Pulte/Rackgeräte im 24-Stunden-Betrieb

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Hey Leute, wie sieht das eigentlich mit der langfristigen Dauerbenutzung von Mischpulten bzw. sonstigen Geräten (auch Soundprocessinggeräte/Rackgeräte allgemein) aus?

Am Beispiel Mischpult: In teureren Pulten sind selbstverständlich hochwertige Kondensatoren, Kontakte, Relais, etc. als in günstigeren verbaut.. Aber sind auch diese hochwertigen Pulte für den Full-Time-OnAir-Betrieb geeignet? Schaltet bei manchen Sendern jemand nachts (oder generell zwischendurch während unbesetzten Programmschienen) das Pult ab, sodass das Signal über einen zweiten direkten Bus gesendet wird? Es würde das Pult ja schonen. Oder denkt man sich bei den meisten Sendern, dass den einen oder anderen Fader bzw. alle paar Jahre mal das Pult neu kaufen billiger/einfacher ist?

Würde mich auch interessieren, wie ihr das bei euren Sendern handhabt.

Mit freundlichen Grüßen!
 
In Sendekomplexen ist es üblich, dass die Geräte praktisch ihr ganzes Leben lang laufen. Die werden einmal eingeschaltet und etliche Jahre später wieder ausgeschaltet. Deshalb ist es wichtig, auch im laufenden Betrieb mal ein Modul tauschen zu können. Bei Vorproduktions- und Hörspielkomplexen ist es anders, die werden bei Nichtbenutzung ausgeschaltet.

Matthias
 
Es ist auch nicht ganz richtig zu glauben, jedes Abschalten bei (vermeintlich) vorübergehender Nichtbenutzung
würde das Pult ja schonen.
Das gilt, wie Matthias schon richtig anmerkte, nicht nur für Mischer.
Ähnlich wie der Motor eines Autos leidet auch Elektronik vor allem beim Kaltstart. Daher rühren auch Phänomene wie "Komisch, beim letzten mal hats noch funktioniert!", ansprechende Sicherungen oder auch mal ein Knall.

Ob man einen ganzen Schank voller Technik für einen gewissen Zeitraum stromlos setzt oder nicht, hängt vor allem davon ab, wieviel Energiekosten man dadurch einspart. Dem gegenüber stehen die Kosten für das Vorhalten von Ersatz, Neuanschaffungen, Reparatur, Austausch, das dazu notwendige Personal sowie dessen Arbeitszeit, Transportkosten und ob man sich einen Ausfall überhaupt leisten kann bzw. welchen wirtschaftlichen Schaden er verursacht, wenn er eintritt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@dea das stimmt natürlich auch. Ständiges Ein- und Ausschalten zieht teilweise sogar mehr Schaden nach sich. Zumal das ja auch mehr Energie verbrauchen kann als permanenter Betrieb.

Auch Dir danke für Deine Antwort! ;)
 
Ich habe da eigene Erfahrungen mit Energiesparlampen von Osram. An meinem Haus habe ich nachträglich die Hausnummer samt Hausnummernbeleuchtung anders realisiert als ursprünglich geplant, so dass dann dort kein Dämmerungsschalter vorhanden war. Daher läuft bei mir eine 7-Watt-Energiesparlampe rund um die Uhr im Dauerbetrieb. Sie muss jeweils nach etwa vier oder fünf Jahren ausgetauscht werden. Die restlichen Lampen rund ums Haus werden per Dämmerungsschalter geschaltet und müssen nach rund zwei bis drei Jahren ausgetauscht werden. Fazit: Im Dauerbetrieb halten die Leuchtmittel fast doppelt so lange.

Das kann bei tontechnischen Geräten so ähnlich sein.

Matthias
 
Heutzutage sind Mischpulte oder deren aktive Ein- und Ausgangsmodule auch Bestandteil von relativ großen digitalen Audionetzwerken, die ggf mehrere Produktionskomplexe überspannen. Das Ausschalten einzelner Komponenten könnte somit auch Fehlermeldungen führen, weshalb dies gern vermieden wird.

Beste Grüße, Björn
 
Selbstredend bleibt ein Sendestudio ein mal angeschaltet dauerhaft unter Strom.
In Produktionsstudios läßt man gerne das Pult (wenn es denn wertig ist) durchgehend an.
Zuspieler (gerade selten genutzte Exoten) werden (auch mit oben erwähnter Gefahr) nur bei Bedarf an und dann wieder ausgeschaltet.
Gerne wird heute aber auch aus "Energiespar-Gründen" /siehe oben/ in diversen Sendern dazu aufgerufen nach Feierabend (wann ist das noch mal?)
das gesamte Studio vom Strom zu nehmen ( gerne mit dem großen , roten Knopf)
Der Pianist und dea haben da schon die richtigen Infos geliefert.

Ich persönlich ( der ich natürlich keinen Sendebetrieb führe) schalte mein Studio nach gemachtem Tagwerk, komplett aus
Das hat sich bis jetzt auch noch nicht negativ auf meine Technik ausgewirkt.
(Vielleicht hatte ich bis dato einfach nur Glück )
 
Bei einem Gespräch mit einem Tonchef einer professionellen Musical-Hall: "Wir lassen die Dinger durchlaufen - kaputt gehen die nur beim Einschalten". Und da gibt es ja wirklich Zeiten, in denen man die Audio-Anlage nicht braucht. Abgeschaltet werden nur die Leistungsteile.
 
Wobei professionelle Geräte natürlich auch den Wechsel zwischen Ein und Aus verkraften müssen, sogar klimatische Schwankungen. Immerhin wird solche Technik ja auch in Übertragungswagen eingebaut, die nun wirklich nicht ständig am Netz hängen und auch nicht immer in trocknen beheizten Hallen stehen.

Matthias
 
Aus eigener Erfahrung: Geräte liefen Jahrelang ohne Probleme. Dann wurde die Stromverteilung im Haus erneuert. Aufeinmal lagen die amtlichen 230V statt des bisherigen 214V an. Folge beim Wiedereinschalten: Zig Netzteilkondensatoren oder andere Bauteile haben sich nach kurzer Zeit verabschiedet.
 
Hier meine Erfahrung zum Thema:
In meinem Studio zuhause habe ich ein Broadcast-Mischpult SAC 200 von Soundcraft. Das habe ich 1987 nagelneu gekauft, kurz nachdem es auf der damaligen Tonmeistertagung als neues Produkt vorgestellt worden war.

Bis vor 3 Jahren habe ich neben meinem Hauptberuf eine eigene Sendung beim Lokalradio gehabt, bevor ich aus gesundheitlichen Gründen mit Radio aufgehört habe. Während meiner Radio-Zeit habe ich in meinem Studio die Sendung vorbereitet, Interviews und Telefoninterviews aufgezeichnet und geschnitten, Beiträge, Jingles, Ton-Schnipsel und -Effekte, Einspieler und vieles mehr produziert. In der Zeit vor Einführung der Sendeautomationen habe ich auch ganze Sendungen voraufgezeichnet. Das alles ging anfangs mit dem Tonband, später mit dem Computer. Daher war ich oft in meiner Freitzeit im Studio und habe es deshalb nur ganz selten ausgeschaltet.

Das Mischpult geht seinem 30. Geburtstag entgegen, ist noch nie ausgefallen und hat immer zuverlässig funktioniert. Ich habe lediglich in längeren Zeitabständen eine Wartung durch einen befreundeten Rundfunktechniker durchführen lassen. Selbst viel beanspruchte Regler musste ich bislang nur selten austauschen lassen. Die einzigen Teile, die ich etwas häufiger ersetzen muss(te), sind die Lämpchen der VU-Meter-Beleutchung, aber das sind "Pfennigartikel". Alles in Allem ein haltbares Produkt, was ich aber von einem solchen Gerät auch erwarte. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass ich im Regelfall der einzige Benutzer war und alle Geräte entsprechend pfleglich behandelt habe. Das ist in Radiostationen anders.

Seit ich meine Radiotätigkeit aufgegeben habe, ist mein Studio die meiste Zeit abgeschaltet und stromlos. Ich schalte mein Studio nur noch ein, wenn ich mal eine Produktion mache (z. B. Auftrittsmusik für Faschingsgarden zusammenschneiden).
[Einschub] Im Sommerurlaub habe ich mir an einem Regentag den Spaß gegönnt, nach vielen Jahren eine Sendung ausschließlich mit Schallplatten, Carts und Tonbändern zu fahren. Nicht einmal die CD-Spieler habe ich verwendet. Auch, wenn es niemand gehört hat, war es ein ungemeiner Spaß und hat jede Menge Freude gemacht, endlich mal wieder eine 100 % handgemachte Sendung zu fahren. Ich habe mir vorgenommen, das bald zu wiederholen. Die Jungspunde, die heute im Radio arbeiten, wissen gar nicht, welcher Spaß am Sendungfahren ihnen entgeht ... aber das ist ein anderes Thema.[Ende Einschub]

Das SAC 200 wird schon sehr lange nicht mehr hergestellt und inzwischen dürfte es schwierig sein, jemanden zu finden, der es reparieren könnte, falls mal was kaputtgeht, obwohl ich alle Manuals und Schaltpläne im Original vorliegen habe. Also verlasse ich mich darauf, dass das Mischpult auch die nächsten 30 Jahre hält .

Das SAC 200 war in vielen Radiostationen im Einsatz, beispielsweise auch bei Antenne Bayern im Mobilstudio. Vor einiger Zeit habe ich bei der Durchsicht alter Fotos welche von Anfang der 90er Jahre gefunden, auf denen ich das Mobilstudio von Antenne Bayern auf einer Messe fotografiert habe. Darauf ist ebenfalls ein SAC 200 zu sehen, die Platten wurden auf Technics-SL1200-Plattenspielern abgespielt.

Bei den Sendern, bei denen ich im Laufe meiner rund 30jähren Radiotätigkeit (immer neben dem Hauptberuf) gearbeitet habe, wurden die Studios lediglich für große Wartungen und Umbauarbeiten ausgeschaltet. Ansonsten liefen sie durch, nicht nur die Sendestudios, im Regelfall auch die Produktionsstudios. Wenn beim Lokalsender das Rahmenprogramm oder später die Automation lief, wurde das Sendestudio von der Sendeleitung getrennt und es wurden Vorproduktionen oder Aufzeichnungen darin gemacht.

Lediglich Zuspieler (CD-Player, Plattenspieler, Tonbandmaschinen, Minidisc-Player usw.), die einen erreichbaren Ausschaltknopf hatten, wurden über Nacht ausgeschaltet. Als später nur noch von Computer gesendet wurde, liefen auch die Rechner permanent durch und lediglich die Bildschirme wurden abgeschaltet, vor allen Dingen im Zeitalter der Röhrenbildschirme (wegen "Einbrennen"). Innerhalb relativ kurzer Zeit gingen die Schalter an den Bildschirmen kaputt, so dass auch diese eingeschaltet blieben, vor allen Dingen dann die modernen Flachbildschirme.

Meine Erfahrung deckt sich also weitgehend mit dem von meinem Namenskollegen Matthias in Post #2 dargestellten Sachverhalt und auch mit den Aussagen von marillenfreund und Radiowahn.
 
Okay, sehr interessant soweit. Mich wundert, dass dieses Thema hier in den vielen Jahren noch von niemandem erwähnt wurde - wo es doch so ein Grundthema ist. Schön, dass sich so viele von euch hier ausführlich beteiligen!

Also bei uns (Regionalradiosender basierend auf einem professionellen Homestudio) wird das ähnlich gehandhabt.

Das Nötigste (Soundprocessing, Streamer und co.) bleibt an, der Rest des Studios wird runtergefahren. - Das heißt was wirklich sendet bleibt rund um die Uhr an, alles unbenutzte (Pult, Computer und Verteiler die man nicht braucht, Bildschirme, etc.) wird abgeschaltet. Das Sendesignal wird dann über eine zusätzliche Leitung, die das Pult überspringt, direkt gespeist.
 
Teils ist das richtig Hardcore...

Hier sieht man den SK4 vom RBB in der Masurenallee, etwa 4 Jahre ist die Aufnahme alt. Damals wurde das RBB Kulturradio auf Selbstfahrbetrieb umgestellt und die Moderatoren erhielten entsprechendes Training.

RBB SK4.jpg

Links an den CD-Playern klebte ein Zettel... der zeigt die Tastenbeleuchtung so, wie sie eingestellt sein muß, damit dort die Notfall-CD für ins Sendesystem gefahrene Pannen startbereit ist. Und auf den CD-Playern stand die Hülle der CD, die sich da schwindelig drehte:

RBB SK4 - 2.jpg

Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. In normalen CD-Playern drehen die CDs bei Pause üblicherweise unentwegt, bei Minidisc-Playern stand die Scheibe, der Start des eingestellten Tracks lag bereits vorab gelesen im Puffer. Vielleicht puffern die großen alten Denon-CD-Player auch, das wäre zu hoffen, ansonsten ist das ein herrlicher Mechanikverschleiß. Auf sowas nimmt man dann aber zugunsten des Sendebetriebs keine Rücksicht. Eher kommt die Technik alle paar Wochen durch und tauscht alles, was derweil verschlissen ist.

Mischpulte im Sendebetrieb werden heute zum Tauschen der üblichen Verschleißteile (Fader, Tasten) normalerweise gar nicht mehr ausgeschaltet. Man greift meist von unten in den Tisch, drückt die oft üblichen 4er Faderblöcke nach oben raus, zieht Bus- oder Netzwerkkabel, Stromversorgung und Potentialausgleich ab, nimmt das Modul raus, baut ein anderes ein - fertig. Der Wechsel der verschlissenen Teile wird dann in aller Ruhe in der Werkstatt der Techniker durchgeführt. Das Pult spielt mit den zuletzt getätigten Einstellungen derweil einfach weiter. Letztlich kann man sogar das Modul mit dem Fader wechseln, der gerade offen ist und sendet. In einigen Mischpultkonzepten bräuchte man ja nichtmal mehr die "Hardware"-Fader aufm Tisch. Da läßt sich prinzipiell auch alles am Bildschirm bedienen, ist nur halt handwerklich nicht so "greifbar".
 
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