Und wieder stirbt ein Auslandsdienst - Polnischer Rundfunk macht dicht

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Das Internet ist ein tolles Medium, aber es fordert Opfer. Eines davon ist die Tradition des internationalen, vielsprachigen Rundfunks. Früher schickte praktisch jede nationale Rundfunkanstalt Europas seine Informationen in vielen Sprachen auf Kurz- und Mittelwelle durch den Kontinent - ab den 2000ern wurden aber sukzessive erst die Kurzwellen abgeschaltet, und dann die Redaktionen aufgelöst. Was bleiben, sind Internetplattformen und Satelliten-Fernsehsender auf Englisch.

Nun hat es den polnischen Rundfunk erwischt - schon zum 1. Juli wird die deutsche Redaktion, die bislang nicht nur die Kurzwellen, sondern auch das Internet bestückte, aufgelöst. Schade, ich habe immer gerne mal vorbeigeschaut, und in der letzten Zeit sogar wieder öfter.
 
Traurig! In den Achtzigern hat mir der Polnische Rundfunk mehr als 50 Brieffreundschafts-Anfragen via Jugendzeitschrift beschert - und einige Zeit später Zensur wg. Kriegsrecht...

Wszystkiego najlepszego!
 
Auf Kurzwelle gab es PR aber schon länger nicht mehr. Die letzte deutschsprachige Sendung über KW - damals schon nicht mehr aus Polen, sondern über ein Relais in England - lief am 24. März 2012.

Und Charly - was für dich PR war, bedeutete mir damals Radio Budapest mit seinem Hörer- und DX-Club. Die Mitgliedschaft brachte mir anno 1983 sogar eine Befragung durch den MAD ein, als ich zur Bundeswehr einrücken musste...
 
Das Internet ist ein tolles Medium, aber es fordert Opfer.
Das Internet ist aber nicht schuldig am Niedergang des Auslandsrundfunks, sondern die geänderten Prioritäten der Finanziers des Auslandsrundfunks und das (vorübergehende) Ende des Ost-West-Konflikts. Manche Auslandsdienste haben auch nur wegen des Internets eine nochmalige "Verlängerung" bekommen, ansonsten wären sie gleich ganz weg gewesen.
 
Interessante These: Was wäre, wenn es heute kein Internet und keine privaten Satellitendirektempfang gäbe?

Ich denke nicht, dass der Niedergang des Auslandsrundfunks ausschließlich eine Spätfolge des Ende des Ost-West-Konfliktes ist. Schließlich hat man ja auch früher schon nicht nur in den Sprachen des Klassenfeindes gesendet, sondern auch in denen des eigenen Blocks. Ich glaube, dass es ein relevantes Bedürfnis nach Informationsquellen gibt, das den eigenen nationalen Mediensystemen nicht unterworfen ist, und wenn dieses Bedürfnis nicht mittels Satellit und vor allem Internet befriedigt werden könnte, die Zahl der Kurzwellenlauscher dann noch erklecklich geblieben wäre, und zumindest die großen Staaten versuchen würden, dieses Potential zu ihren Gunsten zu heben.
 
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Beide Komponenten spielen sicher eine Rolle beim Sterben der Auslandsdienste. Die Voice of America hat ihren "US-Report" in deutscher Sprache z.B. schon 1992 eingestellt, da waren die Möglichkeiten des Internets noch nicht absehbar. Man meinte wohl, den Deutschen in der ehemaligen DDR ein ausreichendes Demokratieverständnis vermittelt zu haben. Andererseits hat z.B. YLE Finnland seinen Auslandsdienst in deutsch 2002 und allgemein 2008 aus rein finanziellen Erwägungen heraus eingestellt.

Einige Inseln gibt es in Europa übrigens noch: Rumänien leistet sich einen recht umfangreichen Auslandsdienst, außerdem gibt es noch solche Sendungen aus Albanien (!), Serbien und der Türkei (zähle ich jetzt mal zu Europa). Die deutsche Redaktion aus Albanien besteht z.B. aus einer Teilzeitkraft und einer Sekretärin, das ist nicht so furchtbar kostenintensiv. Produziert werden sechsmal 30 Minuten Programm pro Woche, welches noch auf einer einzigen Kurzwellenfrequenz zu hören ist. Nostalgie pur! Wer mal reinhören möchte: 7.465 KHZ täglich außer sonntags um 21.30 Uhr MESZ.
 
Beide Komponenten spielen sicher eine Rolle beim Sterben der Auslandsdienste. Die Voice of America hat ihren "US-Report" in deutscher Sprache z.B. schon 1992 eingestellt, da waren die Möglichkeiten des Internets noch nicht absehbar. Man meinte wohl, den Deutschen in der ehemaligen DDR ein ausreichendes Demokratieverständnis vermittelt zu haben.

Diese Neuauflage des deutschen Dienstes der VOA war erst nach dem Ende des Kalten Kriegs eingeführt worden, weil man dem negativen Amerika-Bild in Deutschland entgegenwirken wollte. Das waren IIRC Mitarbeiter aus dem ehemaligen RIAS-Büro in USA? Die Sendung lief Montags bis Freitags ab 23 Uhr eine halbe Stunde lang auf Kurzwelle und war zu dem Zweck natürlich ungeeignet und wurde dann auch kurz nach ihrer Einführung wieder eingestellt. Hatte also mit der DDR nichts zu tun.

Anders war es im Fall von BBC, Radio Canada International oder Radio France Internationale. Deren Deutschsendungen liefen sehr, sehr lange, sie waren gut produziert und in Berlin auf UKW zu empfangen, und sie wurden dann tatsächlich erst nach dem Ende der DDR eingestellt.
 
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Ich denke nicht, dass der Niedergang des Auslandsrundfunks ausschließlich eine Spätfolge des Ende des Ost-West-Konfliktes ist.

Natürlich nicht. Die Medientechnik befand sich gleichzeitig im Umbruch, es wurde digitalisiert, DRM wurde eingeführt, setzte sich aber nicht durch, der Satellit aber auch nicht, und dann kam mit großen Schritten das Internet. Dann kamen die DSL-Flatrates. Und wer die Wahl hatte, hörte seitdem übers Netz. Ging mir ja auch so. Als ich DSL bekam, legte ich mir als erstes eine Playlist für den VLC mit allen Livestreams von Auslandsdiensten an. Und dann hörte ich irgendwann nur noch Inlandssender. Natürlich wurde auch die Empfangstechnik aufgerüstet, und SDR leistete unendlich viel mehr als die aufwendigsten analogen Empfänger bis dahin. Das kam aber zu spät und interessiert den Programmhörer seitdem nicht mehr. Da sind die DXer und die OMs unter sich. Alles weitere war eine Frage der Zeit. Denn seit der Einführung der Livestreams und der Podcasts konnte man genau nachvollziehen, wieviele Hörer es tatsächlich für ein Programm gab. Nicht nur schätzen, sondern zählen. Es dürften nicht so viele gewesen sein, daß sich der Aufwand gelohnt hätte. Und so entstanden nach und nach die Nachrichtenportale à la Swissinfo, dw.de voanews.gov und rfi.fr.
 
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