Politikerinterviews bei Deutschlandfunk und Deutschlandradio

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Makeitso

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In diesem Faden wurde ab Beitrag #70 bereits über das Thema diskutiert; ich halte es aber für interessant genug, ihm einen eigenen Thread zu widmen.

Gleichzeitig möchte ich ein heute gehörtes positives Gegenbeispiel zu den oben verlinkten Kritikpunkten zur Kenntnis geben.

Aus diesem ergibt sich für mich eine grundsätzliche Frage: Ist ein Interview gut, weil kritisch und konsequent, geführt, wenn der Interviewpartner aus der Haut fährt, oder ist der Interviewer dann zu weit gegangen?
 
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@Makeitso:
Als ich heute Morgen dieses Interview hörte, dachte ich tatsächlich, man müsste es hier einstellen und dazu sagen "siehste, geht doch". Ich glaube das war Herr Heinemann, der sehr gute Arbeit abgeliefert hat. Habe es mir gerade nochmal angehört. Gut gemacht von Heinemann, cool geblieben und nachgefasst. Das meinte ich ja neulich, es kommt schon darauf an, wer gerade Dienst hat. Prima, Makeitso, dass Du das hier nochmal zum Thema machst. Bin gespannt auf die Beiträge. Ich finde, dass ein Interview (besonders im Radio, wo ich ja niemanden sehe) dann gut ist, wenn ich viel über das Thema erfahre, vielleicht auch über den Interviewten, wenn er dabei "aus der Haut fährt" ist das ja dann auch eine Information. Wenn aber beide aus der Haut fahren, wäre es ein schlechtes Interview. Heute war es gut!! ;)
Viele Grüße vom Ablauscher
 
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Das schöne an dem Beispiel ist, dass Struck hier in der Tat ein "agenturtaugliches Zitat" geliefert hat, ohne dass ihm das vom Moderator nahegelgt oder "aus der Nase gezogen" wurde. Struck wurde vielmehr durch das kritische Nachragen zu den populistischen Äußerungen von Schröder derart in Verlegenheit gebracht, dass er sich mit dem Ausfall gegen Koch davon befreien wollte.

Zu Makeitsos Frage: Also wenn der Interviewer aus Angst vor Wutausbrüchen die Handbremse anzieht und auf kritisches Nachfragen verzichtet, dann wäre das die berühmte "Schere im Kopf". Außerdem kann man doch nur schwer vorhersehen, ob und wann jemand aus der Haut fährt. Daher sollte m. E. das kritische und konsequente Nachfragen - wenn es denn nicht als reine Provokation gemeint ist, sondern der Sachaufklärung dient - die Regel sein, auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere Interviewpartner gelegentlich die Fassung verliert. Der Struck hat sich auch ziemlich schnell wieder eingekriegt und noch ein vernünftiges Ende des Gesprächs hinbekommen.
 
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Aus der Haut gefahren? Was habt ihr für ein Temperament, wenn das bei Euch schon ein Austicker ist? Lebhaft diskutiert haben die beiden um die Frage zu Schröder eine halbe Minute lang, das war es. Der Moderator hat seiner Berufsbezeichnung alle Ehre gemacht und die Kurve zum Schluß wieder bekommen. Hat doch alles gepasst an dem Interview...und man merkt, es ist live und ohne doppelten Boden. So ist es schön. Wegen mir hätte er ruhig noch bissiger loslegen können.
 
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Na Du musst doch natürlich die normale Betriebstemperatur von Peter Struck in Rechnung stellen. Dafür war das doch schon ziemlich "aus der Haut gefahren". Soviel Emotion zeigt der doch höchstens noch aufm Fußballplatz.
 
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Am bemerkenswertesten finde ich, dass es dem Kollegen Heinemann gelungen ist, deutlich zu machen, dass die von Waldohreule so genannte "normale Betriebstemperatur von Peter Struck" weiter nichts ist als eine blasierte Attitüte, mit der er versucht, den Besonnenen, Nachdenklichen, Gelassenen" zu mimen, der er aber nun mal nicht ist.
Inhaltlich hat Heinemann den Interviewpartner freilich nicht geknackt, denn die Frage, wie sich eine SPD über Koch empören kann, wenn sie doch einen Schröder mit den genau gleichen Sprüchen in den eigenen Reihen hat, diese Frage hat Struck natürlich nicht beantwortet. Und zwar, weil er sie nicht beantworten wollte.
Obwohl man sagen kann: Die Emotion war auch eine Antwort.
 
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Ich denke, das ist der Punkt: Die Emotion war die Antwort, denn inhaltlich gab's da nichts mehr zu antworten. Er wird wohl kaum sagen: "Ja, Herr Heinemann, da haben Sie recht, wir Politiker sind in Wahlkampfzeiten alle abgezockte Heuchler, die gerne die Lufhoheit über Stammtische erobern und hinterher bitte nicht mehr beim Worte genommen werden wollen. Und dass der Schröder mit dem Putin kuschelt ist sowas von ekelig."
 
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Am bemerkenswertesten finde ich, dass es dem Kollegen Heinemann gelungen ist, deutlich zu machen, dass die von Waldohreule so genannte "normale Betriebstemperatur von Peter Struck" weiter nichts ist als eine blasierte Attitüte

Schön gesagt!

Weiß eigentlich jemand, wem gegenüber und unter welchen Umständen der ohne nähere Angaben dazu zitierte Spruch „die Union kann mich mal“ fiel? Als ich das las, wurde gleich meine Sensationslust geweckt: Ob jetzt wohl das Kartenhaus einfallen wird?
 
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K 6 schrieb:
Weiß eigentlich jemand, wem gegenüber und unter welchen Umständen der ohne nähere Angaben dazu zitierte Spruch „die Union kann mich mal“ fiel?

Aus "Spiegel online" von gestern:
(...) CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verlangte eine Entschuldigung von Struck: "Hier ist endgültig eine Grenze überschritten." Strucks Unterstellung schlage "dem Fass den Boden aus". Er fügte hinzu: "Das hat mit demokratischer Streitkultur nichts mehr zu tun." CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer nannte die Äußerungen von Struck "infam". Der SPD-Fraktionschef wolle davon ablenken, dass er "keine Antworten" auf derartige Gewalttaten habe.

Der hessische Regierungssprecher Dirk Metz bezeichnete die Unterstellung von Struck als "abstoßend, perfide und geschmacklos und auch in Wahlkampfzeiten nicht entschuldbar". (...) In kalter Gleichgültigkeit drückte Struck aus, was er von den Einwänden der Union hält: "Die kann mich mal."

P.S.: Dem "Tagesspiegel" entnehme ich, daß Struck sich offenbar in seiner Fraktion entsprechend geäußert hat. Vermutlich ist das der dort übliche Umgangston...
 
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Wenn Struck das "nur" in der Fraktionssitzung gesagt hätte, wäre die Äußerung nicht so schnell in den Medien gewesen. Ich glaube, das hat er sogar vor Mikrofonen - und zwar im Anschluss an die Fraktionssitzung - gesagt (habe aber keine Quelle dafür).
 
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Als Genosse laufen mir auch die Schauer über den Rücken, wenn Schröder wieder aus seiner wohlverdienten Versenkung auftaucht und Wahlkampf macht. Er ist ein begnadeter Wahlkämpfer, schreckt aber ebensowenig wie Koch vor Volksverhetzung zurück. Der Ausbruch Strucks beweist nämlich, dass Heinemann da den wundesten Punkt getroffen hat, den er treffen konnte.

Denn die "Betriebstemperatur" von Struck ist wirklich eher niedrig. Aber wehe, er wird provoziert. Genau das ist Heinemann genial gelungen. Mehr ging da nicht. Demokratisch-journalistische Glanzleistung!
 
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In meinen Augen ist Dr. Peter Struck für seine, gelinde gesagt "nicht mainstream-politiker-aussagen", berühmt, berüchtigt und von manchen auch gefürchtet...
 
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Gutes Interview und pointierte Fragen, so wie von Heinemann gewohnt. Übrigens ist das Interview recht lang, Struck wird abgesehen von einem konkreten Punkt kaum unterbrochen, eigentlich alles Dinge, die hier sonst kritisiert werden.

Zur Frage "aus der Haut fahren":

1. Finde ich Struck hier ganz erfrischend, er ist eben nicht aus der Haut gefahren, aber es wurde emotionell.
2. Ja, solche kleine emotionalisierenden Provokationen sind notwendig, weil sich sonst alles im politisch korrekten Bla, bla verliert. Das geht aber nur bei längeren Interviews. Bei 30 sec. spult jeder Politiker erst mal sein vorformuliertes bla, bla ab. Leider kommen dann bei den meisten Sendern erst mal ein paar Takte Musik...
 
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divy: Kleine Berichtigung: nicht emotionell, sondern emotional. Und ansonsten streiche bei deinen letzten Worten das "erst mal"... :)
 
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Aus der Reihe "Peinliche Betroffenheitslyrik statt sachlicher Anmoderation":

Mit vor Erregung nahezu bebender Stimme tut Frau Durak so, als stünde Udo Voigt kurz vor der Ernennung zum Bundeskanzler, als sammelten sich NPD und DVU bereits mit Fackeln auf dem Pariser Platz, um durchs Tor zu marschieren - und als stellte sich dem nur ein Mann heldenhaft in den Weg: der meckpommersche Innenminister Lorenz Caffier. :rolleyes::rolleyes::rolleyes:

Wird vermutlich leider fortgesetzt...
 
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... in der Tat:

Heute morgen gab's in der "Ortszeit" ein weiteres Beispiel aus dem Lehrbuch des Gefälligkeitsjournalismus. Schon in der Anmoderation wird von der "fortschreitenden Ärrderwärmung" salbadert, obwohl diese seit nunmehr fast zehn Jahren gar nicht daran denkt, fortzuschreiten, ferner vom "Kampf" Thailands um seine angeblich durch den Anstieg des Meeresspiegels bedrohten Küstenregionen, freilich ohne auch nur die Spur einer Quelle, und schließlich wird, ohne jedes Fragezeichen, die Behauptung aufgestellt, "dieser Anstieg wie auch zunehmende Dürren oder heftigere Orkane" (welche?) seien Folge eben dieser "fortschreitenden Ärrderwärmung".

Im Interview findet sich denn auch nicht mal der Ansatz einer kritischen Nachfrage. Selbst, als der "Experte" sich selber in die Bredouille bringt und fordert, man solle bitte nicht um Definitionen streiten (was doch wohl recht wichtig ist, wenn aufgrund dieser Definitionen riesige Geldmengen ausgegeben werden sollen und nahezu unser gesamter Lebensstil in Frage gestellt wird), wird nicht nachgehakt.

So verwundert es auch nicht mehr, daß auch sein Schwadronieren darüber, daß die Menschen, die von Afrika aus die Kanaren zu erreichen versuchen, vor Dürren flüchteten und damit Klimaflüchtlinge seien, ganz so, als gebe es Dürren in Afrika erst seit zehn Jahren, unhinterfragt im Raum stehen bleiben kann.

Fazit: Wäre der "Greenpeace-Klimaexperte" von der Greenpeace-Presseabteilung interviewt worden, hätte das Gespräch, von einem Interview wage ich kaum zu sprechen, auch nicht anders geklungen. Daß auf der Audio-on-demand-Übersichtsseite von dradio als Autor des Interviews nicht etwa die Moderationsbeamtin, sondern der Greenpeacemann angegeben wird (siehe Anhang), mag man da kaum noch für eine unpassende Formulierung halten.
 

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Dirk Müller hat gegen 8:10 aber m.E. ganz gut demonstiert, wie man eine Aussage "Ja, es gibt eine Zweiklassenmdizin, nicht nur in der Wartezeit sodnern auch in der Qualität der Behandlung" aus dem Inteviewten schlussendlich als zwangsläufiges eigenes Statement sauber herausarbeitet, ohne die Betroffensheits- oder Skandalkeule zu schwingen.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/763152/

Die Idee mit dem Doppelinterview als Abwechslung finde ich ohnehin nicht schlecht - vernünftige Gesprächspartner vorausgesetzt.
 
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Jajaa, der Konsensmainstream herrscht halt nicht nur in der Musik bei 90% aller Radiosender vor, sondern auch in den transportierten Meinungen und Ansichten.
 
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Naja, also mich hat Strucks Äußerung jetzt nicht so wahnsinnig angehoben. Da gab es schon weitaus fröhlichere Aussprüche. Ich erinnere zum Beispiel an den Kollegen Börner aus Hessen. Wie war das mit der Dachlatte ...
 
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Heute morgen im Deutschlandfunk: Ich hätte dieses Interview, wie von Herrn Gabriel vorgeschlagen, bei 5'08" abgebrochen angesichts dessen unverschämter Arroganz.

Wie sieht das die Forengemeinde?
 
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Nur wegen Dir, verehrter Makeitso, habe ich bis zu der genannten Marke durchgehalten - schon nach 2 Minuten war die Antipathie extrem groß.

Zum Schluss allerdings wurde das Gespräch doch noch richtig gut - Frage: Wer hat die Kurve bekommen? Der Radiokollege oder Herr Gabriel?

Gruß, Uli
 
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Das Interview bei 5:08 zu beenden hätte eine unfeine Situation und bei mir den
Eindruck hinterlassen, der Moderator sei daraus als Sieger hervorgegangen.
Es ist sicher richtig, dass er als der Fragesteller im Interesse des Hörers auf
eine konkrete Antwort drängt, jedoch sollte er dem Interwievten keine
Antworten auf Suggestivfragen abpressen (Herr Gabriel nannte es
"ideologische Fragen", ich nenne es Suggestivfragen). Suggestiv deshalb, weil
auch ich mich nicht des Eindrucks erwehren konnte, im Studio säße ein Aktivist
einer Umweltbewegung, deren Argumentation in der Tat schmalspurig ausfallen
kann (kann!). Dieses extrem offensive Umschwenken zur Atompolitik und das
strenge Beharren auf einer Antwort zerreißt die Stimmung auch bei mir als Hörer.
Da Herr Gabriel ansonsten auf mich nicht den direkten Eindruck macht, unkompetent
zu sein, wäre es schade gewesen, wenn sich nicht beide - wenn auch schwer
beherrscht - dennoch auf ein Gespräch hätten einigen können.

Mein Fazit: Heikle Situation, von beiden respektabel gerettet.
 
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