Harald Schmidt in "Titanic"

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Rösselmann

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Vorsicht, Fernsehthema!

Da der Abgang von H. Schmidt auch hier ein Riesenecho ausgelöst hat und ich weiß, daß die Pflichtlektüre des deutschen Radiojournalisten nicht etwa "Titanic", sondern die "Bild"-Zeitung ist, erlaube ich mir, folgenden Artikel aus der Titanic-Humorkritik dem geneigten Publikum anzuempfehlen:


"Die letzte Originalsendung der "Harald Schmidt Show" ist, zumindest auf Sat.1, verstrahlt, ein letztes Mal wurde das große Familienfernsehen mit Manuel, Helmut, Suzana und Sven zelebriert, und hinterher wirkten alle irgendwie erleichtert. Am meisten Schmidt selbst.
Knapp fünfzig Jahre nachdem ein Musikkomödiant namens Steve Allen im amerikanischen Fernsehsender NBC zum ersten Mal den späten Mix aus tagesaktueller Stand-up Comedy und Plauderei installierte, geht die erste gelungene Kopie dieses Formats aus deutschen Landen nach acht Jahren vom Sender. Sein zuvor gestecktes Ziel, er wolle seine Spätnachtshow "ewig" weiterführen, mindestens aber "gute fünfzehn Jahre", hat Schmidt somit nicht erreicht - der Titel des "Late Night Kings" (Bunte) wurde ihm nichtsdestotrotz bereits mehrfach verliehen. Sein historisches Vorbild Johnny Carson, der in Amerika schon vor Jahrzehnten zum "Late Night King" erkoren wurde, hatte wie Schmidt als Moderator alberner Spielshows begonnen; seine Spätnachtsendung verweste er indes volle dreißig Jahre.
Ungeachtet seiner gewaltigen Verdienste um den guten, schnellen und hellen Witz, darüber hinaus seiner freundlichen Bereitschaft, sogar einen TITANIC-TV-Piloten zu produzieren u.v.a.m. - ein Großteil der Errungenschaften, die man Harald Schmidt unterjubelte: freilich waren auch sie, wie Format, Optik und Attitüde seiner Sendung, hochgradig geklaut, nämlich von Johnny Carson und seinen Sukzessoren David Letterman und Jay Leno (TITANIC 10 u. 11/1996). Längst bevor Schmidt auf Sendung ging, saß Mr. Letterman in einem Studio mit rotem Fußboden und holzgerasterter City-Rückwand, strahlte Sendungen in Dunkelheit, in fremder Zunge und auf den Kopf gestellt aus, kommentierte Fahrstuhlrennen im Bürogebäude oder schmiß Melonen vom Studiodach. Einen rechtslastigen Showmasterkollegen fragte er vor laufenden Kameras sehr freundlich: "Passiert es Ihnen manchmal, daß Sie nachts aufwachen und denken: ›Ich bin eigentlich nichts als ein dampfendes Stück Scheiße?‹" Dergleichen hörte man Schmidt freilich nie fragen.
Daß das hauptsächlich vom Bildungsbürgerfeuilleton als nationale Katastrophe heraufbeschworene Ende der "Harald Schmidt Show" schnell und schmerzlos kam, auch dafür muß man Schmidt dankbar sein; er hatte mindestens das letzte Jahr weit über seine Verhältnisse gelebt. Die gar nicht mehr so häufigen komischen Glanzleistungen, die die Feuilletonerie in schöner Regelmäßigkeit zitierend und jubelnd voneinander abschrieb (Sendung auf französisch, als Augsburger Puppenkiste, Theaterstücke mit Playmobil blabla etc.) - sie konnten nicht über die Fadheit endloser Spielszenen in Betten, im Sanitärsurrounding, in der Auslegeware hinwegtäuschen.
Blödsinn allerdings, Schmidt ernsthaft an seinen Quoten zu messen, wie dies geistlos hämisch von Spiegel über Süddeutsche bis FAZ naturgemäß wieder alle taten: Er habe in letzter Zeit nicht "den Erwartungen" entsprochen usw. usf. - sich aber nach notorisch unseriös ermittelten Zuschauerquoten zu richten, hieße, sich dem Diktat der universalen Dummheit zu unterwerfen, und wenn man auch Schmidt einiges an Zynismus und Kaltblütigkeit unterstellen mag, so weit reicht, halten zu Gnaden, seine Perfidie dann doch nicht.
Egal, die Kultur-, die sich hier bedingungslos zur Fernsehberichterstattung machte, vergoß seitenweise sinnlose Tränen, allen voran die haltlos peinlich agierende FAZ. Beheult wurde nicht nur Schmidts vermeintlicher, sondern vor allem auch Manuel Andracks wahrscheinlich tatsächlicher Wegfall. Denn Schmidts redaktioneller Sidekick war, noch vor seinem Chef, der Liebling restlos aller Medienjournalisten. In ihm, dem adipösen Brillenträger vorm Flachbildschirm, erkannten und erträumten sie sich selbst. Endlich einer von uns! Ein Redaktöööör! Und dann auch noch im Fernsehen! Dem Schmerz über die abgesetzte Sendung wohnt die Angst vor der womöglich eigenen bevorstehenden Entlassung inne.
Im Rahmen der Abgangsfeierlichkeiten stellte uns Schmidt noch einmal sein vielköpfiges technisches und redaktionelles Personal vor, und man konnte staunend mitzählen, welch betrieblicher Wasserkopf sich da angesammelt hatte: Außenbeleuchter, die längst keiner mehr brauchte, Einspieler-Autoren, die vom Glanz vergangener Tage zehrten, Gagschreiber, die sich ihre Themen über Jahre hinweg ausschließlich vom Boulevard vorgeben ließen. Als wenn das eh schon hochfrisierte Geschrei der Bild-Zeitung noch eines satirischen Finishs bedurft hätte.
In allem Ende haust Neubeginn, und mehr Anfang war nie. Lächerlich zu glauben, daß ein so sehr auf Außenwirkung wie auf Höchstgagen fixierter Entertainer wie Schmidt "die Brocken" (FAZ) hinwürfe. Nun jedoch darf man sich erst mal unbotmäßig freuen: auf Ank. Engelke, die uns Sat.1 als Schmidt-Nachfolgerin andienen wird, auf die Gerüchte, die die Medienjournaille bis zum fröhlichen Erbrechen aufkochen wird, und freilich auf Schmidts nächste Sendungsserie, auf die wir bestimmt nicht länger als bis September werden warten müssen - wetten?"
(Hans Menz)

-Fortsetzung folgt-
 
-Teil 2-

"Anke Engelke jedenfalls wünsche ich bei ihrer im Frühjahr vom Stapel laufenden Late-Night-Show schon jetzt viel Glück; sie wird es brauchen. Denn auch wenn man den direkten Vergleich mit "Gott" (Engelke) Harald Schmidt beiseite läßt, so fehlt seiner Nachfolgerin doch auch fürs traditionelle, nicht-avantgardistische Spätnachtgeschäft mindestens die selbstgewisse Haltung und Pose des Souveräns, der vorm Zubettgehen noch mal Hof hält und mir energisch das Einschlafen verbietet.
"Ladykracher" ist eine nie ganz schlechte, in guten Momenten sogar sehr gute Show, die von Engelkes schauspielerischen Qualitäten lebt. Entsprechend schlimm sind ihre die Filmsketche einrahmenden Stand-up-Auftritte, die sie nicht spielen darf, sondern ableisten zu müssen scheint. Von den ganz und gar einfältigen und immergleichen Menstruations- und Fickwitzchen ihrer Moderation abgesehen, ist sie, wie sie da alleine und stets schon schüchtern auf der Bühne steht, in keiner Sekunde souverän; geradezu spürbar ihr Lauern auf Lacher, ihre völlige Abhängigkeit von der Sympathie des Publikums, ihr unbedingter Wille, geliebt zu werden - den hat man als Late-Night-Matador natürlich auch, darf ihn aber nicht zeigen, denn ohne ein Mindestmaß an Herablassung ist die komische und Late-Night-konstitutive Rolle des ewigen Bescheidwissers nun mal nicht zu haben; nicht zu reden von den Möglichkeiten, welche der Distanzierung mindestens von Publikum und Gästen, maximal sogar, wie bei Schmidt, der von Form, Format und Medium innewohnt.
Auffällt auch und ins Bild paßt, wie unsicher Engelke generell jenseits des rein Schauspielerischen ist, wie sie in Interviews zwischen grober Ironie plus Faxenmacherei und dem Privat-bin-ich-ganz-ernst-Ton des reifen Komikers wechselt und so die Chance vertut, mal nicht die Ulknudel mit den tausend Gesichtern zu sein - die sie spätnachts nicht sein darf, wo eine wenigstens halbernste mater familias, wo immer auch Conferencier und Anchorman, Kulenkampff und Wickert benötigt werden, um die Themen erst einmal seriös zu präsentieren, damit die Punchline was zum Schlagen hat.
Oder plant sie dreiviertelstündige Dauersketche und weiß auch gleich, wie das viermal die Woche zu bewerkstelligen wäre? Ich wüßt' es nicht."
 
@ rösselmann:

Das ist doch wohl ein Fernsehthema, oder? :D


Davon ab: Ich teile die "Titanic"-Einschätzung über Engelke 100%ig, nicht jedoch die über Schmidts angeblich nachlassene Originaität. Wenn man sich jetzt die "legendären" Wiederholungen anschaut, freut man sich zwar über den langen Monolog, stellt aber fest, daß das Niveau der Sendung damals mit dem zum Schluß bei weitem nicht mithalten kann.
 
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