Die besten Leadsätze aller Zeiten

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Wie empfindet Ihr Leadsätze, die eine vergleichende Steigerung beinhalten?
Beispiele:

Immer mehr Kinder werden von ihren Eltern vernachlässigt.
Immer häufiger kommt es wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen zu Betriebsunfällen.
Immer mehr Deutsche machen Urlaub im eigenen Land.


Sind es tatsächlich "immer mehr", ist es tatsächlich "immer häufiger"?
Woher nehmen die Agenturen ihre Erkenntnisse? Ist das subjektives Empfinden? Ist der Anstieg statistisch untermauert?

Eins vorneweg: Statistikmeldungen sind immer ätzend. Das ist nun mal so.

Früher hieß es: "Die Zahl der Deutschen, die ihren Urlaub in Dänemark verbringen, ist seit dem vergangenen Jahr gestiegen." Oder noch 'besser': "Die Zahl der ihren Urlaub in Dänemark verbringenden Deutschen ist seit dem vergangenen Jahr gestiegen." Das klingt korrekt, aber doof.

Dann schon lieber "Immer mehr Deutsche verbringen ihren Urlaub in Dänemark". Why not?

Wichtiger finde ich die Quelle, die das belegt. Ich bin zum Beispiel immer hochgradig skeptisch gegenüber Umfragen. Die haben m.E. in den Nachrichten nichts verloren. Mit Umfragen kannst Du ALLES belegen. Gib mir die richtigen Telefoninterviewer und einen finanzstarken Investor, und ich liefere Dir ein Umfrageergebnis, dass 95% aller Berliner dafür sind, das Brandenburger Tor abzureißen und dort stattdessen ein Krematorium hinzubauen.

Wie heißt es so schön? Glaube nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
 
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Völlig einverstanden, Coco. Nur: Auf irgendetwas muss ich mich ja in der Meldung beziehen - egal, ob es nun eine Statistik ist oder ein Sachverhalt, den ich als Redakteur gar selbst recherchiert habe. (Nicht immer bin ich bei einem Flugzeugabsturz dabei und habe anschließend CvD-Dienst)*.
Wenn ich sage "Immer mehr Mütter schlagen ihre Kinder", impliziert das, dass die Zahl der Kinder schlagenden Mütter kontinuierlich zunimmt. Dieser permanente Anstieg muss verifiziert sein, damit er in einem Leadsatz Bestand hat. Nichts anderes meine ich.

*(will noch ergänzen, dass ich kein CvD bin!)
 
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Ja klar musst Du Dich auf die Quelle beziehen. Und wenn Du meldest, dass immer mehr Mütter ihre Kinder schlagen, muss nach klassischem Meldungsaufbau diese im zweiten Satz denn auch kommen, also:

"Das geht aus dem Jahresbericht 'Rabenmütter 2006' hervor, den Bundesfamilienministerin von der Leyen heute in Berlin ..." usw. hasselbrö.

Und zu dem Flugzeugabsturz, bei dem Du nicht dabei warst: Dafür gibt es ja das Urvertrauen in die Jungs von dpa/afp/reuters.... Sprich, wenn die Edelfedern melden, dass in Sibirien ein Flugzeug abgestürzt ist, darfst Du Deine journalistische Sorgfaltspflicht vernachlässigen und das melden, ohne dass Du Dich selbst in den nächsten Flieger setzen und das vor Ort überprüfen musst.

Das gilt natürlich nicht, wenn dpa melden würde (rpt: würde!!!):

"Ministerpräsident XY vertreibt nach Informationen der Z-Zeitung kinderpornographische Bilder über den Rechner seiner Staatskanzlei"

Das würde ich mir denn doch lieber von ihm selbst bestätigen lassen. :cool:
 
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Wenn nun dpa schriebe:
"Immer mehr CvDs überleben Flugzeugabstürze und machen anschließend eine Meldung daraus", weil sie sich als Quelle auf vielleicht 2 die Katastrophe überlebt habende CvDs stützt - der erste in den 50er Jahren, der zweite vorgestern -dann hätten wir den Fall, den ich kritisiere. Bei abstürzenden CvDs wird es dpa nicht so machen - aber bei "immer mehr Hessen, die sich auf dem Weihnachtsmarkt Fußpilz holen" wird so formuliert. Wenn ich einen solchen Satz höre, sehe ich schon wabernde Myzelien zwischen den Glühweinbuden...
 
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ad Flugzeugabsturz: Also in DEM Fall wären es ja nicht mal "immer mehr", sondern in dem von Dir zitierten Fall schrübe dpa besser: "Die Zahl der Flugzeugabstürze überlebenden CvDs bleibt seit Jahrzehnten konstant." Und ansonsten gilt mein obiges Geschreibsel: Quelle überprüfen. Und wenn ich dann sehe, oha! sie werten eine Statistik von 1954 aus... na denn, weg damit.

ad Weihnachtsmarkt: Auch da würde ich gucken, worauf sie sich denn beziehen bei ihrer kühnen These. Und gerade beim Weihnachtsmarkt vor der Haustür kannst Du das ja leicht überprüfen.

Zum Beispiel würde ich die Meldung "Der Glühwein auf hessischen Weihnachtsmärkten schmeckt von Butze zu Butze besser" sofort nachrecherchieren! :D:D:D
 
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Und wenn Du meldest, dass immer mehr Mütter ihre Kinder schlagen

Stimmt es eigentlich, daß immer mehr Säuglinge von ihren Müttern umgebracht wurden? Der aktuelle Alarmismus suggeriert dies. Auch ohne daß irgendjemand das so formulieren würde.


Und zu dem Flugzeugabsturz, bei dem Du nicht dabei warst: Dafür gibt es ja das Urvertrauen in die Jungs von dpa/afp/reuters.... Sprich, wenn die Edelfedern melden

Ich hoffe, man kann so eine Meinung aussprechen, ohne der Gotteslästerung bezichtigt zu werden: So sonderlich edel sind die auch nicht. Zur sprachlichen Güte der Texte ist hier schon einiges geschrieben worden. Was die inhaltliche Güte betrifft, so hat es der geschätzte Kollege Makeitso neulich schon formuliert: Wenn man sich einmal anschaut, was da so über Themen hinausposaunt wird, über die man sich selbst auskennt, dann denkt man sich seinen Teil dabei. Es ist wirklich erschreckend. Konkret stellt man da eine z.T. unfaßbare Oberflächlichkeit fest, die der dummerweise meist recht komplexen Wirklichkeit einfach nicht gerecht werden kann.

Und noch ein Punkt: In der gerade von den Fölletöngisten der Edelblätter aus München und Frankfurt angezettelten Internetdiskussion sah ich mehrfach ein Argument, warum man sich Tageszeitungen heute getrost ersparen kann: Überall nur dieselben dpa-Texte. Nun gut, da kann man nun eigentlich beruhigend sagen, daß das Radio eben mehr zu bieten hat als diesen Einheitsbrei.
 
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K 6 schrieb:
Stimmt es eigentlich, daß immer mehr Säuglinge von ihren Müttern umgebracht wurden? Der aktuelle Alarmismus suggeriert dies. Auch ohne daß irgendjemand das so formulieren würde.
Die Leiterin des Kommissariats der Berliner Polizei, das sich mit Verbrechen an Schutzbefohlenen (so oder so ähnlich nennt sich das) beschäftigt, sagte neulich in einem Interview auf RadioEins sinngemäß, dass nicht die Zahl der Fälle von Vernachlässigung oder Gewalt gegen Kinder gestiegen sei, sondern dass dieser Eindruck aufgrund "einer Aufhellung des Dunkelfeldes" entstehe. Immerhin könnte der in der Tat zu verzeichnende mediale Alarmismus bei diesem Thema im Einzelfall sogar positive Auswirkungen auf das eine oder andere Kinderschicksal haben. Ich erinnere mich nicht mehr, wann dieses Interview gesendet wurde, daher kann ich leider mit keiner konkreten Quellenangabe dienen.
 
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Ja, genau! Vielleicht ist es ja dieser neuzeitliche Alarmismus, der bei dergestalt formulierten Leadsätzen den Hörer hochschrecken lässt - und mich Dinosaurier zum Verzweifeln bringt. Dein Beispiel, Cruz Castillo, ist bestechend. Wahrscheinlich ging es genau so über den Sender!
"Zum ersten Mal in der Geschichte des Verkehrswesens wird der Bahnübergang Wellerrode elektrisch beschrankt!" Man dankt!
 
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Erstmals in meinem an Erfahrungen nicht eben armen Leben lese ich in einem Internetforum zwei Postings hintereinander, mit denen ich sowohl inhaltlich als auch in der Form zu weitaus mehr als einhundert Prozent einer Meinung bin.

:wow:
 
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Naja der Satz ist zwar aus einer Fernsehserie, aber dennoch ein gutes Beispiel für maßlose Übertreibung und Beugung der Realität, nur um eine Meldung zum weltweit einmaligen Phänomen aufzuhübschen.

Real: "Immer weniger Kinder-sterben die Deutschen aus?"
 
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(...) dieser neuzeitliche Alarmismus (...)
"Zum ersten Mal in der Geschichte des Verkehrswesens wird der Bahnübergang Wellerrode elektrisch beschrankt!" Man dankt!
:wow:

Da möchte ich an meiner These des Zeitgeistes festhalten - wir, die Gesellschaft (schöne Ausrede), sind entsprechend dimensioniert.

Darf ich mal einen Ausflug ins Fernsehen machen?
Dort wurde jeder Film, der auf einem Sender erstmalig ausgestrahlt wurde, als "Free-TV-Premiere" abgefeiert. Egal, ob es sich nun um die erste Ausstrahlung eines Kinofilms ("Blockbuster") oder - schlimmer noch - die Sendung einer Eigenproduktion handelt:
"Die SatKabel.7-Free-TV-Premiere - 'Rosen, die stechen, schmecken nicht'".

Da wundert Ihr Euch noch?
Der Konsument ist nichts anderes (mehr) gewohnt und ist vielleicht nur so aus seinem soporösem Zustand zu bekommen.

Gruß, Uli
 
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Muß es nicht korrekterweise 'Weltpremiere' heißen?
Beispiel:
Heute 20:15 WELTPREMIERE!!!
"Ekel-Duschvorhang des Grauens-Jetzt auf RTPROSATVOXSUPERKABEL!!!"
Mit Ralf Möller,Gülcan und Atze Schröder
 
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Ein Leadsatz zur Grenzöffnung Richtung Polen durchs Schengenabkommen:

"Jetzt ist Polen offen"
 
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Sicher nicht einer der besten Leadsätze, aber ein Beispiel, wie man weniger geschickt formulieren kann.
Eben in den hr-info Wirtschaftsnachrichten war die Rede davon, dass ein Unternehmen...

"... in Fusionsverhandlungen eintreten wird".
Gesprochen wurde es aber wie
"... Infusions-Verhandlungen ..." :D

Ja ja, ich weiß, man kann die Missverständnisse auch übertreiben.
Trotzdem plädiere ich entweder a) auf ordentliche Aussprache und Betonung oder b) auf eine bessere Formulierung oder gar c) auf beides.

Gruß, Uli
 
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@drsound

Also wer das gedichtet hat, gehört m.E. in den See! Mit Gewicht an den Füßen!

@Quali

Ich hätte die Liste dann auch gerne. :)
 
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Format C: schrieb:
Auf welchem Sender war das zu hören?
Auf welchem Sender dieser Satz zu hören war, kann ich nicht sagen. Aber heute prangt auf Seite 15 des Berliner Tagesspiegels folgende Überschrift: "Jetzt ist Polen wirklich offen"
 
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<fluester> Aber (psssst!) das ist doch auch kein Leadsatz! Siehe oben.


Gruß TSD </fluester>
 
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(pssst)...hab ich doch auch gar nicht behauptet. So fett über einem Zeitungsartikel ist es natürlich eine Schlagzeile. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass dieses zweifelhafte Wortspiel tatsächlich mediale Wirlichkeit geworden ist, wenn vielleicht auch nicht im Radio. (Ja, ich weiß, "Wortspiel" ist auch nicht ganz passend, aber mir ist um diese Uhrzeit nichts besseres eingefallen.)
 
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So unzutreffend ist "Wortspiel" nicht, aber ich würde eher von einer verbalen Geschmacksentgleisung sprechen.

Die Redensart bedeutet schließlich - im engeren historischen Sinne - "jetzt ist Polen bereit für eine Invasion" (begründet durch die Krise der polnischen Adelsrepublik im 17. und 18. Jahrhundert, als das Land entsprechend führungslos und leicht einzunehmen war).

Im weiteren Sinne wird sie außerdem bekanntlich benutzt als "jetzt ist alles zu spät, jetzt herrscht Chaos, jetzt ist das Schlamassel da".

Angesichts der deutsch-polnischen Vergangenheit also kein wirklich passender Lead-/Schlagzeilen-/sonstwas-Satz.

Wann wird eigentlich an den deutschen Journalistenschulen mal das Pflichtfach Geschichte eingeführt???
 
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Noch ein paar Vorlagen zum Leadsatz-Basteln?
"Da ist was faul im Staate Dänemark. Gammelfleisch jetzt auch in Kopenhagen"
"Du glückliches Österreich! Endlich löst Gusenbauer Schüssel ab!"
"Die spinnen, die Briten! Queen grillt Corgie bei Sommerfest in Buckingham!"
"Leben wie Gott in Frankreich! Kakerlakeninvasion in Pariser Drei-Sterne-Restaurant!"
"Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen? Hochgiftige Pesitzide in italienischem Obst entdeckt!"
"Amerika, Du hast es besser! Kriegsversehrte Irak-Veteranen knuspern Truthahnbeinchen von Bushs Leibkoch"
 
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Hallo Cocorita,
Du hast genau das auf den Punkt gebracht, was bei mir im Hinterkopf und auch im Bauch rumorte, als ich lediglich "zweifelhaftes Wortspiel" schrieb. Danke! (Habe leider keinen Smiley zur Verfügung, der den Hut zieht.)

Da der zitierte Satz eine Zeitungsschlagzeile ist, schreiben wir hier natürlich o. t. - aber ich möchte wetten, dass dieser Satz (gleichviel als Schlagzeile oder als Leadsatz verwendet) im Zusammenhang mit dem Wegfall der Grenzkontrollen auch in mindestens einem deutschen Radiosender ge- oder besser gesagt missbraucht wurde.
 
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Es ist so billig. Und man kommt sich so originell und universal gebildet vor. Und es ist nichts als pseudointellektuelle Plattheit. Brüchiges Eis für jeden Journalisten. Und immer wieder krachen manche ins Wasser...
 
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