AW: Wie habt ihr angefangen - wo steht ihr heute?
Na, dann will ich doch diesen Faden mal ein wenig entstauben und ihn aus der Versenkung holen
Wie habe ich angefangen?
Das kann ich noch ziemlich genau datieren, das war 1981 - damals war ich 10. Ich hatte mir zu Weihnachten unbedingt einen Cassettenrecorder gewünscht. Mit meinem Vater war ich im Radiogeschäft und stellte fest, daß alle Geräte zu teuer für ein Weihnachtsgeschenk waren - aber ich hatte ja noch ein bißchen Taschengeld gespart. Und nachdem ein Radiorecorder von Grundig nicht viel mehr kostete, als ein Cassettenrecorder entschied ich mich auf Empfehlung meines Vaters und des Verkäufers letztlich für diesen. Ich fand dann sehr schnell heraus, daß man das Radioprogramm auch aufnehmen und dann später wieder abspielen konnte - und daß man bei der Aufnahme noch nicht einmal leise sein mußte, da, entgegen meiner ersten Annahme, die Aufnahme nicht vom Lautsprecher zum eingebauten Microphon ging (mit dem ich über's Experimentieren nie hinauskam), sondern irgendwie "innen drin". Spannend! Einen Sender, der, in meinen Augen, gute Musik spielte kannte ich mit NDR2 auch schon, so wurde dieser eingestellt und Silvester 1981/82 nahm ich meine erste Cassette auf: den Jahresrückblick auf 1981 von NDR2. Das Band habe ich heute noch
Wie das bei kleinen Jungs so üblich ist, wollte ich natürlich irgendwann wissen, wie das "innen drin" denn funktioniert - damals entwickelte ich den fatalen Hang, alle Geräte mindestens einmal aufzuschrauben. Bis jetzt habe ich aber auch alles wieder zusammengesetzt bekommen - daß da immer mal ein paar Teile "übrig" bleiben, muß in der Natur der Sache liegen
Ich begriff sehr schnell, daß man mit einem speziellen Kabel und einem 2. Gerät (ein Freund von mir hatte genau das gleiche) die beiden sogar verbinden konnte und man dann Cassetten kopieren konnte - so mußte nur einer von uns Blagen die neueste 5 Freunde / 3 Fragezeichen / TKKG Cassette kaufen und wir hatten alle was davon. Mann, waren wir zwei beliebt!
Die Jahre gingen ins Land, Hörspiele waren irgendwann "out", dafür wuchs die Sammlung an Musikcassetten - aufgenommen von meinen Lieblingssendungen "Club Wunschkonzert" mit Günter Fink und der "Internationalen Hitparade" mit Wolf-Dieter Stubel - und der Frust, daß man, wenn man ein bestimmtes Lied hören wollte, immer spulen mußte und selbst, wenn man so diszipliniert (ha!) war, die Zählerstände aufzuschreiben, nie genau die Pause getroffen hat. Zudem hatte ich zu meinem 12. Geburtstag 2 Singles geschenkt bekommen "Styx - Mr. Roboto" und "Nena - Fragezeichen" und eine Dritte für eine Mark fuffzich auf dem Flohmarkt erstanden ("Men Without Hats" - Safety Dance"), so daß der Wunsch nach einem Plattenspieler wuchs. Zur Konfirmation war es dann endlich soweit und ich konnte mir die Kompaktanlage von Schneider leisten. Mann, war ich stolz
Ich hörte immer noch viel Radio (jetzt auch "Mal Sondock's Hitparade" (Ruhe in Frieden, Mal! Ich hab Deine Sendungen geliebt!)), aber zusätzlich wuchs auch die Zahl der Platten - auch auf Band, denn auch von Platte auf Band konnte man ja überspielen.
So im Alter von 16, 17 Jahren passierten dann zwei Dinge. Ich lernte an der Schule jemanden kennen, für den Geld keine Rolex spielte und der infolgedessen ein eigenes Mischpult besaß, das ich auch mal ausprobieren durfte und ich wurde, zunächst sehr gegen meinen Willen, in der Tanzschule angemeldet. Auch dort wurde "aufgelegt" und nachdem ich bei den Tanztees mehrfach zugeschaut hatte und während der Kurse auch schonmal die Plattenspieler bedient hatte, durfte ich auch mal "ran" - und das kam so gut an (ich war selbst völlig baff), daß ich das von dem Zeitpunkt an öfter mal machen durfte. Ich ergänzte dann die Tanzschulsammlung auch um meine Platten (die neuesten Disco-Kracher hatten die meist nicht oder erst später auf Lager
) und legte dann ab und an auch mal auf unseren Privat-Parties auf.
Das weckte wiederum den Wunsch, die eigene Anlage auszubauen - aber von Taschengeld war das nicht so einfach machbar und selbst mit Ferienjobs ließ sich nur langsam etwas dazukaufen. Sei es, wie es sei, irgendwann war die Schule zuende und das Berufsleben begann. Plötzlich, Anfang der 90er, konnte ich mir CD-Spieler (einen für die Anlage und ja, einen mobilen), einen Equalizer und ein Mischpult leisten. Aber berufliche Ausbildung und die - in meinen Augen - sinkende Qualität von Musik und Radioprogrammen bewogen mich zu einer Abkehr vom Radio. Ich hörte zwar noch immer viel Musik, aber vornehmlich kaufte ich mir alte CDs und hörte sie für mich allein. In dieser Zeit erweiterte sich auch meine Musikgeschmack, hatte ich vor ca. 1988 eigentlich nur Pop und - in Ansätzen Rock / Hardrock / Heavy Metal gehört, erweiterte sich das Ganze nach '88 um Klassik und New Age - weitere Richtungen folgten, so daß ich Genres irgendwann ganz abstreifte. Heute mag ich so gut wie jede Art von Musik - es liegt eher an der Stimmung und am speziellen Titel, wie mein Urteil ausfällt. Ich kann mittlerweile sowohl Lady Gaga und den Atzen als auch Herbert von Karajan etwas abgewinnen.
Bei der Bundeswehr fuhr ich zur See und bekam ausgerechnet dort zum ersten mal die Gelegenheit "Radio" zu machen: Die Schiffe haben alle eine "Schiffslautsprecheranlage", die für diverse dienstliche Durchsagen verwendet wird - an die man aber auch ohne weiteres ein Mischpult und diesem vorgeschaltet CD- und Cassettenspieler und ein Microphon anschließen kann. Einmal in der Woche gibt es "Großreinschiff", d.h. die gesamte Besatzung putzt und wienert den ganzen Dampfer von oben bis unten. Natürlich sehr beliebt und deshalb wird auf vielen Schiffen erlaubt, zu dieser Zeit Musik über die Lautsprecher zu spielen. Das Ganze dann noch flott moderiert, mit vielen "äh"s und den Musikwünschen der Besatzung. 200 Zuhörer und keiner kann weglaufen - ein Traum!
Auch dieser Zeitabschnitt ging irgendwann zuende und ich begann zu studieren. Neben dem Studium hatte ich noch viel Zeit, mich um die Erweiterung meines Hobbies zu kümmern und so erweiterte ich meine Kenntnisse ein wenig in Richtung Tonstudiotechnik. Ich kaufte mir ein Mischpult mit erst 16, dann 24 Mono-Kanälen, lernte den Unterschied zwischen symmetrischen und asymmetrischen Signalen, zwischen Microphon- und Line Pegeln, lernte Phantomspeisung und andere interessante Details kennen. Zusätzlich kaufte ich mir eine kleine Videokamera und für den PC ein Videoschnittprogramm und experimentierte damit herum. Ich lebte in einer WG, als eines Tages das Telefon klingelte und ein Freund meiner Mitbewohnerin, den ich vorher bereits kennengelernt hatte anrief und sie sprechen wollte. Da sie gerade noch am anderen Telefon sprach, unterhielten wir uns in der Zwischenzeit und auf einmal fragte er mich aus heiterem Himmel, ob ich nicht Lust hätte, Theater zu spielen. Ich hatte als Kind und Jugendlicher im Kirchen- und Schulchor gesungen (sogar mit Auftritten außerorts, gelegentlich mit Unterstützung des NDR Rundfunkorchesters), Trompete gespielt und bei diversen Weihnachts-Spielen mitgemacht, verfügte also schon über einige Bühnenerfahrung - deshalb sagte ich zu. Das Stück kam leider nie auf die Bühne, aber ich lernte in dem Ensemble den Techniker einer Kleinkunst-Veranstaltungsreihe kennen (i.d.R. zwischen 50 und 400 Gästen je Veranstaltung), mit dem ich ein wenig fachsimpeln klonnte - und mich plötzlich ebenfalls als Techniker dieser Veranstaltungen wiederfand. Da wir dort die Unterstützung eines renommierten Tonstudios hatten, konnte ich meine Kenntnisse dort sehr vertiefen. Ich lernte zum Beispiel mit ProTools umzugehen, Spuren zu bearbeiten, Atmos zu erzeugen, und, und und.
Inzwischen hatte ich mich selbständig gemacht und war im Rahmen meiner Tätigkeit als Trainer weltweit auf Reisen. Obwohl die Schulungsinhalte vorgegeben sind, bedeutet "Trainer" sein dennoch, jeden Tag stundenlang frei zu sprechen und zu erklären. Unter anderem schulte ich in Südafrika, wo ich über das Internet, das ich seit 1993 benutzte, Fühlung mit meinen Freunden und Bekannten daheim halten konnte. An einem Wochenende 2006, also vor erst 4 Jahren, erwähnte einer dieser Bekannten, er müsse sich "sendefertig" machen... neugierig, wie ich bin, fragte ich nach, was das denn heiße und er eröffnete mir, er sei DJ mei einem Webradio. Ob man's glaubt oder nicht: bis zu diesem Zeitpunkt war das Medium Webradio an mir vollkommen vorübergegangen. Ich hörte mir seine Sendung an und war baff, daß das "einfach so" ging. Nach der Sendung unterhielten wir uns weiter und kamen zu dem Schluß, daß ich eigentlich schon alles hätte, um auch "Webradio" machen zu können. Ich könne mich ja mal bewerben. "Ja, klar," dachte ich mir, "die werden ja so'n Greenhorn wie mich auch nehmen" - was sie dann zu meinem großen Erstaunen auch taten. Erster Sendeversuch auf'm Teststream, angenommen, paar Wochen später erste Sendung, Puls irgendwo außerhalb des meßbaren Bereichs - und natürlich gleich die erste Panne gefahren (falschen Titel am CD-Spieler eingecuet). Na Suuuuper! Aber die 6 Zuhörer fanden's klasse und so sammelte ich die nächsten Wochen immer Samstag vormittags meine Erfahrungen. Wünsche, Grüße, Chat kommentieren - alle Fehler, die man so machen kann, hab ich auch gemacht, Versprecher, Löcher gefahren, laufenden Titel gestoppt, springende CDs - ein Traum
Es folgten aus eigener Dummheit einige Sprünge über diverse Sender, ferner lernte ich (endlich) meine jetzige Lebenspartnerin kennen zog mit ihr zusammen so daß sich in meiner Tätigkeit beim Webradio erstmal eine Cäsur ergab.
Wo stehe ich heute?
Immer noch an dieser Cäsur. Wir sind vor einem Jahr zusammengezogen, es harren aber immer noch zwei Zimmer der Renovierung - darunter dasjenige, das meinen Sendeplatz enthalten soll. Ich bin zwar bei einem nicht gerade unbekannten Radio als Mitarbeiter gelistet, konnte aber bisher noch keine Sendung dort abliefern - ohne Sendeplatz geht das nicht ganz so gut
Aber was habe ich aus der ganze Geschichte, die ich oben aufgelistet habe, gelernt? Ich denke eine ganze Menge.
Ich habe gelernt, daß ich Radio für einen einzigen Menschen mache. Nämlich genau den Hörer, der am anderen Ende des Signalweges seine Ohren öffnet für das, was ich da so produziere. Ob da wirklich einer ist, ob es 10 sind oder vielleicht 100 - ich weiß es nicht und es spielt für mich auch keine Rolle. für mich zählt der eine, den ich anspreche.
Ich habe gelernt, daß es furchtbar einfach ist, Webradio zu machen, aber furchtbar schwer, Webradio zu machen. Paradox? Ganz und gar nicht, man sieht beim geschriebenen Wort nur die Betonung nicht so gut. Es ist einfach *Web*radio zu machen. Jeder Hans und Franz kann das. 2-Euro-Fuffzich-Headset, Raubkopie von SAM, 'n paar gesaugte MP3s und los geht's. Aber Web*radio* machen ist unheimlich schwer. Denn da muß man sich Gedanken um seinen Hörer machen, man muß ahnen, was er hören möchte, muß das Material vorhalten, die Technik beherrschen, sich einen gutes Stück weit mit Recht und Gesetz auskennen - das ist ein Prozeß, den ich lange noch nicht abgeschlossen habe. Aber da gibt es zum Glück großartige Hilfe, unter anderem in Form der
radioforen.de, denen ich auf diesem Wege einfach mal kurz und knackig für ihre Existenz danken möchte. Ohne
radioforen.de stünde ich nämlich nicht da, wo ich heute stehe.
lg
McCavity