Der Anspruch

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fuzz654 schrieb:
Aber wenn der Begriff richtig griffig ist, würd ich mir den Pfosten-Vergleich anziehen, also ab auf die Antenne mit dem Wort. Vielleicht setzt es sich dann doch durch? Es zurücknehmen kann man ja immer noch.

Zumal, was heißt "und dann"? - Darf ich darüber nicht nachdenken, weil ich ja im Radio mit solchen Gedanken, die ich mir vor dem Texten einer Meldung oder eines Beitrags mache, deplatziert bin?

Doch. :eek:

Aber wenn ich meine Moderation oder auch meine Nachrichten mit möglichst vielen Fremdwörtern vollpacke, die mich scheinbar intellektuell wirken lassen, hilft das weder dem Hörer noch mir.

Ähnlich ist es auch bei manch denglischen oder von mir aus auch unpassenden deutschen Phrasen bzw. Wörtern. Freilich denk ich mir manchmal, dass doch dieser oder jener Ausdruck besser wäre. Aber letztlich versteht die Mehrheit meiner Hörer unter dem ursprünglichen Begriff eher das, was gemeint ist.

"Public Viewing" soll kein Präzedenzfall sein. Schlechtes Beispiel. Will nur verdeutlichen, dass es so unglaublich oft bessere Ausdrucksweisen gäbe, nicht aber bessere im Hinblick auf die Verständlichkeit.

fuzz654 schrieb:
Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, wie wenig über Denglisch inzwischen reflektiert wird.

Weil viele Redakteuer ihre Texte einfach per Copy & Paste aus Agenturmeldungen holen, ohne wirklich drüber zu lesen; geschweige denn sie zu redigieren oder mundgerecht umzuschreiben. Faulheit scheint irgendwie eine Tugend in Funkhäusern geworden zu sein.
 
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Xavier Carlington schrieb:
Faulheit scheint irgendwie eine Tugend in Funkhäusern geworden zu sein.
... womit sich der Kreis zum ersten Zitat dieses Fadens schließt, zur
ausgemachten Unlust an schwerer Arbeit.

P.S. Was die Durchsetzbarkeit betrifft: Ein kleines Theater in einer beliebigen deutschen kleinen Großstadt verwendet seit seiner Gründung vor einigen Jahren bewusst nur deutsche Vokabeln. Da kommt regelmäßig der "Neuigkeitenbrief" ins elektronische Postfach, die angebotene Ware fürs geneigte Publikum (neben großartigen kleinen Theaterproduktionen, versteht sich) hat unter anderem T-Hemden im Programm, auf der Getränkekarte finden sich Hahnenschwänze (ja, dafür habe ich auch einen Moment gebraucht), und das sommerliche Angebot unter freiem Himmel heißt "offen Luft". Allmählich stelle ich fest, dass sich diese Vokabeln gaaaanz langsam durchsetzen und immer öfter zu hören sind. Vielleicht irgendwann auch über die Grenzen der Stadt hinaus. Und - warum eigentlich nicht auch im Radio?

Nur mal so als Beispiel.
 
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Ähm, bin ich der einzige dem aufgefallen ist, dass sich die Denglisch-Kritik im zitierten Artikel nicht gehen die gesendeten Wortinhalte des Dudelfunks richtet, sondern gegen die medienintern verwendeten 'Fach'-Begriffe?

Über das Reizwort Denglisch kann man sehr schön polemisieren, aber hier gehen alle Beiträge saftig am Thema vorbei.

Apropos Anspruch... :)
 
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Sind "Redakteuer" denn jetzt Menschen, die sich billige Arbeit teuer bezahlen lassen oder nur ein freudscher Tippfehler? ;)

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divy schrieb:
Wobei mich interessieren würde, ob "public viewing" in den USA oder UK überhaupt gebräuchlich ist. Es wäre nicht der erste von Deutschen erfundene Anglizismus, den es in der englischsprachigen Welt gar nicht gibt.
Das kann man ganz einfach feststellen, indem man in Google auf Seiten in Englisch filtert. Wenn ich mir dann die ersten 50 Fundstellen anschaue: Ein englischer Kneiper, der sich mit BSkyB herumschlägt, weil er in seiner Lokalität Fußball laufen läßt. Mehrere Fundstellen über öffentliche Beobachtungsabende an Sternwarten. Der Rest dreht sich um die Fußball-WM in Kraut Country. Noch Fragen?

armstrong schrieb:
Ein kleines Theater in einer beliebigen deutschen kleinen Großstadt verwendet seit seiner Gründung vor einigen Jahren bewusst nur deutsche Vokabeln. ... und das sommerliche Angebot unter freiem Himmel heißt "offen Luft". Allmählich stelle ich fest, dass sich diese Vokabeln gaaaanz langsam durchsetzen und immer öfter zu hören sind.
Die allgemeine Verblödung ist schon so weit fortgeschritten, daß die Leute solche ironischen Überspitzungen für bare Münze nehmen? (Ich wiege mich in der Hoffnung, daß es welche sind und keiner Freiluftveranstaltungen allen Ernstes „offen Luft“ nennt.)
 
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Ich erinnere mich auch, mal Formulierungen wie "unter freiem Himmel" gehört zu haben.

Dass Berufssprache verenglischt, ist ja kein Phänomen allein der Radiobranche, Deutsch ist eben eine relativ schwache Sprache. Und es würde mich wundern, wenn tatsächlich immer noch von Feedback-"Sitzungen" die Rede ist - das klingt schließlich nach einer ganz biederen, langweiligen Veranstaltung mit ewig langen Monologen und so, während Meetings immer dynamisch, produktiv und kreativ sind.

Herr van der Meulen ist allerdings auch nicht ganz konsequent, er hätte auch "MP3-Spieler" schreiben können, während "MP3-Player" bei der üblichen deutschen Aussprache der 3 zu einem überflüssigen Kauderwelschmischmaschwort wird - ähnlich wie Rooibush-Tee oder Game-Konsole.
 
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Makeitso schrieb:
Ich habe den Eindruck, dass im deutschen Sprachraum häufiger die unübersetzten englischen Begriffe verwendet werden als anderswo. Nicht nur in der Technik- oder Managementsprache, sondern bspw. schon bei Abkürzungen wie UNO, AIDS oder USA wurde kein Wert auf Eindeutschung gelegt, NRO hat sich auch nicht durchgesetzt. Angehörige anderer Sprachgruppen (Französisch, Niederländisch, Spanisch) sind da (teilweise) etwas ambitionierter.
 
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Das heißt aber nicht, daß die Deutsche Sprache eine schwache ist; sie hat allerdings in ihrem Heimatland, wie man an der Schlechtschreibreform unschwer erkennen kann, fast keine Lobby.
 
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Und wie man auch leider, leider an vielen der Postings u.a. in den Radioforen sieht, ist sie, die deutsche Sprache, mittlerweile zum Steinbruch geworden. Es mag altväterlich klingen, aber noch vor wenigen Jahren hätten sich die Menschen ob ihrer rudimentären Sprachkenntnisse öffentlich noch nicht so blamiert oder besser, blamieren wollen. Die Hemmschwelle, einfach drauf los zu radebrechen, ist so niedrig wie nie zuvor. Man wird ja heutzutage fast schief angesehen, wenn man noch einen Satz korrekt geradeaus sprechen oder schreiben kann...
Ernst gemeint.
Otto
 
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Ach, Radiohexe, darum geht's mir wirklich nicht. Ich höre und lese und spreche diese, meine Sprache unglaublich gerne. Ich liebe sie, finde sie ästhetisch, bunt, verschlungen, präzise, lyrisch, klangvoll, einfach schön.
Ich leide, wenn sie, meine Muttersprache, verbogen wird, ich zerbreche, wenn der Genitiv stirbt und ich entleibe mich bei einem s-Fehler...
Sprache ist für mich nicht das Mittel, größer zu scheinen als andere.
Ich will nur, dass sie auch in 50 Jahren noch mehr ist als herauskatapultiertes Primaten-Gelalle.
 
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Lieber Otto,

wir müssen vermutlich nicht einer Meinung sein. Auch ich bevorzuge eine schöne, zumindest aber klare deutsche Sprache in all ihren Facetten. Gleichzeitig jedoch muss ich anmerken, dass es kaum ein demokratischeres Element als Sprache gibt. Sie ist niemals fix gewesen, spiegelte immer eine gesellschaftliche Entwicklung wider. In den vergangenen Jahrzehnten waren das nun mal die Globalisierung, das Internet und die durch letzteres veränderte Experten-Laien-Kommunikation mit den Einflüssen aus den Fachsprachen. Soziologisch betrachtet ist das hochinteressant.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache registrierte, dass sich seit 1945 etwa 3 500 Anglizismen tatsächlich in der Alltagssprache durchgesetzt haben. Ein Wehklagen darüber halte ich für so lächerlich, wie eine Überfremdungsdebatte in Brandenburg oder der Sächsischen Schweiz. Besonders, wenn man bedenkt, dass es durchaus ebenso "Exporte" in die andere Richtung gab. Genau deshalb - verzeih mir bitte meine Offenheit - hat das überlaute, dramatische Inszenieren des Sprachtodes für mich immer einen Hauch von Engstirnigkeit. Ich verweise da gern auf die GFDS, die einst anmerkte, dass der Gebrauch der deutschen Sprache am Ende eben eine Entscheidung des mündigen Bürgers ist. Sicherlich braucht es dafür zwingend Wächter. Allerdings glaube ich sehr wohl, dass der Grad ihres Getöses ein Indikator dafür ist, ob es um den Erhalt der deutschen Sprache geht - oder aber um das krampfhafte Herauskehren der Tatsache, dann man zu einer "schöneren" Sprachkaste gehört.
Viele Grüße
Die Hexe
 
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@Radiohexe:
Wenn jemand souverän mit dem Instrument "Deutsch" umgeht, höre ich Eleganz, Schliff und Perfektion auch in der Gegenwartssprache. Und ich freue mich, wenn ich spüre, dass da jemand geschliffen mit dem uralten Material umgeht und es geschickt an die Jetztzeit anpasst.
Ich muss aber Fehlentwicklungen nicht deswegen gutheißen, weil sie sich zufällig zu meinen Lebzeiten fehlentwickeln und ich das als soziologisch hochinteressante, demokratische Entwicklung goutieren müsste. Will sagen:
Wer nicht in der Lage ist, modernes Deutsch fehlerfrei zu sprechen und zu schreiben, der sollte entweder seinen Griffel im Zaum halten oder den Zaun seiner Zähne (Homer) schließen.
Manches grenzt schon an Körperverletzung. So gutmütig wie Du, Radiohexe, bin ich eben gegenüber den Unfähigen nicht.
 
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Gut. Doch ein allzu konservativer Umgang mit der (deutschen) Sprache erscheint doch schwierig, besonders in Anbetracht der liberalen Unterstützung durch unser großes Werk, den Duden.
Nur weil es das Volk in der Schule nicht mehr anständig lernt (zuhause findet ein Übriges statt), legitimiert der Duden jeden Fehler als umgangssprachliche Wendung und ebnet so den Weg zum Verfall der Sprache.
Die Auswüchse bezüglich der Anglifizierung unseres Wortschatzes und die sprachliche Vergewaltigung der damit verbundenen Grammatik sind das Ergebnis dieses geduldeten und akzeptierten Verfalls der deutschen Sprache.

bermavino
 
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Nach wie vor bin ich auch auf Deiner Seite , lieber Onkel, auch wenn mir meine kleine Tastatur hin und wenn einen ebenso kleinen Streich spielt. Nun möchte ich aber trotzdem festhalten, daß - wenn wir schon über das Klangvolle und die Schönheit der Sprache sprechen (schreiben) - wir doch auch tatsächlich beim Deutschen bleiben sollten. Da gibt es eben dann nichts zu 'goutieren' (aus dem Französischen), sondern ausnahmslos gut zu heißen. Perfektion gibt es dann eigentlich auch nicht, sondern höchstens Vollkommenheit. Nun, ich gebe zu, mir manches Mal einen Spaß daraus zu machen, meine Gedanken tatsächlich in reinem Deutsch zusammenzufassen (nicht zu formulieren, da aus dem Lateinischen).

Du merkst schon, lieber Onkel, wie sich vieles auch bei Dir eingeschlichen hat, das eigentlich aus anderen Sprachen entlehnt ist. Und jetzt werde ich eine anglistische Grammatik bemühen: Nun, da die Zeiten weiter vorangeschritten sind und die Spracheinflüsse aus der restlichen Welt größer, müssen auch diejenigen, die lieber die Straßenseite wechseln, wenn ihnen ein Verfechter der 'neuen Rechtschreibung' entgegenkommt, doch angesichts immer massiveren Verkehrs auf der Informationsautobahn auf dem bereits genutzten Trottoir bleiben. Wir haben nur den Vorteil, daß wir wissen, wie es auf der anderen 'Strassenseite' aussieht.
Tjaja.

Und Dir liebe Hexe, möchte ich sagen, daß auch es auch für eine funktionierende Demokratie genauer Regeln bedarf, die zu befolgen sind, alles andere bedeutet Anarchie und Chaos. Das allerwichtigste dabei ist vor allem die Aufrechterhaltung dieser Regeln um jeden Preis, auch gegen eine Mehrheit, da ansonsten wieder die Willkür des Mobs herrscht. Und das - so meine ich - sollte doch am meisten für das gelten, was uns am deutlichsten vom Tierreich unterscheidet und uns erst ein gelungenes gesellschaftliches Zusammenleben ermöglicht - die gemeinsame Sprache.
 
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Ich möchte Euch eine Geschichte erzählen.

Auf der Suche nach Baumaterial (ich bastele da gerade etwas) ging ich heute nachmittag durch den Baumarkt. Neben einer Holz- und einer Aluminiumstange, einem Pinsel und ein paar Stahlwinkeln wollte ich dort auch eine Dose Klarlack kaufen. Beim Suchen bin ich auf "Fenster und Türdichtung" gestoßen und fühlte mich plötzlich etwas einsam. Doch der Anblick widerte und zog mich gleichzeitig an, und ich begann, nachzudenken. Streng genommen könnte man diese Bezeichnung auch umdrehen und hätte dann "Türdichtung und Fenster". Natürlich wird in der Verpackung beileibe kein Fenster zu finden gewesen sein, zumal weder aus "Fenster und Türdichtung" noch aus "Türdichtung und Fenster" eine Anzahl der Fenster hervorgeht. Eine Nachfrage beim Baumarktpersonal ("Entschuldigen Sie bitte, ist da Fenster drin"?) hätte vermutlich keine Antwort auf die Frage, die ich gar nicht gestellt hatte, gegeben.
Mit einem flauen und etwas schlechten Gefühl griff ich nach dem Klarlack, stellte ihn in den Einkaufswagen und fuhr damit zur Kasse, um dort etwa 20 Minuten zu warten, bis ich diesen gottlosen Ort verlassen durfte.

Doch eines habe ich aus dem Baumarkt mitgenommen, ohne dafür bezahlt zu haben: die Sicherheit, niemals, komme, was möge, eine "Fenster und Türdichtung" zu kaufen.
 
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OnkelOtto schrieb:
Und wie man auch leider, leider an vielen der Postings u.a. in den Radioforen sieht, ist sie, die deutsche Sprache, mittlerweile zum Steinbruch geworden.
OnkelOtto schrieb:
Was besonders erschütternd ist, wenn diese Beiträge von Kollegen stammen oder von Leuten, die sich für geborene Radiojournalisten bzw. -moderatoren halten. Und wenn man die Herrschaften dann zartfühlend darauf hinweist, dass die Beherrschung der deutschen Sprache für diese Berufe nicht ganz unwichtig ist, wird man als überheblich angegriffen...

OnkelOtto schrieb:
...noch vor wenigen Jahren hätten sich die Menschen ob ihrer rudimentären Sprachkenntnisse öffentlich noch nicht so blamiert oder besser, blamieren wollen...
OnkelOtto schrieb:
Jedenfalls nicht in dieser Branche. Allerdings: Noch viel schlimmer als sprachliches Unvermögen finde ich sprachliche Gleichgültigkeit.

Danke, Onkel Otto, für die deutlichen und überfälligen Worte - auch in den Beiträgen #39 und #44.
 
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Gelb schrieb:
Doch eines habe ich aus dem Baumarkt mitgenommen, ohne dafür bezahlt zu haben: die Sicherheit, niemals, komme, was möge, eine "Fenster und Türdichtung" zu kaufen.
Wir driften zwar vom Thema ab, aber wenn Du schonmal diese schreckliche Erfahrung machen mußtest, dann wird Dich das hier sicherlich abhärten. Fenster und Türdichtungen fristen nicht alleine in Produktpackungen ihr Dasein. Selbst eine Jasmin hat man da zerhackt und eingetütet: Jasmin Reis. Die arme Frau... schreibt sie deshalb nicht mehr hier? Ach nee, die hieß ja Jasemine...
 
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