Ist heute wirklich alles besser? - Wenn ja, warum?

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Wie verstehst Du den Programmvielfalt?
Auswahlmöglichkeit zwischen vielen verschiedenen Radioformaten und -genres. Wenn ich auf UKW 25 Programme empfangen kann, darunter aber 18 Programme 08/15-Musik mit lustigen Morningshows dazwischen bringen (CHR, AC und artverwandtes), 3 Hochkultur, 2 Schlagermusik und 2 Infodudelei, aber keines anspruchsvolle Unterhaltung, keines Independent, keines Rock, keines Hintergründe, keines House, keines Urban, keines Weltmusik, keines Talk usw. ist das für mich keine Vielfalt.
 
Entschuldige, aber, du selbst bemängeltest in anderen Freds bereits, dass manche der 45 lokalen Privatsender in NRW ihr Programm so dermaßen gekürzt und eingespart haben, dass es keinen Spaß mehr mache, dort zuzuhören. Des weiteren warst Du einer derjenigen, die bemängelten, wenn ich mich recht entsinne, dass in Mülheim/OB immer mehr Automation und immer qualitativ schlechtere Moderationen zu hören waren.
Lese bitte Beitrag 12. Ich wiederhole mich:
Mit dem Satz "In Nordrhein-Westfalen ist das Rundfunkangebot heute besser als früher" habe ich die sechs Hörfunkprogramme des WDR gemeint. Nur der Vollständigkeit halber habe ich auch die 45 Lokalradios aufgeführt. So wird man missverstanden.
 
Wenn ich auf UKW 25 Programme empfangen kann, darunter aber 18 Programme 08/15-Musik mit lustigen Morningshows dazwischen bringen (CHR, AC und artverwandtes), 3 Hochkultur, 2 Schlagermusik und 2 Infodudelei, aber keines anspruchsvolle Unterhaltung, keines Independent, keines Rock, keines Hintergründe, keines House, keines Urban, keines Weltmusik, keines Talk usw. ist das für mich keine Vielfalt.

Du bekommst all' das und noch viel mehr. Wenn Du es bezahlst! Wünschen kann man sich viel. Es will jedoch bezahlt sein.
 
@Apamén: Natürlich lässt sich das bezahlen, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen:

1. Die Betriebskosten müssen durch Werbung refinanzierbar sein

2. Das Programm darf nicht in rein kommerzieller Absicht betrieben werden
 
Hey, wir sollten - trotz Defizite - wirklich stolz sein auf unser deutsches Radiosystem! Wir haben mit die beste Radiolandschaft weltweit. Und das ist ein Grund, manches, was mies ist, zu verbessern suchen. Aber bitte nicht durch persönliche Beleidigungen oder Diffamierungen, denn so kommt man nicht weiter. Früher mag alles besser gewesen sein, ja. Da gab's nur drei TV-Programme und vielleicht drei Radio-Programme. Ganz früher nur ein Radioprogramm! Die vielfältigen Stimmen unseres Landes kann man durch das Medium Radio perfekt abbilden. Da aber unsere Kultur beständig im Wandel ist, muss sich das Medium "Radio" eben diesen Veränderungen auch anpassen. Dabei können selbstverständlich Reibungsverluste entstehen; diese sind, je nach Sender, mal größer, mal kleiner. Aber nur durch tägliches Ringen, durch die Aufmerksamkeit gegenüber dem Hörer und dem respektvollen Miteinander von Hörer - Sender können Sender besser werden.
Und, sind wir doch mal ehrlich: Durch die vielfältigen kulturellen Einflüsse, zum Teil auch durch subkulturelle Einflüsse innerhalb unseres Landes, sei Radio weniger eine Bremse, sondern viel eher Sprachrohr dieser Veränderungen. Die Einflüsse sind wirklich stark, man muß sie nutzen, für sich entdecken und durch Radio dem Menschen zugänglich machen.
Früher war nicht unbedingt alles besser, es war vieles einfacher. Aber das änderte sich mit dem Begriff der Globalisierung. Auch der Radiomarkt hat sich der Globalisierung angeschlossen, mit teilweise dramatischen Veränderungen. Das führt dazu, daß sich Sender im Klangbild angleichen.
Heute ist nicht wirklich alles besser, es ist breiter gestreut, ja sogar, vielleicht wie auf einem Bazar. Der Radiomarkt gleicht einem solchen. Nur, die wenigsten Hörer kriegens nicht mit, weil sie sich für die Hintergründe des Senders, der zu ihrem Leib-und-Magen-Sender geworden ist, nicht interessieren. Dadurch können Berater auch so viel "Veränderungen" ins Spiel bringen, weil sie die Funktion dieser nicht mehr vorhandenen kritisch nachfragenden Hörer eingenommen haben, aber mit kräftigem Investitionsprogramm ausgerüstet, den Sender nach ihrem gusto ausrichten, nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an. Leider sind dadurch die Sender immer mehr verwoben und dadurch auch immer mehr gleich oder ähnlich geworden. Daher muß man wieder Sender fördern, die wirklich unabhängig sind, a) von Geldbeuteln dubioser Medienberater, b) die aber auch risikofreudig sind und die Kultur im wesentlichen fördern. Dadurch gewinnt die Radio-Kultur an Form, und das Ganze wird zu einem großen Ganzen.
 
Du bekommst all' das und noch viel mehr. Wenn Du es bezahlst! Wünschen kann man sich viel. Es will jedoch bezahlt sein.
Das ist selbstverständlich. Und das gilt für alle Formen der Finanzierung, sei sie über Steuern, über Rundfunkgebühren, über Spenden, durch Pay-Radio oder (indirekt über Werbung und die Industrie) durch den allgemeinen Konsumenten.

Allerdings heißt das nicht, das jenseits von Hitradios und GEZ-finanzierter Hochkultur nur Pay-Radio möglich sei. Ich behaupte, dass das frei empfangbare Radio in Deutschland wesentlich vielfältiger sein könnte, wenn wir einen funktionierenden Radiomarkt hätten. Warum wir den nicht haben, habe ich ja oben in Beitrag #16 beschrieben.
 
Was muss ich denn bei der MA antworten, wenn ich ausdrücken möchte, dass ich niveauvoll unterhalten werden möchte?

Völlig egal, das interessiert die Fragenden nicht. Ich wurde vor Jahren selber mal zu meinem Radiokonsum (der extrem gering war) befragt, und auf meinen Einwurf, ob es sie denn nicht interessiere, *warum* ich keinen der in der Befragung genannten Sender höre, kam nur als Antwort (sinngemäß), daß das uninteressant wäre.

Funktioniert die MA nicht eher so, dass der Sender, der vorne liegt, dies auf seine Flachformatierung zurückführt, und der Sender, der hinten liegt, noch weiter flachformatiert, um beim nächsten Mal wieder vorne mitzuspielen. Und dass die MA ziemlich wenig mit der tatsächlichen Radionutzung, geschweige denn mit den Wünschen "der Hörer" zu tun hat?

Naja, die Zahlen belegen leider eindeutig, daß, je flacher ein Sender formatiert ist, umso größer die Einschaltquoten sind.
Antenne Bayern und Bayern 1 sind die besten Beispiele dafür.
 
spezi schrieb:
Auch die meisten anderen Privaten machten in der Startphase einfach mehr Spaß. Antenne Bayern, FFH, Regenbogen, ffn - die fand ich alle mal recht gut
Aus dem Zusammenhang gerissen, aber dieser Satz ist richtig. Ich würde von vier Phasen sprechen:
1. Das graue Voralter, geprägt durch den Missbrauch des Radios als Propagandainstrument Man kannte und wollte es nicht anders, Privat- oder gar Popradio durfte es nicht geben.
Als sich 1955 ab Bill Haley's Rock around the clock eine Popkultur entwickelte, wurde dies ignoriert und fand nur stundenweise statt. Bei der BBC bis 1967 nur zwei Stunden pro Woche! Der post-war-babyboom brach sich anders eine Bresche, siehe mein avatar. Jener rv01 hat es ja dauernd angeführt und damit nicht Unrecht gehabt.
Die bundesdeutschen Zustände hatte ich beschrieben. Ähnlich war es bei der BBC, da musste man mindestens 35 Jahre alt sein, um überhaupt vor das Mikrofon zu kommen. Um dann mit gestelzten Ansagen den midday-spin fahren zu dürfen.

2. Aufkommen der Servicewellen, aus denen dann die dritten Programme wurden. Bis dahin gab es einen Vietelstundengemischtwarenladen als erstes Programm und Klassik und Kultur als zweites. Selbst die dritten, poporientierten Programme unterlagen Reglements. Bei hr und br musste man sich alles absegnen lassen, nur swf3 war von der Musikzusammensetzung und Präsentation absoluter Vorreiter. Deren UKW-Frequenzen ragten wie die von Radio Luxemburg weit bis nach NRW hinein, sodass es im nördlichen Rheinland doch etwas Alternative gab.

3. Zulassung der ersten Privatradios. Es war eine Aufbruchstimmung und jahrelang wurde hier Pionierarbeit geleistet. Diese Stationen hatten nichts, gar nichts. Einer meiner Kollegen hat hintereinander drei Sender mit Musik versorgt und aufgebaut.
Es war ja nichts da- ein Archiv musste eingekauft und erst aus dem Boden gestampft werden, eine Sysiphosarbeit.
Eine Stunden- und Musikuhr war zwingend notwendig. Dinge, die die öffentlich-rechtlichen Sender nicht kannten. trailer, jingles, freie Moderation? Das war den öfftl-rechtlichen fremd.
Format und Zielgruppe? Irgendwo mal gehört, was ist das?
In den Anfangsjahren klang das private Radio fast überall frischer, lebendiger und besser als der bisherige Monopolfunk. Nur SWF3 konnte dagegen anstinken.
Und die Privaten mussten klein anfangen. Viele wie RPR bekamen erst drei Funzeln zum Start, Mannheim, Mainz und Koblenz.

Der Einwand von einem User, dass er nicht über ffn diskutieren möchte: Schon Eckis Grenzwellen vergessen?
Redaktionell haben sie sich sprichwörtlich den Hintern aufgerissen, um mit wenig manpower und ohne Korrespondentennetz die gleichen Inhalte wie die öfftl.-rechtlichen Sender anzubieten. Die Betonung lag immer auf lokal und regionale Berichte, um damit dem alteingesessenen Mitbewerber die Hörer abspenstig zu machen. Formate wurden reichhaltig und mit regelmässigen Austausch des Musikangebots gefahren.

4. Phase: Die Studien über Mediennutzung besagten eindeutig, dass das Radio mehrheitlich als Berieselungsmashine und nebenbei genutzt wird. Die wirklich aktiven Zuhörer traf man bei der Fahrt zur und von der Arbeit und morgens beim aufstehen an. Daher auch die geballte Aufmerksamkeit einer Morgenshow als primetime. Daher auch die minimal geladenen Musikangebote. Und daher auch der Zwang, bei den öfftl.-rechtlichen Popwellen ebenfalls auf Nebenbeimedium umzustellen, um nicht dramatische Hörereinbussen hinzunehmen.

Auf die Eingangsfrage eingehend kann man sagen, es hat sich viel verändert.
Bezogen auf meine Phase 3 kann man sagen, es ist tatsächlich besser geworden.

Ich ordne Phase 4 als momentane Stagnationsphase ein. Die Studien und die Wirtschaftslage ermutigen nicht, etwas Neues auszuprobieren. Es fehlt Startkapital, es fehlen Frequenzen und liberale Mediengesetze.
Wieder sind kleine Sender die Vorreiter einer neuen Entwicklung, die wohl mit dab+ die Phase 5 einläuten wird: Nischen- und Spartenprogramme aus privater Hand.
Ich nenne exemplarisch mal Radio Paloma. Ich mag überhaupt keine Schlager, aber wenn sie es wirklich wagen, dann sollten sie auch die eine Frequenz in Berlin bekommen. Hoffentlich haben sie mehr Erfolg als Radio Melodie.
Weitere Nischenangebote sind Bob!, Sunshine live und egoFM.
 
@Apamén: Nochmal: Wieso versuchst Du zu suggerieren, dass werbefinanzierte Spartenprogramme nicht realisierbar seien?
Nur weil es sie auf UKW in Deutschland kaum gibt?

Irgendwelche provokanten Thesen in den Raum zu werfen, ohne sie näher zu begründen (was wohl zur Provokation dazugehört), scheint Dir wohl Spaß zu machen...oder muss man etwa so eine stumpfsinnige Haltung verinnerlicht haben, wenn man heutzutage bei einem Hitdudler beschäftigt ist, um keinen Burnout zu bekommen?
 
Internetradiofan hat recht!
Nur zu Erinnerung: 60 Prozent aller Radiosender in den USA sind keine Hitstationen (AC, CHR)!! An die Politik: Erleichtert endlich die Zugangsbedingungen zum "Hörermarkt", statt die trägen Dinos (Radio NRW, ABY) mit ihrer Abzockmasche gegen Konkurrenz abzuschotten. Oder wulfft Ihr alle ohne Ausnahme?
 
Die Macht des Faktischen gibt natürlich vordergründig Apéman Recht. Aber er springt ein bisschen zu kurz, wenn er nur darauf schaut, welche Sender Quotenerfolge und damit wirtschaftliche Erfolge feiern, weil er das Medium Radio damit ausschließlich auf ein Geschäftsmodell reduziert, auf ein beliebiges Wirtschaftsunternehmen, bei dem es ausschließlich ums Geldverdienen geht. Wenn die Rendite ausbleibt, macht man es nicht mehr, beziehungsweise investiert dann lieber in eine Drogeriekette oder in Handy-Shops oder was auch immer, völlig egal.
Damit hat er aber Radio nicht verstanden.
Die Diskussionen hier werden ja vor allem deshalb so verzweifelt geführt, weil sich daran Leute beteiligen, die wissen, was Radio alles könnte, wenn man es mal aus dem Kommerzjoch befreien würde. Dieses Medium ist so genial in seinen Fähigkeiten, dass man wahnsinnig werden muss, wie wenig sie genutzt werden.
Aktualität, Authentizität, Emotion, Überraschung - das wird in 95 Prozent aller Sender nur gespielt - bzw. gefaked - obwohl es das ist, was Radio von nahezu allen anderen Medien unterscheidet. Musik - ein großes, weites, verblüffendes und faszinierendes Universum voller Galaxien. Und was passiert in Deutschland: Ein- zwei Planetensysteme finden statt, der Rest ist Finsternis. Das ist der eigentliche Jammer - dass all diese Potenziale ungeschöpft bleiben, weil die deutsche Medienlandschaft in die Fänge von Betriebswirten, Controllern und Feiglingen geraten ist.
 
An die Politik: Erleichtert endlich die Zugangsbedingungen zum "Hörermarkt", statt die trägen Dinos (Radio NRW, ABY) mit ihrer Abzockmasche gegen Konkurrenz abzuschotten.
Volle Zustimmung!

Im lokalen und sublokalen Bereich sind noch Frequenzen, die sich nicht zum Aufbau von Gelddruckmaschinen eignen, vorhanden; diese sollten endlich koordiniert und an unabhängige Anbieter vor Ort vergeben werden. Derer gibt es genug: In Deutschland existieren schätzungsweise an die 8000 Webradios. Was spricht dagegen, diesen die Möglichkeit einzuräumen, mit geringen Leistungen (5 bis 10 Watt) auf UKW auf Sendung gehen zu können, um auf diese Weise bspw. einen Stadtteil oder eine Kleinstadt zu versorgen?
 
Gestattet mir kurz, mit einer kleinen Legende in diesem Thread aufzuräumen, was die "Vorlage und Abnahme" von Moderationen beim hr betrifft. Mir ist aus meiner eigenen Zeit (ab 1979) und auch aus Erzählungen von ModertorInnen der Jahrzehnte zuvor nicht erinnerlich, dass Manuskripte dem Chef vorgelegt werden mussten, damit dieser sie eventuell zensierte. Möglicherweise war das aber zunächst so bei Radio Frankfurt, als die Station noch ein Sender der amerikanischen Militärregierung war. Wohl aber gab es - und gibt es immer noch - Moderationen, die schriftlich fixiert waren, die in Zusammenarbeit mit einer ganzen Redaktion entstanden oder die schlicht im Vier-Augen-Prinzip vom Redakteur oder Producer noch einmal gegengelesen wurden, damit keine inhaltlichen Klöppse drinne waren. Das war und ist ein guter Brauch. Wie es mit Manuskriptvorlage bei anderen Sendern war, kann ich allerdings nicht sagen.
 
@laser558
mit den vier Phasen gebe ich Dir recht - das sehe ich genauso. Damals wohnte ich im südlichen S.-H. - gehört wurde ffn. Eckis Grenzwellen am Sonntag abend waren toll. Das vielzitierte Frühstyxradio war kult. Privatradio zeigte es den ÖR und es war noch nicht alles profit.

Was den Privaten Special Interest fehlt sind landesweite Frequenzen. Hier hoffe ich weiterhin stark auf DAB+, damit Klassik, Rock, Elektro und Jazz eine Chance haben. Es würde auch heute noch eine Jazzwelle plus geben, wenn wir uns nicht in föderalen Kleinstaatereien ergeben würden. Natürlich kann man dann wiederum meckern über das, was KlassikRadio oder SSL versenden, aber in der Nische geht nur massenkompatibles. Mit Zwölftonmusik in der morgendlichen Primetime überlebt man halt nicht, wenn man Klassik profitabel verkaufen will/muss.

Das wäre nun eine Möglichkeit der ÖR sich zu profilieren. Man hat aber aus der Konkurrenz mit den Privaten gelernt - nur nicht immer den richtigen Schluß gezogen. Der ÖR darf auch mal mutig sein - nur ist er das leider viel zu selten. Warum muss ich bei Corso im dlf die angesagte Band "First Aid Kit" das erste Mal hören, warum wagt es nicht NDR 2. Über die sozialen Netzwerke könnte man sich umgehend Stimmungen und Meinungen der Hörer dazu holen. Mainstream hat es gerade heute so schwer, weil jeder sich seine Special Interests selber zusammen sucht. Das hat man lange übersehen können, weil man mit dem besten aus den 80er und 90ern die Bewegungen übertünchen konnte. Was war den der musikalische Zeitgeist im ersten Jahrzehnt, der die Massen berührt hat? Das Fernsehen hat das schon länger erkannt - ein Problem für die grossen Stationen, ein Gewinn für die vielen Kleinen.

Radio ist ängstlich geworden, die Gründe bekannt. Ist es nun also besser geworden. Ja, gegenüber vor 30 Jahren, nein gegenüber vor 20 Jahren. Nun muss sich Radio wiederum bewegen um nicht in der Versenkung zu verschwinden. Auf DAB+ tummeln sich nationale Spartensender - gutes gelingen. Radio ist auf jeden Fall nun wieder besser als vor fünf Jahren - man muss sich bewegen. In meinem aktuellen Wohnort (Nordharz) fühle ich mich über UKW/DAB+ so gut versorgt, das Internet-Radio kaum benötigt wird. Aber in meinem Alter falle ich ja auch bald aus den werberelevanten Zielgruppen...
 
Hörbub schrieb:
Radio ist auf jeden Fall nun wieder besser als vor fünf Jahren

Die Talsohle ist durchschritten, so sehe ich das auch. Jetzt geht es darum, die zarten Pflänzchen, die sich hie und da regen (auch unter dem Konkurrenzdruck durch Online-Angebote) zu hegen und zu pflegen.
 
Mir ist aus meiner eigenen Zeit (ab 1979) und auch aus Erzählungen von ModertorInnen der Jahrzehnte zuvor nicht erinnerlich, dass Manuskripte dem Chef vorgelegt werden mussten, damit dieser sie eventuell zensierte.
Wurden die Manuskripte (bzw. der tatsächlich gesagte Text) denn hinterher kritisch erörtert, so im Sinne "so etwas solltest Du künftig lieber nicht mehr sagen"? Der hr hat in dieser Hinsicht ja eine liberalere Tradition, aber in anderen Häusern soll das ein bisschen anders gewesen sein. Und spontan fällt mir ein SPIEGEL-Artikel aus den 70ern ein, in dem es um zensurierte Moderationen im NDR-Hörfunk ging.

Was spricht dagegen, diesen die Möglichkeit einzuräumen, mit geringen Leistungen (5 bis 10 Watt) auf UKW auf Sendung gehen zu können
Der Umstand das es, zumindest rechtlich, keine freien Frequenzen mehr gibt. Bestehende Sender haben ein recht weitreichendes Einspruchsrecht, was Neuaufschaltungen von "Störsendern" betrifft. Und die Landesmedienanstalten verstehen sich zumeist als Interessenverwalter der bestehenden Programme und haben kein Interesse an der Zulassung von Konkurrenzprogrammen. Die BLM in München etwa hatte deshalb von wenigen Jahren die Pläne des BR zunichte gemacht, on3radio auf UKW zu bringen, nicht etwa durch Neuaufschaltungen von Frequenzen sondern durch Umnutzung bestehender. Dagegen hatten die bayerischen Privatsender protestiert und sich somit durchgesetzt.
 
freiwild schrieb:
Der Umstand das es, zumindest rechtlich, keine freien Frequenzen mehr gibt.
Gerade in der von mir genannten, in kommerzieller Hinsicht weitgehend unbedeutenden Leistungsklasse gibt es noch Frequenzen.

Selbst mit höheren Leistungen (50 bis 100 Watt) ist vielerorts noch etwas koordinierbar, sofern Einzüge in bestimmte Richtungen vorgenommen werden.
 
Vielleicht eignet sich dieser thread, um einige Anekdoten aus der Radiovergangenheit ans Licht zu holen?

Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten beim Start des Privatfunks zwei Vorteile: Ein funktionierendes Korrespondentennetz und ein eigenes Musikarchiv.
Dieses bestand aus freiwilligen Bemusterungen der Industrie, sowohl Vinyl als auch Tonband. Die Mühe, dies zu archivieren, hatte sich kaum jemand gemacht.
Die Privatsender standen vor dem Nichts. Ich war so eben etwas über 20 alt und wurde für die Nachrichten und Lokalredaktion eingekauft. Eine neu startende Station mit provisorischem Mobiliar, 1987-1988.

Nachrichten war erst einmal nicht. Ich saß an einem Tisch mit zwei Dual-1210-Plattenspielern, einem Verstärker und einem Kopfhörer und hatte eine Stoppuhr in der Hand. Der Musikchef hatte mich angefordert.
Das neu eingekaufte Material musste erfasst werden! Jede Scheibe wurde in voller Länge abgehört, um die tatsächliche Länge zu ermitteln. Der ramp wurde ebenso abgestoppt.

Und alle Informationen kamen dann auf einen Bäpper links oben auf das Plattencover. Der Musikchef hatte sich ein System ausgedacht:
weiss für Neuerscheinungen, gelb für currents, orange für recurrents, hellrot für seventies Oldies, hellblau für sixties und ältere Oldies.
Einen Computer bzw. ein funktionierendes Musiksteuerungsprogramm gab es nämlich auch noch nicht. Aber auch dafür hätte man das Plattenmaterial erst einmal erfassen müssen.
Zum Glück war ich nicht allein, einige Schüler waren vom Sender zur Erfassung geholt worden.
Auf dem Bäpper dann per Edding die Informationen: ramp, Totallaufzeit. Französiche, spanische, italienische und Instrumentaltitel bekamen dann noch einen zusätzlichen Buchstaben auf den Aufkleber.
Gute Rückseiten und ausgewählte LP-Stücke wurde dann separat auf eine cartridge gezogen, die ebenso beklebt war.

Um die 5000 Titel sind damals per Schnorrliste an die Plattenfirmen, aber auch direkt vor Ort und Bestellung bei W-O-M und dem Bastro-Versand als Startausrüstung besorgt worden. Wir hatten es in einer rekordverdächtigen Zeit von knappen drei Wochen stehen. Gesendet wurde dann mit handgeschriebenen playlists unseres Musikchefs, die aber nach der Stunden- und Musikuhr aufgebaut waren.

Leute, das waren Zeiten!

ps: Nach einigen Beschwerden habe ich mal auf das sz verzichtet?!
 
Kommt mir bekannt vor, aus meiner Zeit bei einem 1989 an den Start gegangenen Privatsender. Ich habe von dort noch ungefähr 300 LP im Keller, bei denen genau solche "Bäpper" auf den Plattenhüllen kleben.
 
Kann ich bestätigen, nur war es bei mir keine Stoppuhr in der Hand, sondern so ein großes Ding, das damals bei Basketballspielen auf dem Tisch der Offiziellen am Rand des Spielfeldes stand. Diese Uhr war mit einer Feder ausgestattet und musste regelmäßig manuell aufgezogen werden.
Das alles passierte 1987 und wurde, da handschriftlich notiert, später in den Selector eingegeben. Bobby und Cart waren neben den Plattenspielern und den ersten CD-Playern das Handwerkszeug des Moderators.
Auch waren die Werbespots auf Cart und manchmal musste man hoffen, dass die Cartwall schnell genug wieder frei wurde. Der nächste Werbebreak musste ja auch noch vorbereitet werden.

2Stain
 
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