Internationale Chartlogik

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ricochet

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Ich möchte nur mal ganz kurz veranschaulichen wie die amerikanische Chartlogik funktioniert und gleichzeitig demonstrieren, was es mit der Vorbildwirkung der amerikanischen "Billboard Top 40 Single Charts" im internationalen Musikgeschäft auf sich hat:

LMFAO - Party Rock Anthem


Dieser Titel schaffte es behende an die Spitze der US-Gesamthitparade. Er lief aber nur in einem einzigen Radioformat, nämlich im teenie-orientierten CHR-Pop-Format (Top 40), dessen Marktanteil saisonal schwankend bei 5-6 Prozent liegt. Dazu kommt noch das ebenso junge CHR-Rhythmic-Format, das auch noch mal 4 Prozent beisteuert.

Dennoch beherrscht dieses Jugendformat die US-Airplay-Charts und damit gesamte internationale Radio- und Musikszene, und zwar schlicht durch die Höhe seiner Umdrehungszahl - in Top-40-Wellen rotieren permanent 120-150 Titel, die heißesten wiederholen sich im 2-Stunden-Takt.

Die wenigsten Amerikaner wissen, was in diesem Format gerade läuft, denn die wenigsten hören es. Das deutsche (und europäische?) Hitradio hingegen beglückt Jung und Alt mit dieser Art von Musik und kombiniert sie mit allerlei Rock- und 80er/90er-Material. Ich sage nicht, dass "Electro Hop" schlecht ist, aber er ist sagen wir mal, sehr speziell und keineswegs massentauglich...

Im folgenden die Chartplatzierungen, die LMFAO's "Party Rock Anthem" in einigen Ländern belegte:

Australien 1
Österreich 2
Belgien (Flandern) 1
Brasilien 1
Frankreich 1
Deutschland 1
Italien 5
Niederlande 10
Schweden 3
Schweiz 1
Großbritannien 1

(Quelle: Wikipedia)
 
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In Deutschland sind es allerdings reine Verkaufscharts. In den Airplaycharts ist es hier keineswegs so hoch platziert.
 
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Ach so. Wenn man sich die Playlists deutscher Hitdudler anschaut, wird einem trotzdem übel: Da geben sich Harcore-Truppen wie die "Sick Puppies", Teenie-Schreckschrauben wie "Kesha", Soul-Diven wie "Whitney Houston" und typische AC-Interpreten wie "Hurts" die Hand. Wer kann so was länger als 30 Minuten durchhalten?
 
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In Deutschland sind es allerdings reine Verkaufscharts. In den Airplaycharts ist es hier keineswegs so hoch platziert.

Richtig. "Party Rock Anthem" rangiert in Deutschland nicht höher als Top 30 Airplay-Charts mit knapp 800 Pl/Wo. "Price Tag" von Jessie J feat. B.o.B. kommt auf fast 1.000 Plays/Wo mehr.

Der vom Thread-Eröffner dargelegte Widerspruch zwischen (Sales-)Charts-Spitze und dem relativ niedrigen Radio-Marktanteil ist nicht neu. Auch in Deutschland werden die Top-Positionen der Verkaufs-Charts schon immer von einer recht kaufintensiven, jungen Käuferschicht bestimmt. Selbst wenn in Deutschland der Marktanteil der Radios für diese Zielgruppe größer ist als in den USA, so repräsentieren weder die Playlisten dieser Stationen noch die (auf reinen Verkäufen beruhenden) Sales-Charts die Musiknutzung (Kaufen und Hören) der deutschen Gesamtbevölkerung.

So richtig verstehe ich noch nicht, was Rico beklagt oder bedauert.
 
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Auch wenn ich die von dir genannten Bands ebenfalls nicht mag bzw. nicht mehr hören kann, ist das reine Geschmacksache. Schalte dich doch mal durch die Wunschhitsendungen der einzelnen Stationen im Lande, wo ja ständig die üblichen Verdächtigen gewünscht werden (Gut, vielerorts ist das zu hörende Ergebnis sicherlich auch manipuliert) Es gibt eben 2 Gruppen: Diejenigen die ihre totgedudelten Songs hören will und jene, die eben für mehr tatsächliche Abwechslung sind.
 
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Ein paar Geschmacksverirrte, die sich das stundenlang mit Wonne reinziehen, gibt es immer. Das sind die, die sich am Hörertelefon in überschwänglichsten Elogen übers Programm ergehen (euer suupi, suupi-toller Sender). Eins teht fest: Die "Sick Puppies", Krawallnudel "Kesha" und "Whitney Houston" in eine Playlist zu packen ist eine Todsünde. Antenne Bayern & Co. denken sich aber nichts dabei. Die abgestumpften Dauerhörer haben sich an die musikalische Promo-Schleife gewöhnt, mit der solche Sender ihr Geld verdienen. Wenn die grundlegenden Stellschrauben nicht neu justiert werden und die musikalische Schnittmenge zwischen den Sendern so groß bleibt wie heute, werden die Privaten in Zukunft vermehrt auf solche Hörer angewiesen sein.

Es gibt in Deutschland Sender mit klarer Ausrichtung und guter, verträglicher Musikauswahl, aber leider nicht überall.
 
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Das Problem ist, dass die Privatsender keine klare Linie haben und einander viel zu ähnlich sind. Ein paar Grundsätze sollten vor allem in größeren Märkten gelten:

Klar Schiff bei der Programmphilosophie, exakt umrissene Zielgruppe, vertretbare musikalische Bandbreite innerhalb des gwählten Musikspektrums, keine starken Überschneidungen zwischen den Sendern, echte Bedarfsdeckung

und bei den Öffis:

Bedarfsdeckung jenseits des in Deutschland besonders restriktiven Werbediktats, große Playlist, kein schamloses Abkupfern beim Privatfunk sondern eigene Konzepte ausarbeiten
 
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Aber Rico, solange die Sender in Deutschland, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, Quote machen wollen, ist ihnen alles andere egal. Deine Wünsche in Ehren, aber wenn mit einem 24-stündigen 1kHz-Messton Quote zu machen wäre, würden sie alle auch den senden.
 
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@ count down

:) Genau so ist das und daran ist auch nichts Verwerfliches. Ist halt ein Geschäft wie jedes andere.
 
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Aber Rico, solange die Sender in Deutschland, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, Quote machen wollen, ist ihnen alles andere egal. Deine Wünsche in Ehren, aber wenn mit einem 24-stündigen 1kHz-Messton Quote zu machen wäre, würden sie alle auch den senden.

Über kurz oder lang wird entscheidend sein, dass sich die Hörer mit ihrem Privatdudler indentifizieren können. Wenn alle nur noch "Kraut und Rüben" spielen, zapfen die Leute irgendwelche Musikstreams an und warden nicht mehr gesehen. Der Abnabelungsprozess ist bei den Jugendlichen schon voll im Gange.

Auch in Deutschland werden die Top-Positionen der Verkaufs-Charts schon immer von einer recht kaufintensiven, jungen Käuferschicht bestimmt.

So richtig verstehe ich noch nicht, was Rico beklagt oder bedauert.

Ich bezog mich zwar nicht ausschließlich auf D, aber Countie, du hast Recht, ich bringe die Airplay- und Single-Verkaufscharts immer wieder durcheinander.
 
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Über kurz oder lang wird entscheidend sein, dass sich die Hörer mit ihrem Privatdudler indentifizieren können. Wenn alle nur noch "Kraut und Rüben" spielen, zapfen die Leute irgendwelche Musikstreams an und warden nicht mehr gesehen. Der Abnabelungsprozess ist bei den Jugendlichen schon voll im Gange.

Glaube ich wohl. Und ich glaube, es wird schlimmer. In Zukunft werden sich Hörer nicht mehr mit irgend einem Sender als "ihrem" Sender identifizieren. Je jünger sie sind, desto weniger. Und die Sender sind selber schuld, tun sie doch nichts, um die Verweildauer zu verlängern, sondern alles, um hohe Quoten mit starken Rotationen und damit in Kauf genommener, verkürzter Verweildauer zu erzielen.
 
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