.


Die Zustimmung zu WDR 3 sei in den letzten drei Media-Analysen von 2,1 Prozent auf 1,6 Prozent gesunken.

Und mit einem fluffigen Kompott aus Fetzen von klassischen Musikwerken und wohltemperiertem Wort kann man sich dann in den Bereich Null-Komma senden. Praktische Erfahrungswerte ...


Und Wellenchef Karst sagt: "WDR 3 soll das Feuilleton von Nordrhein-Westfalen werden, das zentrale Kulturmedium für das Land."

Nach dem Sender mit dem Blubb nun noch ein Radiofölletöng? Was für eine schreckliche Drohung.


Wie sieht dies die Forengemeinde?

Man könnte ja Hurra schreien, würde es in die Richtung des seligen Radio Brandenburg gehen. Das tut es aber ganz offensichtlich nicht. Was glauben Sie denn, ist Kultur, hääää????? Hier ein Sätzchen und da ein Theaterkritiklein und dort ein Fügchen und da dann ein Austellungsberichtlein sind es jedenfalls nicht; da müßte man schon ganz anderes Programm machen, dann würden auch andere Leute kommen.

Das wird aber wohl nicht passieren, wenn ich mir den Text so auf der Zunge zergehen lasse. Und unter dem „neuen Kulturtonfall“ stelle ich mir mit meiner anerkannt pessimistisch-zynischen Grundhaltung ein schauderhaftes, pseudointellektuelles Heideidei vor, das immer schön klingen muß und nur ja nicht polarisieren oder gar irritieren darf.

Unter diesen Umständen sind auch die dokumentierten Seitenhiebe in Richtung Bildungsbürgertum flüssiger wie Wasser, zumal man sich damit womöglich auf die eigenen Hacken – nun ja.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

`Nun. Auch wenn Bayern2 sich verschlechtert hat. Wenn WDR3 wirklich SO wird, wie es oben beschreiben steht, dann gibt es in Bayern wohl die letzte Kulturwelle eines Dritten Programmes, udn erst recht das letzte ohne klassische Musik.
Ich muss meinem Vorredner recht geben. Auch ich sah den WDR bisher immer als Fels in der Brandung, und den BR auf Platz 2 in Sachen Widerstand gegen Verflachung, dann länger nichts. So langsam wird der WDR dann scheinbar vom BR eingeholt, oder wie sehe ich das.
ich finde es ein widerspruch in sich, ein Kulturprogramm, dass sich eigentlich durch Wort auszeichnen sollte als Nebenbeimedium zu führen.

Zitat aus dem interview:
Die Analyse der ARD/ZDF-Medienakademie hat uns zu stündlichen Nachrichten geraten. Der kulturinteressierte Hörer von WDR 3 will sich regelmäßig darüber informieren können, was in der Welt los ist.
Wow, das sind ja Sätze. Irgendwas aus der Luft gegriffen und als Fakt hingestellt, und das dann als Begründung angeführt
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Eine einheitliche Sendefläche von 6-18 Uhr mit zusammenhangslosen Kulturhäppchen, präsentiert von jungen Stimmchen und dominiert von klassischer (also barocker) Musik, die dann aber auch wieder mundgerecht in einzelne Teile verstückelt wird. Wenn der WDR das wirklich machen will, wieso stellt er dann nicht gleich NDR Kultur durch, wo die beiden Anstalten doch auch sonst so kooperativ sind? Ne, klar, dann würde das Abschreiben ja jeder mitbekommen...

Nicht nur für die Hörer, auch für die Mitarbeiter tut es mir leid. Ich könnte mir kaum eine größere Geringschätzung meiner Arbeit vorstellen, als wenn meine Beiträge nicht mehr in einer profilierten Sendung laufen sollen, sondern irgendwie und zusammenhangslos über den Tag verteilt, wo sie dann zufällig von den Tauben, äh: den Hörern aufgepickt werden. Ein bisschen Theaterkritik, ein bisschen Glosse, ein bisschen Wagner, ein bisschen Schubert - im Magen kommt eh alles zusammen. Bis man kotzen muss!

Aber offenbar ist der Trend vom anspruchsvollen Einschaltprogramm zur durchhörbaren Klassikwelle nicht aufzuhalten. Erst der mdr, dann der NDR, darauf der rbb und jetzt der WDR. Von Radio Bremen redet schon keiner mehr. Ich fühle mich hier im Südwesten mit meinem SWR2 schon fast priviligiert. Das ausgerechnet der SWR, der eine Umwandlung des zweiten Programms in ein Begleitprogramm bislang immer ausgeschlossen hat, mal zum Refugium des vielfältigen Kulturradios wird - wer hätte das gedacht? Wo es doch nur dem Protest der Hörer zu verdanken ist, dass 1998 SWR2 nicht das Erbe von S2 Kultur in die Tonne getreten hat, wie von der Geschäftsleitung ursprünglich geplant. Wo der SWR doch schon auf sämtlichen anderen Wellen so modern ist.

Rettet das Radio!
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Zitat aus dem interview:
Die Analyse der ARD/ZDF-Medienakademie hat uns zu stündlichen Nachrichten geraten. Der kulturinteressierte Hörer von WDR 3 will sich regelmäßig darüber informieren können, was in der Welt los ist.


... exakt die Begründung hab ich schon mal im Zusammenhang mit der 2006 vollzogenen Einführung stündlicher Nachrichten bei einer Kulturwelle ohne Klassik gehört.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Wenn man konsequent wäre, liesse man das ZeitZeichen auch noch weg, schließlich wünschen sich doch eh so einige WDR 5-HörerInnen eine Wiederholung dieser Sendung (so z.B. geäußert am letzten Hörertag), was bisher mit den hohen Kosten begründet abgelehnt wurde, aber wenn die Wiederholung auf WDR 3 entfallen sollte...
Die im Tagesprogramm verbliebenen 15 Minuten Wort am Stück würden doch eh nur den "Fluss" stören, nicht umsonst schafft man "Themen des Tages" etc. ja ab :rolleyes:
Und was potentielle Neuzugänge angeht: Keine Ahnung wo man da fischen will, vielleicht ja u.a. bei 1Live Kunst?
 
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Hörerfreundlicher werden, sehr gerne. Aber, ich wiederhole mich da, ich will in einem Kulturradio nicht jede Stunde mit fünf Minuten Nachrichten traktiert werden. Und ich will auch kein so starres Korsett wie bei DLR Kultur. Wieso kann man eine Kulturwelle nicht so locker stundenuhren wie Radio Eins oder FM 4?
 
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wieso auch nicht einfach 1LIVE.kunst in WDR3 mit aufgehen lassen. Bislang ist dieses Programm ja nur im Internet zu verfolgen. Damit hätte man auch jüngere Stimmen bzw. Themen an Bord. :)
 
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Dann warte ich nur noch darauf, daß es nach WDR 2 Klassik in Zukunft auch WDR 3 Pop geben wird :rolleyes:

(Man muß es wohl erklären, da es mancher für Ironie halten wird: WDR 2 Klassik ist pure, z.B. über Astra zu hörende Realität. Darin wird das zwischen den Wortbeiträgen laufende Popgedudel eben durch Klassikgedudel ersetzt.)
 
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@ ricochet

Im Süden gibt es mittlerweile keinen Landessender mehr, der längere Zeitfunksendungen ohne Häppchenjournalismus und Musikunterbrechungen (Info-Magazine) ausstrahlt. Da gibt es keine Alternative zum DLF. Während der hr und die Sender der Südwest-Schiene ihre ehemaligen Journale durch Langstrecken-Magazine ersetzt haben, ist auch die Radiowelt des BR nur noch auf Durchhörbarkeit ausgelegt. Ähnlich dürfte es jetzt der Kultur im Westen ergehen.

Falsch! Die SWR 2 Aktuell-Sendungen (12.05-12.30 /18.05-18.30, auf SWR Cont.ra auch 17.05-17.30) sind noch klassische Zeitfunkmagazine und kommen ganz ohne Musik aus.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Ja, was ist das denn? Der morgige SPIEGEL (18.2.08) berichtet, dass der WDR-Rundfunkrat die geplante WDR 3-Reform erst einmal gestoppt hat. Der RR-Vorsitzende Grätz: "Es gibt die Sorge einer Entwortung des Programms." Er verstehe zwar, dass bei einer Reichweite von unter zwei Prozent "die Alarmglocken klingeln, aber ein kulturgeprägtes Programm wie WDR 3 kann man nicht allein an der Quote messen." WDR 3 sei "einer der letzten Solitäre in einer austauschbaren Hörfunkwelt und war stets weniger windschnittig als die anderen."

Jetzt wollen Hörfunkdirektor und Wellenchef ihre Reform-Ziele "noch präziser formulieren", schreibt der SPIEGEL...
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Ja, was ist das denn? Der morgige SPIEGEL (18.2.08) berichtet, dass der WDR-Rundfunkrat die geplante WDR 3-Reform erst einmal gestoppt hat. Der RR-Vorsitzende Grätz: "Es gibt die Sorge einer Entwortung des Programms." Er verstehe zwar, dass bei einer Reichweite von unter zwei Prozent "die Alarmglocken klingeln, aber ein kulturgeprägtes Programm wie WDR 3 kann man nicht allein an der Quote messen." WDR 3 sei "einer der letzten Solitäre in einer austauschbaren Hörfunkwelt und war stets weniger windschnittig als die anderen."
Wie bitte? Es gibt Rundfunkräte, die ihrer Aufgabe nachkommen? Mein Weltbild bricht zusammen!
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Im Süden gibt es mittlerweile keinen Landessender mehr, der längere Zeitfunksendungen ohne Häppchenjournalismus und Musikunterbrechungen (Info-Magazine) ausstrahlt.
Die Bilanzen auf SR 2 KulturRadio (12.30 - 13.00 und 17.30 - 18.00 Uhr) sind auch noch "klassische" Zeitfunkformate ohne Musik und sogar als Podcast erhältlich.
Wenn Du das Saarland zum Süden zählst, lieber Ricochet
:D
 
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