"Irgendwas mit Eis" - Die ARD-Jugendradios

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Radiokult

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Irgendwas mit Eis ist die erste Voraussetzung für einen gesendeten Beitrag. Radio FRITZ etwa kauft ein Eis und trägt es dann eine gefühlte Ewigkeit durch die Hitze in die Redaktion. Jetzt das Unglaubliche: Das Eis schmilzt auf dem Weg. Bei DASDING klärt man bahnbrechende Fragen wie „Hilft Eis essen wirklich bei Halsschmerzen? Gibt es Hirnfrost wirklich? Und wer hat Eis überhaupt erfunden?“. Cool. Das sind Themen, die die fetzigen Kids von heute bewegen. ...
Der Auftrag eines Jugendprogramms ist es im Endeffekt, sich abzusetzen. Neue Wege zu gehen. Andere Ideen zu haben. Content zu liefern, der Jugendliche wirklich interessiert. Künstler zu fördern, die nicht bereits 2 Millionen Abonnenten auf YouTube haben. Stattdessen wird dem Niveau der Privatsender hinterhergehechelt, als ob es irgendetwas erstrebenswertes in diesen mit Werbejingles verseuchten Stationen geben würde, in denen Songs prinzipiell nur als Lückenfüller zwischen dem Geldverdienen herhalten dürfen. Kreativität oder gar Wagemut? Komplett Fehlanzeige. Man beschränkt sich auf billigste Comedy, den üblichen Mainstream und sechs Jahre alte Ideen aus Übersee.

http://noisey.vice.com/de/blog/nichts-ist-so-altbacken-wie-jugendprogramme

Ja ich weiß schon, eine Kritik mehr die nur mehr oder weniger verhallt. Aber gesagt werden muss sie trotzdem, denn sie stimmt in weiten Teilen!
 
Der Grundgedanke von Jugendsendern war gar nicht schlecht. Sie sollten eine Ergänzung zu einem "Erwachsenenprogramm" werden. Allerdings ist von diesen "Revoluzzern" nicht mehr viel übrig. Die heutigen Jugendradios sind entweder seelenlose Abspielstationen und/oder tun nicht weh. Beides im Hinblick auf Spotify und andere Alternativen verzichtbar.

Eine Ausnahme stellt für mich das österreichische FM4 dar. Der Sender hat zwar wenig Mainstream (für mich positiv, für die Allgemeinheit nicht unbedingt), aber er eckt an und erreicht so auch eine gewisse Hörerschicht.
 
Die Krönung ist so oder so der mdr. Die leisten sich mit Sputnik und Jump ja mittlerweile zwei "junge Wellen". Zumindest ist nach mdr-Darstellung Jump seit geraumer Zeit auch als Jugendwelle zu verstehen. Eine tatsächliche Jugendwelle sind unterm Strich beide Programme nicht, was bei Sputnik besonders bitter ist, da es das Nachfolgeprogramm des einstmals legendären DT64 ist.
 
http://noisey.vice.com/de/blog/nichts-ist-so-altbacken-wie-jugendprogramme schrieb:
Irgendwas mit Eis ist die erste Voraussetzung für einen gesendeten Beitrag. Radio FRITZ etwa kauft ein Eis und trägt es dann eine gefühlte Ewigkeit durch die Hitze in die Redaktion. Jetzt das Unglaubliche: Das Eis schmilzt auf dem Weg. Bei DASDING klärt man bahnbrechende Fragen wie „Hilft Eis essen wirklich bei Halsschmerzen? Gibt es Hirnfrost wirklich? Und wer hat Eis überhaupt erfunden?“. Cool. Das sind Themen, die die fetzigen Kids von heute bewegen.

All dies sehe ich aber nicht als explizites Jugendradioproblem an. Die zunehmende Inhaltslosigkeit im Hörfunk grassiert doch von 18 bis 88. Weshalb sollten also die jungen Wellen davon verschont bleiben?
 
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Der Grundgedanke von Jugendsendern war gar nicht schlecht. Sie sollten eine Ergänzung zu einem "Erwachsenenprogramm" werden...
...sowie (natürlich) auch die, insbesondere jüngeren, Hörerinnen und Hörer von der aufkommenden Privatradiokonkurrenz fernhalten.
Ich weise eigentlich ungern auf komplette Webseiten hin, aber die folgende fasst am Beispiel der quasi ersten ARD-Jugendwelle (Radio Bremen 4) den historischen Ursprung fast perfekt zusammen. Besonders lesenswert und authentisch die "Pressemitteilung zum Start".
http://www.dusagstvier.de/dsv.html

Für die ausgedehnten Gründungen der ARD-Jugendradios in den 1990ern dürften allerdings kaum noch "journalistische" Gründe entscheidend gewesen sein, sondern rein medienpolitische Erwägungen (i.W. 1. Verdrängung eines nicht erwünschten "Nachwende-DDR"-Journalismusverständnisses, 2. Konkurrenz zum Privat- und Beraterhörfunk der 1990er mit Anwendung von "gleichen Mitteln"). Das Ergebnis ist heute überall in vollem Schrecken hörbar (und sei es auch nur "Fritzes Trasch mit dem Himbeereis...:rolleyes:
 
Wenn 30 bis 50-Jährige Jugendradio für 14 bis 25-Jährige machen, kann das schon eigenartig werden. Blöd wird es zudem, wenn Moderatoren Ü25 die Coolen und Hippen mimen, was sich oft entweder künstlich oder/und total affig anhört. Beispiele von solchen Jugendsendern gibt es genug...
 
Die Qualität vom fritz der 90er hätte vielleicht als Blaupause für die später gegründeten ARD-Jugendwellen dienen können. Statt dessen war es umgekehrt, fritz wurde schleichend an das Niveau der später gegründeten Wellen (und an mdr-Niveau) angepasst. Einen Grund dürfte @astereix zwei Postings über mir treffend beanannt haben, bei fritz hat das etwas länger gedauert...
Einzig puls scheint da nicht ins Schema zu passen.
 
Die heutigen Jugendlichen gelten aber mittlerweile auch als zu sehr angepasst. Sie hören u.U. ähnliche Musik wie die Generation vor ihnen, sie betreiben tlw. sogar ähnliche Freizeitaktivitäten wie die Generation(en) vor ihnen. Es vermischt sich heutzutage alles sehr viel mehr zwischen den Generationen als noch vor 20 Jahren.

Mal ganz ehrlich: wenn deine Eltern Death Metal, Grindcore, Gangsta Rap oder Gabber gehört haben (oder noch hören), wie willst du das noch toppen? Da bleibt dir ja praktisch nur noch die Flucht ins andere Extrem, z.B. zum Schlager.

Da tut sich ein Jugendradio glaube ich im Endeffekt auch sehr schwer, sich über Musik zu definieren. Was sollen die denn spielen außer Chartmusik? Und schon in den 90ern gab es ja nicht DAS Jugendradio. N-Joy im Norden war doch eigentlich kein vollwertiges Jugendradio, sondern eher überwiegend ein Eurodance-Musikspartenprogramm, das ganz viele andere Strömungen (Grunge, Hiphop) weitgehend ausgeblendet ließ.

Was bleibt also, was ein Jugendradio ausmacht? Es sind die Inhalte. Aber die gibt es heute ja kaum noch.
 
Die Krönung ist so oder so der mdr. Die leisten sich mit Sputnik und Jump ja mittlerweile zwei "junge Wellen". Zumindest ist nach mdr-Darstellung Jump seit geraumer Zeit auch als Jugendwelle zu verstehen. Eine tatsächliche Jugendwelle sind unterm Strich beide Programme nicht, was bei Sputnik besonders bitter ist, da es das Nachfolgeprogramm des einstmals legendären DT64 ist.

Das stimmt nicht mehr. Das war in den 00ern so, aber im August 2011 wurde Jump ''veraltet'' und spricht heute wieder die Zielgruppe an, die man damals mit mdr LIFE erreichen wollte. Jump ist heute ein Erwachsenenprogramm wie SWR3.

Wenn du mit ''zwei junge Wellen'' Erwachsenenprogramm UND Jugendprogramm meinst: Das machen mittlerweile alle so. radioeins & Fritz, Jump & Sputnik, hr3 & You FM, ..., Ö3 & FM4, SRF3 & Virus, ...
 
im August 2011 wurde Jump ''veraltet'' und spricht heute wieder die Zielgruppe an, die man damals mit mdr LIFE erreichen wollte. Jump ist heute ein Erwachsenenprogramm wie SWR3.
Ah ok. Da ich kein Jump-Hörer bin, war mir das wohl entgangen bzw. entgeht einem ja nichts, wenn man kein Jump hört. ;):D
 
Ah ok. Da ich kein Jump-Hörer bin, war mir das wohl entgangen bzw. entgeht einem ja nichts, wenn man kein Jump hört.

Ich bin, was Popwellen angeht, ja seit langem völlig raus, komme aber doch hin und wieder mal zum kurzzeitigen Reinhören, wenn ich z.B. in der Kabelkopfstelle Messungen mache oder wieder irgendwo im Baumarkt / Schwimmbad / Geschäft ein Radio dudelt (was Auslöser für Flucht und künftige Meidung der Location ist). Und nehme da sehr deutlich wahr, wie auf den sogenannten "Jugendwellen" und den "Erwachsenenwellen" oft genau der gleiche Müll gedudelt wird. Also diese heutige "Musik" der sorte "Ich nahm eine Tablette auf Ibiza, um einem Schallplattenalleinunterhalter zu zeigen, daß ich kalt bin". Das läuft auf Jump und auf Sputnik. Das läuft doch gewiß auch auf YouFM und hr3, oder? Damit ist das Gelumpe für mich hinreichend identisch: Soundtrack für die dumme Masse. Kann man auch effizient einmal zentral fürs ganze Land veranstalten, würde nicht auffallen.
 
"Ich nahm eine Tablette auf Ibiza, um einem Schallplattenalleinunterhalter zu zeigen, daß ich kalt bin".

LOL!!! Es gibt wohl keinen Song bei dem das Dilemma des Radios deutlicher wird. Es handelt sich ja um den ansonsten recht talentierten Singer/Songwriter Mike Posner, und der Song ist eigentlich eine Persiflage (kapiert freilich keiner der Jungen :) ). Veröffentlichung dieses Songs war vor über einem Jahr, siehe u.a.


Den jungen Spotify- und Deezer-Nutzer begleitete dieser Song schon durch den Winter, im deutschen Radio wurde er dann im Mai 2016 (!!!) als Innovation angepriesen, weil ja nur das gespielt werden darf, was best getestet ist (und bei der Jugend eigentlich schon wieder längst sowas von 2015). Welch ein Hohn wenn man dann "neu und zurerst auf Radio Hamburg - Mike Posner - I took a pill in Ibiza" genau ein Dreivierteljahr nach VÖ hört. Das ist das, wo sich das Radio seit längerem abschafft.
 
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Das ist auch keine Kunst, da sich die populäre Musik in den letzten 25 Jahren nicht mehr weiterentwickelt hat.
Naja, in den 90ern hatte man Eurodance-Acts, die gerappt haben. Heute hat man R&B-Acts, die ihre Raps mit Eurodance unterlegen. :D

Abseits der Charts gab es natürlich v.a. in den 90ern durchaus zahlreiche Entwicklungen in der Musik, gerade durch die neuen elektronischen Einflüsse.
Es ist auch immer gefährlich: je älter man wird, desto eher tut man eine neue Musikrichtung als einen Abklatsch von etwas ab, das es ja früher schon gab. Bei Dubstep (mittlerweile ja auch schon wieder ein alter Hut) kann man als jemand, der die 90er mit UK-Hardcore, Jungle und Drum'N'Bass erlebt hat, nur müde gähnen. Stoner Rock: ist das nicht auch nur ein Abklatsch dessen, was es in den 70ern schon gab?

So kann man natürlich alles wegargumentieren und jemand, der noch älter ist, könnte sagen, mit Kraftwerk und den Beatles war eigentlich schon alles gesagt. Oder noch früher: mit Beat-Musik und Jazz war bereits in den 50ern alles gesagt.

Geht aber halt dann doch nicht so einfach! Eigentlich hätte man heute eine stilistische Vielfalt wie noch nie. Aber gerade das führt scheinbar zu einer Art Einheitsgeschmack.
 
Der Anspruch "Jugendwelle" kommt doch aus der längst widerlegten Annahme, es gebe bestimmte Alters- und Zielgruppen, für die ein klar umrissener und definierter Musikgeschmack gilt und die zudem nur über eine bestimmte sprachliche Anmutung zu erreichen sind.
Für Jugend also Rap&CO und als Anrede "hey Du!" - "boah Geil", für Senioren eher Oldie- und Schlagerzeugs und ein getragenes "Liebe Hörerinnen und Hörer", in den Altersklassen dazwischen die diversen Ausformungen von "bester Mix von gestern und heute", bisschen Sport, bisschen Yellow-Press, bisschen Politik (aber nur, wenn man nicht viel erklären muss).
Ein Programm für alle? Undenkbar! Dabei wäre es die Lösung. Aber den Mut hat keiner.
 
Wenn man es rein auf die Charts-Musik definiert, sind Jugendwellen heutzutage überflüssig. Warum? In den 90ern, wo die meisten Sender dieser Art entstanden, gab es in den Verkaufslisten "Revolutionen" in sämtlichen Schichten (Rock, Hip-Hop, elektronische Musik). Die jungen Menschen haben sich an der braven Musik aus den 80ern satt gehört und wollten progressivere Töne hören. Gleichzeitig wollte man die Stammhörer nicht verschrecken und selektierte den Airplay stark nach dem, was sich noch annähernd nach 80er anhörte. Somit waren die neuen Wellen eine willkommene Gelegenheit, die unbequeme Musik dorthin abzuschieben. Soweit so gut.

In den späteren 90ern und 2000ern aber zog man zunächst den Jugendwellen nach und nach die Zähne, anschließend wurden auch die Charts "ruhiger" bzw. die Revoluzzerenergien ließen nach. Gleichzeitig fanden die Erwachsenenradios auf einmal AC-DC und Nirvana ganz toll, die sie in den 90ern nicht mal mit einer Kneifzange angefasst hätten. Heute lässt sich ein Großteil der Verkaufslisten-Musik ohne Probleme auf sämtlichen Wellen abspielen. Wenn man sich also nicht über das Wort definiert, gibt es keine großen Unterschiede mehr.

Was ist meine Schlussfolgerung? Für den Mainstream reicht eine Welle völlig aus. Der Rest lässt sich besser über Spartensender und/oder Sendungen definieren.
 
Der Artikel fordert Qualität vom Rundfunk, ist aber selbst leider inhaltlich sehr sehr pauschal, ungenau, teilweise falsch...
Die "Jugendradio"-Misere ist ja schon lange Thema hier. Die Hörer zu duzen und sich einen englischen Sendernamen zu geben, reicht eben nicht aus. Auch alte Leute hören neue Musik, auch junge Leute hören Oldies. Wer Hörer in bestimmten Altersgruppen oder Lebensphasen erreichen will, sollte entsprechende Inhalte anbieten. Aber auch da arbeitet sich manches "junge" Programm lieber immer wieder an Allerweltsthemen ab. Das mit dem Eis, zum Beispiel. Oder ob Männer oder Frauen besser Auto fahren.
 
Das Problem der Jugendwellen ist eigentlich das, was alle anderen Wellen auch haben. Es wird immer und überall auf hippes Allerweltsradio gemacht und Schönwetter verkündet. Ernsthafte Themen und ernst zunehmende Musik finden immer seltener bis gar nicht statt. Die berühmt-berüchtigte Durchhörbarkeit ist eher Problem als sinnhaftes Element. Belanglose Themen und belanglose Musik gab es früher bei den Jugendwellen auch. Ich schätze mal grob, dass 60-70% der einstmals bei DT64 gespielten Musik (Endphase Wende bis zur Umbenennung in Sputnik) noch heute auf den einschlägigen Dudelwellen zu finden sind. Bei Rias2 dürfte es noch erheblich mehr sein. Entsprechende Mitschnitte, die das mehr oder weniger belegen, finden sich genug im Netz. Die weitestgehende Abschaffung verschiedenster "Spezialsendungen", mit denen man ganz gezielt diese oder jene Gruppe ansprach, ist eigentlich das, was die Jugendsender so überflüßig macht. Denn das ist das, was die Programme ausmachte und sie vor der Austauschbarkeit bewahrte.
Andererseits stimmt es natürlich auch, dass der von mir verlinkte Artikel doch ziemlich oberflächlich ist. Zwischen NJOY und Fritz liegen zum beispiel trotz allem noch immer Welten. Und das ist gut so.
 
Heute ist bei mir Hardcore-Radio-Tag. Habe ein Hubmessgerät hier und fresse mich mit Stunden-Messungen durchs hiesige Kabelnetz. Das dauert. Unterm Tisch hängt mein Kopfhörer, aus dem leise das derzeit empfangene Programm dringt. Manchmal nehme ich den Kopfhörer hoch und höre mal kurz rein. Dann setze ich ihn angewidert schnell wieder ab.

Vorhin warf Mike Posner auf MDR Junk tatsächlich wieder die Pille ein und ansonsten gab es identisch klingende Lala-Musi in schlichtester Spieldosen-Art und irgendwer wimmerte von irgendwas, das seine Mutter zu ihm gesagt hat, als er 7 Jahre alt war. Dazu schauderhaft klebrig-anbiedernde Doppelmoderationen über nichts, bei denen mir jede Sekunde Lebenszeit zu schade ist.

Dann war ich bei MDR Stupid. Da sang jemand was von "wie ein Hulahulahu, wie ein Hulahulahu", danach Schunkel-Musi, die exakt genauso auf MDR Junk laufen könnte und es vermutlich auch tut. Der Unterschied zwischen beiden Programmen erschließt sich mir noch nicht, denn bislang ists nicht mehr als das etwas dynamischer gerufene "Hi!" der Ansagerin. Relevanter Inhalt? Nö. Um diese Zeit ("zwischen 14 und 16") gab es einst auf DT64 das "Schülermagazin "Lockruf", in dem z.B. - damals für die Ossis was neues, das man auch erstmal als Freiheit und (Grund)wert entdecken mußte - berichtet wurde, daß es Wehrdienstverweigerung gibt und was man dafür tun muß, um anerkannt zu werden. Oder es waren Schüler und junge Studenten zu Gast (heute ist nämlich Freitag, da kam die "Klassenfete"), unterhielten sich mit Frank Aischmann oder Ralf Bieniek über Mathe-Leistungsgruppen, "Mathelager" in den Ferien und brachten ihre eigene Musikauswahl mit (gehört im November 1991 beispielsweise Röövel Ööbik aus dem Baltikum mit "The history of the USSR" oder Frank Sidebottom mit einer schrägen Dub-Polka-Adaption.

Zurück im Jahre 2016 ploppt die Ansagerin auf MDR Stupid dann irgendwas über die nächsten 3 gleichklingenden Lala-Standardtitel ins Zahnputzbecher-RE20-Mikrofon und überdrehte Stimmen rückverkaufen das Elend am Morgen, in dem sich die Aufmerksamkeit wohl darum drehte, am Telefon so zu klingen, wie als wäre man weit weg im Urlaub. Dann Nachrichtenschlagzeile Nummer Eins wortwörtlich: "Schweini hört auf".

Fazit für mich nach diesem Ausflug in die Niederungen des öffentlich-rechtlichen Popfunks: komplett wertlos. Soundtrack nach dem Motto "ich bin dumm und habe Spaß dabei". Bereits 1995 war im SPIEGEL in einem Artikel von Jurek Becker ("Die Worte verschwinden") ein Foto eines Jugendradio-Studios (es war N-Joy) mit "Athmosphäre der Dumpfheit" untertitelt. Ist heute nicht anders, trifft immer noch zu.

Es ist eine Schande, daß dafür Rundfunkgebühren verbrannt werden. Das Geld sollte man lieber in die Versorgung von Flüchtlingen stecken, da würde es einem guten Zweck dienen. Jede Sekunde dieser öffentlich-rechtlichen Ätherverpestung hingegen ist nichtmal nur sinnlos verbranntes Geld, sondern sogar schädlich. Wer so etwas als offenbar gesellschaftlich anerkannten Standard vorgesetzt bekommt, aus dem kann doch kaum ein problembewußter, anständiger Mensch werden. Wenn dann die als gesellschaftliches Normal suggerierte Dauer-Spaßparty mal von der Realität dieser Welt (z.B. von Naturgesetzen, von Krisen, Kriegen und anderen Ergebnissen des Versäumens individueller seelischer "Hygiene") unterbrochen wird, motzen die Leute dann und wollen, daß die Störung ihrer Party aufhöre. So wirds nichts mit der Welt, wirklich nicht.

Es ist auch immer gefährlich: je älter man wird, desto eher tut man eine neue Musikrichtung als einen Abklatsch von etwas ab, das es ja früher schon gab.
Bin mir zumindest spontan nicht bewußt, daß es bei mir so wäre. Auch meine Ansprüche wechsel(t)en mit der Zeit und manches Genre, das ich vor 20 Jahren gerne häufiger hörte, taugt heute nur noch als zeitgeschichtliches Dokument oder fürs Kuriositätenkabinett. Mit Punk (dem echten aus DDR-Kellern, z.B. zu finden auf den "Sicher gibt es bessere Zeiten, doch diese war die unsere"-Samplern) geht es mir so. Im Rahmen einer Sendung zur Zeitgeschichte würde ichs noch aus dem Regal holen. Anderes von damals[tm] nehme ich heute als "hatte gesunde Aussage und ist deshalb sogar etwas wertvoll" wahr (einiges von Midnight Oil beispielsweise).

Heutige Musik lehne ich nicht ab, weil sie mich an irgendwas von früher erinnert (vielleicht gäbe es, wenns so wäre, etwas mehr heutige Musik, die ich ertragen würde). Ich lehne sie ab, weil sie langweilig, schlichtmöglichst arrangiert ist (diese ganzen Electropop-Nummern aus dem heutigen Radio-Airplay basieren alle auf dem gleichen bum-bum-bum-Rhythmus mit nur wenigen, sich ständig wiederholenden Tönen), weil die Stimmen entweder von Natur aus eklig sind (Frauenstimmen kommen heute z.B. nur noch vor, wenn in höchsten Tönen gequäkt, geqietscht, genölt oder gejammert wird) oder weil die Stimmen eklig verfremdet sind - und weil die Texte schauderhaft sinnfrei oder ethisch "krank" sind.

Klar gibt es auch andere Musik (FM 4 beweist es, der Nachtmix auf Bayern 2 beweist es auch, Paul Baskerville auf NDR Info beweist es) - aber das findet auf deutschen Jugendwellen nicht statt, die "Anfütterung" an gesündere Kost erfolgt also gar nicht. Ich hielte sie für eine ureigenste Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen.

Eigentlich hätte man heute eine stilistische Vielfalt wie noch nie. Aber gerade das führt scheinbar zu einer Art Einheitsgeschmack.
Doch nur scheinbar. Verläßt man das Thema "ARD-Jugendwellen" und schaut sich ungefiltert in der musikkulturellen Welt um, ist so viel da. Bezogen aufs Thema Jugendfunk ist fast nichts da außer tatsächlich diesem drögen Dauerparty-Ballermann-Bumbum, das wohl wirklich nur mit einer Pille zu ertragen ist.

Für Jugend also Rap&CO und als Anrede "hey Du!" - "boah Geil", für Senioren eher Oldie- und Schlagerzeugs und ein getragenes "Liebe Hörerinnen und Hörer", in den Altersklassen dazwischen die diversen Ausformungen von "bester Mix von gestern und heute", bisschen Sport, bisschen Yellow-Press, bisschen Politik (aber nur, wenn man nicht viel erklären muss).
Genau das hat Forenkollege @Grenzwelle vor Jahren schon unerreicht präzise formuliert:
you fm: Ich mach voll den Krawall, ey!
hr3: Ich würd ja gern wieder mal Krawall machen.
hr1: Ach, wie schön war das damals, als ich soo viel Krawall gemacht habe. Und jetzt kommt Rod Stewart.

Ein Programm für alle? Undenkbar! Dabei wäre es die Lösung. Aber den Mut hat keiner.
Das halte ich nun in dieser Radikalität doch für etwas, das sehr, sehr mutig wäre. Aber (für den Anfang?) ein Programm, das junge Menschen nicht für blöd erklärt oder voraussetzt und "ballaststoff-reich" ist, das würde doch auch schon eine Sensation sein heute. (Nein, bitte kommt mir jetzt nicht mit DWissen, der Nischenlösung für Studenten, die sich für intellektuell halten und dafür eine Monstranz brauchen - "es ist kompliziert, dazu guter Pop").

In den späteren 90ern und 2000ern aber zog man zunächst den Jugendwellen nach und nach die Zähne
Und zwar durchaus wortwörtlich. Vgl. bitte
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/8/84/Radio_Fritz.svg/307px-Radio_Fritz.svg.png
mit
http://presseservice.rbb-online.de/...d/logos_sendungen/fritz_logo_2006_512_288.jpg

Heute lässt sich ein Großteil der Verkaufslisten-Musik ohne Probleme auf sämtlichen Wellen abspielen.
Genau das ist extrem zu bemerken. Es gibt bei den Öffis und bei den Privaten große Überschneidungen zwischen den Jugendwellen und den Popwellen.

Was ist meine Schlussfolgerung? Für den Mainstream reicht eine Welle völlig aus. Der Rest lässt sich besser über Spartensender und/oder Sendungen definieren.
:thumbsup:

So, die Stunde MDR Stupid ist im Kasten, MPX-Leistung bei uns im Kabelnetz max. -1,2 dBr, Spitzenhub um 42 kHz - also plattgepreßt bis an den Anschlag. Weiter gehts mit MDR Aktuell, wenigstens ohne dieses Gewimmer, dafür werde ich wohl nun eine Stunde globale Krankheit serviert bekommen. Dafür kann MDR Aktuell aber immerhin nichts.

Es wird immer und überall auf hippes Allerweltsradio gemacht und Schönwetter verkündet. Ernsthafte Themen und ernst zunehmende Musik finden immer seltener bis gar nicht statt.
Und das ist die große Gefahr: die Konditionierung weg von einer Weltverbundenheit im wortwörtlichen Sinne hin zu einer Realitätsferne, die, wenn sie wegbricht, zu gefährlichen Reaktionen führen kann. Ich erlebe im ganz "normalen" Mainstream-Umfeld derzeit als dominierendes Gefühl Panik und als Konsequenz daraus zunehmend auch bei etlichen von denen, die eigentlich von der Kinderstube her dafür weniger anfällig sein sollten, Neigung zu Rassismus, nationalismus und ganz generell Anfälligkeit für die Idee, es gäbe Menschen mit unterschiedlichem Wert. In den weltverbundenen Kreisen erlebe ich hingegen als Reaktionen Schmerz (klar, wer verbunden ist mit der Welt, muß diesen Schmerz fühlen), aber auch Klarheit, Entschlossenheit und z.B. sowas: http://gen-europe.org/projects/refugen/index.htm
 
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