Aus meiner Sicht sieht das so aus:
Pro:
Es bleibt festzustellen, wie "besonders" es doch ist, wenn ein "Massenprogramm" den Mut hat, eine Woche fast alle enge Strukturen, in denen sich unserer Radiosender doch anstonsten selbst kastrieren, über Bord zu werfen:
-Song-Mix, 3-Minuten-Regeln, Wort-/Musik-Anteil, Blabla-Menge, gewohntes Schema - alles wird ein gutes Stück über Bord geworfen. Wie erfrischend!
-Wir reden immer über Doubletten und Wiederholungen - hier laufen über 1000 Songs am Stück ohne eine einzige Wiederholung
-Statt "Der beste Hitmix" das wildeste Durcheinander
-immer wieder Perlen, die nur einmal im Jahr rausgeholt werden (auch wenn dies natürlich in einem erwartbarem Rahmen stattfindet)
-die - überwiegend als über dem sonstigen Radioniveau eingeschätzten- Moderatoren dürfen mal ein wenig aus ihrer Formatstruktur ausbrechen
An dieser Stelle enttarne ich mich als eigentlich großer Hitparaden-Freak, der in den letzten Jahren kaum eine Sendeminute verpasst hat und auch auf allen Abschlussfeiern seit dem Gustav-Siegle-Haus dabei war (die Urhitarade habe ich "nur" vorm Radio/Fernsehen miterleben dürfen). Und wenn´s "nur" war, um Child in Time in einer Lautstärke zu hören, die sonst meine Nachbarn auf die Barrikaden bringt.... Dennoch, aus einer "Ausnahemsituation" ist ein interessiertes Verfolgen geworden. Schade!
Dennoch, das Vergnügen ist die letzten Jahre leider immer weniger geworden. Drei Dinge sehe ich dafür als Hauptgrund:
Contra
* Es passt einfach nicht mehr - SWR1 BW ist leider das Jahr über immer behäbiger und grauer geworden. Musikalische Brüche, die bis vor ca. 1.5 Jahren auch im Tagesprogramm zumindest vereinzelt noch auszumachen waren, gibt es eigentlich überhaupt nicht mehr. Und wer uns tagaus- tagein nur mit grauscchwarzen Kätzchen nervt, der wird dann nicht glaubwürdig, wenn er uns einmal im Jahr mit edlen Tigern und Löwen gewinnen will. Leute wenn ihr Euch - richtigerweise - für die geilen Kracher, für Longsongs und Exoten begeistert könnt, dann vorenthaltet sie uns doch nicht 51 Wochen!
* Die Gesamtstruktur der Moderation: Die Päärchenbildung(wie schreibt man eigentlich dieses verdammte Wort Paar - Päärchen, Päarchen....?) erzeugte ganz klare Sympathiestrukturen. "Oh ja, Schmidti und Neelmeier kommen, ick freue mir! Äh, Scherrer und Ries, na ja, Weichspülmomente. Die Schöne und das Biest, jetzt knisterts" - Daraus ist jetzt ein ständiges "Bäumchen-Wechsle-Dich"-Spiel geworden, das aber so struktuiert ist, dass nur bestimmt Konstellationen möglich sind. Schmidt-Neelmeier z.B. geht nicht mehr. Total schade! Meine persönliche Sicht: Scherrer, Pollok und Stöckle ersetzen einfach keine Holtmänner und Sillers!
*Der Wahlmodus "manipuliert" den Hörer! Warum? Was passiert mir, wenn ich "meine" Lieblingssongs wählen will. Ich kann den Zettel in den Papierkorb werfen, denn diese Stimmen sind verloren! Z.B. liegt mir aus bestimmten Gründen schon immer "Words" von "The Christians" am Herzen. Zähle ich zu meinen Top-5. Warum sollte ich es aber auch wirklich wählen? Es ist -in der zugegeben sehr umfangreichen- Listung nicht enthalten. Kann ich natürlich auch so eingeben. Aber dann kann ich mir sicher sein: 1 Stimme. Weil in Konkurrenz zu einer vorgegebenener "Klick-Discographie" kann ein indivudeller Song nicht anstinken. Ich würde daher jegliche Vorauswahl streichen, auch wenn dies "für die breite Masse" ein Problem wäre. Dennoch würden dann mehr persönliche Exoten in den Focus rücken. Oder - das hatte ich schon mal vorgeschlagen: In den früher vorlaufenden "Hitwochs" werden stündlich 3 - 4 Hörertipps gespielt, die nicht in der Listung sind und damit die Chance erhalten, ans "Tageslicht" zu geraten.
Soviel zu meiner Sicht der Dinge: Hoffen wir mal darauf, dass SWR1 BW aus dem Jubiläum mehr macht, als ein erneutes Abspielen der altgewohnten Hitparade. Und wenn nicht, ist es immer noch besser, als eine weitere Woche Normalität. Und eine verpasste Chance....
Muehli