SWF1: Schallplatten ohne Knistern; wie ging das?

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curocas

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In den achtziger Jahren habe ich an jedem Wochenende den "ARD-Nachtexpress" und "ARD-Radiowecker" vom Südwestfunk Baden-Baden gehört. Mir ist dabei aufgefallen, dass die in den Sendungen gespielten Schallplatten, die alle auf Band überspielt worden waren, fast nicht knisterten. Auch in leisen Passagen war außer dem Laufen der Platte fast nichts zu hören.

Weiß jemand, wie der Sender das erreicht hat? Wurden Nassläufer eingesetzt? Könnte es am Tonabnehmersystem und an den Geräten gelegen haben? Hatte die Industrie fertige Bänder geliefert? Das würde mich sehr interessieren.
 
AW: SWF1: Schallplatten ohne Knistern. Wie ging das?

Es gab analoge Rausch- und Entknisterungssysteme. Die CD Serie "Gold-Disc" aus den USA wurde z.B. damit hergestellt. Ob es aber auch bei den öffis in Deutschland eingesetzt wurde, ist mir unbekannt. Die einfachste Art wäre es damals in der Tat gewesen, die pressfrische Schallplatte auf Band zu überspielen und dann sauber zu lagern. Dann kann man auch trocken einspielen.
Desweiteren gibt es heutzutage (auch ev. früher schon) Schallplattenwaschmaschinen. Da wurde Reinigungsflüssigkeit aufgetragen, die Platte gewaschen (per dünnem Faden, der durch die Rille glitt) und danach der Schmodder abgesaugt. Dann kann man die Vinyls auch wieder trocken abspielen.
Wir haben hier im Sender mittlerweilen auch jemanden der ein gutes Vinylreinigungsunddigitalisierungspaket zusammen gestellt hat, um Platten der 60er und 70er fast wieder Masterbandgetreu klingen zu lassen.
 
AW: SWF1: Schallplatten ohne Knistern. Wie ging das?

Bei uns wurden damals die neuen Schallplatten zum Teil auf Band überspielt, dort wo ein häufiger Einsatz vermutet wurde, oder wo man Ausschnitte brauchte. E-Musik wurde normalerweise gleich als Band eingekauft.
Die Platten wurden nicht extra behandelt, sie wurden trocken auf dem EMT abgespielt.

P.S: Die meisten meiner eigenen LPs knistern auch heute kaum, man muß sie halt pfleglich behandeln.
 
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Vielfach reicht es schon, die Platten mit Spülwasser von Fettfingern zu befreien, aber da hat jeder Plattenfreak wohl seine eigenen Mittelchen.
Problematischer wird es aber, wenn die Rillen regelrecht zerschlissen sind und die Sängerinnen jämmerlich zerren. Heute ist das modern, aber bei Vinyls ist das ein Problem, dass ich bislang nicht lösen konnte.

Oder gibt es dafür auch schon ein PlugIn für den Winamp ? ;) (Anti-Zerr ?)
Zu SWR1 oder auch anderen Sendern kann ich sagen, dass die Sender, die LPs direkt nutzen, diese wirklich meist sehr gut gelagert haben.
 
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"ich bin werner reinke und spiele schallplatten..."

ja, ich glaube das lagern ist einfach das wichtigste! es darf sich eben kein staub in die rillen drücken, geschweige denn dürfen kratzer draufkommen! dann ist das kein thema...
 
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Alles falsch!

Hier waren keine Nassläufer oder Rausch- und Entknisterungssysteme am Werke. Anders: Die Vinyl-Singles wurden von den Tonträgerherstellern an die Musikredaktionen bemustert und dann unaufgefordert oder mindestens auf Nachfrage als Band 38cm/s zugeschickt und in Rechnung gestellt. Dürfte in der Größenordnung von kanpp unter zwanzig D-Mark pro Titel gelegen haben. Diese Bänder wurden dann in hauseigene Papp-Kartons umgetütet, mit Kopien der Archiv-Karteikarten beklebt, numeriert, ins Regal gestellt und zu Sendungen auf speziellen Rollwagen durch das halbe Funkhaus in die Studios gerollt und gesendet. Danach wurden sie wieder zurücksortiert.

curocas: Deine eine Vermutung war richtig: "Hatte die Industrie fertige Bänder geliefert?"
Genau so war's.
 
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Jetzt interessiere ich mich schon seit mehr als 25 Jahren für das Thema Hörfunk. Aber dass die Industrie bespielte Tonbänder an die Rundfunksender verschickt hat, hatte ich noch nie gehört. Ich habe diese Vermutung geäußert, weil ich das hier irgendwo im Forum aufgeschnappt hatte.

Und das hat funktioniert? Ich frage mit dem Blick auf die Bandlage. Kam es dabei nicht immer auf die genaue Kopfjustierung an? Wurden von diesen Bändern Kopien angefertigt, oder wurden sie "abgenudelt" und dann nachbestellt?
 
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Die Spurlage ist genormt (38 cm/s, 1/4" Halbspur stereo bzw. Vollspur), das Band selber ist ARD-Standardtype. Die Toleranzen sind vernachlässigbar gering, so daß die Bänder auf allen Maschinen gleich gut laufen. Und "abnudeln" tun die sich auch nicht (jedenfalls nicht bei normalem Gebrauch). Du darfst nur nicht den Fehler machen und Vergleiche zu CompactCassette ziehen.

Gruß TSD
 
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Bleibt vielleicht noch zu ergänzen, denn darum ging es curocas sicherlich: die korrekte Kopftaumelung (Azimuteinstellung) war Sache der Meßtechnik der jeweiligen Anstalt und natürlich in Ordnung. Der Bandlauf selbst ist bei 38er Maschinen auch, da offen, deutlich besser einzusehen und wesentlich robuster. Außerdem sind 38 cm/s halt 8 mal mehr als 4.76 cm/s und die aufgezeichnete Wellenlänge bei jeder Frequenz ebenso. Eine Spur (ein Kanal) ist auf dem Band jedoch keineswegs 8 mal breiter, so daß bei gleicher Frequenz ein verstellter Kopfspalt über deutlich weniger Phaseninformation "integriert" und somit zu deutlich weniger Höhenverlust führt. Eben kein Vergleich zu den Schuldisco-Kassettenrecordern, bei denen, falls nicht schon herstellerseitig vorhanden, im Gehäuse ein Loch über der Azimutschraube angebracht war und ein kleiner Uhrmacherschraubendreher immer in Griffweite lag ;).
 
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Nachtrag: Damit die neuen "Hits" auch pünktlich zur Handelsveröffentlichung im Rundfunk gespielt werden konnten, musste die Musiksitzung, die Anfrage, die Zusendung und der Ankauf der Titel auf Band (Marke Agfa PER528 oder BASF LGR50) durch das jeweilige Schallarchiv so früh erfolgen, damit nach Ende der Prozedur und Erfassung der Titel bei Handelsveröffentlichung sendebereit war.

Die Bemusterung der Vinyl-Schallplatten an die diversen Musikredakteure diente dann gewissermaßen nur noch als Erinnerungseffekt, einen Song einzusetzen, den der Sender bereits drei oder vier Wochen vorher eingekauft hatte.

Vinyl selbst sollte und durfte zum Teil überhaupt nicht gesendet werden, eben weil es durch eventuelles Knacken und Knistern nicht dem Sendestandard entsprach.

Das Aufführen von Vinyl-Schallplatten setzte sich erst durch, als für aktuelle Neuerscheinungs- und Spezialsendungen - in denen auch mal ein nicht archivierter LP-Track gespielt wurde - "Discotheken-Pulte" eingerichtet wurden, deren angeschlossene zwei Plattenspieler (EMT948 zumeist) und zwei Mikrofone (die legendäre Sennheiser-"Banane") für Mod und Gast von vereinzelten Musikmoderatoren selbst bedient und ausgesteuert wurden.

Meine Güte, was hatten wir damals viel Zeit: Ich erinnere mich, dass im Rundfunkprogrammteil der Hörzu oftmals Interpreten- und Titelangaben standen. So konnte ich mich darauf vorbereiten, dass Mittwoch in einer Woche zwischen 14 und 15 Uhr von Herb Alpert der Titel "The Work Song" laufen würde, den ich noch dringend mit meinem Heimtonbandgerät aufnehmen musste... Da wiederum hat für eine Monoaufnahme billiges "Tripleband" von Permaton und eine Geschwingigkeit von 9,5cm/s gereicht. Dafür, dass ich mit meinem tollen Grundig 2-Spur-TK47 nicht grundsätzlich in 19cm/s stereo aufgenommen habe, könnte ich mir noch heute in denselben beißen... :)
 
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Ich habe in den 70'ern als Sprecher beim Hessischen Rundfunk gearbeitet.
Wir hatten damals ein sog. Selbstfahrerstudio, wurde übrigens täglich von Werner Reinke genutzt, dort hatten wir wie oben schon erwähnt 2 Plattenspieler EMT und 2 Bandmaschinen Telefunken, 1x Vollspur für Jingles (damals oft noch in Mono) und 1x Halbspur Stereo, für vorgefertigte Beiträge, Backgroundmusik oder Indikativ. Beide wurden mit 38 cm/sec. betrieben.
Als Mikrophon hatten wir das Sennheiser MD 421, legendär als Reportermikrophon. Rauschen war auch schon eingebaut ! Kopfhörer Sennheiser HD 414, ebenfalls ne Legende.
Die Musik kam ausschließlich von Platten (trocken abgespielt), die im Zwischenarchiv gelagert wurden. Man musste tatsächlich vor der Sendung ins Archiv laufen und sich die Platten vom Archivar raussuchen lassen.
Der Sender wurde von der Plattenindustrie sehr früh mit Platten bemustert (oft doppelt). Diese Platten wurden sofort im Hauptarchiv (für die Ewigkeit) und im Zwischenarchiv (zum Benutzen) eingelagert.
Redakteure und Sprecher ( heute Moderatoren ) wurden dann etwas später bemustert.
Abenteuerliche Zeiten, aber schön wars doch.
 
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Mal ganz weit zurück: ich habe 1962 / 1963 als angehender "Nürnberger" (Schule für Rundfunktechnik) in Baden-Baden Sendung gefahren. Im ganzen Trakt der Sende-Tonträger gab es keinen einzigen Plattenspieler, d.h., alles, was nicht live war, kam schon damals ausschließlich vom Band.

Anders beim SDR Stuttgart: hier wurden auch Platten in der Sendung gefahren, hauptsächlich im Unterhaltungsbereich (33 und 45 Upm). Es gab aber eine geradezu grauenvolle Reihe von Mono-Schallplattenumschnitten (Klassik!), die je länger, je unerträglicher klirrten. Man konnte schon am Aussteuerungsmesser sehen, wenn wieder so ein Umschnitt anlief: das Rumpeln der Schallplatte brachte Ausschläge bis ca. -35 dB.
Dieser Unsinn hat sich sogar bis in die Stereo-Ära fortgesetzt. (Zu den Usancen nach 1970 kann ich nichts mehr sagen.)
F.E.
 
AW: SWF1: Schallplatten ohne Knistern; wie ging das?

Flyingdoctor schrieb:
Man musste tatsächlich vor der Sendung ins Archiv laufen und sich die Platten vom Archivar raussuchen lassen.

Moin, Herr Kollege! Archiv: Damals 2. Stock Rundbau, immer mal'n Käffchen bei der Archivarin, nette Grüße auf'm Leihzettel, später Heirat.
Heute: Music Library - klick, klick, klick...:(

Flyingdoctor schrieb:
Abenteuerliche Zeiten, aber schön wars doch.
 
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Direct hit, Onkel Otto !

Genau !!! Damals nix klick, klick... Ich erinnere mich an eine Sendung, da war ich eine Minute zu kurz fertig, Grund: Die Zeitangabe auf der Platte stimmte nicht... oh Mann. Vom Haupttonstudio weisses Geblinke, ich hatte aber schon alles dicht gemacht...1 Minute unser berühmtes Pausenzeichen... dann erst die Werbung, lol.

Vor der Sendung noch in die Kantine, und z.B. von Atze noch'n paar Tips holen. Und nach der abendlichen Sendung in die Imbissbude neben den Fernsehstudios. Da konnte man dann ab und an noch'n Job abräumen, Kabelträger, Kamerahelfer etc...
Einmal wurde ich sogar zum Sprechen der Tagesschau-Wetterkarte rekrutiert. Der geplante Sprecher war nicht auffindbar.

Tja, da halten wir es mit Bob Dylan : Times are a changing

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Mensch, Flyingdoctor, jetzt geraten wir wirklich in das verminte Feld des Off Topic ;)
Wenn die Acht oder KD zum Disk-Platz hektisch weiß blinkte, dann wusste man, dass irgend was nicht stimmte. Platte vertimed ist übel. Und Backtimer gab es damals noch nicht. Allerdings war unser Pausenzeichen ein so großes Klangwunder, dass man es durchaus eine Minute nudeln konnte.
Flyingdoctor, es kann sogar sein, dass ich damals meinen Auftritt bei der Wetterkarte verpennt habe und Du eingesprungen bist. So begegnet man sich also wieder...
Um nicht noch mehr OT zu werden, schweige ich jetzt stille und grüße Dich einfach nur so mal eben aus dem Funkhaus am Dornbusch.... :D

Onkel
 
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;) ihr könntet euer offtopic aber gern zu einem topic machen, meint jemand, der sehr, sehr gern und mit sehr großen augen und brennend interessiert eure erinnerungen mitverfolgt..... (verdammt, bin ich dann doch noch nicht so alt, wie ich dachte? :D:D )
 
AW: SWF1: Schallplatten ohne Knistern; wie ging das?

Radiowaves schrieb:
Bleibt vielleicht noch zu ergänzen, denn darum ging es curocas sicherlich: die korrekte Kopftaumelung (Azimuteinstellung) war Sache der Meßtechnik der jeweiligen Anstalt und natürlich in Ordnung.

Oha.... Soo natürlich war das leider nicht immer. Höhenschwankungen durch falschen Azimut (oder verklebten Kopfspalt) waren teilweise bis in die frühen 90er auf SDR3 zu hören, wenn die Musik komplett von Band gefahren wurde.
Die Sendung "Leute" war ein mehr oder weniger regelmäßiger Sendeplatz von Azimutschwankungen.
 
AW: SWF1: Schallplatten ohne Knistern; wie ging das?

Thema Industriebänder:

Auch im TV-Bereich stellt die Industrie Musikvideos immer noch auf Betacam-SP zur Verfügung. Ein analoges System, wobei die Recorder aber in einer guten Sendeanstalt optimal in Bild und Ton eingemessen sind, was gar nicht mal so einfach ist (Dolby C). Leider hat man bei MTV/Viva auch mal schlechte Maschinen, aber das ist die Ausnahme geworden.
Das Band wird auf eigene Medien kopiert und muss dann an die Plattenfirma zurückgesandt werden.

Da denkt sich einer: Warum keine preisgünstige DVD? Keine professionelle Bildqualität und Kompatibilitätsprobleme bei hohen Datenraten und mit Rohlingen. Halt eine Digitaltechnik, die man nicht mehr so richtig "anfassen" kann bei Problemen.
 
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