AW: Musik-Redaktion -- Klare Richtungen
OK, ich merke schon, meine Verallgemeinerung scheint nicht so Spaß zu machen.
Aber ja klar, etwas anderes ist von der Realität auch so gut wie nie zu erwarten.
Betrachte ich es also mal - wie du - ich-bezogen:
Irgendwann, pappesatt vom deutschen Radiomüll, der sich mir in meinem Empfangsgebiet
erschließt, leierte ich gelangweilt und halb einschlafend über die Mittelwelle und wurde
schlagartig hellwach. Aus dem Lautsprecher floß - man glaubt es kaum - Musik für genau
meine Ohren und das auch noch mit einer Modulation, wie ich sie nicht mehr gehört habe,
seit RTL von der 1440 verschwand. Je länger ich dem Programm folgte desto mehr dachte
ich: 'Das darf doch nicht wahr sein!'
"Het beste uit meer dan veertig jaar Top 40" - ah ja, SO kann mans also auch machen.
Dementsprechend breit ist das Spektrum an Altersspanne (sagt ja das Motto bereits) und
der Stile.
ICH persönlich fand DAS so stark, dass ich - ob ich wollte oder nicht - einfach bemüht war,
es genau SO zu machen. Hinzu kommen dann noch die Sachen, die ich selbst gern höre und
die ich auch gnadenlos einbringe, wenn ich das Gefühl habe, es passt gerade und sei es als Kontrast.
Für mich ist es eine Errungenschaft, ohne jede Vorbereitung auf einen Stream gehen zu können
und einfach zu spielen, weil ich mir selbst vertrauen kann. Die Zahl begeisterter Hörer ist
dementsprechend ein Witz. Die meisten haben entweder sehr persönlichen Bezug, mögen
die Stimme oder sind genauso schwer von der Abwechslung fasziniert bzw. es sind beliebige
Kombinationen. Hörerwünsche haben Seltenheitswert, weil sie sich in dem Fall
a) der Zufriedenheit wegen erübrigen oder
b) ohnehin kein Konsumscheiß oder Chartskacke zu erwarten ist, weil nicht vorhanden.
Der Herr Moderator mag es einfach nicht und er ist arrogant genug, sich auch nicht darauf
herabzulassen.
Was hilft da eine Musikredaktion, die mir aufdrückt, was ich zu spielen habe?
Nichts, ausser einem, der hinter dem Mic hockt, eine Fresse zieht und sich fragt, wofür
er den Krempel eigentlich macht.
Unter den Umständen hätte ich nicht mal eine handvoll Hörer mehr.
Ja, auch ICH will mich verwirklicht sehen, will ICH sein, wenn ich denn Radio mache und
das bekomme ich schon ohne Musikredaktion und Formatvorgaben nicht hin
(solange ich mein Geld damit nicht verdienen muss!).
Gute Miene zum bösen Spiel machen ist ja sonst eh normal, was ich mit dem Verkäufer-Beispiel
vorhin meinte. Ein noch krasseres gefällig?
Schon mal 'nen Golf-GTI-Fahrer geseh'n, der im Opel-Autohaus erfolgreich Kadetts vertickt?
Ich glaube kaum, dass ich damit alleine bin. Und auch im Bereich des professionellen (privaten) Radios
ist der Trend zu sehen: Je größer der Sender, sein Kapital, seine Hörerzahlen, seine Werbeeinnahmen,
somit wiederrum sein Kapital und seine Größe,
desto abgedroschener und steriler sein Format und weil es genügend Moderatoren gibt, die
von dem Job leben müssen, lassen sie sich verpressen.
Musikredaktion heißt bei denen dann auch lediglich, die Rotation der 1.500-2.000
Titel so umzustellen, dass nicht jeden Tag die selbe Grütze in der selben Stunde
läuft.
Grund genug, in einigen Ecken Deutschlands das Radiohören einfach sein zu lassen und sich
Webradiolieblinge zu suchen. Bei meinen Ansprüchen schon allein an den Sound fast ein Unding.
Zurück zum Thema des Thread: Musikredaktion. Die wenigen Erfolgsfälle zeigen,
dass sie nicht praktikabel ist.
Es bleibt bei den Radiobetreibern oder "Sendeleitungen", grob die Marschrichtung
vorzugeben.
Nach Norden soll es gehen? OK, Norden sind 90° von Nordwest bis Nordost.
Den westlich orientierten gen Norden Wandernden wirst du ohne fettes Gehalt
nicht einmal nach N 0° bewegen, geschweige denn nach Nord-Nordost.