radiowatcher
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Sehr interessanter Artikel in der "Berliner Zeitung" vom 20.11:
da scheint wohl jemand aus dem Nähkästchen geplaudert zu haben :
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Die Soul-Combo The Commodores hatte 1977 einen Hit, dessen Refrain so ging: I'm easy (ahaa-hahaaa) easy like a Sunday morning ... Ein guter Song, den man viel zu selten hört - es sei denn, man hört "98,2 Radio Paradiso". Dort nämlich wird er öfter gespielt. Oder oft. Bei insgesamt 350 Liedern, mit denen der Sender Woche für Woche und Tag für Tag 70 Prozent seines Programms bestückt, ist das auch kein Wunder. Aber bei der Musikauswahl muss man sich nicht lange aufhalten, die Musik soll laut Sendermotto "zum Wohlfühlen und Entspannen" taugen und ist Geschmackssache. Außerdem ist Radio Paradiso ein Beispiel unter den Privatsendern - Radio Energy spielt täglich nur rund 150 verschiedene Songs.
Seit Jahren kämpfen in und um Berlin rund 30 UKW-Sender um die Aufmerksamkeit der Hörer - zu viele für den zurückhaltenden Werbemarkt, der in den meisten Fällen ihren Fortbestand finanziert. Steht die nächste Marktanalyse (MA) bevor, eine periodisch wiederkehrende, groß angelegte Hörerbefragung, nach der sich die Werbepreise berechnen, dann werden möglichst viele Plakatwände mit bunter Radio-Werbung beklebt. Sonst suchen die Sender ihre Hörer mit schrillen Moderatoren, albernen Gewinnspielen und (abgesehen von Infosendern wie dem Deutschlandradio oder Spartenprogrammen wie Radio Multikulti) vornehmlich mit Musik, Musik, Musik.
Geheime Mixtur
Und da wird nichts dem Zufall überlassen - auch bei einem kleinen Sender wie Radio Paradiso mit stündlich 36 000 Hörern (MA 2004) nicht: Wenn auch nicht wöchentlich wie die hoch kommerzialisierte Konkurrenz, lässt Paradiso immerhin jeden Monat 200 repräsentativ ausgewählte Hörer zu einzelnen Titeln befragen. Was besonders viele besonders gerne hören (etwa "Easy" von den Commodores), wird dann öfter oder oft gespielt, anderes komplett aus der Programm gestrichen. Nach einer geheimen Vorgaben-Mixtur (zwei Titel aus den 70ern, vier aus den 90ern pro Stunde, keine zwei Sängerinnen hintereinander usw.) wird per Computer eine Liste errechnet, die bei Bedarf per Hand nachgebessert wird. Ob der Hörer die Lieder, die er gerne hört, auch immer und immer wieder hören will, fragt niemand.
Stattdessen wird, wenn dafür Zeit ist, zum Vergleich sogar bei der Konkurrenz - im Paradiso-Fall bei Berliner Rundfunk und Spreeradio - mitgehört und mitnotiert, was für Lieder die so spielen. Auch das ist üblich. Paradiso-Geschäftsführer Matthias Gülzow hat sogar schon davon gehört, dass andernorts eine Mitarbeiterin die Playlisten ihres Senders heimlich weiterverkauft habe und deshalb ihren Job verlor. Innovation und Vielfalt, und sei sie auch nur musikalisch, sucht man so vergebens. Oder man hört sie gelegentlich bei den Öffentlich-Rechtlichen mit ihren größeren Redaktionen, ihrer größeren Musikauswahl, größeren Programmvielfalt und ihren größeren Budgets.
Kommerzielle Versuche, Radio mit Ambition und Mut zu machen, wie etwa das 1993 in Berlin gestartete Kiss FM haben sich längst vom Abseitigen oder Originellen verabschiedet und zum Naheliegenden bekannt. Inzwischen wird das Kiss FM-Format bei der für die Sende-Lizenzvergabe zuständigen Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als "Black Music, R&B, HipHop" angegeben, unterscheidet sich damit aber auch nur bedingt von der "Urban Black Music" des Senders Jam FM.Wahrscheinlich langt das für die potentiellen Werbekunden aber schon zur Unterscheidung von den vielen anderen Sender, deren Format bei der MABB kurz "AC" (Adult Contemporary) heißt und bei 94.3 rs2, BB Radio oder Berliner Rundfunk für belanglose Allerweltsmusik steht, während es bei 104.6 RTL "Hot AC" heißt, bei Hundert,6 angeblich "informationsorientiert" ist und beim Spreeradio "Oldie based AC", was nicht nur in der Formulierung kaum anders klingt als der "Oldie based Soft Pop/Soft Rock" eines Radio Par adiso, das wiederum Frequenz und Ausrichtung vom früheren Softhit Radio übernahm.
Radio Paradiso wurde 1997 als "Kirchensender vom evangelischen Presseverband Nord gegründet. Ein ausgesprochen christliches Programm wollte in Berlin aber kaum einer hören. Seit man sich bereits 1998 entschieden hat, die frohe Botschaft, so Sender-Chef Gülzow, nur "in homöopathischen Dosen" einzustreuen, geht das "publizistische Konzept" offenbar auf: Mittlerweile schreibt der Sender, an dem noch immer zahlreiche evangelische Organisationen (insbesondere der evangelischen Darlehensgenossenschaft) beteiligt sind jährlich "eine schwarze Null". Allerdings hat Radio Paradiso gegenüber seinen hoch kommerzialisierten Mitbewerbern auch den entscheidenden Vorteil, nur seine Unkosten, jährlich rund zwei Millionen Euro, mit Werbespots decken zu müssen.
Sonst unterscheiden sich die Bedingungen, unter denen der "Sender mit öffentlich-rechtlichem Stil und privater Anmutung" (Gülzow) Programm macht, kaum von jenen der Konkurrenz: Auch Paradiso beschäftigt statt vormals 21 nur noch acht Redakteure, nachts ist der Sender unbesetzt, das Programm kommt dann vorproduziert aus dem Computer. Vormittags werden die Nachrichten eigenhändig vor Ort angefertigt, ab mittags aber vom wenige Kilometer entfernten Potsdamer Sender BB Radio zugeliefert - und zusätzlich beim Nischensender Jazzradio ausgestrahlt (der nach einem Insolvenzantrag im Kellergeschoss von Radio Paradiso am Kleinen Wannsee Unterschlupf fand).
Gedanken zum Auftanken
Der in den Wettervorhersagen herbeizitierte "Radio Paradiso-Radarschirm" existiert nur als lustiges Pappmodell eines Praktikanten, das angeblich "genaueste Wetter für Berlin" kommt aus dem Internet. Und dass bei Paradiso im Gegensatz zu vielen anderen Sendern überhaupt von morgens bis abends ein Ansager live im Studio steht, liegt laut Gülzow nicht zuletzt daran, dass das schlicht preiswerter sei als die Anschaffung neuster Automatisierungstechnik. Und wenn Radio Paradiso stolz ist auf seine mittlerweile 70 000 Mal ins Programm gestreuten, besinnlichen "Gedanken zum Auftanken" oder den "Berlin-Bonbon" genannten Veranstaltungstipp, dann könnte man das anspruchslos nennen - oder normal. Denn ganz so "easy", wie es die Commodores besingen, ist es für Radio Paradiso eben nicht.
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Frage: Ist das wirklich nur bei den "kleinen" Privatfunkern so ?
da scheint wohl jemand aus dem Nähkästchen geplaudert zu haben :
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Die Soul-Combo The Commodores hatte 1977 einen Hit, dessen Refrain so ging: I'm easy (ahaa-hahaaa) easy like a Sunday morning ... Ein guter Song, den man viel zu selten hört - es sei denn, man hört "98,2 Radio Paradiso". Dort nämlich wird er öfter gespielt. Oder oft. Bei insgesamt 350 Liedern, mit denen der Sender Woche für Woche und Tag für Tag 70 Prozent seines Programms bestückt, ist das auch kein Wunder. Aber bei der Musikauswahl muss man sich nicht lange aufhalten, die Musik soll laut Sendermotto "zum Wohlfühlen und Entspannen" taugen und ist Geschmackssache. Außerdem ist Radio Paradiso ein Beispiel unter den Privatsendern - Radio Energy spielt täglich nur rund 150 verschiedene Songs.
Seit Jahren kämpfen in und um Berlin rund 30 UKW-Sender um die Aufmerksamkeit der Hörer - zu viele für den zurückhaltenden Werbemarkt, der in den meisten Fällen ihren Fortbestand finanziert. Steht die nächste Marktanalyse (MA) bevor, eine periodisch wiederkehrende, groß angelegte Hörerbefragung, nach der sich die Werbepreise berechnen, dann werden möglichst viele Plakatwände mit bunter Radio-Werbung beklebt. Sonst suchen die Sender ihre Hörer mit schrillen Moderatoren, albernen Gewinnspielen und (abgesehen von Infosendern wie dem Deutschlandradio oder Spartenprogrammen wie Radio Multikulti) vornehmlich mit Musik, Musik, Musik.
Geheime Mixtur
Und da wird nichts dem Zufall überlassen - auch bei einem kleinen Sender wie Radio Paradiso mit stündlich 36 000 Hörern (MA 2004) nicht: Wenn auch nicht wöchentlich wie die hoch kommerzialisierte Konkurrenz, lässt Paradiso immerhin jeden Monat 200 repräsentativ ausgewählte Hörer zu einzelnen Titeln befragen. Was besonders viele besonders gerne hören (etwa "Easy" von den Commodores), wird dann öfter oder oft gespielt, anderes komplett aus der Programm gestrichen. Nach einer geheimen Vorgaben-Mixtur (zwei Titel aus den 70ern, vier aus den 90ern pro Stunde, keine zwei Sängerinnen hintereinander usw.) wird per Computer eine Liste errechnet, die bei Bedarf per Hand nachgebessert wird. Ob der Hörer die Lieder, die er gerne hört, auch immer und immer wieder hören will, fragt niemand.
Stattdessen wird, wenn dafür Zeit ist, zum Vergleich sogar bei der Konkurrenz - im Paradiso-Fall bei Berliner Rundfunk und Spreeradio - mitgehört und mitnotiert, was für Lieder die so spielen. Auch das ist üblich. Paradiso-Geschäftsführer Matthias Gülzow hat sogar schon davon gehört, dass andernorts eine Mitarbeiterin die Playlisten ihres Senders heimlich weiterverkauft habe und deshalb ihren Job verlor. Innovation und Vielfalt, und sei sie auch nur musikalisch, sucht man so vergebens. Oder man hört sie gelegentlich bei den Öffentlich-Rechtlichen mit ihren größeren Redaktionen, ihrer größeren Musikauswahl, größeren Programmvielfalt und ihren größeren Budgets.
Kommerzielle Versuche, Radio mit Ambition und Mut zu machen, wie etwa das 1993 in Berlin gestartete Kiss FM haben sich längst vom Abseitigen oder Originellen verabschiedet und zum Naheliegenden bekannt. Inzwischen wird das Kiss FM-Format bei der für die Sende-Lizenzvergabe zuständigen Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als "Black Music, R&B, HipHop" angegeben, unterscheidet sich damit aber auch nur bedingt von der "Urban Black Music" des Senders Jam FM.Wahrscheinlich langt das für die potentiellen Werbekunden aber schon zur Unterscheidung von den vielen anderen Sender, deren Format bei der MABB kurz "AC" (Adult Contemporary) heißt und bei 94.3 rs2, BB Radio oder Berliner Rundfunk für belanglose Allerweltsmusik steht, während es bei 104.6 RTL "Hot AC" heißt, bei Hundert,6 angeblich "informationsorientiert" ist und beim Spreeradio "Oldie based AC", was nicht nur in der Formulierung kaum anders klingt als der "Oldie based Soft Pop/Soft Rock" eines Radio Par adiso, das wiederum Frequenz und Ausrichtung vom früheren Softhit Radio übernahm.
Radio Paradiso wurde 1997 als "Kirchensender vom evangelischen Presseverband Nord gegründet. Ein ausgesprochen christliches Programm wollte in Berlin aber kaum einer hören. Seit man sich bereits 1998 entschieden hat, die frohe Botschaft, so Sender-Chef Gülzow, nur "in homöopathischen Dosen" einzustreuen, geht das "publizistische Konzept" offenbar auf: Mittlerweile schreibt der Sender, an dem noch immer zahlreiche evangelische Organisationen (insbesondere der evangelischen Darlehensgenossenschaft) beteiligt sind jährlich "eine schwarze Null". Allerdings hat Radio Paradiso gegenüber seinen hoch kommerzialisierten Mitbewerbern auch den entscheidenden Vorteil, nur seine Unkosten, jährlich rund zwei Millionen Euro, mit Werbespots decken zu müssen.
Sonst unterscheiden sich die Bedingungen, unter denen der "Sender mit öffentlich-rechtlichem Stil und privater Anmutung" (Gülzow) Programm macht, kaum von jenen der Konkurrenz: Auch Paradiso beschäftigt statt vormals 21 nur noch acht Redakteure, nachts ist der Sender unbesetzt, das Programm kommt dann vorproduziert aus dem Computer. Vormittags werden die Nachrichten eigenhändig vor Ort angefertigt, ab mittags aber vom wenige Kilometer entfernten Potsdamer Sender BB Radio zugeliefert - und zusätzlich beim Nischensender Jazzradio ausgestrahlt (der nach einem Insolvenzantrag im Kellergeschoss von Radio Paradiso am Kleinen Wannsee Unterschlupf fand).
Gedanken zum Auftanken
Der in den Wettervorhersagen herbeizitierte "Radio Paradiso-Radarschirm" existiert nur als lustiges Pappmodell eines Praktikanten, das angeblich "genaueste Wetter für Berlin" kommt aus dem Internet. Und dass bei Paradiso im Gegensatz zu vielen anderen Sendern überhaupt von morgens bis abends ein Ansager live im Studio steht, liegt laut Gülzow nicht zuletzt daran, dass das schlicht preiswerter sei als die Anschaffung neuster Automatisierungstechnik. Und wenn Radio Paradiso stolz ist auf seine mittlerweile 70 000 Mal ins Programm gestreuten, besinnlichen "Gedanken zum Auftanken" oder den "Berlin-Bonbon" genannten Veranstaltungstipp, dann könnte man das anspruchslos nennen - oder normal. Denn ganz so "easy", wie es die Commodores besingen, ist es für Radio Paradiso eben nicht.
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Frage: Ist das wirklich nur bei den "kleinen" Privatfunkern so ?