Raumakustik: Schuhkarton oder Weinhang?

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Radiowaves

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Heute (25.10.2016) um 18:05 Uhr auf Bayern 2: Schuhkarton oder Weinhang - welche Bauform für Konzertsäle klingt besser?
http://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/ausstrahlung-834576.html

Abruf in hoher Qualität jetzt schon möglich:
http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL...1S/d7bc3b96-2cf9-4209-877b-9115d575aac2_3.mp3

Studiotechnik-"Papst" und Raumakustik-Kenner Gerhard Steinke hat sichs schon angehört. Er meint, viel Richtiges drin, aber am Schluss leider zu vorsichtig. Und er hätte gern auch Frank Müller-Römer im Beitrag gehört zu diesem Thema.

Ich selbst kann jetzt nichtmal die 30 MByte runterladen, wird erst heute Abend oder morgen, bin unterwegs.
 
Danke für den Hinweis. Hab's runtergeladen. Rein-Stereo mit 224 kbps ist schon fein. :) Werd's heute abend nochmal vom DVB-S in mp2 mitschneiden zum Vergleich. Hoffe, es wird dort nicht das mp3[aac?] gesendet.

Der Schuhkarton scheint ja das Optimum zu sein. Mir gefiel die Akustik im Herkulessaal.
 
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Hallo @Radiowaves, hast Du die Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie gehört? Ich fand's beeindruckend.

Der kleine Saal ist ein angeblich "trockener" Schuhkarton.
 
Hallo @Tonband, nein, habe das nicht verfolgt, da anderweitig im Stress. Aber was sollte das denn bringen, wenn man nur vor einem Empfangsgerät sitzt? Was man da zu hören bekommt, ist doch immer angepasst für das Hören von Konserve (was nicht heißen soll, daß es schlecht klingt). Das Abmischen solcher Konzerte kann doch bestenfalls "nur" einen feinen Hörgenuss eben dieser Konserve sicherstellen, sagt aber über den Saal, in dem das stattfand, nicht allzuviel aus.

Dazu muss ich mich dann schon einmal nach Hamburg in die Elbphilharmonie begeben (was ich auch irgendwann plane zu tun). Eigentlich muss man dann mehrmals rein und immer anderen Platz wählen, um ein einigermaßen stimmiges Bild von den akustischen Qualitäten des Saales zu bekommen.

Vorab, noch bevor der erste Ton dort jemals gespielt wurde, war schon einiges zu lesen. Mahnende Stimmen, die daran erinnerten, dass ein derart großer Saal kaum eine angemessene Dynamik selbst bei großen Orchestern gewährleisten kann. Weinberg-Gegner, die übel mumpfigen Klang auf den Plätzen hinter dem Orchester prognostizierten (es gibt nunmal Instrumente, die eine ausgeprägte Richtcharakteristik in der Abstrahlung haben und üblicherweise frontal ins Publikum oder zumindest leicht nach vorn geneigt gespielt werden, das Publikum absorbiert dazu auch noch und somit gibt es weitere klangliche Verfälschungen auf Plätzen hinter dem Orchester). Irgendwo stand auch mal "50% gute Plätze werden erhofft" über die Prognosen zur Elbphilharmonie (ich fand dieses Zitat in der Laudatio zum 90. Geburtstag der Raumakustikerin Gisela Herzog, dort steht es aber ohne Quelle drin).

Nach den ersten Proben des Elbphilharmonie-Orchesters war die Begeisterung ja bekanntlich nahezu grenzenlos - allerdings spielte man da vor leerem Saal. Nun ist das Gestühl in solchen Sälen üblicherweise so gut wie möglich angepasst, um unbesetzt wie besetzt ähnlichen Klang zu gewährleisten, dennoch wird es noch spannend, wenn der Saal in vollbesetztem Zustand klingen wird. Im in den Fernzügen der DB ausliegenden "DB mobil"-Magazin gibt es ein Zitat, wonach "die billigsten Plätze akustisch die besten" wären, was wiederum Anlass zur Spekulation gibt.

Also: selbst hingehen und anhören!
 
Die ersten Tonträger-Aufnahmen in der leeren (!) Elbphilharmonie gefielen zumindest Uwe Friedrich nicht allzu gut:
http://www.deutschlandfunk.de/symph...men-in-der.727.de.html?dram:article_id=377563

Sendung liegt hier noch bis 11.2. ca. 11 Uhr, also beeilen! https://we.tl/FSmIguErER

Mäßige Mikrofonierung ohne erkennbaren Glanz fällt mir als erstes auf. Der Profi (ich kenne mich da absolut nicht aus) stellte noch "amerikanische Orchesteraufstellung" fest und war traurig drüber. Dazu wirkt es komprimiert, wobei ich mir nicht sicher bin, was der DLF da auf Astra 19,2° Ost veranstaltet (früher wars ein anderes Processing als auf UKW, hier finde ich jedoch nix > 16 kHz mehr und das wirkt verdächtig). Über die reale Saalakustik sagt das freilich - wie Herr Friedrich schon korrekt ausführte - so gut wie gar nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Profi (ich kenne mich da absolut nicht aus) stellte noch "amerikanische Orchesteraufstellung" fest und war traurig drüber.
Bei der amerikanischen Orchesteraufstellung sitzen bzw. stehen die Streicher von links nach rechts im Halbbogen um das Dirigentenpult, also am linken Bühnenrand 1. und daneben 2. Violinen, Mitte rechts vorm Dirigenten Bratschen, Celli vorn rechts, Kontrabässe dahinter. Das ist die heute allgemein übliche Orchesteraufstellung.
Bei der deutschen Aufstellung sitzen sich hingegen 1. und 2. Violinen links und rechts gegenüber, die restlichen sitzenden Streicher dazwischen, Kontrabässe meist hinten links hinter den 1. Violinen. So wurde hierzulande gespielt, bevor die amerikanische Aufstellung auch hier dominierend wurde.

Was „richtiger“ ist, hängt vom Repertoire, von den persönlichen Vorlieben von Orchester und Dirigent sowie manchmal von den örtlichen Gegebenheiten ab (z. B. tiefe, aber schmale Bühne – letzteres spielt hier sicher keine Rolle).

Bemerkenswert ist die amerikanische Aufstellung bei Brahms aber schon. Brahms selbst dürfte die amerikanische Orchesteraufstellung nicht gekannt haben, und laut der verlinkten Kritik (Zitat: „In den vergangenen Jahren hat Hengelbrock das NDR-Elbphilharmonie-Orchester nach seinen Klangvorstellungen geformt, die von der Originalklangbewegung der historischen Aufführungspraxis geprägt sind.“) ist diese Aufstellung eher unverständlich.

Die Aufnahme kann ich leider nicht mehr anhören und werde mir die CD auch nicht kaufen. Die Saalakustik kann man nur vor Ort beurteilen. Der „große Wurf“ soll sie nicht sein; sie wird von Gerhard Steinke sogar heftig kritisiert:

Zur Besänftigung der Kritiken werden die Arena-Formen als „spektakulär“, als visuell-erlebnisbehafteter Vorteil beschrieben. Es sind und bleiben aber Torheiten, da Erfahrungen und Vernunft nicht genutzt wurden, zum Schaden der Musik und des emotionalen Erlebnisses. Sie sind als nicht-werkgerecht anzusehen, wenn sie vorzugsweise auf Räumlichkeit ohne ausreichende Direktschallversorgung ausgerichtet sind. Der amerikanische Akustiker David Griesinger hat diese einseitig nachteilige Tendenz richtig beobachtet: „Ein übermäßig halliger, ,gut vermischter' Klang ist zum Entwurfsziel für die Aufführungsorte moderner Kammer- und Orchestermusik geworden“.

Im Grunde ein weiterer Missbrauch eines weltweit angesehenen Akustikteams auch in Hamburg. Dort geht ebensolche Arroganz der Architekten (und Stadtoberen) vor Sachverstand. Die Akustiker sollen dann richten, was vorher verdorben wurde, koste es, was es wolle. Wo bleibt hier der Protest der Einwohner?
 
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