Berater oder Werbeindustrie?

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Hi@all, nach der ganzen ffnSchwärmerei und dem Weltuntergang ab spätestens 1997, mal eine neue These bzw. Frage:
Wir hacken oft (zurecht?) auf den Beratern rum, die die Sender so versauen oder versaut haben.
Hab mich letztens mit Kollegen darüber unterhalten:
Ist es nicht auch die Werbeindustrie, die massiv Einfluss auf die Gestaltung der (Privat-)Radios nimmt?
Es gibt Studien, die genau dies bestätigen-die Werbeinsustrie bestimmt, wieviel Wort pro Stunde gesendet werden darf, teilweise geht das sogar so weit, dass die mitreden dürfen, welche Songs vor und nach den Werbeblöcken laufen?
Sicherlich war die Werbung auch ein Faktor für das Absetzen der Musikspecial-Schienen bei ffn, oder?
Einschaltsendungen mit verhältnismäßig geringerem Höreranteil bringen halt keine Quote.
Oder hab ich mich jetzt zu weit aus dem fenster gelehnt?
Freu mich auf Beiträge und Diskussionen -
Marty
 
Hi Marty und alle anderen!

Dann will ich auch mal in diesem Thread etwas für Traffic sorgen.

Ich kenne leider Deine erwähnten Studien nicht, glaube aber nicht, dass die Werbung programmbestimmend ist. ffn und die anderen Privaten hatten früher nicht weniger Werbung und haben trotzdem ein gutes Programm gemacht, und Geld verdient haben sie durch die Werbung sicher auch. Ich denke das eher der Quotendruck das Problem ist, die Zahlen der MA bestimmen die Werbepreise und wer Markführer ist kann am meisten verlangen. Dieser Druck hat meiner Meinung nach in den letzten Jahren leider enorm zugenommen.

Während sich die Sender früher durch ein Profil abgrenzten (ffn und Antenne hatten recht unterschiedliche Ansätze) geschieht dies heute durch penetrantes Einbleuen bestimmter Claims und das Veranstalten doofer Gewinnaktionen. Einziges Ziel: Der Hörer muss bei der Umfrage den richtigen Sendernamen nennen. Das führt dazu, dass alle das gleiche machen und sich nur durch Jinglepakete und Claims unterscheiden.

Die Specialsendungen mussten meiner Meinung nach nicht wegen Einflüssen aus der Werbung fallen, sondern um das Programm rund um die Uhr gleichklingen zu lassen. Der Hörer soll immer das Gefühl haben seinen Sender noch drin zu haben, schaltet er um könnte er ja da bleiben, also bietet man das gewohnte vom Tage auch abends.

Ich habe hier in Berlin auch solche Krawallsender (Energy 103,4, 104.6RTL), kann das ganze aber nicht mehr ertragen. Zumindest gibt es hier mit dem ORB einen ÖR-Sender der den Namen noch verdient und richtiges Radio macht, obwohl der Markt hier viel umkämpfter ist als z.B. in NDS, man muss nur den Mut für Qualität haben.

Was mich hierbei interessiert: Warum überlässt man das Terrain nicht den Privaten? Warum ist NDR2 seit den letzten Reformen dermassen Informations-und Sinnentleert (Stichwort: Kuriere gekippt), kaum noch von den Privaten zu unterscheiden? Wollen die Hörer wirklich mehrheitlich diesen Mist oder haben sie kapituliert, hören Radio derart unbewusst?
Gerade die ÖR sollten ihren Auftrag ernst nehmen und ein anspruchsvolles, aber durchaus populäres Programm machen. Es geht noch, einige öffentlich rechtlichen beweisen es: Man höre nurmal WDR2 als klassisches Magazinradio, gut die Moderationen sind etwas schläfrig manchmal, aber das liesse sich optimieren. Aber die brauchen keine nervigen Claims und werden trotzdem viel gehört, Werbung müssen die auch machen. HR3 ist übrigens auch immer noch gut erträglich, obwohl die mit FFH auch einen landesweiten Privaten haben: Ich höre manchmal FFH über SAT, die sind noch lange nicht so degeneriert wie FFN, richtig ruhig im Vergleich, und siehe da, der HR bleibt dann auch im Ramen und FFH schreibt keine roten Zahlen.

Die Privaten sind mal angetreten für Vielfalt und frisches Radio, wollten die ÖR aus ihrem Winterschlaf wecken. Durch die perverse Durchformatierung sind sie inzwischen ebenso starr geworden, leider auf unterstem Niveau. Auf die Privaten und eine Umkehr dieses Trends setze ich im Moment kaum Hoffnung, eher auf die Möglichkeiten der ÖR. Man nehme nur das Jugendradio XXL vom HR: Die haben gerade eine Reform gemacht und ab 20:00 eine tägliche 2-Stunden-Talksendung eingeführt. Dies sind Versuche die Strukturen aufzubrechen, die Hörer wieder in eine andere Richtung zu lenken. Dazu braucht man aber auch Personal, um ein solches Radio machen zu können.
Ecki Stieg hat mal nach Absetzung der Grenzwellen gesagt, es habe viel Reformen bei ffn gegeben, es wurde dann auch manches flacher, aber ffn hatte die ganze Zeit über Leute an Board, die ein Qualitätsradio im alten Stil hätten machen können (man denke nur an die Musikredaktion, die zwar dank Computer an Einfluss verlor, aber weiter jederzeit zur Stelle war). Mit der Zerschlagung der Musikredaktion, dem Rauswurf von Moderatoren die den Namen noch verdienten wurde aber seiner Meinung nach ein Weg beschritten, auf dem es kein zurück mehr gibt. Ich stimme ihm voll zu, die heutigen ffn-Moderatoren (bis auf winzige Ausnahmen) könen nur das was sie tun, es ist ein Jammer.

Ich appelliere an die ÖR Mut zu beweisen und ihren Auftrag zu erfüllen. Sprüche wie auf NDR2: "...Informationen finden Sie auf NDR4-info" kann ich echt nicht mehr hören, es ist nur noch traurig.

Etwas Luft abgelassen hat,
Olli

Eure Meinung?
 
Vollolli hat völlig recht.

Noch eine Ursache für die grausame Entwicklung ist folgende:
Die Gesellschafter der Privatradios wollen endlich Gewinne sehen. Da man die Einnahmen nicht steigern kann, ja zurückgehen spart man an der Programmseite. Man beschäftigt kaum noch ( teurere ) Profis, sondern sehr viele junge Leute, die billig sind. Das andere macht der Computer. Es gibt in vielen Sendern gar keine Leute mehr, die Spezialsendungen überhaupt machen KÖNNEN !
Zu wenig Allgemeinbildung, außer dem aktuellen Mainstream keine Musikkenntnisse, keine Sprechausbildung usw.
Ich kenne "Moderatoren", die haben einen Horror, wenn man denen mal eine 10 Zeilen Info zum Lesen gibt. Die bringen das einfach nicht !
Die Entwicklung wird so weitergehen: Man wird diese Radios NUR noch im Hintergrund eingeschaltet haben und nicht mehr zuhören.
Dann werden die Werbekunden es endlich einmal begreifen, daß ihnen das nichts bringt und irgendwann wird man wieder ein "Zuhörprogramm" bevorzugen. Denn: 10.000 Hörer, die bei einer Spezialsendung wirklich zuhören sind mehr wert, als 50.000, die nicht zuhören. Quote ist nicht gleich Quote, das muß endlich einmal begriffen werden.
 
Moin!

Folter mich gerade mal wieder mit ffn über Internet, besser als mein Wecker. Alles leere Versprechungen: Peti kündigt 7 Superhits am Stück an, "weniger Gequatsche", was passiert: Nach jedem Titel kommt ein Jingle, schon nach 3 oder 4 Titeln wird wieder gequatscht auf einem Musikbett. Wo ist die Abwechslung, wenn man sich musikalisch im Kreis dreht, immer dasselbe rotieren lässt und neues nur bringt, wenn es irgendwo vorgetestet wurde, früher hatte man Fachleute die das einschätzen und aussuchen konnten. Ich erinnere nur an Power-Station und Nightline-Sampler. Noch heute Meilensteine der Musikauswahl.

@Pirni
Um zum Einfluß der Werbung zurückzukommen: Du hast glaub ich Recht, Sendungen mit Profil und ausgewähltem Hörerkreis eröffnen der Werbeindustrie lukrative Werbemöglichkeiten, auf die Zielgruppe abgestimmt. Im Internet sieht man ja gerade, dass Bannerwerbung mit hohen Streuverlusten verbunden ist, der Trend geht zur Zielgruppenorientierung. Dies sollte doch im Radio auch möglich sein. Das ist natürlich teuerer als das 0815-Format mit Billig-Kräften, aber echte Zuhörer solltem einem Radiopreogramm eigentlich wichtig sein.
ffn hatte sich mal so ein Profil mit Kultstatus geschaffen. Jeder verband mit ffn was Freches, Innovatives, Unberechenbares, irgendwie was Rockiges. Als die Berater dann meinten so ginge es nicht weiter wurden Millionen ausgegeben um diese Assoziationen los zu werden, eine gigantische Geldverschwendung für etwas, was über Jahre gewachsen war. Radio 1 in Berlin hat ein ähnliches Profil wie ffn am Anfang, hörbares Tagesprogramm und abends sehr gute Spezial-Musik-Sendungen. Die Hörerzahlen lassen noch zu wünschen übrig, man versucht gerade mit dem meiner Meinung genialen Untertitel "nur für Erwachsene" ein Lebensgefühl aufzubauen, dass ist gar nicht so einfach im heutigen Markt. ffn hatte das und hat es ausgerottet.

Schuld sind aber auch die Hörer: Nicht nur wir als Interessierte sollten die Sender mit Kritik überhäufen, sonst sind da nur ein paar Nörgler. Die Abneigung muss aus breiten Kreisen kommen, erst dann überlegen die mal, weil ohne Hörer brächte man kein Radio machen.

Beste Gruesse,
Olli
 
@vollolli
Recht hat er der Olli! Die Entwicklung wird sich wirklich nicht mehr umkehren lassen. Wer beim Privat-Radio sein Volontariat hinter sich hat, und halbwegs begabt ist, wird sich schnell nach etwas umsehen, wo er noch gefordert wird - meist ÖR-Regionalfernsehen oder andere Bereiche, die noch auf fähiges Personal angewiesen sind (Wenn die einen noch nehmen).
Das Problem ist nur, dass immer weniger Volontäre eingestellt werden (man schaue mal auf www.rsh.de - die haben nur noch 2!!!). Obwohl Volontäre billig sind - Praktikanten, die sich für nix und wieder nix 3 Monate auf eigene Kosten an die Sender ausliefern, sind noch billiger. Das Handwerk kann man nur noch bei den ÖRs richtig lernen, doch auch deren Plätze sind begrenzt. Bei der derzeitigen Entwicklung braucht man beim Format-Radio noch 3-4 Mods, ein gut ausgestattetes Prod.-Studio und - wenn man nicht bei BLR oder anderen Anbietern die News kaufen möchte - eine minimale Besetzung in der News-Redaktion.
Billig solls halt werden - billig und gewinnbringend! Wer fragt dann noch nach Qualität?

*besorgt*
ICE
 
@ICE
Hauptsache billig, kennt jemand den Unterschied zu preiswert?
Wenn Du den Thread "Radiokult" gelesen hast haste gesehen, wieviele gute Leute ffn in seinen guten Tagen hervorgebracht hat. Die waren begehrt überall, sind bis auf oberste Positionen (siehe Gabi Bauer) vorgestoßen. Die heutigen Mods von FFN können höchstens zu NDR2, welch Zufall, deren Programm ist ähnlich gestrickt. Aber Moderator beim WDR2-Morgenmagazin oder DLR ist für die nicht drin, schade.

Gruss,
Olli
 
Berater sind wie Immobilienmakler oder Versicherungsvertreter. Der letzte Schrott wird gewinnbringend verkauft. Dazu möglichst viele Zusatzpakete (vom nervtötenden Claim bis zum klangverzerrenden Optimod) - für das sichere und gute Gefühl der PD´s. Und keiner bemerkt die immer gleichen Konzepte.

Ach ja, dank unserer Berater wird ja alles konsequent auf die MA ausgerichtet. Nur soviel:
Es dauert nicht mehr lange, bis die Werbeindustrie die MA nicht mehr ernst nehmen kann, weil die vorgezauberten Zahlen nichts mehr mit der tatsächlichen Radionutzung und den Einschaltquoten zu tun haben. Das gilt für Markte wie Niedersachsen mit seinen auf die MA ausgerichteten Sendern wie Antenne, Radio ffn und NDR2 erst recht: Man überbietet sich im Niveau.

Gutes, lockeres Radio ist dank Berater auf der Strecke geblieben. Statt dessen gibt es den gleichen Einheitsbrei von Flensburg bis Freiburg. Schöne Radiomedienlandschaft in Deutschland!
 
Ich habe die Ansicht, daß die "Berater" wirklich nur Konzepte zur MA-Manipulation verkaufen.
Formatsender werden doch nur noch nach dem MA-Erhebungs- und Fragesystem ausgerichtet.
Es steht doch nur noch die Frage kennen Sie den Sender XYZ? Wann ist ihnen dieser Sender das letzte Mal auf den geist gegangen??
wink.gif

Im Ernst, es wird doch nicht in der MA gefragt, ob dem Hörer ein Sender gefällt. Es wird ein Wiedererkennungseffekt abgefragt.
Knackpunkt wird die letzendlich die Werbewirtschaft bleiben.
Erst wenn die Kohle für Radiowerbung trotz "bester" MA Zahlen keine Früchte mehr bringt(Weil die Leute einfach nicht mehr hinhören)
dann wird man das Produkt Radio ändern müssen. Erst wenn es sich lohnt, ein gutes Programm(Siehe Radiokult) zu machen, hörernah mit Inhalt und Geist, dann wird der derzeitige Formatauswuchs absterben (hoffe ich).Solange jedoch mit äußerst kostengünstig hergestelltem radioähnlichem Brei Geld verdient werden kann, solange werden sich die Berater zu diesem Brei dumm und dämlich verdienen.
Ich will jetzt aber nicht das Privatradio verfluchen, ich lebe schließlich davon.
wink.gif

Aber neue Konzepte für das Privatradio sind dringend notwendig. Was im Moment von Beratern o.ä. als innovativ und neu verkauft wird, ist in Wirklichkeit schon 50 Jahre alt.
Wie gesagt, die Impulse werden aber von der Werbewirtschaft kommen müssen,weil da auch das Geld herkommt.Erst wenn die Werbe-Kunden sagen, sie wollen nicht mehr im seichten Trallala-Programm ihre Werbekohle lassen, dann gibt es wieder eine Chance für Qualitätsradio!!!

Nun, ich hör jetzt auf...
Grüße in die Runde!

[Dieser Beitrag wurde von Mixdown am 21.02.2002 editiert.]
 
Hey Ihr!

"Warten aufs Christkind" hiess mal ne Super-Sendung auf ffn, schon Tradition zu Heiligabend mit Frieda & Anneliese, ich habe sie geliebt.
Nennen wir unsere Veranstaltung fortan "Warten auf richtiges Radio", es muss irgendwann wiederkommen, der GAU im Privatradio kann so fern nicht sein.
Vertreiben wir uns solange die Zeit mit Mitschnitten aus alten Tagen, jeder hat bestimmt noch welche.
Ich digitalisiere gerade altes Material und schwelge in Erinnerungen: Sylvester 1995/1996, Sylvesterparty-1 mit Jörg-Christian Petershofen. JCP liesst Faxe vor, mail war noch nicht so, und gibt den DJ, das konnte er immer gut. Dezente Jingles, zu der Zeit gesprochen von der Magnum-Stimme Norbert Langer, einfach gutes Radio.

...und Jens Baumann gab es auch bei ffn, Peti erwähnte ihn für den 3. Teil der Sylvesterparty.

Beste Gruesse,
ffn-Olli
 
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