Griechische Regierung schließt ERT

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Etwas verwundert bin ich schon - wird die Anstalt doch (zumindest laut Wikipedia) überwiegend aus Rundfunkgebühren und nicht aus Steuergeldern finanziert.

Im allgemeinen betrachtet ist es schon ein "starkes Stück": Eigentlich soll der öffentliche Rundfunk auch gerade in Wirtschaftskrisen eine umfangreiche und von Werbezwängen unabhängige Berichterstattung gewährleisten. Und wenn es dann drauf ankommt, ist das Geld offensichtlich doch wichtiger als eine informierte Bevölkerung.

Allerdings weiß ich nicht, wie es bei der ERT tatsächlich um die Qualität der Berichterstattung und Akzeptanz beim Publikum bestellt ist bzw. war...
 
Seit ungefähr 22:30 sind die Livestreams der Fernsehsender nicht mehr erreichbar. Unten die beiden letzten Screenshots von den Szenen vor dem Gebäude des Senders. Auch die Radiosender sind nicht mehr zu hören.
ert2.jpgert3.jpg
 
@Kulti: Da hast du einen Link zu einem eingebetteten Youtube-Video erwischt. Die blonde Moderatorin hat gegen 22:00 an drei andere Kolleg(inn)en übergeben.
 
Auf der Webseite des ersten Radioprogramms (des Informationsprogramms) haben sich die Redakteure so verabschiedet:

Με τρόπο ΑΝΤΙΣΥΝΤΑΓΜΑΤΙΚΟ, ΑΝΤΙΔΗΜΟΚΡΑΤΙΚΟ και ΡΑΤΣΙΣΤΙΚΟ η κυβέρνηση της Νέας Δημοκρατίας, της τρόικας και της υποταγής θέλει να κλείσει τη Δημόσια Ραδιοτηλεόραση ως πρώτη ΔΕΚΟ στην οποία εφαρμόζεται η Πράξη Νομοθετικού Περιεχομένου που δίνει το δικαίωμα απόφασης σε κάθε υπουργό να εξαγγείλει «ακαριαίο θάνατο» δημοσίων επιχειρήσεων, θυσιάζοντας κοινωνικό έργο κι εργαζομένους στο βωμό του κέρδους των ιδιωτικών συμφερόντων.
Οι εργαζόμενοι στη Δημόσια Ραδιοτηλεόραση μαζί με τον ελληνικό λαό θα κρατήσουμε την ΕΡΤ ανοιχτή υπηρετώντας το δημόσιο συμφέρον, την αντικειμενική ενημέρωση, τον πολιτισμό και τη φωνή της Ελλάδας σε όλον τον κόσμο.
Η ΕΡΤ ήταν είναι και θα είναι η δική μας φωνή ενημέρωσης και προαγωγής του πολιτισμού μας.
ΚΑΛΟΥΜΕ ΟΛΟΥΣ ΤΟΥΣ ΕΡΓΑΖΟΜΕΝΟΥΣ ΝΑ ΔΩΣΟΥΜΕ ΜΑΖΙ ΤΟΝ ΑΓΩΝΑ ΤΗΣ ΝΙΚΗΣ.

Google Translate übersetzt das so

By way unconstitutional, undemocratic and racist government of New Democracy, the Troika and submission wants to close the Public Broadcasting Corporation as the first public utility to which the Legislative Act which entitles the decision to each minister to call "instant death" of public enterprises , sacrificing social work and workers for the profit of private interests.
Employees in Public Broadcasting with the Greek people will keep ERT open serving the public interest, objective information, culture and voice of Greece in the world.
The ERT was, is and will be our voice information and promotion of our culture.
INVITE ALL EMPLOYEES TO GIVE U.S. THE EVENT OF WINNING.

Der Frust ist gewaltig, aber das ist auch verständlich.
 
Ich will hier mal den advocatus diaboli spielen und nicht gleich in den empörten Aufschrei mit einstimmen:
Erstens: Der Frust bei den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, die ihren Arbeitsplatz verlieren - der ist legitim und das Mitgefühl dafür auch. Aber dieses Mitgefühl hätte ich auch bei den Angstellten eines Atomkraftwerkes, obwohl ich es richtig fände, dieses Atomkraftwerk außer Betrieb zu nehmen.
Zweitens: Das Anliegen der Regierung, dauerhaft Kosten zu sparen, einen offensichtlichen Geldfresser mit einem Federstreich zu erlegen. Das ist genauso legitim, ebenso wie es das gute Recht einer Regierung ist, zu entscheiden, auf welche öffentliche Dienstleistung sie verzichten will.
Drittens: Gibt es eine private Radioszene Griechenland (ich kenne mich nicht aus), die den vermeintlichen Verlust ausgleichen kann? Falls ja, ist die Entscheidung der griechischen Regierung konsequent und mutig.
Viertens: Der Aufschrei der Hörer. Ist auch legitim. Umgekehrt gibt es immer einen Aufschrei, egal was gekürzt, eingestellt, abgeschafft wird. Welche Sparalternative würde vond en empörten Hörern akzeptiert werden? Etwa weitere Rentenkürzungen? Oder Steuererhöhungen?
Fünftens: Wie gut war denn der griechische Staatsfunk bisher - unter den Kriterien "neutral, objektiv, informativ, seriös, kostensensibel"? Ich kann das nicht beurteilen, aber ich kann mir keinen Politiker vorstellen, der auch die nächste Wahl überstehen will und alle Sinne beisammen hat und der dann einen Rundfunksender abstellt, bei dem all diese genannten Kriterien erfüllt werden. Also ist anzunehmen, dass etliche dieser Kriterien nicht oder nur unzureichend erfüllt wurden, das Opfer also nicht wirklich eines ist.
Sechstens: In Zeiten von Internet und Globalisierung kann keiner behaupten, Griechenlands Bevölkerung wäre nunmehr vom Informations- und Wissensfluss dieser Welt abgeschnitten. Da gibt es heutzutage Kanäle genug, sich auf dem Laufenden zu halten.
Siebtens: Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Staat auch einen Rundfunksender betreiben muss. Er kann es auch lassen.
 
man hat den Sender abgeschaltet, nachdem es mit anderen Privatisierungen nicht geklappt hat - nur um der EU-Troika, die durch kein Votum legitimiert ist, etwas vorlegen zu können. 2500 oder 2900 Leute (die Quellen sind nicht ganz eindeutig) sollen entlassen werden. 2900 Leute - die ließen sich mit Sicherheit auch an anderen Stellen in Ministerien und Behörden finden, als ausgerechnet im staatlichen Rundfunk. Ich sehe übrigens keinen großen Unterschied, ob der Rundfunk wie bei uns über extra Beiträge finanziert wird, oder wie in Griechenland über Aufschläge auf z.B. die Stromrechnung. Und ob sich das, wofür wir zahlen nun öffentlich-rechtlich oder staatlich nennt, ist auch eher unwichtig. Und so ein Ding zu starten, obwohl nicht mal die eigene Koalition dahintersteht ist...mutig. Die Griechen identifizieren sich mit ihrem Radio, ihrem Fernsehen. Das ist ein weiterer Schritt, der ganz schnell ganz fatale Auswirkungen haben kann.
 
Wenn ich es heute in den Nachrichten richtig verstanden habe, stellten die privaten Programme Griechenlands auch für mehrere Stunden aus Solidarität ihr Programm ein. - Mal eine bescheidene Frage in die Runde: Würde in der hiesigen Republik der öffentlich-rechtliche Rundfunk abgeschaltet werden, ginge bei den privaten Programmen die Solidarität (falls es den Begriff im hiesigen Leben überhaupt noch gibt) auch so weit?
Bei einem Vergleich mit der hiesigen Struktur fällt übrigens auf, dass in Griechenland 2900 Leute drei Fernsehprogramme, sieben landesweite und 19 regionale Hörfunkprogramme gestalten; hier hat das ZDF schon 3600 Mitarbeiter bei 2,x Fernsehprogrammen (ohne Hörfunk, aber mit Recyclingkanälen). Am ehesten käme aber ein Vergleich mit dem Bayerischen Rundfunk in Betracht: Dieser beschäftigt 3300 feste und 1500 "feste freie" (was für ein Wortungetüm) Mitarbeiter für 3,x Fernsehprogramme (einschließlich Recyclingkanäle) und 7,x oder von mir aus acht Hörfunkprogramme!
 
Traurig! Noch trauriger ist die zurückhaltende oder in manchen Teilen gar nicht existierende Berichterstattung angesichts diese politisch-demokratischen GAU in unseren Radios. Da muss man sich für schämen!

Manni, mit den Argumenten könnte man auch die ARD einstellen. Es gibt aber auch zig Gesetze oder auch EU-Normen mit Gesetzescharakter, die den Bestand öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehsender ausdrücklich unterstützen. Da mit dem Ausgleich durch andere Privatsendern zu argumentieren, herrlich, dann könnten wir uns ja auch über RTL und Hit-Radio-FFH informieren. Außerdem, wer sind wir eigentlich, dass wir in Deutschland schon die Abschaffung anderer öffentlicher Sender fordern? Wir haben doch selbst das teuerste Netz der Welt. Wir sollten endlich aufhören, anderenn Ländern Vorschriften zu machen und ehrlich miteinander sein. Der Zusammenbruch des Euro war vorhersehbar, das haben wir alle gemeinsam zu verantworten und müssen gemeinsam zu Lösungen finden. Die Einstellung des Sendebetriebs öffentlicher Anstalten ist keine.
 
divy schrieb:
Manni, mit den Argumenten könnte man auch die ARD einstellen.
Genau, das wollte ich damit sagen.

divy schrieb:
Es gibt aber auch zig Gesetze oder auch EU-Normen mit Gesetzescharakter, die den Bestand öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehsender ausdrücklich unterstützen.
Gesetze macht der Gesetzgeber. Und der kann sie auch ändern.

divy schrieb:
Außerdem, wer sind wir eigentlich, dass wir in Deutschland schon die Abschaffung anderer öffentlicher Sender fordern?
Niemand hat dies gefordert. Ich habe lediglich gesagt (und erklärt warum), dass ich es verstehe.

divy schrieb:
Wir sollten endlich aufhören, anderenn Ländern Vorschriften zu machen
Wer ist "Wir"? Und welches Beispiel meinst Du konkret?

divy schrieb:
Die Einstellung des Sendebetriebs öffentlicher Anstalten ist keine (Lösung).
Woher weißt Du das so genau? Kennst Du die griechischen Internas?
 
Hallo Manni, es ist natürlich ein Anfängerfehler, in Internetforum Leute persönlich anzusprechen, tut mir leid. Ich will da jetzt keine Konfrontation draus machen. Zur Antwort:

Zum Gesetzgeber: Es gibt in Griechenland keinen Parlamentsbeschluss über die Schließung. Ein Ministererlass hat genügt. Es gibt gegenwärtig keine demokratische Legitimation dieser Entscheidung. Aber darum geht es bei den Zumutungen für die Krisenstaaten ja schon lange nicht mehr. Und natürlich würde in Deutschland bspw. der WDR nicht so ohne weiteres von einem Tag auf den anderen abgeschaltet, es wäre schlicht unmöglich, schon gar nicht auf Ministererlass.

Leider werden in Griechenland und eigentlich in ganz Südeuropa und Irland mit "ihr" die Deutschen gemeint, also "wir". "Die haben über ihre Verhältnisse gelebt usw. usf.", heißt es dann bei uns, während unsere Banken ohne Ansehen des Risiko mit Blick auf die tollen Renditen dort unser Erspartes hingetragen haben. Darum ist das ein gemeinsames Problem und erfordert gemeinsame Lösungen. Statt dessen schicken wir "denen" Hilfsleistungen, natürlich nur gegen harte Bedingungen, wie uns im Bundestag bei jedem Beschluss versprochen worden ist. Natürlich ist diese Schließung nur eine weitere dieser vielen Zumutungen. Ohne jetzt weiter auf die Einzelheiten der Schuldenkrisen und das Agieren der "Troika" einzugehen: Um zu wissen, dass das Abschalten öffentlicher Medien, hier mit 2.656 Angestellten, die Schuldenkrise nicht löst, muss ich keine Interna kennen. Ein solcher Schritt ist aber ein schwieriger Einschnitt in die Qualität der Demokratie. Denn schließlich stellen große Sender auch Öffentlichkeit her, und ohne Öffentlichkeit kann Demokratie nicht funktionieren.
 
Freilich hat es große und gut funktionierende Demokratien bereits zu Zeiten gegeben, als es Rundfunk noch gar nicht gab. Ich kann also nicht erkennen, dass davon die Demokratie abhängen sollte.

Zum anderen ist der Abschaltbeschluss (Ministererlass) eine autarke Entscheidung der griechischen Regierung. Oder willst Du behaupten, dies hätte die Troika oder "wir"/Bundestag gefordert?

Mal vernunftbegabte Minister unterstellt, wie fällen sie dann ihre Entscheidungen (die sicher einem äußeren Druck durch EU-Auflagen und die eigene Haushaltssituation unterliegen)? Sie werden abwägen: Was ist unverzichtbar, was ist wichtig, was ist nice to have, was ist überflüssig, was ist zu teuer. Und sie werden das Überflüssige und das zu Teure zuerst abschaffen.
 
Zum anderen ist der Abschaltbeschluss (Ministererlass) eine autarke Entscheidung der griechischen Regierung. Oder willst Du behaupten, dies hätte die Troika oder "wir"/Bundestag gefordert?

Ja, das will ich damit sagen. Natürlich fordert niemand explizit, "Fernsehen abschaffen". Aber der Druck der Sparauflagen hat zu einer solchen Entscheidung geführt. Keine Regierung der Krisenländer fällt mehr Entscheidungen aus Gründen der Vernunft, sondern weil es einen Rahmen gibt, den die Troika vorgibt.

Ich bin einverstanden, sicher gibt es viel Grundlegenderes als öffentliche Rundfunksanstalten, bspw. die Sicherstellung einer ärztlichen Grundversorgung, öffentlicher Wohnraum, Erziehung, aber das alles steht in den Krisenstaaten doch längst auch in Frage. Mit dem bisherigen Kurs werden die Spannungen noch viel weiter zunehmen. Das wird uns erst bewusst werden, wenn Europa richtig im Eimer ist. Wir sind auf dem besten Weg dorthin.
 
Freilich hat es große und gut funktionierende Demokratien bereits zu Zeiten gegeben, als es Rundfunk noch gar nicht gab. Ich kann also nicht erkennen, dass davon die Demokratie abhängen sollte..
Oh, oh, Manni, das hätte ich von Dir jetzt nicht erwartet. Diese besagten Zeiten waren nicht so mediendominiert.

Ergo:
gibt es heute wohl kaum ein besseres Mittel die Demokratie abzuschaffen als den öffentlich-rechtlichen Rundfunk total still zu legen.
Tip: Guck mal über'n Teich.​
 
Tonband schrieb:
Oh, oh, Manni, das hätte ich von Dir jetzt nicht erwartet.
Wenn alle empört losschreien, bin ich aus Erfahrung vorsichtig.
Staatlicher oder Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk ist doch nicht per se gut oder unverzichtbar. Zumal es Alternativen gibt. Den privaten Rundfunk/Fernsehen, alle Printmedien, das Internet.
Ich wage überhaupt nicht zu beurteilen, wie hoch der Verlust zu veranschlagen ist, wenn das griechische Staatsfernsehen nicht mehr sendet. Andere hier im Forum können das offenbar besser als ich. Aber ich wage die Frage zu stellen: Was selbst zu tun und zu finanzieren kann der Staat unterlassen, wenn er kein Geld mehr hat? Und da lautet die Antwort immer: Alles, was eigentlich nicht in Staates Hände gehört und wofür es gleichwertige oder gar bessere Alternativen gibt. Und ich vermute aus meiner Ferndiagnose heraus, dass genau diese Frage die griechische Regierung f+ür sich und in ihrer Situation mit der Schließung ihres Senders beantwortet hat.
Jedenfalls habe ich noch nicht das Argument gehört, dieser Sender sei zu regierungskritisch gewesen und werde deshalb geopfert.
 
Die Frage ist aber doch: Kann/Darf eine Regierung einen Sender, der sich auch aus Rundfunkgebühren finanziert einfach so abschalten, noch dazu ohne Einbeziehung des Parlaments? Die Finanzierung durch Rundfunkgebühren zeugt doch von einer gewissen Unabhängigkeit von Staat und Politik.
Einen Sparkurs hatten die Mitarbeiter wohl auf sich zukommen sehen, aber die komplette Schließung kam doch sehr überraschend. Und wem nützt diese eigentlich?
 
Inzwischen verbreitet auch der Sender aus Zypern das verbliebene Programm von ERT über seine Webseite www.cybc.com.cy .
(Und scheint zumindest zeitweise dadurch überlastet zu sein.)
 
Die Griechen identifizieren sich mit ihrem Radio, ihrem Fernsehen.
Und warum? Weil diese sich auf die Seite der Bürger (des Volkes) und nicht auf die Seite des Kapitals gestellt haben. Das entnehme ich zumindest den oben übersetzten Abschiedsworten. Das wird dann auch der Grund für die beispiellose Abschaltung gewesen sein. Denn es soll ja ein neuer Sender mit nur noch 1.000 Beschäftigten entstehen, die erstmal ausgesiebt (gleichgeschaltet) werden müssen. Von denen wird sicher keiner mehr die Troika und die Regierung als undemokratisch und rassistisch bezeichnen.

Vielleicht ein Anlaß für die ARD, auch mal aufzuwachen? Wir gehen von der Vor-Revolution bald auch in die heiße Phase über, wie mir scheint.
 
Wir gehen von der Vor-Revolution bald auch in die heiße Phase über, wie mir scheint.
Es scheint aber auch nur so, denn Deutschland und Revolution, irgendetwas passt da nicht so richtig zusammen: Frühbürgerliche Revolution (Bauernkrieg), bürgerliche Revolution 1948/49, Novemberrevolution oder die Revolution 1989, alle sind auf dem Wege stecken geblieben.
Öffentlich-rechtliche und/oder staatliche Medien in Deutschland und deren Rolle in der letzten Revolution: Im "Revolutionsgebiet" wurden sie sehr schnell auf "Linie" gebracht (Mühlfenzl & Co.); in heutiger Zeit kommen sie doch auch nicht sehr über die "alternativlose Politik" hinaus, Alternativen (die es immer gibt) werden noch nicht einmal angerissen, geschweige denn aufgezeigt und analysiert. Im Gegenteil, die kritischen Programmteile, so sie noch vorhanden sind, finden sich inzwischen irgendwo zu nachtschlafender Zeit im Programm. Es ist ja auch wichtiger, dem Volke Kochen zu lehren, Ausdünstungen irgendwelcher Promis zu vermitteln oder das Liebesleben von Aye-Ayes zu zeigen als die wirklich wichtigen Dinge der Welt zu erklären. - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
 
Hallo!

Ich "kotze" gewaltig! Darum ist mein Posting wieder mal viel zu lang geworden.


1.) BlueKO, ich finde es gut, daß du an der "Geschichte" in Griechenland "dranbleibst" bzw. sie hier publik machst.

Ich hatte in den letzten Tagen sehr wenig Zeit, um Nachrichten zu konsumieren. Beim "Überfliegen" des Forums ist mir "nur" aufgefallen, daß der Thread von "freiwild" geschlossen wurde. Sowas gab es hier noch nie! 100%ig sicher!

2.) Danke freiwild, daß du meine Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt hast!

3.)
Ich bin einverstanden, sicher gibt es viel Grundlegenderes als öffentliche Rundfunksanstalten, bspw. die Sicherstellung einer ärztlichen Grundversorgung, öffentlicher Wohnraum, Erziehung, aber das alles steht in den Krisenstaaten doch längst auch in Frage. Mit dem bisherigen Kurs werden die Spannungen noch viel weiter zunehmen. Das wird uns erst bewusst werden, wenn Europa richtig im Eimer ist. Wir sind auf dem besten Weg dorthin.

Genau so ist das, divy! Das ist genau "meine Rede" - seit Jahren! "Wir" (als Steuerzahler in DE) werden uns noch "umgucken", was mit unseren "Steuer-Milliarden" passiert!

Gerade Südeuropa (Spanien, Portugal, Italien... Griechenland, aber auch Frankreich) "kocht" wegen der erschreckend hohen Jugendarbeitslosigkeit. Das ist eine tickende Zeitbombe! Oder glaubt hier jemand ernsthaft, daß die Jugend in diesen Ländern tatenlos zuschaut und freiwillig "rumgammelt"? Da fliegen schnell mal Steine...



Hier geht es primär darum, daß man als junger Mensch keine berufliche Perspektive hat. Die komplette "Familienplanung" (und damt letztendlich auch der "Generationenvertrag" für die Rente) gerät ins Wanken!

Man muß wirklich kein "Linker" sein, um sagen zu können, daß wir gerade den Anfang vom Ende des Kapitalismus miterleben. Etwas genauer:

- Die Produktivität der Industrie (auch Landwirtschaft) ist heute enorm
Man "braucht" heute relativ wenige Arbeitskräfte, um all die Waren und Werte zu (er)schaffen. Das Problem dabei ist, daß nur ein Teil der Bevölkerung an diesem Prozess beteiligt ist und "gutes Geld" verdient.


- Die Erhöhung des "Renteneintrittsalters" ist eine Farce
Kein Zweifel, die "allgemeinen Lebensbedingungen" der "Arbeiter" haben sich in den letzten 100 Jahren extrem verbessert. Das beginnt schon bei der Ernährung. Fortschritte in Medizin (z.B. Krebsvorsorge, Gesundheitcheck ab 35 aller zwei Jahre...) und Technik (Automatisierung, Abschaffung schwerer körperlicher Arbeit) haben weiterhin zu einer allgemein höheren Lebenserwartung geführt. Man lebt heute im Schnitt länger. Und?


Kann mir bitte jemand knallhart erklären, warum man in DE heute mindestens "45 Jahre" sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen muß, um die "volle" Rente zu bekommen?


Warum werden ungezählte Überstunden geleistet? Warum "leistet" sich unser Staat (das sind "Wir") eine Arbeitslosigkeit von (geschönten) 5%? Mit "Umschulungen" etc. und den Familien, die hinten "dranhängen", kann man problemlos von 10% ausgehen.

Warum erlaubt unser Staat überhaupt "Hungerlöhne" und unterstützt damit "frühkapitalistische Geschäftsideen", indem er den gezahlten Hungerlohn mancher "Unternehmer" aus Steuermitteln "aufstockt"? Aber Hallo! Das ist _unser_ Steuergeld! Aber niemand regt sich ernsthaft darüber auf! Uns geht es hier in DE einfach noch zu gut. Die "Krise" ist noch nicht überall in DE und auch noch nicht in allen Schichten angekommen. Aber keine Angst, das wird noch...


Wie soll man als "Durchschittsdeutscher" überhaupt angemessen fürs Alter vorsorgen, wenn man

a) nicht gleich mit 17 ins (hoffentlich erfolgreiche und ununterbrochene) Berufsleben starten kann
b) für seine "Arbeit" schlecht bezahlt wird (Bitte nicht vergessen: Wir haben in DE seit Jahren einen "Reallohnverlust"!)

Wohin all diese "Fehlzeiten" oder "Versorgungslücken" führen, sehen wir doch schon heute besonders in Westdeutschland. In den 1960/70ern war es "im Westen" überaus "schick", wenn nur der Mann arbeitet und das Geld verdient. Die Frau war von Beruf "Hausfrau" und hütete Kinder, Haus und Herd. Heute leben diese Frauen mitunter nur von der Witwenrente - und von Sozialleistungen!


Auf den Punkt gebracht:
Es findet also schön längst eine Umverteilung des Reichtums unserer Gesellschaft statt, um den "sozialen Frieden" zu sichern. Dieser Reichtum wird zum Teil - über die Lohnsteuer/Rentenbeiträge - von den Teilen der Bevölkerung erbracht die das Glück haben, lange Jahre einer einigermaßen gut bezahlten Arbeit nachgehen zu können.

Das ist doch ein totaler Widerspruch, wenn andererseits praktisch 10% der arbeitsfähigen Bevölkerung "durchgefüttert" werden!

In den Verhandlungen der Gewerkschaften mit den "Arbeitgebern" (schon allein dieses Wort gehört auf den Müllberg der Geschichte), geht es primär ums Geld - mehr Geld. Wer etwas genauer hinschaut wird schnell merken, daß es heute nicht nur "ums Geld" geht. Vielmehr steht der Faktor "Zeit" auf der Tagesordnung.

Die "Arbeitnehmer" wollen einfach mehr Zeit für die Familie - oder ganz einfach - mehr Freizeit! Sie wollen auch flexiblere Arbeitszeiten (Gleitzeit), beispielsweise, um dem Irrsinn des "Berufsverkehrs" etwas ausweichen zu können. In den "Ballungszentren" gehen Tag für Tag allein für den "Weg zur Arbeit und zurück" Millionen Stunden "Freizeit" drauf. "Berufsverkehr" ist ökonomisch und energetisch gesehen der totale Unfug!

Unsere technisch hochentwickelte Gesellschaft ist einfach nicht in der Lage dieses Problem zu lösen, zumal mindestens 5% der arbeitsfähigen Bevölkerung "auf der faulen Haut" liegt. Ja, man kann eigentlich froh sein, daß diese 5% nicht auch noch am Berufsverkehr teilnehmen! So meine ich das aber sicher nicht. ;)



"Job-Sharing" ist ein Ansatz, aber bitte nicht in der Form der allseits bekannten "Zeitarbeit" mit all ihren Auswüchsen, für die letztendlich die Allgemeinheit bezahlt! Das ist frühkapitalistisches Denken und - knallhart gesagt - Menschenhandel, Sklaverei!

Natürlich brauchen die Firmen in DE "hochqualifizierte" Mitarbeiter - keine Frage! Und die Firmen wünschen sich einfachere Regeln für die Einstellung von "Arbeitnehmern". Hierbei geht es primär um die "lästige Bürokratie", die beispielsweise schon entsteht, wenn jemand nur stundenweise aushelfen soll. An dieser Stelle muß also etwas getan werden. Aber bitte mit Weitsicht und Augenmaß!


Brauchen "wir" ausländische Fachkräfte?
Wenn man "ausländische Fachkräfte" aus Gründen der "Gewinnmaximierung" mit "billig" gleichsetzt, dann brauchen deutsche Firmen - so sie überhaupt noch Steuern in Deutschland zahlen - natürlich "ausländische Fachkräfte". Kurzum: Personalkosten sind Scheiße, die Löhne in Deutschland zu hoch! Geschenkt!

Wenn man sich aber die Mühe macht und genauer darüber nachdenkt oder einen Schritt zurückritt, sieht "die Welt" - aus deutscher Sicht - schon ganz anders aus...

Praktisch gesehen - und da führt auch kein Gelaber im Bundestag vorbei - bezahlen deutsche Firmen über Steuern und Abgaben schon längst die "Jugendarbeitslosigkeit" im Land. Warum tut ihr das freiwillig? Warum wollt "ihr" unbedingt einen "Inder"? Weil er nichts versteht, sein Maul hält und nicht dumm rumzickt? Das wäre der falsche Ansatz.

Warum wird das ganze Geld nicht in die Bildung "unserer Kinder" gesteckt und damit in unsere eigene Zukunft investiert? Ja, mit etwas Weitsicht investiert man damit auch in den lokalen Wirtschaftskreislauf "Deutschland". Deutschland ist nicht nur Exportweltmeister (sehr schön!) sondern hat auch einen Binnenmarkt. Und der beginnt schon beim "Handwerker um die Ecke" - und schaukelt sich hoch...

Warum bekommt "die Jugend" keine festen Jobs, sondern wird mit lächerlichen Zeitverträgen abgespeist? So kann man einfach keine Zukunft planen oder gar eine Familie gründen! Das wäre unverantwortlich! Andererseits "nötgt" unsere Gesellschafft ältere "Arbeitnehmer" zu mindestens 45 Jahren "Zwangsarbeit"!

Hört mir auf! Was soll dieser Scheiß?

Wäre es nicht sinnvoller, wenn "die Alten" ihre ganze Erfahrung im Beruf - und meinetwegen auch aus dem Leben - völlig streßfrei an die "Jugend" weitergeben können und damit z.B. den Fortbestand einer "kleinen" Firma garantieren? Damit zieht man über die Jahre einen echten "Fachmann" heran, der jeden Trick kennt und auch in Notsituationen einen kühlen Kopf bewahrt.


Wollt ihr immer noch einen Inder?






Und jetzt bitte ganz genau nachdenken!


Normalerweise" (laut Marx, Engels & Lenin) wird der Sozialismus den Kapitalismus als Gesellschaftsordnung ablösen. Wer genauer darüber nachdenkt, wird zu keinem anderen Schluß kommen. Leider hat der "real existierende Sozialismus" - in der Form der Sowjetunion (nach 1917) und den im Machtbereich der SU befindlichen Staaten (nach 1945) - ein ganz schlechtes Image und sehr viel Schaden angerichtet. Das kann selbst ich - als relativ links angehauchter Zeitgenosse - nicht leugnen.

Der Begriff "Sozialismus", als alternative Gesellschaftsordnung, ist in den Köpfen der heute noch lebenden Generationen einfach "verbrannt". Das ändert aber nichts an den Auswüchsen des Kapitalismus, an die wir uns möglicherweise schon gewöhnt haben...
 
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