New York International Radio Programming Award für "Jazz-Radio"

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berlinreporter

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Ehre, wem Ehre gebührt: Das Berliner "Jazz-Radio" wurde erneut ausgezeichnet - und hat zudem eine ausgezeichnete Perspektive. Hierzu dieser Artikel aus der "Frankfurter Rundschau" vom Montag:
Hier chillt der Besserverdienende

Eine kleine Jazz-Station aus Berlin baut ihre Stellung in der Welt der Format-Radios aus - auch nach Übersee

Von Dirk Engelhardt

Manche nennen sie den "Oscar der Radiobranche": die Auszeichnungen bei den jährlichen "New York International Radio Programming Awards". Und zum dritten Mal in Folge gingen sie jetzt an den kleinen Jazz-Sender aus Berlin-Kreuzberg, Jazz Radio. Gold verliehen die Juroren für das "weltbeste Jazz-Format", der Breakfast-Show Moderator des Senders bekam dazu Silber als "Best On-Air Talent", und Leslie Nachmann, die die Show JazzRio! moderiert, bekam dafür die Bronze-Medaille in der Kategorie "Best Music Show". Was übrigens per Definition nichts mit Jazz zu tun hat, wie Nachmann bemerkt. Dazu bekam der Sender - und darauf ist man in Kreuzberg besonders stolz - die Goldmedaille als "Bestes Online-Radio" - weltweit.

Trotz der internationalen Anerkennung ist der Sender in Berlin so gut wie unbekannt, von einer Reichweite wie bei Energy oder RTL kann man bei Jazz Radio nur träumen. Doch das ficht die Jazzer nicht an, die weitaus größere Fangemeinde ist nämlich in den USA beheimatet. Dort ist Jazz Radio im Internet gegen acht Dollar Gebühr pro Monat zu hören. "Jede zweite Mail kommt mittlerweile aus den USA," erzählt Leslie. So überlegt man jetzt in der Marketing-Abteilung, den Internetauftritt mit mehr Werbung zu bestücken, um so von den hohen Zugriffszahlen zu profitieren.

Die Anlaufinvestitionen bis zum heutigen Tag betragen rund 4,3 Millionen Euro, der Break Even wurde vor drei Jahren erreicht. Die Mannschaft ist seit dem Start im Jahr 1996 mittlerweile auf zehn Mitarbeiter angewachsen - die Hörer immerhin auf 249 000 am Tag. Bei den vergleichsweise niedrigen Werbepreisen von 30 Euro für einen 30-Sekunden Spot zur Primetime (von 6 bis 18 Uhr) können sich auch kleiner Berliner Betriebe wie Autohändler, Restaurants oder Reisebüros oft selbstproduzierte Werbung leisten. Mit Vehemenz setzte sich Chefredakteur Julian Allitt dafür ein, dass der kleine, feine Sender bei der Media-Analyse (MA) berücksichtigt wird. Und das hat er jetzt davon: Jazz Radio hat laut Analyse zwar nicht die meisten, dafür aber die vermögendsten Hörer, und von allen Berliner Sendern sind die "Jazzer" überdurchschnittlich in führenden beruflichen Positionen oder mit eigenen Unternehmen vertreten. "In erster Linie streben wir an, unser Publikum in Berlin auszubauen", so Allitt. "In naher Zukunft wollen wir in andere deutsche Städte mit einer neuen FM-Lizenz und im Kabel expandieren, und schließlich ein weltweites Publikum via Satellit und dem Internet erreichen". Allitt betont den "wahren Jazz", der auf Jazz Radio 24 Stunden lang zu hören ist. Das meint vor allem Mainstream Jazz von Ellington bis Goodman. Ausgefallenere Sachen gibt es bei den öffentlich-rechtlichen, wobei dort allerdings der Tatsache Rechnung getragen wird, dass der heutige Jazz in viele andere Richtungen greift und teilweise bis in den Rock hineinreicht.

Richtig populär ist Jazz-Radio wohl durch seine jüngste Stimme geworden. Die gehört Leslie Nachmann, die vor drei Jahren als Praktikantin beim Sender anfing. Heute moderiert sie freitags die Sendung White Room, die sich der Sparte "Electric Jazz" widmet, und samstags dem lateinamerikanischen Geschmack mit JazzRio!.

"Viele hören die Sendung, die chillig anfängt und sich dann bis zu House-Tunes steigert, als Einstimmung für das Ausgehen am Wochenende", sagt Leslie Nachmann. Die Idee für White Room, bei dem vor allem das neueste in Sachen Electric Jazz präsentiert wird, hatte Leslie mit ihrem Kollegen Matthias Kirsch. "Vor allem in den nordischen Ländern, wie Schweden, Norwegen und England passiert in dieser Szene sehr viel, und unser Anliegen ist es, diese Entwicklung den Hörern nahezubringen", erklärt Leslie das Konzept.

Auf rege Nachfrage der Fan-Gemeinde gibt es auf der Homepage des Senders im Internet bereits einen Shop mit Fan-Artikeln von Leslie - zum Beispiel eine Lunchbox mit einem Foto der blonden Schönheit, T-Shirts mit ihrem Konterfei, oder verschiedene Poster. Und weil Leslie auf die Hörerfrage, wo man Electric Jazz in Berliner Clubs hören kann, passen musste, besetzt sie einfach selber diese Marktlücke. Jeden Dienstag lädt die 23-jährige in der Disco "Kurvenstar" zur "White Room Party". Hier lassen sich die Stücke von Kruder & Dorfmeister, Victor Davies, Minus 8, KOOP oder die Compilations von Jazzanova nicht nur in guter Gesellschaft hören, es darf auch getanzt werden. "Ich hab ein paarmal die Erfahrung gemacht, dass ich einfach die Bude gerockt habe, die Leute haben getanzt wie die Wilden und sich danach für die tolle Musik bedankt", berichtet Nachmann über ihre ersten "Probe-Auftritte" als D-Jane.

Der jungen Moderatorin ist es wohl auch zu verdanken, dass sich der typische - männliche, mittelalte, eher intellektuelle und eventuell zigarrenrauchende - Hörer stark verjüngt hat. Ihre Vermutung: "Ich denke, es liegt daran, dass ich jung bin, dass sich besonders Leute meiner Altersgruppe an mich wenden. Natürlich sind da auch viele darunter, die beruflich mit Jazz zu tun haben, aber es rufen auch mal Jugendliche an und fragen mich, wie der Titel genau heißt, den ich gerade gespielt habe". Der Sender versteht sich als Forum für Jazz-Musiker in Berlin, wo es bekanntlich von Jazzkünstlern nur so wimmelt. Diesen Künstlern bietet Jazz Radio im Internet in der "Backstage"-Rubrik, auf dem sich die Musiker mit Biographie und Hörproben vorstellen können. Die virtuelle "Jazz City Berlin" arbeitet außerdem mit der Agentur "Halim Entertainment", die auch Jazz-Reisen organisiert, und der Jazzschule Berlin zusammen. Selbstverständlich sind auf der Seite täglich alle Jazzereignisse der Stadt aktualisiert. Konkurrenten wie Jazz FM aus London dagegen würden immer mehr in Richtung "Smooth Jazz" abdriften, wohl nach dem Vorbild der US-amerikanischen Jazz-Stationen, deren Klangfarbe in Richtung "Soft AC" (Soft Adult Contemporary) geht.

• Kontaktadresse im Internet: www.jazzradio.net
 
Ich war heute auch erstaunt, als ich den Artikel in der FR las. Hätte ich nicht gedacht, dass das beste Webradio in Berlin beheimatet ist. Hab den Sender vorher auch noch nie wahrgenommen, werd ich aber wohl demnächst mal tun... ;)
 
Jazz Radio gehört auch zu meinen Lieblingssendern in Berlin.
Vor allem die Big Band Show am Sonntag Nachmittag ist genial.

Mich wundert nur, daß die Amis Geld ausgeben, um ein deutschsprachiges Radioprogramm im Internet zu hören.

Seltsam.
 
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