Das Aussterben der Charts

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Bei Hitradio FFH gibt es Samstags von 18 bis 21 Uhr die iTunes Chart-Show mit den 40 am meisten heruntergeladenen Songs in Echtzeit.
http://www.ffh.de/musik/top-40.html

Das Problem bei diesen Chart-Shows: es werden dort genau die Songs gespielt, die im Tagesprogramm eh alle 2 Stunden in Rotation laufen. Da setzt sich keiner mehr vor den Kasten und hört zu.

Die Charts kann man auch hier nachschauen, jeden Freitag aktualisiert, alle Genres:

http://www.mix1.de/charts/nr1/
 
Wenn ein Sender diese Voting-Hitparaden abschafft, hat das meist nur einen Grund: das Desinteresse der Hörer! Wären da Beteiligungen von 10000 und mehr Hörer, würde man solche Aktionen auch fortführen.

.

Das Desinteresse, egal ob Hitparade oder andere Sendungen, wurde doch in den letzten Jahren von den Radiosendern selbst gefördert. Das Radio wurde doch immer mehr zum Nebenbeimedium. Wo soll da den noch vom Hörer irgendwelche Interessen kommen?

Sein wir doch mal ehrlich. Die Meisten Hörer würden es doch nicht mal mehr merken wenn man die Morningshow die von 6-10 Uhr läuft die restlichen 20 Stunden in Dauerschleife wiederholt.
 
Um die interessierte Hörerschaft wird den Machern vermutlich auch nicht schade sein. Desinteressierte Nebenbeihörer lassen sich viel einfacher unterhalten als eine kritische Hörerschaft, die sich die die dargebotenen Inhalte tatsächlich zu Gemüte führt. Wer nichts wagt, kann auch nichts falsch machen. Außer, dass das Nicht-Wagen ansich aus medienpolitischer Sicht falsch ist.
 
Das ist mir auch schon aufgefallen, leider fehlt für mich der mit sowas wie den ffn Hot 100 großgeworden ist da der Überblick über die weiteren Platzierungen. Dort wurden damals auch nur die Neueinsteiger und Aufsteiger gespielt (und was halt sonst noch zeitlich reinpasste), aber die restlichen Platzierungen wurden allesamt verlesen.
So macht es auch WDR 4 mit der DJ-Hitparade jeden 1. Sonntag im Rhythmus der Nacht. Meist beginnt man mit ein paar Titeln jenseits der Top 30 und ab dieser verliest man auch die nicht gespielten Titel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe übrigens diese Woche wieder mal keine einzige Chart-Sendung gehört, trotzdem weiß ich, dass Zara Larsson - Lush Life bei sämtlichen Radiostationen in Dauerschleife läuft....
 
Gibt es noch einen Sender die Deutschen Top 100 Spielt ??

Gab es schon mal einen der das tatsächlich ausgespielt hat? Ich kann mich erinnern, dass in den 90ern RPR Eins in der Nacht von Freitag auf Samstag die Top 100 gespielt hat, aber auch nicht jeden Titel, da alle 100 selbst für die 5-6 stündige Sendung zuviel gewesen wären.
 
Darum geht es in Charts-/Hitparaden-Sendungen doch gar nicht. Hier versucht der Hörer, seinen Vorzugstitel nicht nur in dieser betreffenden Hitparade nach oben zu voten, sondern ihn durch eine gute Platzierung anderen Hörern ans Herz zu legen, schmackhaft zu machen. Damit die ihn an jeder, welcher Ecke auch immer, beziehen soll. Hat denn niemand diesem Forum diesen Aspekt im Kopf?
Bravo für diesen sehr klugen Gedanken! Das wird in der Tat immer wieder mißachtet, nicht nur hier im Forum (das wäre zu verschmerzen), sondern vor allem bei den Entscheidern im Radio. Dazu kommt leider noch, daß es mittlerweile immer schwerer wird, eine Hörerhitparade vor gezielten Manipulationsversuchen seitens interessierter Kreise zu schützen. Früher™ mußte man pro Tip eine Briefmarke für die Postkarte investieren und verriet dabei aber Mehrfacheinsendungen durch die gleiche Handschrift. Heute geht das Manipulieren viel subtiler, was es den Entscheidern leider leicht macht, ungeliebte Hörerhitparaden zu entsorgen.

Ich möchte aber noch den Querverweis zu einem anderen Zitat des verehrten Herrn Graf herstellen:
Es gab eine Zeit, in der nach dem Aufkommen der Rock- und Popmusik im damaligen West-Deutschland ein wenig Interesse an dieser "Kultur" entfacht werden konnte. Menschen interessierten sich für Musik der Künstler und deren Karrieren, weil das Radio - wie sagt man heute? - sie "an die Hand genommen" hat. Grundsätzlich war das schwierig, aber nicht unmöglich. Ein paar Hitparadensendungen und die BRAVO nebenher haben das Publikum für Musikkünstler und ihre Musik begeistert. All das kann das Radio 2013 und die einschlägige Presse nur noch extrem kurzfristig leisten. Im Gegensatz zu den traditionellen Pop-Ursprungsländern USA und GB hat sich hierzulande auch keine nennenswerte Literatur aus diesem Bereich ausgebildet. Popmusik ist also im Bewusstsein des Konsumenten in Deutschland immer "wert"-loser geworden. Diesen "Wert" dem Hörer nicht mitteilen zu können, zu wollen, sondern sogar deren (angebliche) Wertlosigkeit bewusst oder unbewusst zu vermitteln, ist der Grund für die Gleichgültigkeit von Publikum gegenüber Musikkünstlern. Schon lange sind sich sowohl die ÖRs als auch die Privaten Radiosender bei ihrem Tun ihrer Verantwortung in Hinblick auf diesen Aspekt nicht bewusst. Und falls doch: noch schlimmer.
Ich sehe nämlich auch in Verkaufshitparaden ohne direkte Hörereinwirkung (wie z B den Schlagern der Woche) einen Wert an sich, und zwar durch den kompakten Überblick, den diese Sendungen über die aktuelle Popmusik bieten – inklusive Namensnennung von Titeln und Interpreten sowie Hintergrundinformationen (Stichwort: Interesse an dieser „Kultur“).

Es nützt mir reichlich wenig, wenn aktuelle Chartstitel täglich „rauf und runter“ gedudelt werden – wenn ich dann, was wirklich oft der Fall ist, am Ende doch nicht weiß, wie die Titel heißen und von wem sie sind. In Zeiten von MTV selig habe ich sehr gern die European Top 20 gesehen, weil es mir eben nicht reichte, daß irgendwie irgendwann alle Videos mal liefen, sondern ich in einer beschränkten Zeit gern mal die gerade topaktuellen Videos sehen wollte.

Nochmal: Es ist nicht dasselbe, wenn alle Titel irgendwann mal irgendwie laufen (als Hintergrundgedudel), wie wenn diese selben Titel das Thema einer eigenständigen Hitparadensendung sind! Ich sehe Hitparaden als wichtiges Mittel, Interesse an populärer Musik aufrechtzuerhalten und zu fördern.
 
Als Musikinteressierter fällt mir auf, dass die Verkaufscharts einfach nicht mehr die Bedeutung wie früher haben. Die Plattenfirmen interessieren sich mehr für die absoluten Verkaufszahlen, nicht für Platzierungen. Und die Hörer bekommen meist keine entsprechende Sendung mehr vorgesetzt. Oder sie ist eine vorselektierte Auswahl, in der möglichst wenige bis gar keine Stücke laufen, die in irgendeiner Form vom Format abweichen.

Die Misere fing bereits in den mittleren 90ern an. Der Formatierungswahn bei den Privaten begann und diverse Chart-Sendungen wurden entweder aus dem Programm genommen oder selektiert. Dance/Techno- oder härtere Rock-Stücke wurden nicht mehr gespielt, später auch gar nicht mehr verlesen. 1live hat sich '95 immerhin noch an "Lattenknaller" versucht, einer Sendung, die den Spagat zwischen den aktuellen deutschen Charts und Fußball wollte. Allerdings wurde auch hier schon ausgesiebt. Die Privaten haben sich, um ihrer Linie treu zu bleiben, Hörercharts eingeführt. Teilweise wurden diese später reduziert (ffn hatte beispielsweise bis 2003 die Top 40, jetzt sind es noch 25).

Der Rest ist eine Geschichte der Musikindustrie an sich. Seit 2002/03 ist der Markt fast nur noch auf Trendsetter oder junge Menschen ausgerichtet. Künstler mit Namen werden gepusht, während andere trotz meist guter Musik untergehen. Andererseits hat die Fluktuation der Charts an sich stark abgenommen. Während in den 80ern/90ern die Verweildauer eines Stückes durchschnittlich bei etwa sieben/acht Wochen lag, so kommt sie heute auf die doppelte Länge. Es ist auch keine Seltenheit mehr, dass sich Stücke über ein Jahr halten können. Dieses Phänomen stellte ich zunächst in Deutschland fest, mittlerweile hat es auch die Benelux-Staaten erreicht. Gerade aus diesem Grund kann ich nicht verstehen, warum Singles einzelner Interpreten in viel zu kurzen Abständen auf den Markt geworfen werden. Die Folge ist eine Übersättigung und ein möglicherweise schnelles Aussterben der Popularität eines Künstlers.
 
Zuletzt bearbeitet:
es ist übrigens mit dem Herunterspielen der Charts alleine auch nicht getan. Ein Mehrwert entsteht erst dann, wenn der Moderator zu den jeweiligen Titeln und Interpreten auch die Geschichte kennt und erzählt. Aber wer kann das heute noch - und wer macht sich die Mühe? Wer bekommt den Programmplatz dafür?
 
Ja... Aber für die wenigen, die noch Ahnung haben, fühlt es sich auch komisch an, weil sie quasi alle unter Generalverdacht verstehen, sich sowieso nur im Internet zu bedienen. Somit vergeht natürlich auch die Lust, etwas zu erzählen, das sowieso jedermann online nachschlagen kann.
 
Es hört sowieso keiner mehr richtig zu, auch nicht beim Radio:

Wenn mir jetzt einer die Chartplätze von sagen wir mal 30 - 21 runterbeten würde, wie es früher der Fall war, hätte ich und die Mehrheit der Hörer das in spätestens fünf Minuten eh wieder vergessen... Auch deswegen macht das ganze wenig Sinn.
 
Wenn mir jetzt einer die Chartplätze von sagen wir mal 30 - 21 runterbeten würde, wie es früher der Fall war, hätte ich und die Mehrheit der Hörer das in spätestens fünf Minuten eh wieder vergessen... Auch deswegen macht das ganze wenig Sinn.

Interessant ist, daß es früher eben anders war.

Ob heute nun ein Titel auf Platz 1 oder Platz 27 der Charts ist, juckt doch niemanden mehr. Die Frage ist jetzt: Woran liegt das? Vielleicht daran, daß sich der persönliche Fokus verändert, je älter man wird?

Beim Fußball sieht das anders aus. Jeder echte Fußballfan kann die Bundesliga-Tabelle runterbeten und weiß immer genau, wo "sein" Verein steht.

Ich weiß schon seit Jahren nicht mal, wer auf Platz 1 der Charts ist. Das wäre mir "damals" nicht passiert.

Möglicherweise verliert sich das Interesse an diesen Dingen bei den meisten Menschen mit zunehmendem Alter.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben