"Stimme" im Rundfunk nicht mehr wichtig?

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James

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Folgendes ist mir vor einiger Zeit passiert: Gab 'ne Redakteurs-Stellenausschreibung bei einem großen ÖR. Hab sie kurz vor Ende der Bewerbungs-Frist entdeckt, leider keinen aktuellen Aircheck zur Hand. Angerufen in der Personalabteilung: "Ich brauche noch einen Tag, um Bewerbung inklusive Aircheck abzuliefern." Antwort: "Schicken Sie uns ihre Unterlagen per Mail." Ich: "Und einen Aircheck als mp3-Anhang?" Antwort: "Nö, Aircheck brauchen wir nicht."
Außer Berufserfahrung und der Bereitschaft zu Schichtdienst (und einigen weiteren Punkten) stand in den Vorraussetzungen auch "gute Mikrofonstimme". Wie aber wollen die das rausfinden, wenn sie auf einen Aircheck offenbar ganz gut verzichten können? Sie werden ja wohl nicht jeden zum Vorstellungsgespräch laden?!
Ex-NDR2-Nachrichten-Anchorman Tim Krohn hatte in seiner Vorstellung auf der NDR2-Seite sinngemäß geschrieben "ich konnte ein wenig das Handwerk und hatte "Stimme"." (damit ist jetzt auch klar, welchen ÖR ich oben meinte...)
Inzwischen fällt mir auf, dass beim NDR viele ans Mikro dürfen, die besser nicht sollten. Da wird genuschelt, gesäuselt, gelispelt, falsch betont...
Und selbst Tagesschau-"Chefsprecher" Jan Hofer ist in meinen Augen mit seiner Präsentation alles andere als souverän (Atmer an total sinnwidrigen Stellen).
Mal die Frage in die Szene: Kommt es auf "Stimme" im Rundfunk tatsächlich nicht mehr an? Wie sieht das bei euch aus? Ohne Leute mit Sprechfehlern diskreditieren zu wollen - aber mit einem Gehfehler suche ich mir doch auch keinen Job, bei dem ich weite Wege zu Fuß erledigen muss?!
 
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Ich habe mal gelernt: Stellenausschreibungen beim ÖR gibt es nicht weil Leute gesucht werden, sondern weil freie Stellen ausgeschrieben werden MÜSSEN, obwohl sie hinter den Kulissen schon lange wieder besetzt worden sind.
 
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Das kann ich aus eigener Erfahrung nicht uneingeschränkt bestätigen.
 
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James schrieb:
Und selbst Tagesschau-"Chefsprecher" Jan Hofer ist in meinen Augen mit seiner Präsentation alles andere als souverän (Atmer an total sinnwidrigen Stellen).

Darauf hat mich mein Sprecherzieher Prof. Wilhelm Pitsch schon vor 16 Jahren hingewiesen (er war übrigens der erste Off-Sprecher der Tagesschau). Wenn ich ihn ärgern wollte, brauchte ich nur Herrn Hofer zu imitieren. Das Atmen an sinnwidrigen Stellen wird/wurde stets auch von einem merkwürdigen Zucken der Mundwinkel begleitet.

Beim Privatfunk kann ich Deine These täglich tausendfach bestätigen. Was sich da manchmal an Mikrofonen oder Headsets tummelt...Aber wie sagte mir mal ein PD eines landesweiten Hitradios: "Das wollen die Leute so hören - eine stets korrekte Aussprache und saubere Artikulation klingt arrogant".
 
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DrSound schrieb:
Ich habe mal gelernt: Stellenausschreibungen beim ÖR gibt es nicht weil Leute gesucht werden, sondern weil freie Stellen ausgeschrieben werden MÜSSEN, obwohl sie hinter den Kulissen schon lange wieder besetzt worden sind.
So ist es leider wohl. Der gerade genannte NDR ist doch das beste Beispiel dafür. Hier wird das Personal bevorzugt von der privaten Konkurrenz rekrutiert, ob aus Kiel (Puttfarcken), Hannover (Kuna) oder Hamburg (Fremy).
 
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DrSound schrieb:
Ich habe mal gelernt: Stellenausschreibungen beim ÖR gibt es nicht weil Leute gesucht werden, sondern weil freie Stellen ausgeschrieben werden MÜSSEN, obwohl sie hinter den Kulissen schon lange wieder besetzt worden sind.
Das ist nur die halbe Wahrheit. Wie überall gibt es für bestimmte Stellen auch im ö/r Rundfunk manchmal interne Favoriten, manchmal aber auch nicht. Und bei den ausgeschriebenen "Tätigkeiten in freier Mitarbeit" - wenn es also nicht um (befristete) Festanstellungen geht - ist das Rennen oft sogar sehr offen. At least to my knowledge.
 
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Es gibt Chefredakteure, egal ob ÖR oder Privat, da kommt es vor, daß CvDs gar nichts ans Mikro müssen. Meines Erachtens ist das ein weiser schritt. Denn ich kenne da welche, die könnten das noch nicht einmal. Über die redaktionelle Qualifikation möchte ich jetzt nichts sagen. Das könnte für einige peinlich werden. :wall:
 
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Na vor der Stimme kommen erst mal die Vitamine. :( Und die Ausschreibungen sind bei den ÖR's leider all zu oft nur Routine. Warum sollen die sich dann noch nen externen Aircheck antun, wenn die Stelle eh schon intern vergeben ist ? Tja ist leider so.... Aber ist leider nicht nur bei den ÖR's so... Vitamine helfen auch bei den Privaten !
 
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James schrieb:
Angerufen in der Personalabteilung:

Da liegt das Problem! In einer großen Anstalt, wie dem NDR, wissen die Leute in der Verwaltung / Personalabteilung idR herzlich wenig über ihr "Produkt".
Für die ist ein Aircheck nur etwas das den Umschlag unnötig aufbläht :cool:
 
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Und vielleicht haben sie sich gedacht, wenn er jetzt so kurz vor knapp anruft und auch noch um Aufschub bittet, lohnt sich's eh nicht mehr.
Bei allem Verständnis - nicht grade allerbeste Voraussetzungen für eine Bewerbung...
 
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Meine (negative) Erfahrung: eine gute Stimme schadet nicht, nützt aber auch nichts, wenn die Rahmenbedingungen (im wahrsten Sinne) nicht stimmen.
 
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Ja, so hört es sich leider auch oft an.
Was da so an Folterstimmen auf einen losgelassen wird, ist oft nicht mehr feierlich. Gerade die sogenannten "Jugendradios" sind da ganz ganz schlimm.
Da fehlt es den mods oft an Allem: Inhalte, Esprit, Witz, Stimme...nix da, nix ausbaufähig!
 
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najaaaa..... man sollte aber schon noch zwischen Geschmacksfragen und Handwerk unterscheiden !
Je nach Zielgruppe kann wie gesagt klassisch-saubere Spreche auch schonmal gar nicht gewollt sein.....
Der Grenzbereich ist aber dann erreicht, wenn es unfreiwillig unverständlich wird. Radio funktioniert zwar nur über Akustik, aber es MUSS ja deswegen keine Schauspielbühne im Habitus sein....... und welche Stimmen nun Symphatieträger sind, kann man bestenfalls statistisch zu Mehrheiten erklären.
 
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Schön, daß mein Posting diskutiert wird. Allerdings nicht in der von mir gewünschten Richtung: Ich wollte weder lesen, ob es Sinn macht, sich auf Stellen beim ÖR zu bewerben, noch ob ich eventuell zu spät dran war. :)
Ich wollte diskutieren, was für Stimme inzwischen bei den ÖRs on air gehen dürfen. Ob Volontäre, die wie Teenies klingen, oder Moderatoren/ Nachrichtenleute mit gravierenden Sprechfehlern jeglicher Art oder Mängeln bei Stimmausdruck, Aussprache o.ä.
Jüngstes Beispiel bei NDR2: Daniel Kaiser ist wieder in den Nachrichten zu hören. Wer ihn kennt, weiß was ich meine. Wer ihn nicht kennt... Wer nicht sprechen kann muss singen...? :wall:
 
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Funkgeist schrieb:
najaaaa..... man sollte aber schon noch zwischen Geschmacksfragen und Handwerk unterscheiden !
Je nach Zielgruppe kann wie gesagt klassisch-saubere Spreche auch schonmal gar nicht gewollt sein.....
Der Grenzbereich ist aber dann erreicht, wenn es unfreiwillig unverständlich wird. Radio funktioniert zwar nur über Akustik, aber es MUSS ja deswegen keine Schauspielbühne im Habitus sein....... und welche Stimmen nun Symphatieträger sind, kann man bestenfalls statistisch zu Mehrheiten erklären.

@Funkgeist: d'accord. Will nur zu bedenken geben, dass eine saubere Aussprache, verbunden mit einer angenehmen Mikrofonstimme nicht immer gleich Schauspielbühne bedeuten muss.
 
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Eine sehr zweischneidige Angelegenheit. Unterscheiden wir nach tolle Stimme und perfekte Aussprache, oder heißt "tolle Stimme" automatisch auch "gutes Deutsch"? Und selbst wenn die tollste Stimme und die perfekteste Aussprache zusammenfallen, dann heißt das noch lange nicht, dass das, was dann gesprochen wird, auch wirklich etwas taugt. Er redet Schwachsinn, aber macht nix, denn es klingt klasse - ist es das, was hier bejubelt wird?
Nach meiner Erfahrung gibt es durchaus auch die weniger perfekte Stimme/Aussprache, die alles aber wett macht durch Ausstrahlung und Inhalt. Manchmal wird sogar Kult daraus, gerade deshalb, weil es nicht perfekt ist. Den Lispler von Kristian Thees bei SWR3 finde ich zum Beispiel nicht nur unschädlich, sondern geradezu kultig, weil bei ihm alles Übrige (Ausstrahlung, Kompetenz, Inhalte) stimmig ist.
 
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ja, Authentizität und Stimmigkeit (ei, woher kommt denn das Wort...:) ) sind sehr wichtig - und @Onkel Otto: ja, erst bei überdeutlicher Intonation und viel Dramatik wird´s halt auch wieder einseitig.
Stimmen wirken durch eine unglaubliche Vielzahl von Details und so vielfältig sind dann auch die Wirkungen. Man bewertet ja vor allen Dingen die Assoziationen, die von einer Stimme ausgelöst werden (zB Lispeln klingt doof usw).
Ich habe übrigens für den WDR hier bei uns in NRW(als Hörer) nicht die Erfahrung gemacht, daß sprachliche Rohrkrepierer auf dem Sender Urständ feiern - is das wirklich beim NDR der Fall ? mag es kaum glauben......
 
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Mannis Fan schrieb:
Eine sehr zweischneidige Angelegenheit. Unterscheiden wir nach tolle Stimme und perfekte Aussprache, oder heißt "tolle Stimme" automatisch auch "gutes Deutsch"? Und selbst wenn die tollste Stimme und die perfekteste Aussprache zusammenfallen, dann heißt das noch lange nicht, dass das, was dann gesprochen wird, auch wirklich etwas taugt. Er redet Schwachsinn, aber macht nix, denn es klingt klasse - ist es das, was hier bejubelt wird?
Damit verdient Rob Green sein täglich' Brot. Und vermutlich ganz schön viel davon.
 
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Funkgeist schrieb:
Ich habe übrigens für den WDR hier bei uns in NRW(als Hörer) nicht die Erfahrung gemacht, daß sprachliche Rohrkrepierer auf dem Sender Urständ feiern -

Früher gab es beim WDR mal Sonntags eine Musiksendung, die meine Eltern immer gehört haben. Der Mensch klang immer wie ein kaputter Kompressor, oder als ob er gerade einen Tritt in den Solar Plexus bekommen hätte.
Grausig!
 
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Es gibt wenige Berufe, bei denen der Bock nicht zum Gärtner aufsteigen kann. Profifußball zum Beispiel. Man muß das Ding reinmachen können oder zumindest festhalten, wenn es einem entgegenfliegt.

Auf der Bühne frage ich mich auch bisweilen, wie der Kandidat es bis hierher geschafft hat. Vitamin B (wie Besezungscouch)? Schlagerfuzzis ohne Stimme sind doch fast normal. Autoren, die nicht schreiben können, aber mit der Verlegersgattin Bridge spielen. Vielleicht sind die 68er schuld mit ihrer Gleichmacherstrategie, daß auch die B-Sortierungen mal ran durften. Man sehe nur mal die Liste der Festangestellten im ÖR an, die sich in den 70er und 80er Jahren eingeklagt haben, so daß man heute die Zugbrücke auch für wirklich Qualifizierte hochgezogen hat. Aber die ARD ist ein Golem, der seine eigenen Schößlinge frißt. Wenn dann doch mal einer gedeihen kann, soll man sich als Gebührenzahler drüber freuen!
 
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Bieringer schrieb:
Es gibt wenige Berufe, bei denen der Bock nicht zum Gärtner aufsteigen kann.
Richtig. Leider ist das bei vielen leitenden Positionen und insbesondere Managern/PD/Intendanten anders. Da sollte man ein bestimmtes anglizistisches Vokabular drauf haben, sich gut artikulieren können und das richtige Parteibuch besitzen. ;)

Der IQ selbst ist sekundär.
 
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