Einstieg beim Radio: Warum ist es nur so schwierig?

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Feuertraum

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Einen wunderschönen Guten Abend miteinander!

Ich habe mich gerade hier angemeldet, weil ich mir ein klein wenig Frust von der Seele reden mag.
Ich hatte 2009 ein Praktikum bei einem Radiosender absolviert (im Zuge einer vom Job-Center geförderten Maßnahme) und Blut geleckt.
Seitdem versuche ich, trotz meines "enorm hohen Alters von 45 Jahren" eine Stelle als Volontär bei einer Radiostation zu bekommen, wobei mich sowohl die Moderation als auch der Radiojournalismus reizt.
2010 hatte ich eine kleine Chance bei einem Radiosender im Saarland (und ich wäre sogar von NDS dorthin gezogen), aber das wurde seinerzeit vom Job-Center unterbunden.
2011 bei einer weiteren Maßnahme kam ich zu einem Bürgerfernsehen, der mich nach der Praktikumszeit gerne übernommen hätte (als Schreiber und Sprecher), aber die finanzielle Situation ließ diese Chance platzen.
Im Jahre darauf hatte ich wieder eine Maßnahme, und wieder waren sich die Dozenten einig, dass ich im medialen Bereich tätig sein muss.
So kam ich zu einem privaten Regionalsender, der mich nach meiner Praktikumszeit auch genommen hätte, wenn er denn die UKW-Frequenzen von der NLM zugeteilt bekommen hätte..
Was (natürlich) nicht passierte (wenn mir schon mal jemand die Hand reicht...:()
Seitdem versuche ich deutschlandweit, eine Stelle als Volontär zu bekommen, aber ich sammele eine Absage nach der anderen.
Fast immer werden Abiturienten, noch besser Journalisten mit abgeschlossenem Hochschulstudium, bevorzugt

Zählen Talent, Lernwille und Engagement in diesem Bereich gar nichts mehr? Sind nur Abiturienten in der Lage, diese (wundervolle) Arbeit zu erledigen? Ist Fantasie und Kreativität denn etwas, was man einem "erweiterter-Realschulabschluß-Abgänger" abspricht?

Warum nur ist es so schwierig, eine Stelle als Volontär zu bekommen? :(
Traurige Grüße und Danke fürs Zulesen

Feuertraum
 
Es ist eben schwierig und ungewöhnlich, mit 45 ins Radio zu wechseln. Ich habe das in meiner Berufszeit eigentlich nur einmal erlebt, und das war auch nur ein Medien-Umsteiger, der von einem anderen Medium kam. Bei uns steigen die Leute im Schnitt mit Mitte 20 an, als Studenten oder nach ihrem Abschluss. Ein paar bekommen ein Volo, wobei das Hölle schwer ist und auch nicht wirklich durchschaubar, warum der eine eins bekommt und der andere nicht. Andere arbeiten ohne Volo, verdienen dann zwar als Freie ganz gutes Geld, sind aber schlecht abgesichert und hoffen, dass sich Ihr Status irgendwann verbessert. Das ist für viele jenseits der 40 auch keine Traumvorstellung.
 
Probier's mal bei der Radio Group. ;)

Wenn Du bereit bist, für 'n Appel und 'n Ei zu arbeiten, bist Du dort herzlich willkommen. :D
 
Chancen auf ein Volontariat mit 45 sehe ich auch nicht, Feuertraum. Zumindest nicht bei einer ÖR-Anstalt. Wohl gibt es auch in Deinem hohen Alter (sorry, ich bin 55) Betätigungsfelder, allerdings kaum in der Ausbildung. Eine mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Perspektive, für's Radio zu arbeiten, ist das Erstellen von Beiträgen (Reportagen, Kulturkritiken, Features, Hörspiele). Das setzt natürlich voraus, dass Du auf irgend einem Gebiet anerkannter Spezialist bist, also schon mit "Inhalt" hervorgetreten bist, dass Du die Regeln beherrschst, nach denen ein Radiobetrag funktioniert - und dass Du die "soft skills" drauf hast (Fit in der Studiotechnik, hohe Präsentationsqualitäten).
Und dann geht das Antichambrieren los. Ein harter, demütigender Weg mit vielen Enttäuschungen und Abweisungen. Und reich und berühmt wirst Du dadurch sicherlich auch nicht. Und bedenke: Niemand wartet auf Dich. Dein Erscheinen bei einem Redaktionsleiter ist lästig. Man will sich gar nicht mit Dir befassen. Es sei denn, Du bist ein neuer Peter Frankenfeld, Walter Jens oder Josef Pelz von Felinau.
Desillusionierende Grüße vom Onkel.
 
Guten Morgen! :)

Vielen lieben Dank ersteinmal für die ganzen Antworten (und auch für die Berichtigung meines Threadtitels - er klingt richtig knorke :))
Ich hoffe, es ist okay, wenn ich dazu etwas kommentiere:

Schickst Du Airchecks von Dir mit? Wenn Du wirklich gut klingst, dürfte es doch nicht so schlimm sein, dass das Abi fehlt.

Ja, mache ich, wobei ich einräumen will/muss, dass ich einerseits (leider) noch keine Sprecherziehung hatte, andererseits der Aircheck mit einem Lollipop aufgenommen wurde, wodurch meine Stimme natürlich eher etwas technisch klingt. Angeblich aber habe ich eine angenehme und radiogene Stimme Außerdem bilde ich mir ein, schon recht ordentlich mit meiner Stimme zu arbeiten, mit ihr zu modellieren, sie an den (Kon)Text und der Situation anzupassen (ich hoffe, man kann mir die Angeberei verzeihen)

Wenn Du bereit bist, für 'n Appel und 'n Ei zu arbeiten, bist Du dort herzlich willkommen.

Naja, für einen Appel und ein Ei kann ich leider nicht arbeiten. Ich brauche tatsächlich die (überzogene?) Gehaltsvorstellung von 750 - 800 € netto, damit ich mir zumindest ein Dach über dem Kopf und Lebensmittel erlauben kann (nebst so anderem Überflüssigem wie Strom und Heizung und Internet...;).

Ein Volontariat mit Mitte 40? Unmöglich!

Das wird nix mehr.

Magst Du das ganze begründen? Aber bitte jetzt nicht das Argument bringen, dass man ab 40 nicht mehr in der Lage ist, etwas Neues zu erlernen. Da kann ich so viele Gegenargumente bringen, dass ich das nicht als "in Stein gemeißelt" ansehen mag.

Chancen auf ein Volontariat mit 45 sehe ich auch nicht, Feuertraum. Zumindest nicht bei einer ÖR-Anstalt. Wohl gibt es auch in Deinem hohen Alter (sorry, ich bin 55) Betätigungsfelder, allerdings kaum in der Ausbildung. Eine mögliche, wenn auch unwahrscheinliche Perspektive, für's Radio zu arbeiten, ist das Erstellen von Beiträgen (Reportagen, Kulturkritiken, Features, Hörspiele). Das setzt natürlich voraus, dass Du auf irgend einem Gebiet anerkannter Spezialist bist, also schon mit "Inhalt" hervorgetreten bist, dass Du die Regeln beherrschst, nach denen ein Radiobetrag funktioniert - und dass Du die "soft skills" drauf hast (Fit in der Studiotechnik, hohe Präsentationsqualitäten).
Und dann geht das Antichambrieren los. Ein harter, demütigender Weg mit vielen Enttäuschungen und Abweisungen. Und reich und berühmt wirst Du dadurch sicherlich auch nicht. Und bedenke: Niemand wartet auf Dich. Dein Erscheinen bei einem Redaktionsleiter ist lästig. Man will sich gar nicht mit Dir befassen. Es sei denn, Du bist ein neuer Peter Frankenfeld, Walter Jens oder Josef Pelz von Felinau.

In einem ÖR-Sender wollte ich ehrlich gesagt auch nicht arbeiten. Ich hatte mich einmal bei Das Ding beworben und bekam nach einiger Zeit ein Ablehnungsschreiben, bei dessem Lesen ich das Denken hatte, man muss 20 Jahre sein, die Erfahrung eines 50jährigen haben, Praktika bis zum Abwinken vorweisen können und einen Hochschulabschluss mit 1+ erreicht haben, um als Pförtner die Besucher einzulassen :(
Ob ich Spezialist bin, weiß ich jetzt nicht.
Ich kann sowohl ein Fernstudium im belletristischen Schreiben vorweisen (damals war ich noch so naiv zu glauben, dass ich Journalistisch schreiben nicht benötige, weil ich Arbeiten beim Radio zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Schirm hatte) als auch einige Praktika bei Fernsehen und Radio. Dort habe ich mir einiges an Fachwissen angeeignet, und das versuche ich autodidaktisch zu vertiefen (derzeit Interviewführung und Storytelling).
Ehrlich gesagt kommt es mir so sehr auf reich und berühmt werden gar nicht an.
Aber dadurch, dass ich Blut geleckt habe, wurde etwas in mir geweckt, dass weitaus mehr schwingt als nur "schönes Hobby". Inzwischen ist der Wunsch in mir so stark, dass ich mir fast beinahe vorkomme wie ein Fussballfan, der zu jedem Spiel seiner Mannschaft fährt - und wenn diese im Ausland stattfinden...

Es ist klar, dass niemand auf mich wartet. Aber mir ist auch klar, dass ich es zumindest versuchen muss. Wenn ich mich gar nicht bewerbe, bekomme ich nie eine Stelle

Peter Frankenfeld...
Ich muss gestehen, dass ich dann doch noch Kind war, als er sehr popülär war, aber ich kenne doch so einiges von ihm (und liebe "Papa geht`s gut" :))
Ich mag mich mit ihm auch nicht wirklich vergleichen.
Zwar bin auch ich ein sehr humorvoller Mensch und kann auf meine Weise unterhalten, aber die ist doch sehr anders als die vom leider verstorbenen Frankenfeld (allerdings: ein bisschen Anspruch habe auch ich)

Sei doch froh das dich niemand will!!!!!!

echt. mein ich ernst...

Magst Du erzählen, warum Du das so siehst?

Lieben Gruß und noch einmal Danke für die vielen teils desillusinierenden, teils aber auch Mut machenden Antworten.

Feuertraum
(der noch immer hofft, dass die NLM endlich die Frequenzen rausrückt - bei dem Radiosender, dem sie sie - trotz dazu verurteilt - noch immer verweigert, habe ich sehr große Chancen).
 
Vielleicht ist ein Volo für dich der falsche Ansatz? Man müßte ggf. nach einem anderen Einstieg überlegen. Für die Ö/R kann ich dir sagen, daß ich es dort für nahezu ausgeschlossen halte, einfach weil man dort nach bestimmten unflexiblen Regeln die Bewerber aussucht. Abitur ist wohl Pflicht, außerdem gibt es ein Höchstalter von ca. um die 30 (kann nicht für alle Anstalten sprechen, aber habe es noch nie anders gehört). Abgeschlossenes Studium ist ebenfalls Voraussetzung, welche Fachrichtung ist dabei aber egal. Genommen werden heutzutage auch meist ausschließlich Frauen (informell natürlich, aber wenn man sich die Jahrgänge anschaut, ist das schon auffällig).

Daß dir dieser Weg verbaut ist, ist aber noch nicht das Ende vom Traum. Pro Jahrgang und Anstalt werden ca. 12-24 Volontäre ausgebildet, die danach aber längst nicht alle übernommen werden! D.h. der Einstieg nach dem Volo ist im Grunde genauso unsicher wie jetzt ohne. Zudem gibt es m.W. bei (fast?) allen Anstalten einen Übernahmestop, d.h. ein Vertrag (der sogenannte "feste Freie Mitarbeiter") läuft maximal 5 Jahre, danach ist bei dieser Anstalt Schluß. Dauerhafte Arbeitsverhältnisse sind nicht mehr zu erwarten.

Was du probieren kannst ist, dich als "freier Freier Mitarbeiter" zu bewerben, das sind "Aushilfen" in der Redaktionsarbeit, die limitiert sind, für die man aber nicht zwingend ein Volo braucht. Die Stellen sind aber generell extrem selten, d.h. ein Einstieg darüber ist schwierig, aber zumindest nicht unmöglich.

Um ein paar Zahlen zu nennen: auf ein Volontariat bei einem durchschnittlichen Privatsender bewerben sich 200-300 Personen, und das trotz schlechter Arbeitsbedingungen (ca. 1.000 EUR brutto bei Arbeitszeiten open end ist die Regel). Vielleicht versuchst du es wirklich mal bei der Radiogroup, oder bei einem NRW- oder Bayerischen Lokalradio? Stell dich als freier Hörfunkjournalist vor, lies vorher ein paar Grundlagen-Bücher und vertraue auf deine Überzeugungskraft. Ein Kurs oder Coaching in der Moderation mit Herstellung eines Bewerbungs-Airchecks kann sicher auch nicht schaden, da gibt es private Anbieter oder auch Medien-Akademien.
 
@Feuertraum: Um mal was positiv-gönnerhaft-Gutväterliches zu sagen: Schreiben kannst Du wirklich. Dein Stil ist eine Wohltat! :)
 
musicology und OnkelOtto haben es ganz richtig gesagt: Das Volontariat kannst Du Dir abschminken, da sind die Sender und ihre betonierten Einstellungsmechanismen einfach nicht in der Lage, eine Tür zu öffnen. Aber als "Freier" stehen Dir alle Möglichkeiten offen, sofern Du etwas kannst und bereit bist, wirtschaftlich ganz klein zu beginnen.
Mache Dich einfach unentbehrbar, indem Du Beiträge, Ideen, O-Töne und Themen anschleppst, die Dir eine Radioredaktion mit Handkuss abnimmt. Da alle Redaktionen chronisch unterbesetzt sind, die meisten (festangestellten) Redakteure sehr bald auch immobil werden und ihren Schreibtisch nur noch ungern verlassen, gibt es Betätigungsfelder genug. Wenn Deine Stimme wirklich was taugt, dann lässt man Dich nach und nach auch ans Mikrofon - insbesondere in Urlaubszeiten und an Wochenenden. Nur Mut!
 
Im Privatfunk hast du als Volontär auch wenig Chancen. Da gilt "jung und billig will ich". Weitere Begründungen zu suchen, ist müßig. Es ist so, auch wenn die Sinnhaftigkeit dessen sehr überschaubar ist.

Was bleibt? "Bilde dich selbst aus!" - ist ein schwieriger Rat, ich weiß, weil er einigen Einsatz fordert, auch finanziell. Aber als Autodidakt bist du ja schon geübt. Ein kleines "Produktionsstudio" lässt sich mit halbwegs überschaubaren Mitteln selbst bauen. Ich habe mir mal eine kleine Sprechstelle gebaut, dazu akzeptable Schnittsoftware und zu den Ergebnissen dann die Frage gestellt bekommen, zu welchem ÖR-Studio ich als freier Reporter im Privatfunk eigentilch Zugang hätte, dass ich solche Tonqualität liefern würde. Hat mich gewundert. Und gefreut.

Dann Themen suchen und suchen und suchen. Langfristig wirst du dafür eine Sparte besetzen müssen. Ob das nun Sport ist oder Wissenschaft, Medizin, Lokales (da aber dann alles, was sich gerade bietet), Politik, was auch immer. Schau, was Redaktionen brauchen könnten. Das ist aber oft nicht mehr viel, weil sie ihre eigenen Wortanteile durch Musik ersetzt und im Anschluss daran den Blick für gutes Wort verloren haben.

Hast du es schon bei Agenturen versucht?

Ich weiß, das klingt nicht sonderlich Hoffnung verströmend, aber es könnte ein kleiner Weg sein.
 
Es ist eben schwierig und ungewöhnlich, mit 45 ins Radio zu wechseln.

Leider ist es vermutlich in allen Branchen schwierig bis unmöglich, mit 45 Jahren neu einzusteigen - ohne berufsspezifisches Vorleben oder ausgewöhnliche, herausstechende Eigenschaften.


Ich brauche tatsächlich die (überzogene?) Gehaltsvorstellung von 750 - 800 € netto,
Aber als "Freier" stehen Dir alle Möglichkeiten offen, sofern Du etwas kannst und bereit bist, wirtschaftlich ganz klein zu beginnen.
Es liegt doch nahe, sich einen verträglichen und erträglichen Job (vielleicht sogar in der erweiterten Medienwelt) zu suchen und die Radioleidenschaft bei dem örtlichen Bürgerradio einzubringen.
 
Er (oder sie?) muss ja auch nicht gleich alles auf eine Karte setzen. Den bisherigen Brotberuf zur Sicherheit erst einmal noch nicht komplett an den Nagel hängen, vielleicht auf Halbtag reduzieren, und dann ohne Not und Druck das zweite (Radio-) Standbein aufbauen.
 
Einen wunderschönen Guten Abend miteinander!

Ich habe mich gerade hier angemeldet, weil ich mir ein klein wenig Frust von der Seele reden mag.
Ich hatte 2009 ein Praktikum bei einem Radiosender absolviert (im Zuge einer vom Job-Center geförderten Maßnahme) und Blut geleckt.
Seitdem versuche ich, trotz meines "enorm hohen Alters von 45 Jahren" eine Stelle als Volontär bei einer Radiostation zu bekommen, wobei mich sowohl die Moderation als auch der Radiojournalismus reizt.
2010 hatte ich eine kleine Chance bei einem Radiosender im Saarland (und ich wäre sogar von NDS dorthin gezogen), aber das wurde seinerzeit vom Job-Center unterbunden.
2011 bei einer weiteren Maßnahme kam ich zu einem Bürgerfernsehen, der mich nach der Praktikumszeit gerne übernommen hätte (als Schreiber und Sprecher), aber die finanzielle Situation ließ diese Chance platzen.
Im Jahre darauf hatte ich wieder eine Maßnahme, und wieder waren sich die Dozenten einig, dass ich im medialen Bereich tätig sein muss.
So kam ich zu einem privaten Regionalsender, der mich nach meiner Praktikumszeit auch genommen hätte, wenn er denn die UKW-Frequenzen von der NLM zugeteilt bekommen hätte..
Was (natürlich) nicht passierte (wenn mir schon mal jemand die Hand reicht...:()
Seitdem versuche ich deutschlandweit, eine Stelle als Volontär zu bekommen, aber ich sammele eine Absage nach der anderen.
Fast immer werden Abiturienten, noch besser Journalisten mit abgeschlossenem Hochschulstudium, bevorzugt

Zählen Talent, Lernwille und Engagement in diesem Bereich gar nichts mehr? Sind nur Abiturienten in der Lage, diese (wundervolle) Arbeit zu erledigen? Ist Fantasie und Kreativität denn etwas, was man einem "erweiterter-Realschulabschluß-Abgänger" abspricht?

Warum nur ist es so schwierig, eine Stelle als Volontär zu bekommen? :(
Traurige Grüße und Danke fürs Zulesen

Feuertraum


Alter, Können und Ausbildung interessieren eigentlich weniger, wenn gewisse "Vitamine" vorhanden sind. Will heißen Beziehungen sind das A & O. Sicherlich ist ein Abi, Studium oder Volo von Vorteil - aber ich kenne genügend Leute, die eine geniale Ausbildung im Medienbereich haben und heute etwas ganz anderes machen, eben weil ihnen die Beziehungen fehlten. Anders herum kenne ich aber auch Hauptschüler, die eigentlich überhaupt keine Ausbildung bzw. Qualifikation im Medienbereich besitzen und heute bei Lokalbuden als z.B. Frühmoderatoren tätig sind. Ob sie es gut machen oder nicht - sei dahingestellt. Sie kannten jedenfalls wohl wen, der ihnen die Tür öffnete. Zudem gehört noch eine dicke Portion Glück dazu. Ein Radiojob ist so was wie die Stecknadel im Heuhaufen. Sie zu finden ist Glückssache. Du solltest dich daher nicht auf einen Radiojob versteifen sondern vielleicht auch mal dich im Bereich der "neuen Medien" umsehen.
 
Ratschläge zu geben, hat sehr leicht etwa von stets alles besser wissen.
Nur eines, mit 45 Jahren stehst Du in der Mitte Deines Lebens. Natürlich kann man etwas ganz neues anfangen, sollte das vielleicht auch tun. Aber, ein Weg über ein Volontariat schließt sich eigentlich aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dich ein Sender nimmt liegt bei fünfrichtigen im Lotto und wenn, dann wird es ein Minisender, mit wackeliger Finanzierung sein. Einige Sender leben von den Illusionen ihrer Mitarbeiter, ich kann jedem nur raten: Finger weg. Wer Gehälter unter dem Aldi-/Lidl-/McDoof-Sätzen zahlt ist nicht seriös und als Ausbildung bietet er die Schule des Lebens.

Spar Dir die Arbeit mit Bewerbungen. Wenn überhaupt, kann man als freier Mitarbeiter den Quereinstieg auf Basis eines Brot und Butterberufes versuchen. Das ist kein Königsweg und wird auch mehr als mühsam sein. Arbeitsplätze für Journalisten werden mehr und mehr abgebaut. Was das für Newcomer bedeutet muss ich nicht erläutern, oder?

Im Leben gibt es immer wieder Wegmarken, die richtig gedeutet werden müssen, und Wendepunkte, die uns auf einen anderen Weg führen. Wenn man ihnen folgt, dann sollte man auch die Kraft sowie den Mut haben Irrwege abzubrechen und aus Sackgassen herauszufinden.
 
Es ehrt dich, daß du mit 45 zum Radio willst. Deine Begeisterung für das Medium ist auch nachvollziehbar. Es IST der geilste Job der Welt, und ich möchte niemals etwas anderes machen. Allerdings ist es sehr sehr schwer, voranzukommen - selbst dann, wenn man die formalen Kriterien erfüllt (in jungen Jahren anfangen, Abitur und Studium sind obligatorisch, Volontariat bei der ARD oder einem großen Privaten ebenso, vielfältige praktische Facherfahrung auch). Wenn man die nicht erfüllt, wird es nahezu unmöglich, in dieser Branche Fuß zu fassen. Und ganz ehrlich: Das ist auch gut so. Radio ist Arbeit und Handwerk und letztlich eine Kunstform. Die mag je nach Sender unterschiedlich ausgeprägt sein. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass es schon seinen Sinn hat, dass die Anforderungen so sind wie sie sind. Ich wundere mich auch immer wieder, dass so viele Leute von außen meinen, sie könnten ohne entsprechende Bildung und Ausbildung einfach so Radio machen. Ich würde niemals auf die Idee kommen, mich als Fliesenlegerin zu bewerben, nur weil ich ungefähr weiss, wie man Fliesen verlegt. Radiojounalismus setzt eben auch einen gewissen weltlichen Weitblick voraus. Was man als Hörer vom Radiojounalismus mitbekommt, ist ja nur ein sehr kleiner Teil des Wissens, das die Radiojounalisten mitbringen.

Es kann schon sein, dass man ohne Abitur und alles, was darauf aufbaut (Studium -> Volo -> langjährige praktische Erfahrung, evtl. parallel Lehrtätigkeit), bei einem Kleinstsender etwas machen kann. Ob das dann aber so die Erfüllung ist, sei dahingestellt - von der schlechten Bezahlung und des unsicheren Beschäftigungsverhältnisses ganz zu schweigen.

Ein Volontariat erscheint mir im vorliegenden Fall auch nicht der beste Weg zu sein. Bei der ARD wird das aus drei Gründen nichts:
1. Kein Abitur. Dadurch von vorne herein für alles weitere ausgeschieden. Kein Abi, keine ARD.
2. Kein Studium. Bei den ARD-Sendern zwingende Voraussetzung.
3. Weit über 30. Altersgrenze bei den ARD-Sendern (ungeschrieben) bei 30.

Bei einem großen Privaten (Antenne Bayern, FFH, ffn, RSH...) wird es auch eng ohne Abi und Studium.

Die Branche liegt generell ziemlich am Boden. Selbst diejenigen, die die formalen Kriterien erfüllen und von der Pieke auf das Radiomachen gelernt haben, sind heute nicht mehr sicher vor Kürzungen und dem Arbeitsamt. Wieso sollte ich als Radiosender also jemanden ohne Abitur, Studium und Volontariat einstellen, wenn ich das nichtmal bei denen kann, die all das mitbringen? Wenn ich mir vorstelle, mir würde plötzlich ein neuer Kollege zur Seite gestellt, der 15 Jahre älter ist als ich, noch nie bei einem Medium gearbeitet hat und noch nichtmal das Abitur hat, das würde ganz schön krachen. Ganz ehrlich: Ich würde mir da nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, dafür habe ich zu lange für diesen Job gekämpft - und zwar MIT Abitur und allem, was dazugehört.

Um es ganz direkt auf den Punkt zu bringen: Finger weg. Im Interesse aller. Oder bei einem Miniminiminisenderchen, wo's keinem wehtut.
 
Es ist generell so, dass in Deutschland viel zu sehr auf sog. "Formalkriterien" geachtet wird. Deshalb liegt z.B. auch in Deutschland das Medium Radio derart darnieder. In anderen Branchen ist es ähnlich. Zudem sollte vielleicht angemerkt werden, dass es im Radio nicht zwingend studierte und ausgebildete Journalisten braucht, um Unterhaltungsprogramme zu gestalten. In anderen Ländern gibt es den Beruf des "Radio-DJs", der "On-Air-Personality" oder des "Broadcasters". Das ist ein Mensch, der Musikprogramme on air präsentiert. Dafür brauche ich nicht ostasiatische Kulturwissenschaften studieren, ein Praktikum bei der FAZ, ein Volontariat beim Deutschlandfunk und fünf Jahre Erfahrung als Auslandskorrespondent in Kuala Lampur vorweisen. Da reicht Talent und Gespür für Musik, fürs Medium eine "grosse Klappe" mit einer Portion Chuzpe und Humor. Und da ist es dann egal, ob Du mit 15 oder mit 55 einsteigst. Der richtige Weg ist meines Erachtens: Einer kommt und sagt: Hey, ich kann das (besser), lass mich machen. Der andere sagt dann: Gut, zeig es mir. So findet man Talente. Nur solange an den entsprechenden Positionen Sesselfurzer statt Praktiker sitzen, nützt das nichts.
Das ist meine Meinung dazu. Es sei noch angemerkt, dass für den Redaktionsleiter einer Nachrichtensendung oder einer Kulturredaktion natürlich andere Einstellungskriterien gelten. Aber auch da sollte vielmehr auf praktische Arbeitsproben Wert gelegt werden als auf Vitamin B und einen wunderbaren Lebenslauf. Manch einer, und es werden immer mehr, entdeckt eben auch in der Mitte des Lebens oder gar in der zweiten Lebenshälfte völlig neue Fähigkeiten, Begabungen und sucht Herausforderungen. Warum soll man diesen Menschen alle Chancen verbauen und sie dann mit HartzIV-Quatsch oder Aufstockjobs durchfüttern. Damit werden die nicht glücklich und die Gesellschaft auch nicht. Das ist einfach nur typisch deutsch.
 
mona_Ffm schrieb:
Radiojounalismus setzt eben auch einen gewissen weltlichen Weitblick voraus. Was man als Hörer vom Radiojounalismus mitbekommt, ist ja nur ein sehr kleiner Teil des Wissens, das die Radiojounalisten mitbringen.

Ich möchte nur vorsichtig darauf hinweisen, dass beim Radio keineswegs nur Journalisten arbeiten, viele nennen sich nur so. Hat ein bisschen was mit Selbstbild zu tun - aber ein Wettervorleser oder ein Morning-Gaudi-Hans ist für mich kein Journalist. Und das Volontariat, das zu diesen Beschäftigungen hinführt, ist in der Regel auch kein journalistisches Volontariat, sondern vermittelt ein Radiohandwerk.
Und während die Radiosender an Zahl immer mehr werden, nimmt echter Journalismus im Programm immer mehr ab.
 
Radiojounalismus setzt eben auch einen gewissen weltlichen Weitblick voraus.
ARD, weltlicher Weitblick? Entschuldigung, daß ich jetzt mal zum Lachen in den Keller gehe. Nicht umsonst ist es so, daß
Die Branche liegt generell ziemlich am Boden.
Woher kommt das denn nun? Sind das nicht alles erstklassige Mitarbeiter mit hervorragenden formalen Einstellungsvoraussetzungen? Ganz ehrlich: so mancher bodenständige Handwerker kapiert mehr von dem, was momentan passiert als die junge Radioschnickse
MIT Abitur und allem, was dazugehört.
Nimm es mir nicht übel, aber vor Arroganz habe ich keinen Respekt mehr. Vor Können und wirklichem Weitblick schon, und das zeigen vor allem die Leute mit ungerader Vita. Und: man erkennt die nicht an ihren hervorragenden Schul- und Abschlußnoten. Wir brauchen ein sich selbst erneuerndes, kein sich selbst reproduzierendes System Radio, das außerdem wieder auf der Seite der Bürger und nicht auf der Seite der Eliten steht. Und davon ist die ARD so weit weg wie die Kuh vom Mars.
 
@Mannis Fan: Genau! Und wie wäre, anstatt des Wettermäuschens, das von Meteorologie soviel Ahnung hat wie Herr Putin von Demokratie, hier mal einen Experten einzubauen? Und statt 20-jährigen Praktikanten den 45-jährigen als Sidekick in ein erwachsenes Format nehmen?
Ach ja, die Bezahlung. Wobei für mich die von Feuertraum postulierten 750-800 Euro netto ein wahrer Hungerlohn sind. Als Familienvater brauche ich das Dreifache. Und das kann ich für eine gute Vollzeitarbeit wohl auch erwarten!
 
Mein Tipp: Schau dir das Angebot der "Akademie für Neue Medien in Kulmbach" mal an. Ich habe dort als Quereinsteiger- zwar mit Anfang 20 und schon mehr als 15 Jahre her - auch eine umfassende Ausbildung gemacht, die sogar vom Arbeitsamt gezahlt wurde. Heute arbeite ich als fest Freier für den ÖR. Ich bin nicht sicher, ob es diese Unterstützung von der Agentur für Arbeit noch gibt, aber bei besonderer Eignung konnte man damals sogar ein Stipendium der Akademie erhalten. Unabhängig von der mehrmonatigen Ausbildung, die man auch mit 40 machen können sollte, gibt es dort laufend Seminare zur Fortbildung.
 
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