Journalist beim DDR-Rundfunk

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Ich bin sehr interessiert, wie das Arbeiten beim Rundfunk der DDR funktionierte.
Wie wurden die Manuskripte abgenommen, konnte man sagen was man wollte, oder saß immer jemand von der Staatssicherheit mit im Studio?

Musste man als DDR Journalist in der Partei sein, konnte jeder Journalist werden und überhaupt das Studium, wer wurde angenommen, wurde man vorher geprüft, konnte man ein kritischer Geist sein? Und einfach über das Reportieren was einem auf dem Herzen lag.

Bis heute reden wenige öffentlich darüber, obwohl in zwei großen ARD Sendeanstalten, hinter den Kulissen viele der Ehemaligen arbeiten.

Ich will keine Polemiken, keine Allgemeinplätze, sondern eine sachliche Auseinandersetzung. Und Erfahrungsberichte über das Arbeiten damals.
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

Jaja, die moderne Regieanlage, die eigentlich für den Freiheitssender 904 bestimmt war, wo es dann plötzlich keinen Bedarf mehr gab ...


Nachdem gar keiner etwas dazu schreiben möchte: Ja, die Beiträge wurden abgenommen. Nein, es saß niemand vom MfS im Studio. Nein, man mußte nicht Mitglied der SED sein. Das Journalismusstudium in Leipzig ist berüchtigt, aber nicht jeder redaktionelle Mitarbeiter ist diesen Weg gegangen.

Von „hinter den Kulissen“ kann keine Rede sein. Und dafür, daß kaum einer darüber reden mag, bedanke man sich postum bei Rudolph Mühlfenzl bzw. dessen Auftraggebern (Mühlfenzl war ja nur ausführendes Organ), ferner auch bei Leuten, die da einiges Porzellan zerschlagen haben.
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

Hallo!

Nein, es saß niemand vom MfS im Studio.

Ich widerspreche dir nur ungern, deine Aussage halte ich aber durchaus für etwas gewagt. Ich kann mir jedenfalls sehr gut vorstellen, daß (zukünfige) Mitarbeiter des Rundfunks sehr genau vom MfS "durchleuchtet" bzw. angeworben wurden, denn man stelle sich nur eine Live-Sendung vor, bei der der Sprecher "ausflippt". Undenkbar.

Ich persönlich habe zwar mit dem DDR-Rundfunk nichts zu tun, habe aber als normaler "DDR-Bürger" zweimal erfahren, was das MfS eigentlich über mich wußte. Ich schildere dir die beiden Vorgänge gern über PN. Ich kann sie auch öffentlich (hier) schildern, aber hier ist das m.E. etwas OT.


Die Rundfunkwiki schreibt im Artikel zu DT64 beispielsweise:

Am 2. Oktober 1989 wurden in einem Protokoll des Ministeriums für Staatssicherheit Verbindungen zum Neuen Forum konstatiert.

Da wird wohl jemand aus dem Dunstkreis des Senders "gesungen" haben. Und "IM Romeo" gabs schließlich auch (noch).

vg Zwerg#8
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

a sicherlich waren unter den Mitarbeitern des DDR-Rundfunks genauso IM's wie in anderen Bereichen. Wahrscheinlich sogar ein bißchen mehr...
Aber das waren IM's, und keine Mitarbeiter des MFS, die aufpaßten, daß keiner in einer Live-Sendung ausflippt.
Ich kenne die Stasi-Akte meines Vaters (Heinz Schulze, Sender Cottbus). Es wurden Berichte über ihn geschrieben, in denen kritische Äußerungen von ihm (u.a. Qualität des Fernsehfunks) von Mitarbeitern weitergegeben wurden.
Trotzdem hat bei seinen Frühsendungen (natürlich live) niemand dabei gesessen und die Hand über dem roten Knopf gehabt für den Fall, daß er "ausflippt".
Er hat als Redaktionleiter Manuskripte "abgenommen", will heißen: als sendefähig genehmigt.

Viele Grüße aus Athen
Hajo Schulze
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

Hallo Hajo!

[J]a sicherlich waren unter den Mitarbeitern des DDR-Rundfunks genauso IM's wie in anderen Bereichen. Wahrscheinlich sogar ein bißchen mehr...

Damit kommen wir der Sache sicher schon näher. Denn schließlich reden wir vom Rundfunk in einer Diktatur. Da wird einfach nichts dem Zufall überlassen. Nimm als Beispiel Adlershof. Gegenüber vom Eingang lag die Kaserne des Wachregiments. Die wären - bei Notwendigkeit - nach einer Minute im Sendezentrum eingeritten.


Aber das waren IM's, und keine Mitarbeiter des MFS, die aufpaßten, daß keiner in einer Live-Sendung ausflippt.

Daß niemand "offen" mit dem Dienstausweis des MfS durch die Redaktionen rannte, dürfte klar sein. Ein nur "Informeller Mitarbeiter" ist trotzdem ein Spitzel, der bei anderen Leuten viel Schaden anrichten konnte. Ich halte eine Verniedlichung des Begriffs für nicht angebracht.


Ich kenne die Stasi-Akte meines Vaters (Heinz Schulze, Sender Cottbus). Es wurden Berichte über ihn geschrieben, in denen kritische Äußerungen von ihm (u.a. Qualität des Fernsehfunks) von Mitarbeitern weitergegeben wurden.

Erschreckende Tatsache, nicht?


Trotzdem hat bei seinen Frühsendungen (natürlich live) niemand dabei gesessen und die Hand über dem roten Knopf gehabt für den Fall, daß er "ausflippt".

Der saß in einem kleinen Nebenraum, zu dem normale Mitarbeiter keinen Zutritt hatten... ;) War ein Scherz. Wirklich? Das was heute unter dem Stichwort "Nipplegate" bekannt ist, also die Verzögerung einer Live-Sendung um ein paar Sekunden, hätte glatt auch eine Erfindung der Stasi sein können. Alle Uhren im Funkhaus gehen sieben Sekunden vor. Genug Zeit zum reagieren...

vg Zwerg#8
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

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AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

If it was a book, it could have been the one discussed here:
http://www.radioforen.de/showthread.php?p=477495#post477495

Or it could be Ulrich/Wagner, DT64 – Das Buch zum Jugendradio, Thom Verlag Leipzig, ISBN 3-9803346-0-0. Very insightful, contains as an example an insider article about audience research at GDR radio. Out of print, the publishing house folded up long ago and the plates are missing, thus no further copies could be produced so far.
 
AW: Journalist beim DDR-Rundfunk

aus:

Neue Deutsche Presse Nr.1 / 1976

von Heinz Schulze

Der Programmsprecher im Regionalsender

"Es ist unserem Hörer völlig egal, ob da ein Moderator, Sprecher-Redakteur, Studioredakteur, Programmjournalist oder ein Redakteur am Mikrofon sitzt - gut muß er sein und das im umfassenden Sinne". Diesen Gedanken von Jürgen Schulz (NDP 23/75) kann ich nur dick unterstreichen. Braunkohlekumpel aus Greifenhain sagten das ganz einfach so:
"Wenn wir früh das Radio einschalten, dann wollen wir jemanden hören, der selbst ausgeschlafen hat, der gute Laune verbreitet und der uns erklärt, was es Neues gibt in der Welt, in unserem Land, in unserem Bezirk."
So finde ich, daß wir erstens mit dem scheußlichen Wort Moderator endlich aufhören sollten in der Öffentlichkeit zu operieren. Wie soll der arme Hörer verstehen, was damit eigentlich gemeint ist, wenn wir uns selbst noch nicht einmal klar darüber sind. Mit dem Wörterbuch der sozialistischen Journalistik (Leipzig 1973), wonach Moderator aus dem lateinischen kommt (moderare) und "mäßigen, mildern, einschränken" heißt, geben wir wohl keine allzu gute Figur ab.
In aktuell-politischen Magazinen gibt es einen Moderator, im Telelotto auch. Das Variete-Programm der KGD oder im Fernsehen sagt ein Moderator an, in der Disko an der Ecke spricht auch einer. Lange kann's eigentlich nicht mehr dauern, bis sich der ununterbrochen redende Losverkäufer in der Rummelplatzbude auch Moderator nennt. Das kann doch nur Verwirrung stiften. Also' hören wir auf, uns in der Öffentlichkeit auf diese Weise interessant zu machen. Nutzen wir dieses aus westlichen Gefilden herüber gewehte Modewort bestenfalls zur Selbstverständigung.
Zweitens, so finde ich, macht die Meinung der Kohlekumpel deutlich: Der Programmsprecher eines aktuell-politischen Morgenmagazins hat eine ganz andere Aufgabe, als sein Kollege in der Magazinsendung am Nachmittag oder Abend. Letzterer hat es vorwiegend mit einem Publikum zu tun, für das der Tag im wesentlichen gelaufen ist, das Zeit hat oder sich, bewußt Zeit nimmt, um sich informieren zu lassen. Hier geht es, ohne dem Bierernst, der Reserviertheit oder Langeweile das Wort reden zu wollen, doch in erster Linie sachlich zu. Der morgendliche Hörer ist aber eben erst vom Wecker aus den 'Träumen gerissen worden, er will munter gemacht werden, er soll Schwung und gute Laune für den ganzen Tag mit auf den Weg nehmen.
Dazu erwartet er interessante Informationen, ein paar überzeugende Argumente, die genaue Zeit und Musik. Er erwartet die heitere, geistvolle Randglosse des Sprechers und keine dämlichen Witze. Das alles zwischen Waschbecken, Kinderzimmer und Kaffeetisch. Da hat ein selbst noch gähnender Mensch vor dem Rundfunkmikrofon keine Chancen. Ein Hans-Georg Stengel allein hilft ihm auch nicht weiter .

Voraussetzung: Kontakt mit den Hörern
Wie ist das im Cottbuser Regionalprogramm, das es ja fast nur mit "morgendlicher Laufkundschaft" zu tun hat? Wer repräsentiert den Sender täglich von 5.00 bis 8.00 Uhr in der Öffentlichkeit? Es sind ausschließlich Kollegen mit längerer Reportererfahrung, die möglicherweise in der dreistündigen Sendung auch eigene Bandaufnahmen aus dem Betrieb X anzusagen haben, und die nach der Sendung rausfahren, um als Reporter einen Auftrag für das Nachmittagsmagazin bei Radio DDR zu produzieren. Zugegeben, das ist hart. Das ist auch der Extremfall. Aber die Praxis hat uns gelehrt, daß vielseitige Reportertätigkeit die wirkungsvollste Schule für ein sicheres Agieren am Originalstudio-Mikrofon ist. Während der Arbeit mit dem Reportermikrofon bilden sich am besten alle Eigenschaften aus, die ein Moderator besitzen muß, wenn er ankommen will. Vor allem Kontaktfreudigkeit, Beweglichkeit, Sicherheit. Wer jahrelang, direkten Kontakt zu seinen Hörern in Kohlegruben, Kraftwagen, Glasbetrieben, Textilfabriken, auf Baustellen oder in Verwaltungen hat, der kennt schließlich die Sprache seines Publikums und weiß, wie es anzusprechen ist. Wer mehrmals seine schöne Schreibtischkonzeption für eine Reportage am Aufnahmeort blitzschnell über den Haufen werfen mußte, der verarbeitet auch zwischen zwei Musikdarbietungen einen Anruf der Verkehrspolizei, der kann auch ohne Zittern in der Stimme das Telefon original auf den Sender schalten lassen und sich souverän mit der Person am anderen Ende der Leitung in aller Öffentlichkeit unterhalten. Ein solcher Moderator hat. die größten Chancen, selbst einen Eisblock aufzutauen, der als Partner, zwar vorbereitet (meist sogar zu gut) aber doch zitternd, zum Originalgespräch im Studio erscheint.
Schließlich muß unser Mann, oder bitte sehr auch die Frau, am Mikrofon in der Lage sein, die verschiedenen, von Redakteuren aufbereiteten Informationen an der richtigen Stelle im laufenden Programm zu plazieren und ihnen seine individuelle Handschrift zu geben. Und 'noch etwas: Wir erwarten von unseren Kollegen am Studiomikrofon, daß sie Originalreportagen von draußen etwas geistvoller ansagen als " ... Ich rufe meinen Kollegen X ... , Guten Tag, Kollege X ", daß die Absage mehr enthält als: " schönen Dank Kollege G." Kurz: der - Programmsprecher muß mitreden können, und er muß sogar dem Kollegen, der draußen mit viel Herzklopfen seine erste Originalreportage macht, notfalls der geschickt in die Bresche springende "rettende Strohhalm" sein.

Unterschiedliche Temperamente
Das sind hohe Anforderungen, die selbstverständlich ein gut eingespieltes Kollektiv voraussetzen. Wir werden ihnen auch nicht pausenlos lupenrein gerecht. Wir haben unterschiedliche Charaktere und Temperamente vor dem Mikrofon und die Tagesform ist ebenfalls verschieden. Es sind auch schon Kollegen gescheitert. Aber das waren ausschließlich Mitarbeiter, denen (aus welchem Grunde auch immer) der Kontakt nach draußen und die Erfahrung mit dem Reportermikrofon fehlte. Keine Sektion wird hier fertige Moderatoren schicken können. Deshalb muß derjenige scheitern, der den rauhen Alltag, die Auseinandersetzung und die Beratung mit seinem Publikum meidet und glaubt, im sterilen Studio als Sprachästhet die Hörer begeistern zu können. Das heißt nicht, daß Sprachschluderei geduldet werden kann. Nuschelnde Schnellsprecher und Leute, die persönliche Note mit "Masche" verwechseln, die beim Lesen von Manuskripten in Monotonie verfallen, können selbst das beste Argument zertöppern. Für sie sollte das Studiomikrofon geschlossen bleiben.

"Belegte" Stimmen nicht gefragt
Gleiches gilt für hemmungslose "Dialektiker", die sich nicht im geringsten mit einem höflichen Hochdeutsch anfreunden wollen. Sympathie gehört nun mal zur Überzeugung. Die stimmliche Veranlagung ist dabei nicht minder wichtig. Aber daran ist wohl selbst bei bestem Willen nicht viel zu ändern. Was das Bedauerliche dabei ist: Mancher ist ehrlich davon überzeugt, gut zu sein, nur merkt er nicht, daß seine ständig belegte oder zu flache Stimme der fleißigen Arbeit eines ganzen Kollektivs den beabsichtigten Effekt versagt, weil sie nicht geeignet ist, die psychologische Brücke zum Hörer zu schaffen, schon gar nicht über mehrere Stunden.
Wer Verantwortung trägt, sollte es merken, und jene, die unbeabsichtigt ins Leere reden, ganz kameradschaftlich auf ihre Grenzen aufmerksam machen. Das verlangt natürlich gleichermaßen nach Reserven zu suchen: Die dürften sogar ohne große Mühe bei den meisten Sendern noch zu finden sein. Im übrigen lohnt es sich, darüber weiter die NDP als Tribüne unseres Erfahrungsaustausches zu nutzen.
 
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