Nun werde ich, da offensichtlich keine weiteren Rückmeldungen mehr kommen, meinen eigenen Senf dazugeben. Wer noch unvoreingenommen hören möchte, sollte also den folgenden Text ignorieren.
Zunächst mal wollte ich ja herausfinden, ob meine bisherige Lösung (TLM 103 in Spinne, mit Pauly-Poppschirm) schon optimal war oder ob es nicht doch noch ein wenig besser geht. Besser heißt für mich in diesem Fall: Klangliche Vorteile, stressfreies Arbeiten und optischer Eindruck des Sprecherplatzes. Und zwar in genau dieser Reihenfolge. Das TLM 103 nutze ich jetzt seit etwa zehn Jahren, bin im Prinzip auch zufrieden, muss aber zu oft neu ansetzen, weil das Mikrofon sehr detailliert überträgt und dadurch Schmatz- und Klicklaute sehr zur Geltung kommen, auch wenn man sich beim Artikulieren noch so viel Mühe gibt und vorher keine Schokolade gegessen hat.
Für mich bestand das Erkenntnisinteresse vor allem zwischen TLM 103, TLM 193, BCM 104 und Gefell M 930. Der Rest lief nur so aus Spaß mit, weil wir hier ja auch gelegentlich über die Groß- und Kleinmembranfrage diskutieren. Somit gab es zwei Überraschungen für mich: Das Gefell M 930 und das MKH 8040. Ich hätte nicht vermutet, dass das Gefell noch mal so viel besser (im Sinne von detaillierter) klingt als das TLM 103, ohne dabei zu "scharf" zu wirken. Es hat eben für ein Großmembranmikrofon eine recht kleine Membran, kann also bevorzugt in Situationen eingesetzt werden, wo man ein extrem rauscharmes Großmembranmikrofon haben möchte und gleichzeitig Wert auf die höhere Impulstreue eines Kleinmembranmikrofones legt. Also zwei Stück davon als Stereo-Hauptmikrofonpaar für Instrumenten- und Orchesteraufnahmen stellt sicher die Weltspitze dar. Auch für Sprachaufnahmen im Sprecherraum dürfte es zu den besten verfügbaren Mikrofonen gehören und ich würde ihm vor allem bei Hörspielaufnahmen den Vorzug geben. Jetzt kommt das "Aber": Durch seine recht kleine Bauform sieht es an einem Mika-Mikrofonarm total seltsam aus, vor allem wenn man es nur in der Gummihülse und ohne Spinne verbaut. Davor müsste dann wieder der Poppschirm, also hat man einen markanten Arm, einen markanten Poppschirm und dazwischen ein kleines Mikrofon. Das ist also keine optisch ausgewogene Einheit, aber für mich spielen auch solche Aspekte eine Rolle.
Die zweite Überraschung ist für mich das MKH 8040. Mir ist das ja schon beim Richtrohr-Vergleich zwischen MKH 416, MKH 60 und MKH 8060 aufgefallen, dass Sennheiser da noch mal ganz viel gemacht hat. Hätte nicht vermutet, dass man im Bereich der Kleinmembranmikrofone klanglich noch mal so viel rausholen kann. Da setzt sich die Stimme in der Mischung sehr gut durch, ist einfach sehr weit "vorne". Allerdings trifft auch hier genau das zu, was wir hier früher schon mal diskutiert haben: Das kann bei längeren Aufnahmen auch schnell nerven. Kleinmembranmikrofone sind eben extrem präzise und haben ihren Platz daher eher im Bereich der Orchesteraufnahmen. Dort kommt dann auch so viel Pegel an der Kapsel an, dass das höhere Eigenrauschen nicht relevant ist.
TLM 103 (Kapsel vom U 87) und 193 (Kapsel vom U 89) klingen recht ähnlich, so dass man da einfach anhand des persönlichen Geschmacks entscheiden kann. Vielleicht sind die beiden unterschiedlichen Gehäuseformen auch ein optisches Entscheidungskriterium. Die etwas kleinere Membran beim TLM 193 führte jetzt bei mir aber nicht zu einem Eindruck von mehr Impulstreue, ich hörte eher Unterschiede im Frequenzgang.
Dass das KMS 104 für diese Aufnahmesituation ungeeignet ist, hatten wir ja schon besprochen. Also eine eindeutige Ansage an alle, die meinen, man solle doch einfach das Mikrofon nehmen, was gerade griffbereit liegt. Und dass das Rode nur mal so als Abwärtsreferenz mitlief, war ja auch klar.
Jetzt zum BCM 104: Ich hatte die Erwartung, dass Neumann hier ein Mikrofon konstruiert hat, welches genau auf die Bedürfnisse im Hörfunkstudio ausgerichtet ist und damit vielleicht auch bei meinen Filmtexten gute Dienste leisten kann. Ein Mikrofon, welches ähnlich klingt wie die anderen Neumänner dieser Preisklasse, aber vielleicht etwas "gutmütiger" ist. Und genau so ist es auch. Es löst nicht ganz so präzise auf wie ein TLM 103 oder ein Gefell M 930, aber genau das ist der Vorteil. Dadurch kann man sehr stressfrei aufnehmen, weil Klick- und Schmatzlaute nicht so stark betont werden. Bei einem Besprechungsabstand von 30 cm ist der eingebaute Poppschirm auch gerade so ausreichend, so dass sich in Verbindung mit dem Mika-Arm ein sehr aufgeräumtes Gesamtbild ergibt. Dieses Mikrofon und dieser Arm sind einfach genau für einander geschaffen. Auch lassen sich die S-Laute sehr leicht in den Griff kriegen, also man kommt sehr schnell zu sehr guten Ergebnissen, selbst mit äußerst moderaten Einstellungen im Prozessing. Und noch etwas: Vom Tisch und vom Arm werden keinerlei mechanische Schwingungen ins Mikrofon übertragen, das hat mich sehr beeindruckt. Beim TLM 103 kommen trotz Spinne und 50-Hertz-Hochpass im ADT sehr deutliche tieffrequente Geräusche an, wenn man gegen den Tisch oder gegen den Arm haut. Das tut man zwar nicht, aber dennoch: Wieder ein Pluspunkt für mehr Betriebssicherheit beim BCM 104.
Fazit: Ich ersetze das TLM 103 gegen ein BCM 104. Allerdings wird das TLM 103 auf Reserve in meinem Mikrofonpark bleiben.
Matthias