AW: Kondensatormikrofon und Ampel für Webradio?
Das C608 kenne ich nicht. Bei Shure selbst ist auch ganz schwer etwas dazu zu finden. Sollte es sich um
dieses hier handeln, dann ist das freilich was ganz einfaches, das selbst niedrige Ansprüche nur schwer befriedigen können wird. Das ist offenbar ein klassisches einfaches dynamisches Mikrofon, Shure selbst nennt "Karaoke und Multimedia-Anwendungen" als Zielgruppe.
Der Frequenzgang, der da abgebildet ist, läßt auf extreme Tiefenabsenkung schließen (auch wenn wieder einmal nicht angegeben ist, aus welchem Abstand das Mikrofon zur Messung beschallt wurde). Dieses Mikrofon soll man beinahe "in den Mund" nehmen, also sehr nah besprechen. Dabei steigt bei allen gerichteten (nicht-Kugel-) Mikrofonen die Empfindlichkeit in den Tiefen stark an, bis es wummert (->
Nahbesprechungseffekt).
Dem hat man hier durch vorsorgliche Tiefenabsenkung einen Riegel vorgeschoben. Schon ab etwa 180 Hz geht es in den Keller. Auf der Bühne mit starken Nebengeräuschen ist das soweit sicher ok, ob es im Webradio funktioniert, solltest Du einfach ausprobieren. Vom Raum und seiner sicher nicht besonders guten Akustik bekommst Du bei einem "Abstand von 2 bis 5 cm zum Mund" (Anleitung) sicher nicht mehr viel mit, aber dermaßen festgeklebt willst Du nicht moderieren wollen. Da kann man nichtmal den Kopf leicht drehen, um z.B. auf einen Monitor zu schauen, ohne daß alles plötzlich dünn und leise wird. Du hast das Mikrofon ja nicht in der Hand und bewegst es mit, sondern hast es fest installiert.
Ein "normal" abgestimmtes Großmembran-Kondensatormikrofon fühlt sich im Sprecherstudio bei Abständen von 20 ... 30 cm am wohlsten. Da hat der Sprecher auch etwas Spielraum beim Abstand und kann den Kopf etwas bewegen, um z.B. nach einer Taste am Pult oder einem Zettel zu fingern. Keine Frage, daß dann massiv Raumakustik zu hören ist und wehe, der Raum hat zuviel und ungünstigen Nachhall oder gar hörbare PC-Lüfter und -festplatten.
Zum Testen des C608 reicht sicher der Mikrofoneingang der onboard-Soundkarte. Aber Vorsicht: diese Dinger liefern angeblich gerne mal 5 Volt Tonaderspeisung zur Versorgung irgendwelcher seltsamer Elektretmikrofone mit eingebautem Verstärker. Diese 5 Volt liegen beim Anschluß des Shure dann zwischen den beiden Enden der Spule, also fließt ein Strom von maximal 5 Volt / 600 Ohm = 8.3 mA, so daß die Mikrofonspule als Heizwendel mit bis zu 42 mW Leistung arbeitet. Das mag sie nicht, außerdem ist die Membran dadurch nicht mehr in Mittenlage, sondern durch das entstehende Magnetfeld einseitig ausgelenkt, was die akustischen Eigenschaften des Mikrofons massiv ändern wird.
In die Mikrofonzuleitung muß zur Sicherheit (falls Du ein solches Soundkarten-Exemplar mit Tonanderspeisung erwischst) also ein Trennkondensator, der den Stromfluß bei Gleichspannung auf der Tonleitung verhindert. Da Du sowieso einen XLR-Miniklinke-Adapter benötigst, kann man das gleich mit vorsehen.
So, wie hier unten dargestellt, ist das zu beschalten und hier sind die
Steckerbelegungen der XLR-Stecker.
Diese Tonaderspeisung ist was völlig anderes als die hier auch angesprochene Phantomspeisung. Tonanderspeisung liegt zwischen beiden (heiß/kalt) Enden der Mikrofonspule, Phantomspeisung liegt zwischen den gleichspannungsmäßig zusammengeschalteten Enden der Spule und der Abschirmung. Man kann also die Phantomspeisung auch vergessen haben auszuschalten und fügt dynamischen Mikrofonen bei korrektem symmetrischen Anschluß trotzdem keinen Schaden zu. Es fließt kein Strom durch die Spule, da beide Spulenenden auf dem gleichen Potential liegen, siehe
hier unteres Bild und
hier ausführlich.
Der Blick auf den Frequenzgang-Plot des
Shure und den eines "amtlichen", ausgereiften Großmembran-Kondensatormikrofons mit sehr guter Eignung für Sprecheranwendungen (
Microtech Gefell M930) zeigt die zu erwartenden Unterschiede. Ans Shure deutlich näher ran, beim Gefell 20 - 30 cm Abstand. Das Gefell ist mit seiner Höhenanhebung bei 6 - 15 kHz genau richtig für brillante, klare Sprachwiedergabe, das Shure wird vorraussichtlich mittenlastig-quäkig und obenrum glanzlos bis sehr dumpf sein.
Merke: ein linealglatter Frequenzgang ist bei Sprechermikrofonen unerwarteterweise keine gute Voraussetzung für saubere, natürliche Wiedergabe. Die mysteriösen Gesetze der Psychoakustik verlangen nach einer kräftigen Höhenanhebung, damit wir den Sprecher als brillant und klar wahrnehmen. Neumanns erstes Mikrofon war angeblich in den Höhen massiv überbetont und wurde aber von den Tonmenschen seinerzeit als äußerst "linear" (vom Klangeindruck her) gefeiert. Hat mir zumindest mal der großartige
Eberhard Sengpiel, Tonmeister mit Lehrauftrag an der UdK Berlin, beim nachmittags-Klönen erzählt.
Das schöne: die anderen anständigen Kondensatormikrofone sind ähnlich abgestimmt wie das mit 1000 Euro schon recht teure M930. Das oben zitierte
Studio Projects B1 zum Beispiel sieht frequenzgangmäßig
so aus, das kleine Thomann
SC-150 hat auch die
Höhenanhebung. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Und dann kommen wieder mal die Amis, bauen ein möglichst "cool" aussehendes dynamisches
Mikrofon, sagen, es wäre ideal für den Rundfunkeinsatz, platzieren es gegen RE20 und den Rest der (Ami-)Radiowelt und bieten einen
fast glatten Freqzuenzgang. Das Ergebnis klingt dann auch so, wie es der Frequenzgang erwarten läßt:
topfig-muffig.