Die Meldung vom Frequenzentzug des Budapester Klubradios in den deutschen Medien

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Wer heute die Nachrichten im Deutschlandfunk verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass diesem der Frequenzentzug von Klubradio Budapest sogar eine Meldung in den Schlagzeilen wert war.
Auf der Webseite des DRadios gibt es zu diesem Thema ein längeres Interview: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1586757/

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, wenn Ihr diese Meldung lest, aber mich bringt so etwas wirklich auf die Palme, und das aus folgendem Grund:

Niemand wird bestreiten, dass die Entwicklungen in der ungarischen Medienszene mehr als bedenklich sind, aber wie steht es um die Lage in Deutschland?
Alle Versuche, die Etablierung freien und unabhängigen Privatfunks in Deutschland zu verhindern, sind in keinster Weise Gegenstand der hiesigen Medien.
Anders als in Ungarn sind die Gründe in Deutschland zwar nicht direkt politischer, sondern ökonomischer Natur, dennoch ist es genauso ein Skandal, wenn kleinen und unabhängigen Programmveranstaltern systematisch ein Zugang zum Markt auf UKW verwehrt wird, mit ebensolchen fadenscheinigen Argumenten, mit denen jetzt das Budapester Klubradio dichtgemacht werden soll.
In Deutschland spielt es überhaupt keine Rolle, welches Parteibuch ein Radioveranstalter hat: Ohne die Beteiligungen großer Presseverlage, seien sie nun in ihrer Ausrichtung eher CDU- oder SPD-nah, hat man so gut wie keine Chance auf ein positives Votum der hiesigen Medienkommissionen, wenn es um Frequenzzuteilungen geht.

Wie leicht ist es, auf Mißstände im Ausland hinzuweisen, - noch dazu in einem so kleinen Land wie Ungarn -, um ja nicht vor der eigenen Haustüre kehren zu müssen!

Wie denkt Ihr darüber?
 
Als nächster Schritt wird wahrscheinlich das Internet "reguliert" und das Abhören von "Feindsendern" unter Strafe gestellt. Für mich gibt es da nur zwei Möglichkeiten. Entweder macht die EU massiv ihren Einfluss geltend oder man wirft die aus der EU. Sowas hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun.
 
Wobei ich der Meinung bin, dass die EU auch in Sachen "Frequenzvergabe in Deutschland" endlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten Druck ausüben sollte.
 
Internetradiofan:

Die EU ist für die Frequenzvergabe in Deutschland immer noch nicht zuständig. Hat sich seit zwei Wochen nicht geändert, als ich das in einer Mail an dich schon einmal erklärte. :)
 
@alqaszar: In der Tat ist die Lage komplexer, als es auf den ersten Blick scheint, was dazu führt, dass die Handlungsmöglichkeiten der EU in dieser Angelegenheit relativ begrenzt sind.

Das Verrückte ist aber, dass der private Rundfunk heute zwar nahezu ausschließlich aus kommerziellen Gründen betrieben wird, die Gesetze des freien Marktes in diesem Bereich vorallem in Deutschland jedoch weitestgehend außer Kraft gesetzt worden sind.
Die Kulturhoheit der einzelnen Staaten sollte sich in diesem Kontext allein auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschränken, nicht jedoch auf Privatsender, die keine kulturellen Ziele verfolgen, denen es bis auf wenige Ausnahmen, wie das Budapester Klubradio, ausschließlich darum geht, Geld zu verdienen.
Unter dieser Prämisse sollte die EU sehr wohl für einheitliche Rahmenbedingungen sorgen; es kann nämlich nicht angehen, dass kommerzielle Privatanbieter in einigen Ländern der EU einen Zugang zum Markt finden, während er ihnen andererorts komplett versperrt bleibt.
Es ist an der Zeit, die Kleinstaaterei, die in diesem Sektor auf EU-Ebene vorherrscht, endlich zu beenden. Dann würde es solche Extreme wie in Ungarn oder in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geben.

Für anspruchsvolle Wortprogramme, in denen unterschiedliche politische Ausrichtungen zum tragen kommen, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk dar; der Unterhaltungssektor sollte jedoch weitestgehend dem Privatfunk überlassen werden, wobei es darauf ankommt, möglichst viele freie Frequenzen auszuschreiben, damit ein umso größerer Wettbewerb entsteht: Je mehr Wettbewerb, desto besser für den Hörer!

Was mich in erster Linie aufregt, ist, wenn ich feststelle, dass der Frequenzentzug eines linkslastigen politischen Radiosenders in Ungarn ein Thema in den öffentlich-rechtlichen deutschen Medien ist, während auf der anderen Seite die Tatsache vollkommen unerwähnt bleibt, dass kleinen Programmanbietern wie bspw. CityREdio, die keinerlei politische Motive verfolgen, ein Marktzugang in vielen deutschen Bundesländern komplett versperrt wird. Als ob es verwerflich wäre, sowohl ein gutes Programm zu machen, als auch damit Geld zu verdienen.
Wenn jemand Eigeninitiative zeigt und sich bemüht, etwas in Sachen Rundfunk ohne Beteiligung der Presseriesen aufzubauen, sollte dies gefördert werden; stattdessen jedoch werden diesen Leuten an allen nur denkbaren Stellen Hindernisse in den Weg gelegt. Genau dies wird nirgendwo thematisiert, zumindest nicht in den etablierten deutschen Medien.
 
Dass die quantitative Programmvielfalt auf UKW in Deutschland ein schlechter Witz ist, vor allem, wenn man sie mit dem europäischen Ausland vergleich ist klar. Dass die Privatradiolizenzen in Deutschland zu einem guten Teil nach Vitamin B vergeben wurden, und ebenso die Vielfalt des privaten UKW-Marktes künstlich eingeschränkt wird, um die Gelddruckmaschienen der bestehenden Anbieter zu erhalten - geschenkt. Darüber habe ich mich hier im Forum auch schon mehr als einmal ausgekotzt.

Aber was da in Ungarn passiert, ist ein ganz anderes Kaliber. Da geht es nicht darum, "lediglich" Freunden des Regierungschefs das Geldverdienen zu erleichtern, sondern darum, kritische Meinungen zu marginalisieren, und den Staatsapparat im Sinne des Machterhaltes der Regierungspartei und des Regierungschefs umzubauen.
 
Für anspruchsvolle Wortprogramme, in denen unterschiedliche politische Ausrichtungen zum tragen kommen, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk dar; der Unterhaltungssektor sollte jedoch weitestgehend dem Privatfunk überlassen werden, wobei es darauf ankommt, möglichst viele freie Frequenzen auszuschreiben, damit ein umso größerer Wettbewerb entsteht: Je mehr Wettbewerb, desto besser für den Hörer!

Anders hören oder hören, was andere nicht wissen wollen, dafür ist mitnichten der parteibuchkonforme öffentlich-rechtliche Rundfunk da, sondern die freien Radios, Kostproben höre hier: http://freie-radios.net/

In der Kleinstadt Ulm gibt es zwei Privatsender: Radio 7 und Donau 3 FM.
Deren Programm sieht in etwa so aus: Nachrichten, Wetter, Verkehr, Radarfallen, Veranstaltungen und Werbung. Das Ganze wird hin und wieder unterbrochen von der täglich immergleichen gaga Musik.
Je mehr Müll, desto dümmer der Hörer!!
 
freiwild schrieb:
Aber was da in Ungarn passiert, ist ein ganz anderes Kaliber. Da geht es nicht darum, "lediglich" Freunden des Regierungschefs das Geldverdienen zu erleichtern, sondern darum, kritische Meinungen zu marginalisieren, und den Staatsapparat im Sinne des Machterhaltes der Regierungspartei und des Regierungschefs umzubauen
In der Tat; dem möchte ich Dir nicht widersprechen.

Die Gegenfrage sei jedoch erlaubt: Was würde passieren, wenn jemand versucht, für ein ähnliches Programm wie Klubradio bei einer deutschen Landesmedienanstalt eine Zulassung zu beantragen?
Ich kenne selbst den Fall eines Webradios mit journalistisch recht anspruchvollen Inhalten, welches bei der LfM in Düsseldorf lediglich um eine Zulassung für eine Verbreitung im lokalen Kabelnetz ersucht hatte: Selbst das ist so gut wie aussichtslos.

Sobald ein privater Veranstalter in Deutschland ein Programm mit einem Schwerpunkt auf politische Themen starten möchte, werden sofort irgendwelche Bedenken aufgrund einer angeblich vorherrschenden Gefahr der Verbreitung politischer Ideologien laut.

Unabhängige Zeitungen, die gibt es, und zwar sowohl in Deutschland, als auch in Ungarn. Unabhängiger Privatfunk dagegen bleibt in beiden Ländern eine Wunschvorstellung.

doglife schrieb:
In der Kleinstadt Ulm gibt es zwei Privatsender: Radio 7 und Donau 3 FM.
Und weil sich diese beiden Programme den Markt untereinander aufgeteilt haben, gibt es keinen Anreiz, sich qualitativ zu verbessern.
Die Situation sähe vollkommend anders aus, wenn 15 oder 20 Privatsender (natürlich auch regionale Programme) gegeneinander antreten würden: Dann gäbe es eine echte Konkurrenzlage, die die Stationen dazu zwingt, sich inhaltlich voneinander abzugrenzen.
 
Gibts nicht schon 30 Threads mit diesem genöle? Meinst du einen Thread nach dem anderen aufzumachen ändert irgendetwas?

Abgesehen davon hat die gerade anlaufende Zensur der Medien in Ungarn rein gar nichts mit der Frequenzvergabepraxis in deutschen Bundesländern gemein.
 
@Dude: Eigentlich hast Du recht: Es ändert sich nichts...leider!

In Ungarn gibt es keine kritischen Wortprogramme, weil es den dortigen Machthabern nicht passt und in Deutschland gibt es keine attraktiven Unterhaltungsprogramme, weil die an den wenigen Privatsendern beteiligten Medienunternehmen so mächtig sind, dass sie erfolgreich Druck auf die Politik ausüben können, damit kleine und unabhängige Programmveranstalter gar nicht erst zum Zuge kommen.
In beiden Fällen wird Vielfalt verhindert, in beiden Fällen geht es um Machterhalt: In Ungarn um politische, in Deutschland um ökonomische Macht (was heute so gut wie das Gleiche ist). Die Interessen des Bürgers, der sowohl eine kritische Berichterstattung im Rundfunk, als auch unterhaltsame Hörfunkprogramme haben möchte, spielen weder in Ungarn noch in Deutschland eine Rolle. Wir haben zwar eine Demokratie; welche konkreten politischen Entscheidungen getroffen werden, ist jedoch abhängig vom Einfluss der Lobbyistenverbände auf die Politik und nicht von der Sorge der Politiker um das Gemeinwohl.
Man kann sich damit abfinden oder man kann es in Foren wie diesem anprangern; schlussendlich sollte es jedem selbst überlassen bleiben, wie er damit umgeht.
 
Wir haben zwar eine Demokratie; welche konkreten politischen Entscheidungen getroffen werden, ist jedoch abhängig vom Einfluss der Lobbyistenverbände auf die Politik und nicht von der Sorge der Politiker um das Gemeinwohl.
Das ist der einzige Satz, bei dem ich voll und ganz zustimme.
Davon abgesehen gibt es in Ungarn sehr wohl kritische Wortprogramme, z. B. bei Tilos Rádió.
 
Das eigentliche Problem ist doch, das die Ungarn bei ihrer letzten Wahl Fidesz zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verholfen haben und das trotz freier Medien. Es war eine demokratische Entscheidung.
Das kommt dabei heraus, wenn in allen Medien "qualitative Unterhaltungsprogramme" laufen.
 
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