Radio-Nachrichten: Ist ihre Zeit abgelaufen?

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Wenn Nachrichten auf dich
häufig wie ein Fremdkörper, der nicht zum laufenden Programm gehört
wirken, dann frage ich mich, wie du das gerne hättest.

Es ist ja eben Bestandteil und Hintergrund der laufenden Kritik, dass Art und Weise der Präsentation von Nachrichten schon längst so vergimmickt und verniedlicht wurden, dass sie zum Unterhaltungsevent mutierten, über den die Hörer aber letztlich genau so entspant hinweg hören können wie über die Reklame oder die Xte Wiederholung der Kasperhighlights aus der Morningshow.
Sollen demnächst die gut gelaunten und ständig synthetisch breit grinsenden Moderatoren mal eine Meldung hie und eine Meldung da zwischen Hithalbestunde und Reklame spucken, etwa so:
(z.B. Befreiung der Unterhaltungsprogramme von Nachrichten)

Na klar. Wie bitte soll das denn aber
zu einem attraktiveren Informationsangebot führen?

Das einzige Angebot, was dadurch attraktiver würde, ist das der Konsuminformationen.
 
... dann frage ich mich, wie du das gerne hättest.
Meine Bemerkung ist hier unabhängig von meinen eigenen Wünschen. Ich finde es auffällig, dass viele der Unterhaltungsradios sehr um ein stromlinienförmiges Programm bemüht scheinen, aber ihre Nachrichten so gestalten, dass die den Programmfluss auf jeden Fall stören. Vielleicht ist das nötig, um den Charakter des von dir erwähnten "Unterhaltungsevents" zu erzeugen, vielleicht auch deshalb, weil die Hörer den etwaigen Spaßvögeln, die ansonsten vor allem Gewinnspiele anpreisen oder Tickets fürs sendereigene Open-Air-Festival verkaufen sollen, keine Nachrichtenkompetenz zutrauen. Ich weiß es nicht, aber daher weiß ich halt auch nicht, warum an dem Ritual der stündlichen Kurznachrichten eigentlich so festgehalten wird. Es passt jedenfalls nicht zu dem, was ich z.B. vom privaten Mainstreamfunk inzwischen erwarte. :rolleyes:

Gerade in den Fällen, in denen Nachrichten "vergimmickt und verniedlicht" werden, ließen sie sich ja ideal in das übrige Programm integrieren, anstatt einen mehrminütigen Block isoliert an den Stundenanfang zu stellen (am besten ja noch als Trenner zwischen zwei Sendungen, und vor den Nachrichten noch ein längerer Werbeblock - ist das nicht eine gute Gelegenheit abzuschalten oder den Sender zu wechseln??)
Das einzige Angebot, was dadurch attraktiver würde, ist das der Konsuminformationen.
:confused: Wie meinst du das? Das habe ich noch nicht verstanden.
 
Dass
die Hörer den etwaigen Spaßvögeln, ..., keine Nachrichtenkompetenz zutrauen.
ist wohl kaum anzunehmen. Man sollte sie nicht einfach für dusslig halten. Sie mögen zwar zu bequem sein, das Gehörte zu hinterfragen, aber genau das zeigt, dass sie den Meldungen grundsätzlich trauen. Bild! und MoPo werden schließlich auch jeden Tag neu in Massen verschlungen. Ein gewisses Grundbedürfnis an Information haben die Mediennutzer also schon.

warum an dem Ritual der stündlichen Kurznachrichten eigentlich so festgehalten wird.
Das dürfte u.a. auch daran liegen, dass die Landesmedienanstalten wohl kaum eine Zulassung herausgeben, wenn das Programmschema gar keine Nachrichten vorsieht. Das ist auch ganz gut so, denn man sieht dort noch immer das Radio in der Informationspflicht, der ja einige Programme nur noch mit Ach und Krach gerade so nachkommen, indem Nachrichteninhalte aufs absolute Minimum reduziert und eben wie möglichst nebenbei präsentiert werden.

ist das nicht eine gute Gelegenheit abzuschalten oder den Sender zu wechseln??
Das wäre vielleicht eine, aber in der Praxis wird es wohl keine signifikante Zahl an entsprechenden Impulsen geben. Warum? Wenn Nachrichten im Schnellsprech und maximal gefälligem Ton dahingerattert werden, also gar nicht mehr nach "Achtung! Hier laufen Nachrichten!" klingen, dann hat der Hörer beste Chancen, über die 3 Minuten hinwegzuhören. Und genau das macht er auch. Damit ist das Prinzip erfolgreich, den Lizenzauflagen wurde gefolgt und alles ist schick. Es bleibt eigentlich nur noch der lästige Kostenfaktor, eine "Nachrichtenredaktion" unterhalten zu müssen oder Nachrichten einzukaufen.

Tja. Und was sind nun "Konsuminformationen"?
 
Was mich immer wurmt, ist, egal ob nun bei ndr 2 oder den Privaten, das es immer so gezwungen witzig sein muß. ndr info macht es doch auch ganz einfach. Also das Gespräch zwischen den Moderatoren. Der Moderator oder die Moderatorin moderiert so vor sich hin :D..und dann erklärt Steffi Banowski (?) zum Bleistift, wie es so aussieht, ein wenig ungezwungener Small-Talk, und schon ist man wieder sanft beim Thema. Kein großes Geblubber ob Justin Bieber nun einen, zwei oder keinen Affen hat oder hatte, was man überhaupt von Justin Bieber hält, was man von Affen hält, was man von Justin seiner neuen Mucke hält, ob er ´ne neue Frisur hat, was die Freundin der Schwester von dessen Tochter der Bruder vom Freund der Tante dazu sagt, und wie der Hund des Postboten die neue CD findet. Da hat die Rauhfasertapete im Abstellraum mehr Niveau als diese Sender mit ihren Moderatoren. Ach, was reg´ich mich auf. Früher gab es die Generation der 68er, die Generation "x" und nun die Generation "Pisa".....auf beiden Seiten des Radios. :wall::wall::wall:

ndr info und ndr kultur natürlich ausgenommen! :thumbsup::cool: Das Deutschlandradio selbstredend ebenso :)
 
Wenn man liest, was der Spiegel über die Fernseh-Nachrichten analysiert (die noch allemal höher angesehen sind als die radio-Nachrichten), dann ist die Eingangsfrage zu diesem Faden beantwortet:
Spiegel Online schrieb:
Die deutschen TV-Nachrichten tun so, als würden sie uns Zuschauer informieren. Tatsächlich stampfen sie uns in die Passivität, sie machen uns dümmer und letztlich uninformierter. Wie es besser ginge, zeigt die BBC.
Quelle und kompletter Kommentar:
http://www.spiegel.de/kultur/gesell...-und-die-krise-des-journalismus-a-899091.html
 
Was dem SPIEGEL-Autor da vorschwebt, ist so ungefähr die Art von Nachrichten, die man bei RTL bekommt... Die eigentliche Nachricht verknüpft mit einem persönlichen Schicksal. Nicht, dass das Nachbeten von Politikerstatements bei ARD und ZDF besser ist, wenn überhaupt ist das nur auf andere Weise schlecht. In beiden Fällen erfährt man nur wenig über das eigentliche Thema. Gerade die Staatsschuldenrkise in der EU ist extrem kompliziert und ich finde es unverantwortlich, wenn diese Themen immer nur vereinfacht über irgendwelche Einzelschicksale erklärt werden – das erklärt die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge nämlich ganz und gar nicht. Dass es in den deutschen TV-Nachrichten an Meinungsvielfalt mangelt, stimmt durchaus, aber ich würde mal bezweifeln, dass es die BBC wirklich so viel besser macht. Zum Teil kriegen wir auch deshalb nur noch diesen uniformen Einheitsbrei in den Nachrichten geliefert, weil sich ja auch in den Parlamenten von der FDP bis zu den Piraten – mit Ausnahme der Linkspartei – eigentlich alle politisch viel zu nah stehen.
 
Aus dem im Vorgängerposting zitierten Leserblog:
Selbst Redakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, habe ich mir das Tagesschau-Gucken schon allein wegen der Art der Berichterstattung zur Euro-Krise abgewöhnt. Die Kollegen aus Hamburg machen mittlerweile staatstragendes "Aktuelle Kamera"-TV der übelsten Sorte, für das sich jeder unabhängige Journalist nur schämen kann.
 
Hier aus dem Spiegel-Archiv:

Radio Nachrichten - Schwer verständlich 1972
Deutsche Radio-Nachrichten, so haben zwei Erlanger Germanisten ermittelt, sind unnötig kompliziert; noch dazu suggerieren sie dem Hörer falsche Weltbilder....

TV Nachrichten unverständlich 1976
Wie sehr die Nachrichten im deutschen Fernsehen an den Menschen vorbei informieren", belegt eine Untersuchung der Universität Tübingen...

Ruhe im Bild 1978
Nur etwa zur Hälfte kommen TV-Nachrichten beim Zuschauer an -- der Rest wird sogleich wieder vergessen. Das bestätigt eine West-Berliner Untersuchung....
 
Das Wesen von seriösen Nachrichten ist eben nicht, alle über alles zu informieren, sondern den Einzelnen zu denThemen, die ihn interessieren. Und die pickt er sich aus dem Angebot raus. Nachrichten sind ein Angebot. Und da darf der Rezeptionsanalyst nicht frustriert sein, wenn "nur die Hälfte der TV-Nachrichten beim Zuschauer ankommt". Das ist vor dem Hintergrund selektiver Aufnahme sogar noch sehr viel!
 
Das Wesen von seriösen Nachrichten ist eben nicht, alle über alles zu informieren, sondern den Einzelnen zu denThemen, die ihn interessieren.
Wer ist "ihn"? Den Einzelnen? - Moment! - Einspruch!
Was interessiert mich diese gequirlte Fußballschei*** da fast täglich? Und weshalb werde ich dennoch gezwungen, sehe oder höre ich mir die Nachrichten an, das zu konsumieren?
 
Es gibt aber viele Menschen, die sich gerade für Fußball interessieren. Das zeigen die Zuschauerzahlen in den Stadien und bei TV-Übertragungen.
Wenn du dich auch nur ansatzweise mit denen über IHR Thema unterhalten möchtest/mußt schadet es auf keinen Fall wenigstens ungefähr zu wissen ob Bayern am vergangenen Spieltag gewonnen oder verloren hat.
 
Es geht aber nicht um IHR Thema!
Es geht um IHN, den EINZELNEN, wie Onkel Otto schrieb.
Und da interessiert es MICH noch immer einen feuchten Kehrricht, wer, ob, wann und wo verloren, gewonnen oder dabei im Afterhour-Alk ersoffen ist.
 
Aha. Soll also jeder Sender nur noch die Nachrichten bringen, die dich ganz persönlich und im Zweifelsfall keinen anderen interessieren?

Den Onkel mußt du auch richtig lesen und verstehen. Die Sender müssen ein möglichst breites Themenangebot machen. Jeder pickt sich dann die für ihn wichtigen Meldungen heraus. Was ist eigentlich so schwer beim Thema Fußball, wenn es dich SO wenig interessiert, für 15 Sekunden die Ohren auf Durchzug zu stellen?
 
Dass sich jeder seinen Anteil herauspicken mag, schrieb der Onkel bereits, das ist auch selbstverständlich, darum geht es mir allerdings auch gar nicht. Sondern um den angesprochenen Wortlaut.
(...) Was ist eigentlich so schwer beim Thema Fußball, wenn es dich SO wenig interessiert, für 15 Sekunden die Ohren auf Durchzug zu stellen?
Ich bitte Dich nur eine Woche sowohl in der Tagesschau, als auch den Radionachrichten die Zeit, in der es um Fußball geht zu stoppen und einen Durchschnittswert zu ermitteln.
Solltest Du auf 15 Sekunden kommen, gebe ich hier in den radioforen mein Versprechen ab, nie wieder auch nur ein negatives Wort in dieser Richtung zu verlieren.
 
Schnapsidee!
Vor allem stimmt die Grundprämisse nicht. Schwiesau behauptet, die ehernen Regeln des Nachrichtenmachens seien ausgelutscht und seit Jahrzehnten immergleich. Und nennt die richtigen Regeln:
  • “Die News in den ersten Satz”
  • “Wichtiges nach vorn”
  • “von hinten kürzbar,” und
  • “in einfachen Worten”, bitte!
Was er aber übersieht oder ignoriert; Nur die Wenigsten beherrschen oder beherzigen diese Regeln heute noch. Deshalb gibt es ja diese Möchtegern-Nachrichten, die so nerven.
Statt "Die News im ersten Satz" übertreffen sich die Schlagzeilenakrobaten mit möglichst boulevardesken Parolen.
Statt "Wichtiges nach vorne" kommt Banales nach vorne oder Plattes oder Reißerisches. Wer erkennt überhaupt noch, was wichtig und was nebensächlich ist?
"Von hinten kürzbar" ist als Regel schon lange außer Kraft gesetzt, denn wo nichts ist, da kann man auch nicht mehr von hinten kürzen.
Und "in einfachen Worten" meint nicht, komplexe Themen meiden und es meint auch nicht, mit plakativen Schablonen sei es getan ("Der Irre von Theheran", "Putin der Antidemokrat", "Klitschko der Revolutionär" - das sind nur ein paar der grausigsten Beispiele).

Also: Wenn die Zunft sich ihrer bewährten Regeln mal wieder besinnen würde, dann gäbe es einen Bedarf für eine "Zukunftswerkstatt Radionachrichten" gar nicht.

Statt Zukunftswerkstatt empfehle ich einige wenige schnell greifende Maßnahmen:
1. Vernünftige Ausbildung von Nachrichtenredakteuren, die dann auch Nachrichtenredakteure bleiben und nicht ständig ins heitere Fach wechseln.
2. Verzicht auf Musikbetten - die machen die Hörer kirre und den Sprecher ebenso. Und sie vernebeln "das Wichtigste".
3. Ausgebildete Sprecher, statt irgendwelche Hupfdohlen.
4. Die Nutzung zusätzlicher Quellen außer dpa, Bild-Zeitung und Feindbelauschung.
5. Überflüssigen Balast von den Nachrichten entfernen, z.B. die regelmäßige Aufzählung der Autobahnen und Bundesstraßen (besser bekannt unter "Verkehrsservice")
6. Hin und wieder mal weg vom Schreibtisch und direkt an die journalistische Front.
7. Sich nicht wichtiger als den Hörer nehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Einspruch.
Es gibt vieles jenseits der klassischen Nachrichtenregeln oder vielleicht besser: ergänzend dazu, was - nach meinem Dafürhalten - noch niemand in Deutschland ausprobiert hat. Und das muss nicht zwingend wegführen von der Seriosität.

Klasse Anregungen aus den USA hat zum Beispiel (die auch sonst lehrreiche Einrichtung) transom.org zusammen getragen - in diesem Fall geht es um den anprechenderen Aufbau von Nachrichtenminuten: http://transom.org/2012/phyllis-fletcher-robert-smith-creativity/

Insofern denke ich, es ist durchaus sinnvoll, sich in einem Seminar mal Zeit zum Experimentieren zu nehmen.
 
Radionachrichten haben v.a. bei vielen Privaten nur noch die Funktion, dem Hörer das Gefühl zu geben, er werde informiert. Radio ist doch ein emotionmales Medium!
 
Nachvollziehen kann ich diese Diskussion schon: Wer Radio als durchhörbares Nebenbei-Medium begreift, der braucht keine fünfminütigen Nachrichten alle 60 Minuten. Und wer sich wirklich informieren will, der schaltet eines der Tagesmagazine (z.B. "Das war der Tag" vom DLF) ein, dort wird man umfassender und hintergründiger informiert. Also weg mit den stündlichen Nachrichten im nichtelitären Massenfunk?

So einfach ist das leider nicht. Im Privat-Dudelfunk mag das noch angehen, dort reduzieren sich die Nachrichten ohnehin schon häufig auf Infohäppchen. Der ÖR hat jedoch eine Informationspflicht dem Gebührenzahler gegenüber, kann also kaum auf die stündliche Kurzinformation verzichten.
 
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