Berater - Überlebenswichtig oder überflüssig?

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Alpharadio

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Wir schreiben das Jahr 2012 und mittlerweile hören sich - gefühlt - fast alle Sender gleich an.
Bei vielen gleichen sich die Claims, die Musik und die meisten Sender machen blind das, was Ihnen der Berater vorbetet. Aber wenn alle Berater Recht haben und sich zu Tode studieren mit der Musik, den Hörgewohnheiten, etc. Warum sind dann nicht alle Radiosender Marktführer? Wo bleibt heutzutage das Bauchgefühl? Gibt es überhaupt noch erfolgreiche Sender ohne Berater?
 
Hinter einem Sender stehen Gesellschafter, Aktionäre, Gläubigerbanken.
Die sehen es nunmal gern, wenn man Rat von "Profis" in Anspruch nimmt, damit der Gewinn sicher kommt und gleichbleibend stimmt. Eigenmächtige, d.h. finanziell risikoreiche, Experimente sind da weniger gefragt, auch wenn Hörer und Radiomacher das gern so hätten.
 
So gesehen ist also deutsches Formatradio ein wunderschönes Beispiel der Kehrseite des Kapitalismus. ;)
 
Warum sind dann nicht alle Radiosender Marktführer?

Die Frage halte ich zumindest weitgehend für recht einfach beantwortbar: Weil viele Sender in Deutschland unterschiedliche Startbedingungen haben. Das fängt nun zum einen damit an, dass es immer noch unterschiedliche Formate gibt. Ein Sender wie NDR 1 spricht ganz sicherlich ein anderes Publikum an als die Jugendwelle N-Joy (mag vielleicht auch den einen oder anderen Jugendlichen geben, der beides bevorzugt oder lieber NDR 1 hört, aber in der Regel schaltet der Jugendliche vermutlich dann doch lieber N-Joy ein). Das ist erst einmal ein ganz wesentlicher Faktor ;)
Aber dir geht es ja eher um Sender, die ähnliche Formatierungen haben. Von daher könnte man nun einfach wieder die Thesen aus der "Coolness-Studie" heran, die ich hier schon versucht habe näher zu betrachten. Mal unabhängig davon, ob die Studie nun repräsentativ sein möge oder nicht (näheres erfährt man halt nur, wenn weiter auf diesem Gebiet geforscht wird), scheint es meines Erachtens im Wesentlichen noch zwei Kriterien zu geben, auf die selbst die besten Berater kaum Einfluss nehmen können und auch die Sender selbst kaum. Zum einen die Macht der Gewohnheit. Ist ein Sender schon länger im Markt oder kennt man ihn auch noch aus dem Nachbarort, dem nächsten Bundesland oder gar einem anderen Staat, scheinen viele Hörer weiter einzuschalten. Diese These setzt nun allerdings schon vollkommen gleiche Startbedingungen voraus (beide Sender sind im möglichst gleichen Sendegebiet zu hören). Zum anderen geht aus der Studie aber auch hervor, dass zum Beispiel Verkehrsfunk für Studenten sehr wichtig ist. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass der für andere Hörer vollkommen unwichtig ist. Gehen wir davon aus, dass es sich im Wesentlichen um mobile Zuhörer handelt (andernfalls hätte der Verkehrsfunk vermutlich gar keine hohe Priorität), ist natürlich auch eine entsprechende Frequenzabdeckung wichtig. Das knüpft auch an die erste These an.[/URL]
Etabliert sich ein Sender neu am Markt, so hat er in den meisten Bundesländern (ironischerweise könnte ausgerechnet NRW hier mit der neuen Frequenzkette also als positives Beispiel genannt werden, weil dadurch ein weitgehend flächendeckendes Netz angeboten werden kann) zum einen den Nachteil, dass sich die Hörer erst einmal nicht so leicht abwimmeln lassen vom bislang gehörten Sender (außer man bricht vielleicht komplett mit dem Musikstil und fällt somit positiv auf) und zum anderen, dass sie dann auch das Bedürfnis haben, dass zumindest das für sie relevante Gebiet abgedeckt wird. Wenn ich täglich von Stuttgart nach Karlsruhe fahre und einen Stammsender habe, muss ein neuer Sender zumindest auf dieser Strecke eine ebenso gute Netzabdeckung haben.

Wann diese Studie dann nicht mehr greift ist relativ klar, nämlich dann wenn diese Bedingungen zu gleichen Teilen erfüllt sind, zum Beispiel, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender gegenüber einem privaten steht oder sogar mehrere private sich gegenüber. Ein Beispiel hierfür wären aus Niedersachsen Hitradio Antenne und FFN oder in Hessen hr und FFH. Da müsste man dann weiter schauen. Aber da bietet die Studie ebenfalls Ansatzpunkte, dann geht es nämlich tatsächlich um Qualität im Ohr des Hörers: Auf welchem Sender sind Nachrichten angenehmer zu hören? Welcher Sender bietet den besseren Verkehrsfunk? Welche Musikauswahl ist ansprechender? Welche Moderatoren moderieren angenehmer?
Und gerade da kommen meines Erachtens dann auch die Berater ins Spiel. Für den "erfolgreicheren Sender" gilt es nun seine Hörer zu halten und auszuweiten, indem er die ihm zugeschriebenen Kompetenzen weiterhin erfüllt und ausbaut und für den "abgehängten bzw. nun jagenden Sender" wird es wichtig sich selbst zu positionieren und ggf. in wichtigen Kompetenzen nachzubessern. Gehen wir also vom konkreten Fall aus: FFN hat gewisse Kompetenzfelder auf denen der Sender besser ist als Hitradio Antenne. Hitradio Antenne setzt also gezielt Berater ein, um den Anschluss nicht zu verlieren, bestmöglich um aufzuholen und um überzuholen. FFN begreift dies und setzt ebenfalls Berater ein, um keine Martkanteile an Hitradio Antenne abzugeben und am besten noch selbst noch mehr Hörer zu erreichen. Am Ende stehen sehr ähnliche Produkte, aber solange Hitradio Antenne nicht "besser" wird als FFN, wird es nicht gelingen können FFN zu überholen, denn hier binden sich zunehmend Hörer auf Grund ihrer Gewohnheiten. Das Beispiel kann man beliebig auf andere Sender übertragen, aber es zeigt meines Erachtens ganz gut auf, warum man auf Berater nicht verzichten kann.
 
Ganz einfach: Wenn es keine Berater gäbe, würde sie auch niemand vermissen. Die Sender müssten - und würden - sich dann selber darum kümmern, was sie von ihren Mitbewerbern abschauen, kopieren und übernehmen, und sie müssten nicht dafür bezahlen, dass ihnen ein Berater dies alles sagt.
 
Hinter einem Sender stehen Gesellschafter, Aktionäre, Gläubigerbanken.
Die sehen es nunmal gern, wenn man Rat von "Profis" in Anspruch nimmt, damit der Gewinn sicher kommt und gleichbleibend stimmt. Eigenmächtige, d.h. finanziell risikoreiche, Experimente sind da weniger gefragt, auch wenn Hörer und Radiomacher das gern so hätten.


Ja schon - aber sie täten sicherlich besser daran, nicht nur den "Rat" von Profis einzuholen, sondern das Programm auch mal von Profis gestalten zu lassen. Das sehe ich derzeit im Privatfunk so gut wie nirgends. Die meisten Redakteursposten sind da doch aus Geldgründen mit Volos oder Praktikanten besetzt....
 
Wenn es keine Berater gäbe, würde sie auch niemand vermissen.
Über diese Brücke würde ich wegen akuter Einsturzgefahr jetzt nicht gehen wollen, es sei denn, der Senderverantwortliche hat den Familiennamen "Niemand". - Genau diese Leute (Senderverantwortliche) würden die Berater vermissen, denn eine nicht unwesentlichen Schutzwall im Arbeitsumfeld dieses Personenkreises wäre nicht mehr aktiv; es wäre eigenes Handeln gefragt - die Spreu würde vom Weizen getrennt. Nur was mit einem riesigen Haufen Spreu machen? Die Sozialsysteme noch mehr belasten?
 
@ Inselkobi:
Wen oder was gab es nie? - Berater kannst Du nicht meinen, denn eine hier allseits bekannte Dame brüstet sich doch auf ihrem Webauftritt damit, welche Sender sie in ungeahnte Höhen eines Hörerzuspruchs geführt hat.
 
Glaube mir, Inselkobi, gäbe es keine Berater, die Senderverantwortlichen würden alle ihre, im Programm eingesparte, Kreativität dazu benutzen, ein ähnliches Kostrukt aufzubauen. - Es gab doch sicherlich einmal auch im Rundfunk eine Zeit, die ohne Bertaterzunft auskam. Es wäre zu hinterfragen, wie die es damals schafften, Programm zu machen und auch noch zu überleben.
 
Ich halte das Beratergebashe ehrlich gesagt für unnützlich. Ich mag da vielleicht eine optimistischere Sichtweise haben, aber ich halte gerade externe Berater für wichtig, die einen möglichst objektiven Blick auf ein Unternehmen, in diesem Fall in Rundfunkunternehmen, haben. Das heißt freilich nicht, dass man allen Anweisungen eines externen Beraters folgen muss (so lese ich hier die wesentlichen Kritikpunkte heraus), aber der Blick nur aus dem Inneren hat oftmals auch eine maßlose Selbstüberschätzung zur Folge. Eine andere Form von Beratern sind Mitglieder von Beiräten, die sich bspw. auch aus Hörern zusammensetzen können oder erfahrenen Medienmachern. Gerade Beiräte haben natürlich auch den Vorteil, dass verschiedene Meinungen zusammengetragen werden und nicht vielleicht nur die ausschließliche eines einzelnen schlechten Beraters.
 
Eine andere Form von Beratern sind Mitglieder von Beiräten, die sich bspw. auch aus Hörern zusammensetzen können oder erfahrenen Medienmachern. Gerade Beiräte haben natürlich auch den Vorteil, dass verschiedene Meinungen zusammengetragen werden und nicht vielleicht nur die ausschließliche eines einzelnen schlechten Beraters.
So sollte es sein, ist es aber nicht. Warum, das wissen wohl nur die Götter.
 
Man sollte dabei nicht vergessen, daß das Hauptziel von bezahlten Beratern jedweder Sorte ist, Geld zu verdienen und möglichst lange im Geschäft zu bleiben. Dieses Ziel ist nicht unbedingt deckungsgleich mit den Zielen derjenigen, die beraten werden wollen / sollen.
Meine Erfahrung ist, daß mit Beratern für die i.d.R. viel Geld bezahlt wird, vieles (noch) schlechter geworden ist, aber nur wenig ist besser geworden.
Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.
Entsprechend überflüssig finde ich diese Branche und halte es deshalb eher mit dem Spruch : "Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner".
 
Wenn man als Unternehmer, Politiker oder Bank keinen Verantwortung für sein handeln übernehmen will, dann braucht man halt diese heute übliche Sorte von "Beratern".

Mit einem Berater in klassischem Sinn hat das nichts mehr zu tun.
 
Es sind ja auch nur B - Rater, also die zweite Liga der Rater. Vielleicht sollte man sich einen A - Rater zulegen, der errät dann vielleicht wirklich, was das Publikum haben will.:D
 
@ Mannis Fan:
Mit anderen Worten, die Verantwortlichen sollen besser hier anrufen:

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hassa0 schrieb:
Man sollte dabei nicht vergessen, daß das Hauptziel von bezahlten Beratern jedweder Sorte ist, Geld zu verdienen...
Solang Berater keinen Schaden anrichten und niemandem wehtun, sollen sie meinetwegen auch Geld verdienen. Das Problem ist nur: Sie richten Schaden an, und sie tun weh. Aber sie erfüllen auch einen Zweck: Sie sind die Rübe-Hinhalter. Sie halten den PDs, die keine Eier in der Hose haben, selbst Programmentscheidungen zu treffen, den Rücken frei. Läuft's schief, war's der Berater. Mein Fazit: Berater sind nicht nur überflüssig, sie sind sogar schädlich. Ich finde, wir brauchen wieder eine Kultur des echten Wettstreits, in der jeder Radiosender versucht, mit seinen (eigenen) Ideen die Hörer zu gewinnen.

Radiocat schrieb:
Es ist ein zweigleisiges Schwert !
Ich nominiere diesen Satz für die "O-Ton-Charts" des Radioforums! :D
So zweigleisige Schwerter sind ja aber auch gefährlich...
Vielleicht sollte man hier doch besser zweischneidig fahren.
 
Mein Fazit: Berater sind nicht nur überflüssig, sie sind sogar schädlich. Ich finde, wir brauchen wieder eine Kultur des echten Wettstreits, in der jeder Radiosender versucht, mit seinen (eigenen) Ideen die Hörer zu gewinnen.
Ein (vermutlich) ewig währender Wunschtraum, den hilde schreibt.
 
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