Warum kann kaum ein deutscher Radiomoderator fahren?

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Yannick91

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Hallo!
Ich bin viel in Deutschland unterwegs und ich finde, dass es nur sehr wenige Radiomoderatoren gibt, die eine Sendung gut fahren können! Ich finde, private Radiosender sind da noch besser als ÖR. Desaströs ist es bei den ÖR Schlager- und Oldiesendern. Woran liegt das? Wird das nicht gelehrt?

PS: jetzt bitte keine Grundsatzdiskussion, dass die Musik ja sowieso doof ist und die Moderatoren nur Claim-Aufsager, das haben wir schon ist fast allen anderen Threads!
 
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Ich kann Dir aus der Praxis sagen: Der Nachwuchs hat keine Vorbilder. Er kann sich nirgends orientieren. Also nimmt er sich den in der Region marktführenden Sender seiner Ausrichtung als Vorbild. Das war schon in den 80ern so, als in Baden-Württemberg die ganzen kleinen Lokalsender starteten. 90% wollten klingen wie SWF3. Annähernd 0% gelang es. Aus verschiedensten Gründen. Mangelnde Ausbildung, fehlende Personaldecke hinter den Sendungen, Selbstüberschätzung etc. pipapo Die 10%, die andere Vorbilder hatten, sei es American Style oder 208 oder was weiss ich was, oder einfach ihr eigenes Ding machten, sorgten für Furore.
Bei der Generation ÖRA-Monopol ist es grösstenteils so, dass sie mit dem aufgewachsen sind, was es in den 70ern hierzulande gab: Beamtenradio. Journalisten am Mikrofon und gut ausgebildete Sprecher teils mit Bühnenerfahrung, aber ohne jeglichen Bezug zur gespielten Musik und ohne jegliche DJ-Ambition.
Um eine Sendung gut zu fahren brauchst Du:
- Gefühl für die Musik und die eingesetzten Elemente
- gute Showprep, Du musst die Playlist kennen und alles, was Du einsetzt, gut vorbereiten. Stichworte für die Mods etc.
- den Rücken frei während der Show. Wenn Du da noch selbst anderes Zeug recherchieren sollst, Sachen ins System laden musst oder gar phone-ins aufzeichnen, wir das nix mit der Fahrerei. Stell Dir vor, um beim Ausdruck des "Fahrens" zu bleiben, ein Formel1-Pilot würde am Lenkrad nebenher noch Abrechnungen machen, mit Sponsoren verhandeln, die Steuererklärung schreiben oder sonstwas. Dann krachts aber schnell.
- Du musst 100% fit und geistig da sein. Bei 5-Stunden-Schichten im Studio und zusätzlicher Belastung wird das schwierig.
- die Technik muss gut handlebar sein und zuverlässig funktionieren
- Erfahrung und Routine
- Spass und Freude an der Sache
- und bei Magazinsendungen: entsprechende Assistenten im Hintergrund, die recherchieren, Dinge vorbereiten, phone-ins klarmachen etc.
 
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Zustimmung! Mit einer Einschränkung: Die gesamte Playlist eines Senders muß ein Moderator/DJ nun wirklich nicht kennen. Es genügt, die Titel der jeweiligen Sendung zu kennen, also das, was ich als Sendelaufplan kenne.
 
Da es auf Weihnachten zugeht, werden wieder die ersten Allgemeinplätzchen gebacken? Was beanstandest Du, Yannick, gebnau? Der Begriff "fahren" bezieht sich schwerpunktmäßig auf technische Details!
 
Ich weiß nicht, ob die Eingangsbehauptung so kategorisch wirklich stimmt. Aber mal unterstellt, deutsche Moderatoren können nicht wirklich (gut) fahren, dann hat es vielleicht etwas mit all dem Firlefanz und Mist zu tun, den sie so nebenher treiben müssen und der mit Moderation nicht wirklich etwas zu tun hat.
 
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Au weia, "nicht wirklich" ist wohl nicht totzukriegen, Manni ihm sein Fan. ;)

Aber es stimmt schon, dass die meisten kaum vernünftig fahren können; andererseits, welcher Techniker kann denn heute noch richtig gut fahren bzw. macht es auch? "Können" und "wollen" stehen ja auch nicht immer auf demselben Blatt. Wenn ich mir anhöre, was einige gelernte Tontechniker und Ingenieure bei WDR 2 abliefern (und wahrscheinlich so abliefern sollen), dann wird mir angst und bange.
 
Ich denke, dass das wahr und zumindest auch der zunehmenden Automatisierung geschuldet ist.
Dazu eine meines Erachtens passende Analogie: Im Zusammenhang mit dem jüngsten Flugzeugunglück in San Francisco hieß es, dass viele Piloten kaum noch in der Lage seien, manuell zu fliegen, also insbesondere ohne Unterstützung der Instrumente oder des Autopiloten. Das aber soll praktisch einzig an der Technologisierung liegen. Mit anderen Worten: Es ist einfach nicht (mehr) notwendig, jedenfalls nicht in einem zur Vergangenheit vergleichbaren Umfang,
 
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Radiocat schrieb:
Gefühl für die Musik und die eingesetzten Elemente
Das scheint mir der wesentliche Punkt zu sein. Gleich, wie viele Jahre jemand dabei ist, Gefühl ist sehr wichtig (ich habe es übrigens nicht, jedenfalls nicht genug, um gut zu fahren). Wer beim Abfahren der Elemente denken muß, hat schon verloren. Beim Schalten im Auto denkt man auch nicht "Jetzt muß ich die Kupplung treten". Und den Schalthebel guckt man auch nicht an. Selbst das schlichte Aneinanderfahren zweier Titel braucht Geühl. Oder auch die Frage, wann man bei einem Fade out einsteigt.

Dandyshore schrieb:
Ich denke, dass das wahr und zumindest auch der zunehmenden Automatisierung geschuldet ist.
Das kommt noch hinzu, auch wenn ich eher Technisierung sagen würde. Ich habe nichts gegen die Errungenschaften der Technik, aber Selbstfahren ist bei vielen zu sehr ein rein technischer Vorgang. Rückwärtslaufende Uhren, optische Cue-Punkte und digitale Cartwalls lassen viele Selbstfahrer Dinge ausprobieren, an die sie sich im Zeitalter der Vinylscheiben, Senkel und Cartridges nie herangetraut hätten. Wer diese analogen Erfahrungen gemacht hat, hat's leichter.
 
Ich kann dazu nur aus eigener Erfahrung beitragen, dass meine Konzentration auf das richtige Abfahren von Claims, Teasern, Werbespots, Musikbetten und dergleichen mich derart beansprucht hat, dass die eigentliche Moderation dann meistens richtig beschissen war. In den Augen der Berater, die wir damals hatten, war dies aber ein lässlicher Mangel. Viel schlimmer hätten sie es gefunden, wenn ich eine Cartridge, eine CD oder eine Band vom Bobby (Computer gabs zu meiner aktiven Zeit noch nicht) mit Verzögerung oder vernehmbaren Klacken eingespielt hätte. Das gab immer mächtig Minuspunkte beim Aircheck-Gespräch.
Diese Gewichtung war übrigens einer der Gründe, warum ich die Flucht ergriffen habe. Aber das ist eine andere Geschichte.
 
Kann uns der TE wenigstens erklären, warum die vielen Mods ihre Sendung schlecht fahren und im gleichen Zug sollte er bitte auch erläutern, wie es besser geht.

Vielleicht hat der TE diesen Thread auch nur auch schierer Langeweile eröffnet?

Die Quintessenz kenne ich jetzt schon: damals war alles besser, SWF3, BBC und natürlich die Sender der Niederlande waren und sind 1000- fach besser. 95% der Schreiber hier haben noch kein Radiostudio von innen gesehen und haben null Ahnung vom täglichen Radiobetrieb. Aber natürlich können es alle besser! Na dann macht mal, es hält euch keiner auf... :D
 
Ich möchte noch anmerken, dass es mit zunehmend dichterem Soundprocessing nicht unbeding einfacher wird anständig zu fahren.
Beispeil: Du blendest den Titel aus (um z. B. über das Outro zu sprechen) und die Kiste in der Summenbearbeitung reißt es einfach gegenläufig wieder hoch. Wenn Du jetzt anfängst zu sprechen "pumpt" es in den Sprechpausen oder die Musik wird schlagartig viel zu leise runtergeknüppelt.

Die "wir-wollen-brutale-ACG-und-möglichst-kurze-Regelzeiten-damit's-aufm-Sender-schön-knallt"-Franktion an den Parametern der entsprechenden Kisten sollte eben auch das bedenken.

Wenn die Audiokette obendrein noch so angelegt ist, dass man nicht latenzfrei hinter Optimod abhören kann (Studioanbindung datenreduziert, Processing erst am Senderstandort, Abhören dann über Rückempfang z. B.), ist es kaum Möglich, da irgendwas sauber zu pegeln.

Das kriegen aber die gerne als Musterland einer knackigen Fahrweise geltenden Niederländer aich nicht unbedingt immer hin. Als bei Radio 2 kürzlich der Druck auf dem Kessel erhöht wurde, riss das Summenprocessing jegliches Audio so weit hoch, dass ein Sprechen über Musik oder Bett kaum möglich und sehr unverständlich war.
 
Jetzt sage ich es noch ein wenig deutlicher als in #12: Der Hörer pfeift auf die perfekt gefahrene Sendung, wenn der Inhalt der Sendung Mist ist. Gutes Radio entscheidet sich nicht an den technischen Künsten des Selbstfahrers, sondern an seiner Persönlichkeit und seinen Moderations- und Unterhaltungsfähigkeiten. Da verzeihe ich doch jede holprige Blende, wenn mich dafür das Thema einer Sendung oder Moderation fesselt.
 
Ich möchte noch anmerken, dass es mit zunehmend dichterem Soundprocessing nicht unbeding einfacher wird anständig zu fahren.....
Die Ironie: sollte der "Selbstfahrer" tatsächlich mal gut gefahren sein haben, dann wird er vom Soundprocessor "korrigiert".:confused:

Gutes Radio entscheidet sich nicht an den technischen Künsten des Selbstfahrers, ...
Ich denke das gehört zusammen, @Manni. Gelegentliche Pannen sind nicht das Problem und es muss nicht alles jederzeit perfekt sein. Was uns in dieser Radiolandschaft heute aber geboten wird ist größtenteils seelenloser Dilentantismus in Wort und Technik. Das ist m.E. nur zum Teil mit "überforderten Selbstfahrern" zu erklären. Natürlich wäre eine technische Assistenz zur Entlastung des Moderators sehr wünschenswert!

Auch wenn eine Sendung noch so gut moderiert ist, wird sie mir oft durch Haudrauf-Processing und grobe technische Schlampereien einfach zu anstrengend. Ich kann dann nicht lange zuhören. Daran ändern auch Nostalgie-Remakes nix mehr. "Verfeinert" wird das Dilemma heute noch durch Plattmasters CD's.

Und dass das nur auf Deutschland begrenzt ist möchte ich bezweifeln.

So denke ich mir immer öfter: Radio? nein danke!
 
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Die Feinheiten sterben ab, das handwerkliche Grundgerüst geht verloren. Kaum einer, der heute am Selbstfahrerpult rummurkst, kennt etwas von Pegel. Da wird mitunter der Prozessor gnadenlos überfahren, dass es clippt wie die Sau. Ramptalk, was ist das? Welcher Jingle passt zu welchem Titel? Die Sprachkompetenz wird auch immer schlechter, nicht nur im Hörfunk, auch in den Printmedien.
 
Tja, das ist auch ein Grund, warum deutsches Radio so tierisch langweilig rüberkommt. Fast keiner kann richtig fahren bzw. traut sich nicht. Aber beim deutschen Format-Berater-Radio habe ich eh die Hoffnung aufgegeben...

Positive Ausnahmen, die ein Gefühl für gutes Fahren von Sendungen mitbringen, nenne ich mal: Hinnerk Baumgarten, Eric Förster, Werner Reinke, Hakan Turan, Jan Malte Andresen, Sabine Vesper und Jens Peter Beiersdorf. Richtig gut hat mir Eric Förster gefallen, der aber leider nicht mehr in der Branche tätig ist.
 
....wenn ich im Sendestudio einen fahren lasse und jemand kommt rein sagt der immer und wirklich ganz in echt ehrlich :
"Boooooooaaaaah, Aaaaalter !"
Na, das ist doch eine echte Bestätigung.
Also, wer kann hier nicht fahren....?
 
Andere Tradition in Deutschland: Während in den USA das Selbstfahren immer schon üblich war, ließen die deutschen Moderatorenbeamten in den ARD-Monopolzeiten immer einen fahren... :)
Na ja, das kann ja in 2013 kaum noch der Grund sein. Auch wer heute bei den Öffis ist, kommt ja entweder von den Privaten oder hat jedenfalls im Selbstfahrerstudio gelernt (oder eben auch nicht).
Ich denke, es kommt noch etwas hinzu: Die verminderte Anwesenheit im Studio. Bei zehn Hits am Stück und einer Stundenuhr mit zwei Moderationsplätzen muss man halt nicht jede Blende selber fahren - das macht dann halt der Computer. Viele der Kollegen haben ja auch während der Sendung noch anderes zu tun, entweder mit der Beaufsichtigung der Praktikanten, der Beantwortung der Verkehrshotline oder dem Taping fürs Wochenende.
 
Kaum einer, der heute am Selbstfahrerpult rummurkst, kennt etwas von Pegel.
Sehe ich auch so. Erster Fehler: Die Maximumpegel von Mikrofon und Zuspielquellen sind gleich. Ich fahre die Musik immer 10-20 db niedriger als das Mikro. Grund: Die Stimme ist weniger dynamisch als Musik, was durch die Unsitte des Brick Wall-Masterings noch verstärkt wird. Zweiter Fehler: Die meisten DJs haben oft ihre Kopfhörer zu laut, was dazu führt, daß die unterliegende Musik als zu laut empfunden wird, weswegen der Musikregler noch weiter herunter gezogen wird (teilweise auf -40 bis -50 db). Ergebnis: Die Hörer an den Geräten hören von der Musik gar nichts mehr sondern nur noch den Moderator. Bis zur nächsten, etwas längeren Sprechpause. Dann ahnt man: Ach, da läuft ja auch noch Musik. Damit bin ich beim nächsten Punkt.

Ich möchte noch anmerken, dass es mit zunehmend dichterem Soundprocessing nicht unbeding einfacher wird anständig zu fahren.
Beispeil: Du blendest den Titel aus (um z. B. über das Outro zu sprechen) und die Kiste in der Summenbearbeitung reißt es einfach gegenläufig wieder hoch. Wenn Du jetzt anfängst zu sprechen "pumpt" es in den Sprechpausen oder die Musik wird schlagartig viel zu leise runtergeknüppelt.

Die "wir-wollen-brutale-ACG-und-möglichst-kurze-Regelzeiten-damit's-aufm-Sender-schön-knallt"-Franktion an den Parametern der entsprechenden Kisten sollte eben auch das bedenken.
Es wird zwar nicht einfacher, aber geht. Zunächst sollte jeder DJ sich mal mit dem AGC (Automatic Gain Control) seines Senders vertraut machen und in einem Versuch gucken, wie der AGC reagiert. Also einfach während eines Titels den Regler immer weiter herunterfahren. Man wird sehen, daß zunächst nichts passiert. Der AGC zieht immer wieder sofort hoch, solang, bis das Signal zu schwach wird und der Titel urplötzlich wegstirbt. Aber: Der AGC gilt für die Summe, also auch für das Mikro. Wenn man also wie oben erwähnt die Musik ohnehin schon 10 db niedriger fährt, dann noch den Regler für die Moderation um weitere 10 - 15 db absenkt und schließlich mit seinem im Verhältnis lauteren Mikro drüberbläst, hat der AGC keinen Grund hochzupumpen. Dummerweise nur solang, wie man spricht. Bei der ersten Sprechpause zieht der AGC wieder hoch, es kommt zum Pumpeffekt. Kommt aber auch auf die eingestellte Attack-Zeit an.
 
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Nun ja, die Sünden der Technik in Sachen Soundverquetschung wieder grade zu biegen, sehe ich nicht zwangsweise als meine Aufgabe an. Ich versuche, ordentlich auszupegeln (sofern das die Anzeigen heutzutage überhaupt hergeben) und damit bin ich aus dem Schneider. Was die Herren Orban und Co. dann auf dem Weg in die HF noch draus basteln, ist ne andere Geschichte.
 
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