AW: Die Sprachlotterei treibt neue Blüten
Na, da wurde wohl mehr gelesen, als hier steht, was?
Ach, doch nicht wirklich.
Wenn ich lese, der Duden sei ja als grundsätzlicher Referenzrahmen zweifelhaft, der Inhalt der Sprache stehe über der Form ... ja, dann lese ich über jemanden, dem die Erhaltung der Formen (des Handwerks) nicht wichtig zu sein scheint. Und den, auch wenn er es selbst versucht, richtig zu machen, die Schluderei nicht wirklich stört. Man kann ja über den Sinn von bestimmten Regeln sprechen, und es ist ja wahr, dass sich hinter einer Sprachkritik auch oft eine Schlauberger-Attitüde ins Zimmer schleicht - zumeist ungebetener Besuch. Aber das Plädoyer für eine grundsätzlich tolerante Haltung gegenüber Sprachfehlern in einem RADIO-Forum (ja,
diese findet sich in diesem Faden und in anderen), wirkt auf mich wie unterlassene Hilfeleistung gegenüber dem wehrlosen Opfer Deutsch.
Anders gefragt: Bei Ausschreibung eines Volontariats bekommst Du eine Bewerbung, in der nicht nur der sächsische Genitiv auftaucht, sondern auch drei schnuckelige Rechtschreibfehler, die auf Unkenntnis der Begriffe deuten? Ist das ein Kandidat, den Du in die engere Wahl ziehst? Wenn ja, ergebe ich mich und wende mich dem Weißbier zu ...
Oha. So kann es in die Hose gehen, wenn man politisch korrekt sein will.
Reichskristallnacht gibt es übrigens an 218.000 Stellen im Internet, und schon als sechsten Verweis serviert Google einen Volltreffer:
@K6: Oha, habe ich den Grinse-Smiley nach "Progromnacht" vergessen, um klar zu machen, dass es auch für diese falsche Schreibweise tausende Treffer gibt? Ich dachte, das fett gedruckte "r" würde reichen. Oder worauf sollte sich der Hinweis auf politische Korrektheit beziehen?
Wann sich der "Pakistaner" begann, in der deutschen Sprache einzubürgern, kann ich auch nicht sagen (wie in #109 bereits erwähnt), aber es ging mir eben gerade um den Hinweis, dass bei einer vor nicht allzu langer Zeit offenbar bewusst vollzogenen Sprachveränderung (und genau darum scheint es sich beim "Pakistaner " zu handeln) der Blick auf Google wenig nützlich ist.
Frage ist eben nur, was man für stimmig hält. Es können Millionen Homepages das Bundesverfassungsgericht mit "BVG" abkürzen, in der Berichterstattung sollte BVG doch das "Bundesversorgungsgesetz" bleiben (sofern es sich nicht um die Berliner Verkehrsbetriebe handelt).
Bei Kristallnacht oder Pogromnacht ist dies natürlich nicht so eindeutig, aber nach meiner Beobachtung sprechen Agenturen und Kollegen nicht mehr von Kristallnacht, eben auch, weil "sich das Problem [stellt], dass [der Ausdruck] jedenfalls
für Nachlebende das Ereignis selbst eher verdeckt." (Harald Schmid in Deinem Google-Volltreffer 6). Schmid spricht von einem dennoch "nützlichen Stolperstein",sehe ich nicht so, aber wenn das in Deiner Redaktion anders gesehen wird, auch gut. Ich hatte den Eindruck, der Begriff Kristallnacht verschwinde nach und nach aus dem öffentlichen Raum wie der "Pakistani". Deshalb der Vergleich. Dennoch Dank für den Hinweis zum Artikel, habe interessiert gelesen.
Aber diese detaillierte Debatte macht mich so müde, viel lieber würde ich mit Euch über Frühlingswiesen springen, um danach in einer Schenke unsere unterschiedlichen Auffassungen derart in besagtem Weißbier zu ertränken, dass wir klingen wie die Computerdeppen in der Hotelbar in dem wundervollen Badesalz-Stück "Megabryte": "Bringen sie nochmal sechs Sambuca ..."
Aber jetzt dreh' ich erstmal 'ne Pürette und schleife mich dann nach Hause.