Musikplanung im Hörfunk: Völlig am Publikum vorbei?

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Eine wunderbare Diskussion, die Berater machen wie immer alles kaputt. Musiktests sind großer Unsinn. Radio ist in den Händen der BWLler.

Die Berater machen nichts kaputt, die arbeiten im Auftrag des Managements und der Eigentümer. Wenn die beschliessen kollektiv Unsinn zu betreiben, würden sie es auch ohne Berater hinbekommen und könnten sogar noch Geld sparen. Wer kein gutes Programm macht verliert über kurz oder lang Hörer. Es gibt genug Sender, die meinten sie sind schlauer als Markt. Beispiele gefällig: Alsterradio, PSR, Antenne MV... Schlechtes Programm = herbe Reichweitenverluste und auch Verlust der Marktführerschaft.

Musiktests, richtig die Radiomacher in entwickelten Märkten weltweit huldigen diesem Wahn. Keiner hört auf die mahnenden "Expertenstimmen" hier bei Radioforen. Ich war vor einigen Jahren einmal auf einem Radiokongress in USA. Dort wurde eine Morningshow ausgezeichnet. Format Alternative Rock in einer Stadt/Region um die 1.000.000 Menschen. Der Markanteil des Sender war so bei 2,5% in der Zielgruppe Männer bis 35 Jahren natürlich wesentlich höher. Trotzdem, die Finanzdecke bei so einem Sender ist ziemlich dünn. Die beiden DJs waren da, junge Typen so Mitte 20 und echter Alternativer. Der Moderator fragte die beiden DJs: Hee, was würdet ihr tun wenn der Sender die Show 50.000 $ bekäme? (Ausser Gehaltserhöhung) Die Antwort: Einen Programm-/Musiktest machen, damit wir noch besseres Programm machen können. Das ist natürlich kein stichhaltiges Argument, denn die Amis sind eh alle verstrahlt und was weiss ich noch, oder? Die Frage ist doch, was ist besser mit einem schwachen Licht sich in einer dunklen Scheune zurechtfinden oder ganz ohne Licht im Dunkeln herumirren?

Tja, wo soll denn das Geld für einen Sender herkommen? Ein Privatsender hat nur Werbeeinnahmen und geworben wird nur bei Sendern mit relevanten Reichweiten. Alle Medien finanzieren sich über den Vertrieb und über Werbeeinnahmen. Das soll beim Radio anders sein? Ich wünsche viel Spaß mit einem gemeinnützigen Sender der ständig Spenden einsammeln muss. Da laufen dann eben statt Werbespots permanent Spendenaufrufe. Ich würde das nicht einmal für schlecht halten. Das wäre ein ziemliche Rückkoppelung zu den Hörern. Das angebliche fast verbeamtete Musikexpertentum kann sich jeder beim DLF und DR anhören. Was dem Koch schmeckt wird serviert, ob es schmeckt, gefällt, passt oder auch nicht. Entschuldigung, das kann es doch wohl auch nicht sein.
 
Diesmal kann ich nicht mit uneingeschränkter Zustimmung dienen, Herr Doktor. Okay, Musiktest und Beratung sind generell nichts verwerfliches. Ich muss aber einen Musiktest a) richtig durchführen und um seine systembedingten Nachteile wissen (dass z.B. weniger bekannte Titel ohne eingängige Hookline schlechter abschneiden müssen)
b) richtig interpretieren
c) ein Gefühl für die Musik bei der Zusammenstellung haben.
Ich führe da gern das etwas strapazierte Beispiel vom DJ an, der auf einer Party sein Programm ausschliesslich nach Wünschen der Gästen gestaltet. Die Party wird ein Flop. Und so ist es auch beim Radioporgramm: Man reihe einen gut getesteten Titel an den anderen...und das Programm wird ein Flop.
Fähige Musikredakteure konnten schon durch Planungssoftwares nicht ersetzt werden, auch externe Berater und Musiktests werden ihn nicht ersetzen.
Der Redakteur benötigt neben ausgezeichneten Repertoirekenntnissen auch das ebenso strapazierte "Bauchgefühl" und ein Gespür für seine Zielgruppe. Vor allem aber muss er Musik "schwitzen", dabei aber die Freakkomponente aussen vor lassen. Dann kann es was werden...
Ich wäre mal gespannt, was die Gegenstromanlagen dieses Forums von einer Playlist wie dieser halten. Aktueller Anlass: Ich liess mich nach der morgendlichen Walkingrunde bei Zweitkaffee und Erstbanane von Radiomusik bespassen. Es liefen folgende Titel:
Lynyrd Skynyrd - Sweet Home Alabama
Fool's Garden - Lemon Tree
Jacques Dutronc - La Fille Du Père Noel
*Werbung*
Supertramp - School
Fleetwood Mac - Albatros
*Verkehr*
Depeche Mode - Personal Jesus
Beach Boys - Good Vibrations
*Werbung*
Kinks - All Day And All Of The Night
Calogero - En Apesanteur
Muse - Madness
Ich fand es zu dieser Tageszeit (9 bis 10 Uhr) recht angenehm. Es war Mainstream, aber durchaus vielseitig und mit Titeln, die bei den typisch deutschen Musiktests kaum Gnade finden würden. Das Programm, welches diese Titel spielte, hat in seinem Verbreitungsgebiet übrigens recht gute Hörerzahlen.
 
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Ich denke mal der Stein des Weisen liegt irgendwo in der Mitte zwischen den 80er-Jahren, wo der Morgenmoderator seine Lieblingsvinylplatten selbst mitbrachte und sogar bei landesweiten Privatradios vor Nick Cave (ohne Kylie Minogue) und den Smiths nicht zurück schreckte und den heute gängigen Berater-Standard-Playlists für AC, CHR, Soft AC mit zwischen 500 und 1000 best getesteten Songs.

Ich nehme nochmal Schwarzwaldradio als Beispiel: Ich weiß nicht wer dort die Musik programmiert hat, aber er muss ein gutes Händchen gehabt haben. Jeder Song ist einem Mit-40er, der auch die 70er und 80er schon aktiv erlebt hat, nicht unbekannt. Trotzdem hat sich mal einer die Mühe gemacht und alte Hitlisten durchstreift. Heraus kamen Songs wie "Girls got a brand new Toy" von TXT, "Pictures in the Dark" von Mike Oldfield oder "Bad Boys" von Wham. Ja, das waren Hits, auch in Deutschland, aber sie finden sich auf keiner Best Tested-Liste. Ich finde Schwarzwaldradio ist ein Beispiel, wie es sein sollte. Bekannte Songs heißt nicht, dass es pro Künstler nur der eine best-getestete sein darf. Schwarzwaldradio höre ich jetzt seit drei Wochen als Tagesbeleiter (im Mix mit anderen Sendern), und es ist echt überraschend, wie viele Aha-Erlebnisse der Sender nach wie vor bei mir auslöst.
 
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@Dr. Fu Man Chu:

Ich teile Deine Einschätzung durchaus, natürlich muss ein Radiosender finanziert und optimiert werden. Generell stelle ich den Nutzen von Beratern keinesfalls in Frage, manchmal müssen Fachleute ran, damit das Produkt richtig am Markt platziert wird und Werbeerlöse generiert werden können.

Nun bewegen wir uns allerdings im Radiobereich in einem recht verzerrten Markt, voller Verstrickungen von Verlegern, öffentlich rechtlichen Programmen und Medienverbünden. Irgendwer hat bei schlauen Sitzungen, Meetings, workshops und Zukunftswerkstätten nach Auswertung unzähliger Hörerbefragungen und Tests von Herzfrequenzen bei bestimmten Liedern beschlossen, was die Mehrzahl der Hörer hören will. Ein Feelgood-Tagesbegleiter, bei dem es völlig egal ist, wann man einschaltet, wer moderiert oder welche Beiträge kommen. So generiert man die Werbekunden. Alles okay soweit, alle fanden es super und auch die ARD fing an zu optimieren, denn verständlicherweise wollte man bei den vierteljährlichen MA-Analysen ganz vorne stehen. Damit bei der ganzen Vereinheitlichung eine sehr gute Hörerbindung geschaffen wird, wandte man sich an Marketingfirmen, die das Sound Design, die Claims, die Stationvoice, den Slogan usw. entwarfen. Man stellte Moderatoren an, die generell nicht wirklich auffallen, denn alles, was ein Abschaltgrund sein könnte, musste dezimiert werden. Um entsprechende Zielgruppen anzusprechen, wurden wieder Hörerbefragungen usw. gestartet, damit das, was die Mehrheit von diesem Programm erwartet, auch im Rahmen der Marktanalysen und des Gewinnerzielens umgesetzt wird. Ein Qualitätsmanagement zur Hörerbindung wurde eingerichtet, mit Facebook Auftritten, zeitnahen Rückmails auf Kritik seitens einzelner Hörer und selbstverständlich der ständigen Optimierung des Musikfahrplans.

So weit, so gut und nachvollziehbar, so funktionieren Unternehmen eben heute, wenn sie nicht untergehen wollen. Und es funktioniert, siehe die Zahlen von swr3 oder Antenne Bayern.

Nun kommt mein Einwurf vom verzerrten Markt in´s Spiel. Wäre dies ein freier Markt - ich könnte in ein Geschäft gehen und mir ein Produkt aussuchen, das meine Bedürfnisse und Ansprüche am besten abdeckt und erfüllt - würden sich langsam aber sicher Nischen bilden, um das Produktportfolio zu erweitern und neue Zielgruppen anzusprechen. Ein freier Markt hat auch keinen öffenltich rechtlichen Auftrag oder wettbewerbsverzerrende Rundfunkgebühren. Es stände grundsätzlich allen frei, mit ihrem Produkt zu den gleichen Startbedingungen in die Regale zu kommen. Beim Radio ist dies nicht der Fall. Hier in NRW werden UKW Frequenzen geblockt, kommt DAB + nicht aus den Startlöchern und es wird alles getan, damit meine Möglichkeit, ein Musikprogramm zu finden, das mich anspricht, möglichst eingeschränkt wird. Ich möchte mich nicht immer wieder auf den öffentlich rechtlichen Auftrag der ARD berufen, denn wie wir alle wissen, ist es damit schon lange nicht mehr weit her. Ich möchte vielmehr aufzeigen, was, wiederum anders als in anderen Märkten, diese ganze Optimierung gebracht hat: es sind größtenteils völlig seelenlose Sender geworden, von denen weitgehend nichts hängen bleibt, denn dies ist auch nicht gewünscht.

Klar habe ich, wie viele andere auch, inzwischen Internetradio, aber das Grundploblem der ARD Sender im Pop/Rockbereich, ausgenommen radioeins, bleibt weiterhin bestehen. Ich bezahle für eine Musikpräsentation, die so genau auf Antenne Bayern oder Radio NRW laufen kann. Ob swr3 nun privat ist oder ö/r macht keinen Unterschied aus. Und so verharren alle seit Jahren in absoluter Gleichförmigkeit, sie tun niemand weh, sie haben keine Ideen, kaum neue gute Moderatoren oder wirklich frischen Wind. Die Stärken, die Radio ausmacht, werden durch die oben skizzierten Maßnahmen buchstäblich ausradiert. Zukunftskonzepte gibt es nicht, ich höre jedenfalls nichts derartiges. Dass Radio für eigentlich fast alle ein Nebenbei Medium ist, ist doch vollkommen klar, dass man aber nicht einmal den kleinsten Versuch unternimmt, aus dem Nebenbei Medium einen Einschaltfaktor zu machen (und sei es nur abends), bleibt mir absolut unverständlich. Und so ist es hier in NRW auf UKW nahezu unmöglich, ein halbwegs durchhörbares Programm für uns zu finden. Auf 1Live werde ich pausenlos mit crazy Moderatoren auf low-level-basis und Pop News Marke `Lady Gaga wechselt die Müsli Sorte´ belästigt und muss mir die paar wirklich guten Lieder aus dem Haufen Schulhof Plastik Müll heraushören. Auf WDR2 ist man inzwischen auf lauwarmem Hausstaubniveau eingeschlafen und SWR3 und 1 machen das, was sie halt machen - heiße verbrauchte Luft, so aufregend wie Wetten Dass.

Das finde ich durchaus immer wieder diskussionswürdig, denn es erstaunt schon, dass es in so ziemlich allen anderen Ländern anders zugeht. Die Internetstationen aus Holland, England oder den USA zeigen mir, dass es noch immer möglich ist, gutes Radio, das erfolgreich ist, zu machen. Die Hörerbindung von Pinguin Radio, Radio Paradise oder KXT ist teilweise wirklich enorm und erstaunlich. Aber dort werden eben frische Wege bestritten - und ja, teilweise sind dies Festplattendradios - aber so gut gemacht und mit soviel Herzblut und Liebe, dass man dies überhaupt nicht merkt. Da werden einzelne Hörer eine Woche lang zu Musikchefs ernannt und zwischendurch werden ihre Top 100 die Woche über gespielt, das werden Sonntag morgen Strecken gefahren, die nur aus ruhigen Sachen bestehen - und ich meine nicht Adele, sondern Sachen von Springsteen aus der 1. Platte, Arcade Fire, Cure usw. - da ist man auf Festivals präsent, hat einen Darling of the week, als Lou Reed starb, hat man einfach die komplette New York gespielt - solche Sachen. Ich lebe Musiktechnisch dort wieder auf, denn es überrascht, ist liebevoll gemacht und hat mit dem, was hier diskutiert wird, so gar nichts mehr zu tun. Und es funktioniert. Und darüber bin ich froh.

Ich will diese Stationen nicht als Maß für die großen Stationen nehmen, doch ein wenig mehr an Überraschungen und Leuten, die auch mal etwas neues ausprobieren dürfen, wäre insgesamt dringd nötig. Und bevor man wieder mit den Quoten kommt, radioeins hat keine Hammerquoten, aber die Leute, die radioeins hören, bleiben auch bei radioeins. So geht nämlich Hörerbindung auch.
 
@ Dr. FuMan Chu:
Bei genauerem hinsehen ist die Idee nicht schlecht. Dann müssen sich DJs,PDs usw mal nach der Decke strecken, statt einen festen Etat für die bloße Anwesenheit zu kassieren.

Die andere wichtigere Frage ist aber meines Erachtens: welche Unternehmen sich Berater leisten müssen? Die, deren "Eigentümer" und Finanziers sich nicht einmal die Mühe machen müssen zu hören wie es die Mitbewerber machen weil es überall das gleiche Gedudel gibt. Ich schließe meine Musiklaufpläne mit ein, denn bei uns gilt auch das "Fliegen-Prinzip:" "Leute fresst ... - Millionen Fliegen können nicht irren." Das Vieh beißt sich leider in den eigenen Schwanz.
 
@Formatschocker: Hey, Dein Beitrag hätte fast von mir stammen können. :wow:

Die fehlende Marktöffnung ist tatsächlich das Grundproblem und in NRW ist die Lage, wie Du zu Recht schreibst, besonders extrem.
Fast überall in Deutschland haben sich die Akteure den Markt untereinander aufgeteilt und unabhängige Anbieter mit einem alternativen Konzept haben keine Chance, UKW-Frequenzen zu bekommen.
Es hätte bereits in den achtziger Jahren, spätestens jedoch bei der Freigabe des Frequenzbereichs zwischen 104 und 108 MHz, ganz andere Weichenstellungen geben müssen.
Sinnvoll wäre es bspw. gewesen, den Bereich zwischen 106 bis 108 MHz für unabhängigen Lokalfunk mit niedriger Leistung zu reservieren und den Bereich zwischen 104 und 106 MHz ausschließlich für regionale Sender, ähnlich wie früher in Flandern. Wer heute mal nach Flandern reist und dort das Radio einschaltet wird den Eindruck gewinnen, er sei, verglichen mit Deutschland, auf einem anderen Planeten gelandet (auch wenn die strikte Aufteilung des Frequenzbereichs inzwischen auch dort der Vergangenheit angehört).

@Der Radiotor: Schwarzwaldradio macht tatsächlich kein schlechtes Programm.

Die spannende Frage lautet jedoch: Warum bringt das Mutterprogramm, Radio Ohr, im Vergleich dazu auf UKW eine billige Grütze?
Weshalb haben die nicht den Mut, auf UKW eine ähnliche Rotation zu fahren, wie via DAB und Internet, wo vergleichsweise wenig Zuhörer zu verzeichnen sind?
Außerdem: Warum gönnt man Schwarzwaldradio nur 96 kbit/s mit einem wirklich unterirdischen Klang:, Radio Ohr hingegen 128 kbit/s?
Auf mich wirkt das so als würde man den Standpunkt vertreten: "Schwarzwaldradio hört eh kaum einer, da können wir auch eine breitere Rotation fahren. Auf UKW geht das nicht, weil dadurch Abschaltimpulse entstehen könnten."
 
Wer um Himmels Willen hat es zugelassen, dass Radio ausschließlich zum Zweck des des Geldmachens betrieben und damit am Ende zerstört werden darf? Wer hat dieses einzigartige Medium in die Hände von Betriebswirtschaftlern und Controlern gegeben, die die Faszination des Radiomachens und -hörens nie gefühlt und begriffen haben?

Tja, die Märkte regulieren sich halt selbst. Was im großen Maßstab funktioniert, klappt auch im kleinen. Die ÖRs müsste man eigentlich per Gesetz dazu verdonnern, zumindest die Titel zu berücksichtigen, die in den letzten 20 Jahren unter den Tisch gefallen sind.
Das für mich Erschreckendste ist mithin, dass diese riesengroße Lücke, die sich durch all die gleichen Radioprogramme ergeben hat, anscheinend immer noch nicht groß genug ist, dass einer von den Knallköpfen mal auf die Idee kommt, sie zu nützen. Lieber rennen alle im Hamsterrad, als dass einer mal querfeldein schaut...
 
Deutschland ist immer noch ein Radioentwicklungsland und von Formatarmut geprägt. Wir haben wenige große AC Sender die den Markt prägen. Eine vielfältige
Diesmal kann ich nicht mit uneingeschränkter Zustimmung dienen, Herr Doktor. Okay, Musiktest und Beratung sind generell nichts verwerfliches. Ich muss aber einen Musiktest a) richtig durchführen und um seine systembedingten Nachteile wissen (dass z.B. weniger bekannte Titel ohne eingängige Hookline schlechter abschneiden müssen)
b) richtig interpretieren
c) ein Gefühl für die Musik bei der Zusammenstellung haben.
Ich führe da gern das etwas strapazierte Beispiel vom DJ an, der auf einer Party sein Programm ausschliesslich nach Wünschen der Gästen gestaltet. Die Party wird ein Flop. Und so ist es auch beim Radioporgramm: Man reihe einen gut getesteten Titel an den anderen...und das Programm wird ein Flop.

Sehr richtig, ich gebe gern ein anderes Beispiel: Man nehme einen Hummer, ein Roastbeef und 500 kg Kaviar und koche es zusammen im Kochtopf. Heraus kommt eine ziemlich ungenießbare braune Pampe. Gute Musikplanung ist wie ein Kochrezept, es kommt auf die Feinheiten und die richtige Zubereitung an. Ich nehme mal an etliche Küchenbullen sind direkt vom Bund zum Radio gegangen. Noch lustiger sind Sendermitarbeiter, die mehr oder weniger öffentlich verkünden, unser Format/Programm finde ich schlecht. Als Vegetarier arbeit auch nicht in einer Fleischerei.

Das Problem ist die geringe Formatvielfalt und dadurch der mangelhafte Wettbewerb. Etliche Deutsche Sender würden in Wettbewerbsmärkten spätestens nach einem Jahr aufgeben müssen. Davor ist diese unsere Deutsche Medienpolitk im Verein mit dem gesammelten Deutschen Beamtenfunk, der von den sogenannten Gesellschaftlich relevanten Gruppen und unseren lieben Parteien kontrolliert wird, aber gefeit.

So und jetzt schalte ich mein Webradio ein. Ich habe nur 2 Ohren und einen Kopf außerdem esse ich grundsätzlich kein Fast- und Conviencefood.
 
Dass Berater mit Sachverstand handeln, K 6, ist ja noch nicht ausgemacht. Es ist lediglich so, dass sie vielfach den Daumen drauf haben und auf kritische Frage mit Hinweisen auf schlechte Testergebnissen antworten.

Das lenkt den Blick nun auf noch eine ganz andere Frage: Ob die Redaktionen „unserer“ Privatsender überhaupt etwas anderes sind als Potemkinsche Dörfer, die man aus rechtlichen Gründen vorweisen muß. Siehe auch den Versuch von neulich, über die Neubesetzung des PD-Postens im Ammoniakhof zu Dresden zu diskutieren. Der Meinung, diese Personalie sei schlicht irrelevant, hatte ja schon niemand mehr widersprochen.

Ansonsten müßte man jetzt mit der „Grundversorgung“ weitermachen, dieser Monstranz der einschlägig befaßten Juristen. Denn wenn ich persönlich in diesem Zusammenhang etwas als Ärgernis empfinde, dann die allgegenwärtige Duplizierung der kommerziellen Angebote durch Staatskneteläden.
 
Die Potemkinschen Dörfer, die Du meinst, werden am sichtbarsten, wenn die "lokale Ausrichtung" eines Senders darin besteht, dass er einen örtlichen Verkehrsblitzer meldet und die Morgentemperatur vom nächstgelegenen Berg.
 
Potemkinsche Dörfer, ja, das klingt gut.

Die Musik macht die externe Beratungsfirma.
Die Nachrichten lässt man sich aus München oder Berlin liefern.
Den Lokalkolorit besorgt eine lokalzeitunglesende Sprechbacke.
Die Gags liefern Showprep-Seiten.
Das Gewinnspiel liefert die Marketing-Agentur, "Wording" inklusive.
Für eventuelle Offair-Veranstaltungen kauft man sich freie Moderatoren ein.
Wirklich gearbeitet wird nur in der eigenen Werbeabteilung, denn die Mitarbeiter müssen diesen Müll auch noch als hochwertiges und hörernahes Programm irgendwelchen Zauseln in Deutschlands Möbelhäusern andrehen.

Radio kann so billig sein...
 
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Coffey77 schrieb:
Die ÖRs müsste man eigentlich per Gesetz dazu verdonnern, zumindest die Titel zu berücksichtigen, die in den letzten 20 Jahren unter den Tisch gefallen sind.
Damit ihnen anschließend vorgeworfen wird, sie würden dicke Gebühren von allen verlangen, aber dann Programm für die Elite, die Nischen etc. machen?
Mich nervt das ewig gleiche Gedudel ja auch, aber gesendet wird eben, was sich verkaufen lässt.
Privatradio ist kein Kulturbetrieb.
Öffentlich-rechtliches Radio auch nicht.

Wo bei den Privaten das Geld alles diktiert, sind es beim öffentich-rechtlichen Funk noch mehr die Hörerzahlen. Denn sie sind das entscheidende Indiz dafür, dass das Programm nicht nur von allen finanziert wird, sondern auch für (fast) alle gemacht wird.

Entscheidend ist nicht, was nicht gesendet wurde, aber doch sicher auch hätte gesendet werden können, sondern ob ankam, was zum Hörer losgeschickt wurde.
 
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Mangelnder Mut und mangelndes Selbstbewusstsein sind in diesem Falle das Gleiche. Wieviele Leute sitzen an den richtigen Stellen in den Sendern und bekennen offen oder heimlich: Unsere Musikauswahl ist die immergleiche Pampe? Das sind am Ende Verwalter, Erbsenzähler, ja auch Controller und Betriebswirte, Marketingeier und skrupellose Berater, von allem etwas. Es sind aber ganz gewiss keine Radiomacher mit Herz. Sonst nähmen sie sich nämlich ein solches und würden nach ihren Überzeugungen Radio machen und nicht mehr nach ihren Kennzahlen.
 
Es ist eben ein Unterschied, ob man Radio per Kennzahlendiktat macht oder ob man sie als aufschlussreiches Hilfsmittel für die Programmplanung nutzt.
Wo letzteres gemacht wird, sind auch Radiojunkies, die mit Herz Radio machen, erfreut über solche Zahlen, weil sie ihnen tatsächlich helfen.
Wo aber diese Zahlen zum Programmdiktat misbraucht werden, sterben auch die herzlichsten Radiomacher an Herzversagen.
 
Die Berater machen nichts kaputt, die arbeiten im Auftrag des Managements und der Eigentümer. Wenn die beschliessen kollektiv Unsinn zu betreiben, würden sie es auch ohne Berater hinbekommen und könnten sogar noch Geld sparen. Wer kein gutes Programm macht verliert über kurz oder lang Hörer. Es gibt genug Sender, die meinten sie sind schlauer als Markt. Beispiele gefällig: Alsterradio, PSR, Antenne MV... Schlechtes Programm = herbe Reichweitenverluste und auch Verlust der Marktführerschaft.

Tja, wer mitten im MA-Getriebe sieht verliert leicht den Überblick und wird angesichts all dieser "Besserwisserei" leicht zynisch. Bist du wirklich der Meinung, dass ein Eineinhalb-Format-Radio Gnade vor dem Angesicht der Hörer findet und findest du es sinnvoll solche Verhältnisse auch noch offensiv zu verteidigen? Jetzt sage ich dir mal was eine Top-40-, eine Country- oder eine Rock-Station in erster Linie spielt: Aktuelle Neuerscheinungen, die dem Musikfan den Mund wässrig machen sollen, und die von den Plattenmanagements in Nashville, New York oder LA als geeignet erachtet wurden eine möglichst große Käuferschaft innerhalb der empfänglichen Hörerschaft anzusprechen. Dazu schließen sich die Plattenmanager mit den Zentralen der Radioketten kurz und tragen Sorge dafür, dass ihre Neuerscheinungen auch ausreichend gewürdigt werden. Dass das ohne finanzielle Freundschaftspflege nicht zu bewerkstelligen ist steht außer Frage.

Ich weiß nicht welche alternative Rockwelle sich in erster Linie an Über-35-Jährige richtet (wohl eher reichweitenschwache Triple-A-Stationen, kaum Alternative-Radios selbst); innerhalb der AC-Schiene und bei retrospektiven aber immer konsequent ausgerichteten Formatablegern (Urban AC, Classic Hits, Classic Rock, Classic Country, Rhythmic Oldies etc.) spielen Musikresearches sehr wohl eine bedeutende Rolle, hier machen sie aber auch Sinn, zumal anders als in Deutschland sichergestellt ist, dass sich die Musikzusammenstellung der einzelnen Programme erheblich voneinander unterscheidet. In den 90er-Jahren waren die Wünsche und Erwartungen der Zielgruppe noch richtungsweisend für die Programmgestaltung, TSL und Durchhörbarkeit waren von ausschlaggebender Bedeutung für die meist dezentrale Musikplanung. Seit das Medium Radio zunehmend erodiert ist der Musikkonsum die bedeutendste Richtschnur für die Titelauswahl, was zu kleineren Rotationen und aggressiven Promotionsstrategien geführt hat.

In Deutschland läuft hingegen alles verkehrt: Keine Auswahl, keine Ideen, keine Fachkompetenz - und all das gipfelt in ignoranten Beratern, die sich für die musikalischen Vorstellungen der Gesamtbevölkerung nicht im Ansatz interessieren und mittlerweile nur noch daran arbeiten, mithilfe wirtschaftlichen Drucks vonseiten des Werbekartells die selben zwei Dutzend Hitsingles in möglichst allen verfügbaren Dudelsendern zu installieren. Der Research dient nur noch dazu, die Resonanz auf die beworbenen Titel zu erkunden, die man dem Volk während der Anlaufphase vor die Füße warf. Wenn man weiß, was bei einer relativen Mehrheit am ehesten Zustimmung findet, weiß man auch was die beste Chance hat, gekauft zu werden. Ich möchte gar nicht danach fragen, was den deutschen Hörern alles vorenthalten bleibt, weil die allmächtigen Berater von Anfang an den Daumen darüber gesenkt haben. Formatvielfalt? Innovationen? I wo, der Aufwand wäre viel zu groß, man denke nur an die unüberschaubare Konkurrenz, die uns aus einer Marktliberalisierung erwüchse und 80% der Hörer sind uns eh piepschnurzegal. Diese Art von Radio wird nicht mehr alt, darauf kannst du wetten.
 
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Es liefen folgende Titel:
Lynyrd Skynyrd - Sweet Home Alabama
Fool's Garden - Lemon Tree
Jacques Dutronc - La Fille Du Père Noel
*Werbung*
Supertramp - School
...

Zack! Und beim Intro von Sweet Home Alabama hätte ich schon abgeschaltet - und wäre erst gar nicht in den Genuss gekommen, School oder Madness zu hören. Die ersten beiden sind Pestbeulen, die ich bei einem Radiosender einfach nicht mehr ertragen kann. Anscheinend kann von Kiel bis Klagenfurt keiner mehr Radio machen, ohne die 150 meistgenudelten Songs noch weiter zu strapazieren.
Keine Schönheits-OP könnte da noch was retten, wenn es sich um Gesichter statt Songs handeln würde...
 
Ich wäre mal gespannt, was die Gegenstromanlagen dieses Forums von einer Playlist wie dieser halten. Aktueller Anlass: Ich liess mich nach der morgendlichen Walkingrunde bei Zweitkaffee und Erstbanane von Radiomusik bespassen. Es liefen folgende Titel:
Lynyrd Skynyrd - Sweet Home Alabama
Fool's Garden - Lemon Tree
Jacques Dutronc - La Fille Du Père Noel
*Werbung*
Supertramp - School
Fleetwood Mac - Albatros
*Verkehr*
Depeche Mode - Personal Jesus
Beach Boys - Good Vibrations
*Werbung*
Kinks - All Day And All Of The Night
Calogero - En Apesanteur
Muse - Madness

Nichts. Warum? Unter anderem wegen solcher Reaktionen:

Zack! Und beim Intro von Sweet Home Alabama hätte ich schon abgeschaltet - und wäre erst gar nicht in den Genuss gekommen, School oder Madness zu hören. Die ersten beiden sind Pestbeulen, die ich bei einem Radiosender einfach nicht mehr ertragen kann. Anscheinend kann von Kiel bis Klagenfurt keiner mehr Radio machen, ohne die 150 meistgenudelten Songs noch weiter zu strapazieren.

Für anspruchsvollere Hörer, wie Coffey77 einer zu sein scheint, sind die ersten beiden Nummern viel zu dudelig. Für die Durchschnittshausfrau ist der Rest zu unbekannt. Ich muss mich schon entscheiden. Entweder dudel ich herum oder ich versuche mich in etwas abseits gelegenen Gefilden zu bewegen. So etwas wie "Lemon Tree" ist da ein totaler Missgriff. Finde ich.
 
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