Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Sunshiner

Benutzer
Hallo,
hab das Forum jetzt mal bissel durchsucht und da es zu diesem Thema noch keinen direkten Faden gibt wollt ich einfach mal einen eröffnen und die Frage in den Raum stellen, weshalb private Infowellen meißt floppenund zum Anderen ob man sich in vergangenen Zeiten mal an solchen versucht hat?
In einem anderen Thread war ja schon die Rede davon, dass es mit Gebühren wohl am Besten zu machen ist. Vielleicht zunächst mal die Frage:
Schlucken Berichterstattungen so viel Geld, dass man es nicht durch Werbung einnehmen kann? Gruß
Sunshiner
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

  • Infowellen sind teuer,
  • sie sprechen nur eine bestimmte Klientel an,
  • an vielen Orten gibt es bereits ein öffentlich-rechtliches Infoprogramm.
  • Die Radiolizensierung in den meisten Bundesländern ist nicht auf Vielfalt ausgelegt, sondern auf Klientelismus. Da kommen dann durchformatierte Hitradios bei raus.

Probiert haben es in der Vergangenheit schon so manche: Radioropa, Info101, FAZ-Radio München, Frankfurt, Berlin. Durchgehalten hat keiner.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Keine Chance gegen das teure Korrespondentennetz der ARD. Zum Vergleich: Kleine, lokale Tageszeitungen funktionieren, weil sie auf Agenturmeldungen zurückgreifen können, die haben ja nicht alle überall Leute sitzen. Etwas vergleichbares gibt es für den Radiomarkt aber nicht, wobei sich in diesem Zusammenhang natürlich durchaus die Frage aufdrängt, inwieweit privater Qualitätsjournalismus von den öR verdrängt wird.

Zweitens haftet den Privaten nicht ganz zu Unrecht der Ruf des Unseriösen oder zumindest etwas Halbseidenen an.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Weil die privaten Infowellen die öffentlich-rechtlichen imitieren, und weil sie mit einem nationalen/internationalen Infoanspruch antreten. (Das habe ich aber schon in mindestens dreifacher Ausfertigung und hoher Qualität, da brauche ich nicht noch einen weiteren Anbieter).
Die Chance läge in einem absolut lokal-regionalen Infosender, aber den traut sich keiner. Der funktioniert auch nicht mit Ticker und Agenturnachrichten, sondern für den brauche ich gestandene Lokaljournalisten, die täglich rausgehen und mehr abliefern als den 30-sekündigen Praktikanten-O-Ton. Für einen solchen Sender bräuchte ich Moderatoren, die sich absolut in der Region auskennen, die ein kritisches Interview führen können, die Studiogäste organisieren und ins Programm einbauen können. Ich bräuchte Kollegen, die eine pfiffige Magazinsendung mit regionalen Themen füllen können. Ich bräuchte..., ich bräuchte... - vor allem bräuchte ich jemanden, der das Geld hätte (denn das wird kein Billgheimersender) und den Mut, es mir zu geben...
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Ja, Sat1 hat früher sehr gute Regionalnachrichten gemacht. Keine Ahnung, wie das jetzt aussieht, gibts Sat1 überhaupt noch?
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Radioropa würde ich aufgrund des hohen Musikanteils nicht als Infowelle bezeichnen, eher als Magazinradio. Aber es gab noch berlin aktuell 93,6, Nachfolger vom ebenfalls untergegangenen NewsTalk 93,6.

Das Argument mit den Agenturmeldungen verstehe ich nicht, darauf können die Radiosender doch auch zurückgreifen und dann mit regionaler Kompetenz punkten. Da gebe ich Mannis Fan Recht, Regionalnachrichten empfinde ich selbst in Berlin als große Marktlücke. Damit ein ansprechendes und lebendig klingendes Produkt zu gestalten, ist aber sicher teurer als bei Musiksendern, bei denen das Programm die meiste Zeit von der Festplatte kommt. Und offensichtlich schluckt selbst das computerisierte Musikprogramm oft schon viel mehr Geld als eingenommen wird.

Ein weiteres Hindernis ist vielleicht, dass schon jeder Musiksender Nachrichten sendet / senden muss. Das Allerwichtigste bekommt man also auch dann mit, wenn man den ganzen Tag bei Energy oder rs2 bleibt. Wäre das nicht der Fall, bestünde - so meine Vermutung - eher der Bedarf, zwischendurch mal zum Nachrichtensender zu schalten, um sich zu informieren. Und dann hätten auch private Infoprogramme eine größere Chance auf Akzeptanz.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Kann es sein, dass Radio Ropa mal auf den jetzigen Frequenzen von Inforadio gesendt hat und am 30.06.1995 eingestellt wurde?
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Ja, Sat1 hat früher sehr gute Regionalnachrichten gemacht. Keine Ahnung, wie das jetzt aussieht, gibts Sat1 überhaupt noch?

Es gibt SAT1 noch, was vermutlich nicht nur uns beide wundert. Dieser Sender ist ein Fallbeispiel, wie man eine einst erfolgreiche Karre vor die Wand fahren kann. Die ganze Aufmachung wirkt völlig primitiv, die Shows ohne Ideen ("Clever" sticht da höchstens noch heraus) und Imitate anderer Sender, der Rest des Programms ist das typische "Hartz4-TV" mit dümmlichen Reallife-Soaps. Für mich gibt es dort kein Einschaltgrund, leider. Ich sehe bei SAT1 für die Zukunft sehr sehr schwarz!

Zum Thema: Ich fürchte, diese aufreißereische Art ala "Bild" und RTL in den Nachrichten, mit teilweise erfundenen oder frisierten Storys, macht die Seriösität zunichte. Das sieht man an den Einschaltqouten ganz gut: wenn etwas wirklich ernstes in der Welt passiert, schalten die meisten Leute instinktiv die Tagesschau ein.

Das beste Beispiel ist der Fall Kachelmann. Bei den ÖR geht man diesem Thema viel umsichtiger und sensibler um, während die Privaten, angestachelt von der "Bild", sich geradezu wie die wilden Tiere auf jedes noch so unsinnige Detail werfen. Was haben z.B. diese Paparazzi-Bilder in den Medien zu suchen, wo Jörg Kachelmann sich mit Mithäftlingen im Gefängnishof sonnt? Er macht dort wahrlich keinen Urlaub! Und hätte er die deutsche statt der schweizerischen Staatsbürgerschaft, wäre er auch auf freiem Fuß da keine konkrete Fluchtgefahr bestünde. Dann würde auch kein Revolverblatt und TV-Mittagsmagazin nach ihm krähen.

Ich will seriöse Nachrichten und kein Boulevardbeischmuck über Matthäus, Menowin, Tom Cruise, Paris Hilton o.ä.

PS: um N24 soll es auch nicht rosig stehen, oder?
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Wär nicht die erste Medienfirma, die durch einen Umzug nach München Selbstmord begeht....
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Das Männer-Magazin, Reportage: Einsatz auf der Autobahn, Doku: Hawaii Superferry, Automagazin, Reportage: Einsatz im Revier, Jagd auf die grauen Wölfe, Panzerverschrottung, Hitlers letzter Kampf... Nachrichtenfernsehen ist N24 eigentlich nur bis zum Mittag. Aber das ist bei n-tv ja kaum anders... Alaskas Megamaschinen, Zurück in die Eiszeit, Killerquallen vor Australien, Tödliches Tierreich, ...
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Das Männer-Magazin, Reportage: Einsatz auf der Autobahn, Doku: Hawaii Superferry, Automagazin, Reportage: Einsatz im Revier, Jagd auf die grauen Wölfe, Panzerverschrottung, Hitlers letzter Kampf... Nachrichtenfernsehen ist N24 eigentlich nur bis zum Mittag. Aber das ist bei n-tv ja kaum anders... Alaskas Megamaschinen, Zurück in die Eiszeit, Killerquallen vor Australien, Tödliches Tierreich, ...

Da gebe ich dir vollkommen Recht! Diese (beiden) Sender bestehen abends fast nur noch aus der 100. Reportage über den 2. Weltkrieg oder irgendwelche Herstellungen werden gezeigt. "Sendung mit der Maus" für Erwachsene quasi :D

Da sind die Abendprogramme von den ÖR-Dritten im TV oft besser.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Wenn ich so einen Sche... lese wie "privater Qualitätsjournalismus wird von den ör verdrängt", dann geht mir echt die Hutschnur hoch. Ich habe in meinem Berufsleben "auf beiden Seiten" gearbeitet und habe es selbst in mehr als einem Laden erlebt, wie zum Beispiel die Verträge mit RUFA (immerhin ein funktionierendes privates Äquivalent zum öffentlich-rechtlichen Korrespondentennetz) und teilweise sogar dpa gekündigt wurden (weil man ja schließlich die Meldungen auch aus öffentlich-rechtlichem Videotext- oder Internetangebot übernehmen könnte), um GELD zu sparen (von den vielen gestandenen Redakteuren, die aus dem selben Grund lieber durch Volontäre und Langzeitpraktikanten ersetzt wurden, ganz zu schweigen).
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Weil die privaten Infowellen die öffentlich-rechtlichen imitieren, und weil sie mit einem nationalen/internationalen Infoanspruch antreten. (Das habe ich aber schon in mindestens dreifacher Ausfertigung und hoher Qualität, da brauche ich nicht noch einen weiteren Anbieter).
Die Chance läge in einem absolut lokal-regionalen Infosender, aber den traut sich keiner. Der funktioniert auch nicht mit Ticker und Agenturnachrichten, sondern für den brauche ich gestandene Lokaljournalisten, die täglich rausgehen und mehr abliefern als den 30-sekündigen Praktikanten-O-Ton. Für einen solchen Sender bräuchte ich Moderatoren, die sich absolut in der Region auskennen, die ein kritisches Interview führen können, die Studiogäste organisieren und ins Programm einbauen können.

100%-ige Zustimmung. Aber ging das alte Hundert,6 nicht in diese Richtung? Mir ist schon klar, dass die auch einen hohen Musikanteil hatten, aber der Wortanteil spielte bei denen schon eine wichtige Rolle. Eine reine Infowelle wie das "FAZ Business Radio" kann beim privaten Rundfunk nicht funktionieren, weil die Produktion der Inhalte einfach zu teuer ist.
Aber wenn man sich Sender wie Motor FM anschaut, die ja auch mit kleinem Budget gerade am Morgen einen erstaunlich hohen Wortanteil und informative Beiträge haben, dann denke ich schon, dass eine vernünftige Mischung aus Information und Musik finanzierbar sein kann. Hundert,6 war mit diesem Konzept in den 90er Jahren sogar Marktführer und auch der Berliner Rundfunk konnte mit seiner Informationsoffensive in den Jahren 2006/2007 (vermutlich inzwischen wieder eingedampft) bei den Hörern punkten.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Also ganz ehrlich: Seht euch doch mal die Zahlen der Inforadios an. hr-info beispielsweise. Wäre das nicht ÖR, könnte es nicht finanziert werden. Versteht mich nicht falsch: Ich finde hr-info sau geil. Aber trotzdem geb ich mir das nicht die ganze Zeit. Würde man Inforadio mit Musik verbinden, dann hätten wir wieder einen normalen Radiosender. Würde funktionieren weil es das früher schon hat. Die Frage ist nur wie gut es funktionieren würde im Vergleich zu den "Dudelfunkern" wie sie hier so gerne genannt werden, denn genau das war ja der Grund, warum die "normalen" Radiosender so wurden, wie sie heute sind. Außerdem kosten Mitarbeiter (die man definitv bräuchte) Geld. Das können wir halt einfach vergessen in Zeiten, in denen Menschen entlassen werden obwohl der Sender immernoch Gewinne erzielt. Passiert gerade wieder in Deutschland wie ich mir habe erzählen lassen.
Ein reines Lokal-Inforadio wäre unfinanzierbar und vorallem auch nicht sinnvoll machbar. Ich liebe meine Heimatregion, aber ich wüsste nicht was der Sender mir aus der Region 24 Stunden lang erzählen wollen würde.

Aber korrigiert mich, wenn ihr anderer Meinung seid.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Seht euch doch mal die Zahlen der Inforadios an. hr-info beispielsweise. Wäre das nicht ÖR, könnte es nicht finanziert werden
Exakt...
Ich finde hr-info sau geil. Aber trotzdem geb ich mir das nicht die ganze Zeit.
d'accord.
Außerdem kosten Mitarbeiter (die man definitv bräuchte) Geld.
Exakt. Denn man muß von Beginn an gegen das Korrespondenten-Netz der ÖR anstinken und teure Honorare für zugelieferte takes und Beiträge zahlen. Das führt(e) dann zu den Kündigungen von Abos und Mitarbeitern bei privaten Info-Sendern, wie schön treffend von keek beschrieben.
Ein reines Lokal-Inforadio wäre unfinanzierbar und vorallem auch nicht sinnvoll machbar. Ich liebe meine Heimatregion, aber ich wüsste nicht was der Sender mir aus der Region 24 Stunden lang erzählen wollen würde
Ein privates Inforadio nur auf regionaler/lokaler Basis und mit 100% Wort würde nicht funktionieren. Keine Chance.

CNN hat es (im TV-Bereich) als einziger privater news-Sender geschafft, sich zu etablieren.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

CNN hat es (im TV-Bereich) als einziger privater news-Sender geschafft, sich zu etablieren.

Aber N24 ist auch sehr etabliert wenn auch wohl nur für Fernsehen.
Ich glaube es liegt daran weil viele Leute in Umfragen sagen: Ja, ich möchte gerne viele Nachrichten im Radio hören und im TV sehen, aber in Wirklichkeit wollen sie nur scharfe Filme kucken oder viel Musik hören. Aber der wo gefragt hat,denkt dann: OK, ich mache einen Nahrichtensender, das ist bestimmt lohnreich.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Aber N24 ist auch sehr etabliert wenn auch wohl nur für Fernsehen.
Ich glaube es liegt daran weil viele Leute in Umfragen sagen: Ja, ich möchte gerne viele Nachrichten im Radio hören und im TV sehen, aber in Wirklichkeit wollen sie nur scharfe Filme kucken oder viel Musik hören. Aber der wo gefragt hat,denkt dann: OK, ich mache einen Nahrichtensender, das ist bestimmt lohnreich.

N24 ist alles aber kein Nachrichtensender, immer wenn ich dort hinschalte sehe ich "2.Weltkriegdokus" oder "wie kommt die Zahncreme in die Tube Dokus".
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

@Cart
Ein reines Lokal-Inforadio wäre unfinanzierbar und vorallem auch nicht sinnvoll machbar. Ich liebe meine Heimatregion, aber ich wüsste nicht was der Sender mir aus der Region 24 Stunden lang erzählen wollen würde.

Ich weiß nicht, in welcher öden Gegend Du lebst, aber wenn Du formulierst "ich wüsste nicht, was der Sender mir aus der Region 24 Stunden lang erzählen wollen würde", dann spiegelt Deine Formulierung in erster Linie das Unvermögen der Radiosender/Redaktionen, aus dem Fundus einer Region ein spannendes Programm zu machen. Gibt es keine interessanten Menschen in Deiner Region, über die und mit denen man im Programm reden kann? Gibt es keine Streitthemen? Gibt es keine Geschichte der Region? Gibt es keine politischen Akteure? Gibt es keine Gastronomie und Kulturszene, die man beleuchten, kontrovers diskutieren oder begeistert feiern kann? Gibt es keine Kommunalpolitik? Keine Sorgen der Menschen? Keine Schicksale? Ist da niemand mit Witz udn Humor, der vielleicht eine Programmbereicherung sein könnte? Keine lokale Kleinkunstszene? Gibt es keine sozialen Brennpunkte? Sind da nicht Kindergärten, Schulen, Banken, Industriebetriebe, Sportvereine, Arbeitsämter und andere Einrichtungen und Institutionen, an denen man lokal gezoomt die Folgen von Bundes- und Landespolitik darstellen kann?
Ich sage Dir, was das Problem ist: Nicht Deine Heimat ist öde, langweilig und fantasielos. Dein lokaler Radiosender ist es!
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Im Printbereich funktioniert Lokaljournalismus auch. Natürlich können private Infowellen angesichts der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz nicht funktionieren, die Frage ist doch aber, wie es ohne diese aussähe. Ich möchte zu bedenken geben, dass die wenigsten Länder einen öffentlich-rechtlichen Sektor haben, die Gegenargumente heissen aber natürlich Fox und Berlusconi. Aber nur, weil etwas unter dem gegebenen Marktumfeld nicht hinhaut, heisst das nicht, dass es unter anderen Umständen nicht funktionieren könnte.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

CNN hat es (im TV-Bereich) als einziger privater News-Sender geschafft, sich zu etablieren.

Auf welches Gebiet beziehst du dich denn mit dieser Aussage? International gesehen würde mir noch Al-Jazeera und Sky News einfallen, die sich als CNN-Konkurrenz etabliert haben. In den USA gibt es mit Fox News und MSNBC gleich zwei Nachrichtensender, die höhere Zuschauerzahlen vorweisen können als CNN. Selbst der CNN-Zweitsender Headline News (früher CNN 2) überholt in der Prime Time des öfteren den (ehemals) großen Bruder.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Ich möchte zu bedenken geben, dass die wenigsten Länder einen öffentlich-rechtlichen Sektor haben, die Gegenargumente heissen aber natürlich Fox und Berlusconi.

Mir fällt auf die Schnelle kein Industriestaat ein, in dem keine öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebote existieren. Selbst in den USA existiert ein – wenngleich überwiegend spendenfinanziertes – öffentlich-rechtliches Angebot mit PBS und NPR, welches meiner Meinung wesentlich hochwertiger ist als das, was wir hier in Deutschland geboten kriegen. Klar, das Angebot der CPB ist natürlich im Vergleich zu dem, was ARD und ZDF bieten, stark komprimiert, aber dafür findet der Zuschauer und Zuhörer dort auch rund um die Uhr anspruchsvolle Unterhaltungs- und Informationsprogramme, unabhängig vom Profitinteresse. Was wir hier in Deutschland geboten kommen sind Daily-Soaps, Zoosendungen und Rosamunde Pilcher und das, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht, wird in Randzeiten oder auf Spartenkanäle geschoben.

Selbst wenn man davon ausgehen will, dass der amerikanische Rundfunkmarkt vollkommen in privater Hand ist, heißt das noch lange nicht, dass dort nur Unterhaltungsprogramme ausgestrahlt werden. Im Gegenteil: Ich würde behaupten, dass der US-Rundfunkmarkt aus publizistischer Sicht wesentlich vielfältiger und qualitativ hochwertiger ist als das duale Rundfunksystem in Deutschland. Von den großen Networks ABC, CBS und NBC mal abgesehen, die unterschiedlichste Infostrecken und Nachrichtensendungen über den Tag verteilt ausstrahlen, gibt es vor allem bei den Cable Networks ein großes Nachrichtenangebot: Da haben wir Fox News, die klugerweise erkannt haben, dass konservative Nachrichten und Meinungen von den anderen Fernsehsendern nicht bedient werden, MSNBC, die sich in den letzten Jahren als linkes Network positioniert haben, CNN, die auf ihre Neutralität und in hohem Maße auf Social Networking setzen und vor allem bei Breaking News-Strecken weiterhin Marktführer sind, Headline News, die tagsüber auf den schnellen Nachrichtenüberblick setzen und abends mit ihren Talksendungen oft sogar CNN übertreffen, Fox Business Network, die gerade dabei sind, sich als Anlaufpunkt für Libertäre und die Tea Party-Bewegung zu etablieren (der libertäre Reporter Stossel wechselte bspw. letztes Jahr von ABC News zu FBN) sowie CNBC und Bloomberg als reine Nachrichtensender für die Finanzmärkte. Diese publizistische Vielfalt wird natürlich zum Teil dadurch möglich, dass der US-Markt knapp viermal so groß ist wie der deutsche, zum Teil aber auch dadurch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dort nicht durch tausende Spartensender das Publikum komplett abschöpft. Es ist tragisch, dass die privaten Rundfunkanbieter es hier in Deutschland nicht mal ansatzweise schaffen, das abzubilden, was auf dem US-Markt ohne Probleme möglich ist. Mag sein, dass Meinungsjournalismus, wie er abends auf den amerikanischen Cable Networks anzutreffen ist, auch nicht unbedingt das deutsche Publikum anspricht, aber andererseits hat es ja auch noch nie jemand versucht.
Worauf ich damit hinaus will: Der freie Markt kann durchaus hochwertige Nachrichtenangebote schaffen, aber dafür muss der Markt halt auch weitestgehend frei sein.
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

International gesehen würde mir noch Al-Jazeera und Sky News einfallen, die sich als CNN-Konkurrenz etabliert haben. In den USA gibt es mit Fox News und MSNBC gleich zwei Nachrichtensender, die höhere Zuschauerzahlen vorweisen können als CNN.

Erstens mausert EuroNews sich gerade zu einem ernstzunehmenden Infosender, dem sogar die Vielsprachigkeit gelingt - zweitens ist die USA-Medienlandschaft nach wie vor nicht mit europaeischer Mediennutzung vergleichbar. Die Wettbewerbssituation ist anders, die Finanzierung ist anders und last not least sind die Reichweiten voellig anders.

P. S.: N24 wechselt gerade die Besitzer - man darf gespannt sein...
 
AW: Weshalb floppen private Infowellen meistens?

Ich muss mich doch wundern, dass das US-System hier gelobt wird. Wenn N24 seinen Morgenreport ausstrahlt erinnert der doch sehr stark an die US-Formate. Ein bisschen Politik, ein bisschen Boulevard, ein bisschen Service. Also viel von dem, was hier immer gern runtergemacht wird, weil es ja "keine Relevanz" hat. Abgesehen davon sind die Medien in den USA alles Andere als neutral. Fox ist der Konservative, der grundsätzlich erst mal alles scheiße findet, was die Demokraten vor haben, CBS dagegen dann wieder umgekehrt usw. Grundsätzlich trägt das natürlich mehr zur pluralistischen Meinungsvielfalt bei, führt aber auch dazu, dass sich Menschen die Menschen zumeist irgendwann entscheiden, welchem Sender sie glauben. Manche Sendungen (egal bei welchem Sender) sind so unglaublich propagandistisch, dass sie in Deutschland für einen Skandal sorgen würden. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Kultur eine gänzlich andere ist. Stellt euch mal vor, N24 oder n-tv würden sich dazu entscheiden, plötzlich konservativ zu sein und die schwarz-gelbe Koalition bewusst positiv darzustellen. Dann hieße es wieder "typisch Privat - unseriös bla bla".
Und zum ÖR in den USA: Der wird nicht nur zum großen Teil sondern AUSSCHLIEßLICH durch Spenden finanziert. Ergo muss das Programm auch ein anständiges Alternativprogramm anbieten, weil sonst keine Sau spendet. Das können wir gerne in Deutschland einführen. Dann fange ich auch an zu spenden. Aber garantiert nicht für 17 (?) verschiedene Anstalten. Das ist einfach zu viel Geld. Mir ist es angesichts der heutigen Situation auch schleierhaft, wie Deutschland weiterhin an diesem föderalen System festhalten kann. Sehe ich mir die BBC an, dann sehe ich etwa 3 BBC Sender (TV), die zu bestimmten Zeiten (und wie ich finde sehr geschickt) regionalisiert werden und ein traumhaftes (eigentlich auch schon zu großes) Angebot an Landesweiten und regionalen Sendern. Insgesamt kommt alles billiger, als in Deutschland. Einen "Mehrwert" kann ich hier in Deutschland aber nicht erkennen. ganz im Gegenteil.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben