Will Radio überleben, darf es sich nicht über die Musik definieren

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Ich habe mit heute bewusst einmal Gedanken über die Zukunft des Radios gemacht und bin einmal etwas Foren durchgegangen mit der Frage, was Leute vom Radio halten. Eines habe ich dabei festgestellt: Wer sich künftig als Sender ausschließlich über die Musik definiert, der hat verloren. Und interessant hierbei ist: Je jünger die Hörer sind, um so weniger tolerieren sie das, was an Musik im Radio läuft. Und dabei meine ich nich nicht einmal die AC-Sender aus der breiten Mitte (hier ist die Kritik interessanterweise am geringsten, weil die Hörer oft kaum an Musik interessiert sind) , sondern Spartenprogramme wie egoFM oder sunshine live. Nehmen wir letzteres: Die Techno/Trance-Fans regen sich über zu viel Charts auf, die jüngeren umkehehrt, wenn mal "Kirmestechno" läuft. Es ist in dieser Sparte unglaublich schwer, es allen recht zu machen. Und selbst das musikalisch unglaublich breit aufgestellte egoFM erntet oft Kritik. Ein Hörer schrieb etwa , dass er 70% der Musik auf egoFM Trash findet. Aha. Es ist und war schon immer schwer als Musikchef etwas allen recht zu machen. Heute haben wir Spotify und Deezer, die das übernehmen. Und zwar für jeden individuell. Keiner braucht sich mehr über Musikstücke aufregen, die nicht gefallen. Was bedeutet das fürs Radio: Es kann nur überleben, wenn es sich über Inhalte definiert. Und Personality. Musik können die Steamer besser. In diesem Zusammenhang der größte Quatsch sind Digitalprogramme ausschließlich mit Musik und ohne Inhalt. Diese können höchstens als Ergänzung eines Hauptprogramms dienen. Alles andere scheitert.
 
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Und dabei meine ich nich nicht einmal die AC-Sender aus der breiten Mitte (hier ist die Kritik interessanterweise am geringsten, weil die Hörer oft kaum an Musik interessiert sind)

Falsch! Vor 15 oder 20 Jahren haben die Sender angefangen, ihre Titelrotationen auf ein Minimum zusammen zu stutzen und haben ihren Hörern irgendetwas von Abwechslung und mehr Vielfalt vorgegaukelt. Das mag damals funktioniert haben, nur gab es damals diese Streaming-Dienste noch nicht. Die Hörer sind bei weitem nicht so desinteressiert und suchen sich mittlerweile ihre Musik in den Weiten des Internets.

Personalities in der heutigen Zeit? Wo sollen die denn bitte noch herkommen, bei dem austauschbaren Gebrabbel der Sprechpuppen Moderatoren! Das Radio hat ganz klar die Zeichen der Zeit ignoriert und resigniert vor den neuen Medien. Zumindest kommt es mir so vor, wenn mal wieder eine Hörerhitparade oder Spezialsendung verschwindet.

Desweiteren sind viele Hörer genervt von der morgendlichen Hans-Wurst Show mit dem besten Gekicher des Sidekicks und den totgespieltesten Songs aller Zeiten im besten Mix, gepaart mit der dümmlichsten Comedy für mehr Vielfalt.

Das AC Radio stagniert schon eine ganze Weile und Leute wie Frau Malak versuchen, dass es auch in Zukunft so bleiben wird!
 
Falsch! Vor 15 oder 20 Jahren haben die Sender angefangen, ihre Titelrotationen auf ein Minimum zusammen zu stutzen und haben ihren Hörern irgendetwas von Abwechslung und mehr Vielfalt vorgegaukelt. ...

Desweiteren sind viele Hörer genervt von der morgendlichen Hans-Wurst Show mit dem besten Gekicher des Sidekicks und den totgespieltesten Songs aller Zeiten im besten Mix, gepaart mit der dümmlichsten Comedy für mehr Vielfalt.
"RICHTIG!" - Das Medium RADIO ist 'eigentlich' von gestern, ABER: "NIE WAR ES SO WERTVOLL WIE HEUTE!" ...
MUSIK? - 'Eigentlich' kann man sich 'seine' Musik aus dem WWW saugen! - "Eigentlich!"
WORT? - 'Eigentlich' gehört das zum Grundauftrag für das Medium Radio. "Wer lesen kann ist klar im Vorteil!"
SCHRIFT? - 'Eigentlich' brauchen die Printmedien noch mehr 'Orientierung'.
 
Das Problem ist, daß man in den vergangenen 20 Jahren mit Erfolg den Hörer zum Scheuklappen-Hören erzogen hat. Nur noch der Mainstream zählt, alles links und rechts davon ist bäh-bäh, denn er könnte ja womöglich überfordert werden und *zitter* *bibber* abschalten.

Ich hätte sehr gerne wieder Programme, die musikalisch über den Tellerrand hinausblicken, die mich sogar fordern, die mir neue Musik (und Musikrichtungen) nahebringen, aber ich mache mir da keine Illusionen, ich bin da ganz klar in der Minderheit, und diese rechnet sich für keinen Sender, auch nicht für die, für die sie sich gar nicht rechnen müßte, da sie durch meine Gebühren finanziert werden.
 
Das Problem ist, daß man in den vergangenen 20 Jahren mit Erfolg den Hörer zum Scheuklappen-Hören erzogen hat.
Einen Teil der Hörer hat man einfach zum Abschalten erzogen. Umschalten ist ja nicht so einfach - zumindest wenn es um Musik geht.
Aber manche wurden auch zum Umschalten erzogen... wenn es um Information geht. Weg von den Infohäppchen der Service+Jugendwellen, hin zur Infowelle und den DRadios. Mit dem Alter stiegen bei mir auch die Ansprüche an und der Wert des Infoanteils.

Überall regiert die Stundenuhr, was auch ein Vorteil sein kann. Es fehlt zwar das überraschende, dafür kann man aber zu verlässlichen Zeiten den brauchbaren Infoanteil aus den Sendern ziehen und gleichzeitig der Musik entgehen. So handhabe ich das mit den Regionalinfos von Radio Bremen und NDR1OL. Die Regionalinfos der Nordseewelle ziehe ich mir dagegen aus einer Ganztagsaufnahme (wenn ich im UKW-Sendegebiet bin lasse ich den Sender allerdings live durchlaufen, da die Musik 1. beifahrertauglich ist und 2. ich sogar mit jedem zweiten bis dritten Titel etwas anfangen kann).

Normalerweise geben ich mich aber nicht damit zufrieden, daß nur jeder dritte Titel überhaupt erträglich ist und nutze den Rest des Tages Internetradio = Best of 24/7-Mitschnitt als mp3 auf Händi und Autoradio.
 
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Ich behaupte das auch Radio in der Sparte das sich über Musik definiert Erfolg haben kann und auch hat. Egal ob Rock, Lounge , oder Schlager. Wenn es dieses Radioprogramm schafft den speziellen Lifestyle seiner angebotenen Musiksparte zu transportieren und auch musikalisch überraschen kann ( im Radio einen Song für sich entdeckt, bei deezer in eine Playlist gepackt), dann hat er auch Erfolg.
 
Selbstverständlich wird sich Radio immer über Musik definieren. Musik ist das Meer, auf dem das Radio segelt. (Zur Zeit leider eine dünne, kaum noch tragfähige Suppe). Wort, Info, Menschen im Radio, Meinungen, eine Haltung, das alles gehört dazu, es sind die Segelschiffe auf diesem Meer. Aber sie können nur segeln, wenn sie Wasser haben. Leider graben sie es sich mit Fleiß selber ab.
 
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@Gegenstromanlage hat Recht. Die Musik, die gespielt wird, ist heute nicht mehr automatisch die Überlebensgarantie. Es ist ein Irrglaube, dass diese oder jene Musikmischung von x-fach getesteten Titeln der Schlüssel zum Erfolg seien. Will Radio überleben, muss es sich darüber definieren, seinen Hörern nicht Musik zum Fraß vor die Füße zu werfen, sondern sie ihnen anzubieten, zuzubereiten und zu einem geschmackvollen Menü zu präsentieren. Da passt Vieles und Außergewöhnliches auf den Tisch als täglich nur Pommes mit Majo.
 
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Eines habe ich dabei festgestellt: Wer sich künftig als Sender ausschließlich über die Musik definiert, der hat verloren. [...] Heute haben wir Spotify und Deezer, die das übernehmen. Und zwar für jeden individuell. Keiner braucht sich mehr über Musikstücke aufregen, die nicht gefallen. Was bedeutet das fürs Radio: Es kann nur überleben, wenn es sich über Inhalte definiert. Und Personality. Musik können die Steamer besser.

Das ist aber alles, nur keine neue Erkenntnis! Im Radio ging es schon immer um das Zusammenspiel vieler Elemente. Gerade jetzt wo man erschlagen wird mit Musik aus allen Quellen des Netzes, da lobe ich mir doch Dienste wie egoFM oder egoDeluxe(TV). Diese ordnen die Musik auch etwas ein, anstatt sie nur stumpf abzuspielen.

Ich finde gerade jetzt kann sich Radio auch ruhig wieder mal mehr über die Musik definieren. Anstatt "10 Hits am Stück" oder das stumpfe "Musik-6-Pack" auch mal was ungewohntes. SWR3 hatte gestern Vormittag eine Stunde Bowie. Das hätten die gerne auch mal zu Lebzeiten machen können! Radio ist oft zu berechenbar. Das darf gerne aufgebrochen werden.
 
Vielleicht haben sich die Radiosender auch den Hörern angepasst, nicht umgekehrt? Der Grund, warum bei einem Popsender alle 3 Stunden die gleichen Songs laufen ist, dass der Durchschnitsshörer sich nicht mehr stundenlang vor das Radio setzt, sondern am Tag vielleicht 2 Stunden gesamt hört. Morgens 15 Minuten im Bad, 15 Minuten im Auto zur Arbeit, abends wieder 15 Minuten zurück, und vielleicht 30 Minuten in der Küche beim Kochen. Der Rest der Freizeit wird dann für Fernsehen, Social Medias oder Gaming verwendet, im besten Fall sogar mit dem Lesen einens Buchs.

Logisch ist dann auch, dass die Sender deshalb versuchen, diese Gelegenheitshörer mit den aktuellsten Songs, mit einem Programmhinweis (Claim) oder mit Breakings News in dem Moment zu erreichen, wenn sie gerade zuhören. In den 1960er Jahren, als noch nicht jeder Haushalt einen Fernseher hatte, war das Radio noch Hauptinformationsquelle neben den Zeitungen. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass das heute nicht mehr so ist und dahingehend haben die Radiosender ihre Programmabläufe angepasst.
 
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Ich höre keine Radiosender, die ihre Musik nach kommerziellen Größen auswählen. Da kommt nur ein billiger Mischmasch bei heraus. Was die Sender von den Streamern abheben kann, ist im Gegenteil die musikjournalistische Kompetenz. Bei Spotify, Deezer und Co. fehlen die Überraschungsmomente. Da lerne ich nichts Neues kennen. Ok, die fehlen bei Radiosendern inzwischen auch. Und das ist der Fehler.
 
Als langjähriger Insider kann ich ja etwas aus dem Nähkästchen plaudern. In der Tat hatte sich die Radionutzung mit den Jahren gewandelt, Radio ging vom vorrangigen Hinhör- in ein Nebenbeimedium über. Vor allem bei den AC-Marktführern sind die eingangs angesprochenen Kritiken am Musikprogramm am wenigstens, auch wenn hier im Forum immer darauf rumgehackt wird. Ich glaube der klassische Hörer etwa von Radio Hamburg oder ffn ist gar kein Musikliebhaber, er kennt vielleicht Rihanna und kann sie von Coildplay unterscheiden, aber er kann in der Regel nicht sagen dass der Interpret von "Hey Soul Sister" die US-Band Train ist. Er benötigt etwas, was ihn durch den Tag begleitet.

Die Kritik kommt interessanterweise gerade von Hörern anspruchsvoller Wellen. Ich zitiere mal jemanden aus einem anderen Forum zum Thema Radio: "Dradio Wissen höre ich ganz gerne wegen der teils interessanten Beiträge, aber die Playlist nervt mich zunehmend auch dort. Phasenweise geht dann noch egoFM, aber auch die haben dann wieder so unendlich übles Zeug drin..."

Jetzt mal zur Definition, was ist "unendlich übles Zeug"??? egoFM spielt Musik wider dem Mainstream, aber aus verschiedenen Genres. Und da fängt die Problematik an. Der Hörer mag vielleicht alles, was in Richtung Indie-Rock bei egoFM oder DWissen geht, aber nicht die anderen Styles, die dort gespielt werden wie Black oder Elektronik. Je anspruchsvoller der Hörer, umso schwieriger wird es ihn nur mit Musik dauerhaft ans Medium Radio zu binden. Denn gerade solche Hörer sind prädestiniert für einen Wechsel zu einem Streamer, hier bekommen sie genau die Musik, die ihrem sehr expliziten Geschmack entsprechen. Hier muss das Radio also mehr bieten als nur Musik zu dudeln und sich über Musik zu definieren.
 
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Ich stelle eine entsprechende These bezüglich des anspruchsvollen/interessierten Hörers auf: Er kann sich auf neue Genres und unbekannte Songs am besten einstellen. Dafür muss er aber das Gefühl haben, in seinem Anspruch ernst genommen zu werden. Ich gehöre eindeutig zur Generation Spotify, aber das Medium Hörfunk hat für mich nach wie vor einen riesigen Stellenwert, da er mich inspiriert. Radio ist das originäre Medium, um Musikjournalismus zu betreiben.

Natürlich gefällt mir nicht alles, was DRadio Wissen, egoFM oder Radio Eins spielen, und ich finde auch nicht alles schlecht, was 1Live und Radio NRW in der Rotation haben. Das wäre unrealistisch. Aber bei Radio Eins weiß ich, dass die Songs, die im Tagesprogramm laufen, vorher auch durch eine kompetente Redaktion bewertet wurden und in irgendeiner Weise etwas Anregendes bieten. Das muss mir nicht gefallen, aber es fordert meinen Hörsinn heraus. Wenn ich mich mal nicht großartig mit Musik beschäftigen möchte, dann höre ich halt WDR 5 oder meine eigene Playlist bei Spotify. Von dieser werde ich nicht überrascht.

Es gibt einfach objektive Bewertungskriterien für musikalische Erzeugnisse, die aber auf den AC-Wellen keine Resonanz finden. Für Menschen, die auch nur ein klein wenig Interesse für das aufbringen können, was die Künstler schaffen, ist dieser Einheitsbrei eine Einöde.
 
Klingt komisch, aber ich muss sowohl Gegenstromanlage wie auch Mannis Fan recht geben. Wenn ich mein eigenes Radioverhalten so beobachte, dann bemerke ich, dass ich die Wortbeiträge von SWR2 und DRadio sehr genieße (und gerne mehr davon hätte - das kommt dann aber nicht zu der Zeit, in der ich Radio höre), ich dazu aber gerne manchmal andere Musik hätte als das, was gerade vom Redakteur ausgesucht wurde. Radio ist auch Bequemlichkeit. Ich kriege es frei Auto geliefert und muss mich nicht in einen Bildschirm blickend darum kümmern, was ich denn jetzt hören will - insofern wäre es für mich auch keine Lösung, ein paar Wortbeiträge vom Vortag als Podcast mit eigener Musik zu einer Playlist zusammenzustellen und mir damit den Weg zur Arbeit zu versüßen.
Und ThoRr hat auch recht: Es ist bereits mehrfach vorgekommen, dass ich in der Playlist eines Senders nachgesehen habe, was ich denn da gehört habe (gerade die Füller, die DRadio morgens als spielt werden ja nicht "angesagt"). Horizonterweiterung, was den musikalischen Geschmack betrifft.
Wenn mir ein Sender das liefert:
  • Informative Wortbeiträge, die gerne auch Tiefgang haben dürfen (um bei Mannis Fans Bild zu bleiben)
  • Bequem geliefert
  • Ansprechende Musik stimmig ausgesucht (das ist das Meer - hoffentlich nicht zu seicht und abgestanden)
ist das ein Sender für mich.

Aber ich bin sicher nicht der "Durchschnittsmedienkonsument".

Andererseits kenne ich auch Radiohörer (nein, nicht aus der Generation "Spotify"), für die die Musik der Grund für eine Senderwahl ist. Vermutlich wären die (Affinität zu "moderner" Technik vorausgesetzt) allerdings mit einem der vielen Sparteninternetradios oder einer gut gepflegten, passenden Streamingdienst-Playliste fast besser bedient.
 
In den 1960er Jahren, als noch nicht jeder Haushalt einen Fernseher hatte, war das Radio noch Hauptinformationsquelle neben den Zeitungen. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass das heute nicht mehr so ist und dahingehend haben die Radiosender ihre Programmabläufe angepasst.
Man kann auch umgekehrt argumentieren: Aufgrund der geänderten Programme kommt das Radio als Hauptinformationsquelle für die meisten nicht mehr in Frage. Nachrichten in Dauerschleife oder der akademisch klingende Deutschlandfunk - dafür lassen sich keine Massen begeistern, allein schon vom Programmkonzept und der Präsentationsweise her. Ansprechende Sender mit höherem Wort-/Informationsanteil werden ja gehört, wenn es sie denn gibt.
 
Wir haben in Deutschland aber dummerweise einen Rattenschwanz von Radioberatern, deren Haupttätigkeit darin besteht, den Sendern im Sinne ihrer Auftraggeber (in erster Line der die Werberichtlinien vorgebendenden Eigentümer der Privatsender, in weiterer Folge der um Werbeschaltungen ringenden ARD-Anstalten) vorgefertigte Musikpakete aufs Auge zu drücken. Dahinter stand früher mal die fehlerhafte Annahme, dass man mit einer perfekten Mischung, die den meist jüngeren Radiozielgruppen einen idealen Kompromiss aus verschiedenen AC-Stilkomplexen bietet, bestmöglich reüssieren könne, selbst wenn in letzter Konsequenz überall dasselbe Musikformat anzutreffen ist. Zwar ging die Rechnung schon früher nicht auf (wer hat schon einen statistischen Durchschnittsgeschmack nach den Vorstellungen irgendwelcher dahergelaufener Berater?), doch gerade in einer Zeit digitaler Massenangebote liegt dieses Konzept endgültig in Trümmern.

Die Arroganz der Betreiber sowie der fehlende Wettbewerb ließen es in Deutschland nicht zu, dass sich ähnlich wie in anderen großen Volkswirtschaften ein Radiomarkt mit differenziertem Mehrsparten-Portfolio und voneinander unabhängigen, kommerziell vermarkteten Musikgenres herausbilden konnte. So war das deutsche Kommerzradio mangels Anziehungskraft schon während der 1990er-Jahre im internationalen Vergleich wenig ertragreich. Heute wirken sich die verkrusteten und oligopolistischen Strukturen aber besonders nachteilig aus, weil sich das Radio aus eigener Kraft nicht modernisieren, nicht um neue Geschäftsfelder erweitern und keine einträglichen Geldquellen erschließen kann.

In dem Maße wie die Musiknachfrage sich ins Internet verlagert werden besonders die institutionalisierten Beratungsunternehmen zunehmend überflüssig, deren Haupttätigkeit im "Musikresearch", der mehr oder minder willkürlichen Playlistzusammenstellung und im zuletzt verzweifelt-aggressiven Musikmarketing der immer selben Titel bestand. Die Verteilungskämpfe sind bereits voll im Gange, und ehe der marode Kahn nicht endgültig auf Grund gelaufen ist wird das bestehende, zukunftsfeindliche Geschäftsmodell wohl bis aufs Skelett abgenagt werden. Diese Prognose wage ich zumindest für die Ultrakurzwelle.
 
Daraus ableiten lässt sich vielleicht auch das, was der hiesige Musikmarkt zu bieten hat. Wirklich innovative deutsche oder sogar deutschsprachige Musik läuft nämlich vollkommen unter dem Radar. Stattdessen wird uns belangloser Deutschpop von Revolverheld, Silbermond und Mark Forster zum Fraß vorgeworfen.

Das sieht in Österreich komischerweise ganz anders aus: Österreich hat letztes Jahr mit Bilderbuch und Wanda schon wieder zwei wunderbare Bands hervorgebracht. Indie-Rock in österreichischer Mundart hat doch Charme und funktioniert dort auch. Während bei uns die ewig selben Acts seit zehn Jahren hoch- und runterdudeln.
 
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