Wäre heute in Deutschland ein "Personality-Radio" denkbar?

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exhörer schrieb:
"Personality" bedeutet für mich aber nicht, *wie* jemand etwas sagt, sondern *was* er zu sagen hat.
Meiner Meinung nach kommt es auf beides an, wobei ich die Gewichtung jedoch auf das Erstere legen würde (sonst könnte ich auch gleich den ganzen Tag lang den DLF hören :D). "Personality" im Radio heißt für mich vorallem, die Hörer von der eigenen Show begeistern zu können. Es muss einfach Freude machen, diesen oder jenen DJ zu hören; das, was er zu sagen hat, spiegelt sich ganz wesentlich in der von ihm handverlesenen Auswahl an Musikstücken wieder, die er in seiner Sendung präsentiert.

stereo schrieb:
Aber was ist hier mit "Personality-Radio" eigentlich gemeint?
Die beste Definition habe ich in der Einleitung zum Artikel How To Become A Radio Personality finden können:
Radio is theater of the mind and air personalities (announcer, jock, DJ or disc jockey) are its actors. To become successful it requires passion, practice, a willingness to learn, ability to read, ego, ability to write, patience, desire, and sacrifice. The institution of radio has a responsibility to entertain and inform. Air personalities anchor the broadcast industry. A microphone is power. Becoming an air personality can lead to a career in or out of radio.
Was für ein vollkommen anderes Verständnis von Radio in den obigen Zeilen zum Ausdruck gebracht wird, als dies bei uns gemeinhin der Fall ist!

Passend zum Thema, hier ein interessanter Webstream: 208 Luxembourg Tribute - so klingen echte Radio Personalities! ;)
Bei dem Sender muss ich immer an meine Kindheit zurückdenken; - das war die einzige wirklich gute Station, die man in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, empfangen konnte.
 
@ammerlaender: Jetzt mischt du aber etwas auf und durcheinander. Zur Zeiten einer Hanna Pfeil waren fast alle Stimmen fast automatisch personalities, man hatte ja nichts anderes. Es gab ein Radiomonopol.
@exhörer: Die Frage soweit ich sie verstanden habe bezieht sich aber auf Musik präsentierende Moderatoren, Genre entertainment. Da hat das "was" weniger etwas zu suchen.

Für die, die es nicht wissen oder vergessen haben:
Früher wurden Texte und Anmoderationen schriftlich eingereicht und vom einem im Studio anwesenden zustänigen Redakteur abgenickt. Um dann steif verlesen zu werden. Das war bis Ende der 70er Jahre sogar bei den Servicewellen der Fall, aus denen dann die 3. Programme und die Popwellen wurden. Mehr Freiheiten und etwas mehr bveim großen Nachbarn abgekupfert leisteten sich nur Bremen und SWF3.

Wenn das Thema auf entertainende Moderatoren verengt wird, ist eine flotte, treibende Moderation nicht schlecht. Ab und an ein Gag, ein Witz, auch ein Versprecher ist erlaubt, die Sendung eben lebendig und dynamisch gestalten. Und in punkto Musik wissen, wovon man spricht.

Ob alles "Kult" ist, woran man sich eben nur erinnert und weil es solange her ist, stelle ich mal so hin
 
Internetradiofan schrieb:
"Personality" im Radio heißt für mich vorallem, die Hörer von der eigenen Show begeistern zu können.
Die Show ist völlig egal, wenn die Person stimmt. Es gibt Moderatoren/innen, bei denen mir als Hörer oder Zuschauer völlig wurscht ist, was sie für eine Show veranstalten, weil mich die Personen begeistern. Davon lebt ja auch zum Beispiel ein Harald Schmidt. Mir doch wurscht, welche Studiogäste er hat, welche Themen gerade drankommen, wie sein Studio dekoriert ist, was sonst noch an Brimborium stattfindet - entscheidend ist, dass Schmidt es macht. Das nenne ich Personality!
 
So ist es! Eine Person als Einschaltgrund! Ich "kaufe" nicht die Radiostation, die Sendung oder sonstwas, sondern mein "Kauf"grund ist der Typ, der da am Mikro sitzt. So kenne ich das auch. Zugegebenermaßen gab es das in Deutschland immer nur stellenweise, mit leider wieder rückläufiger Tendenz. Der DJ (oder Host oder Moderator...wie man ihn auch nennen mag) hat eine bestimmte Art, er ist ein Charakter, letztendlich spielt er auch eine bestimmte Rolle. Ich weiss also, was ich bekomme, und trotzdem lebt die Show auch von Überraschungen, vom Unvorhergesehenen. Im gleichen Maße aber auch von Wiedererkennungswert, von festen Elementen, von Running Gags, von einer bestimmten Art, die einzelnen Elemente in der Show zu ordnen und aneinanderzufügen, in einem musikbetonten Format natürlich auch an der Musik und am Umgang mit dieser.
 
Die Show ist völlig egal, wenn die Person stimmt. Es gibt Moderatoren/innen, bei denen mir als Hörer oder Zuschauer völlig wurscht ist, was sie für eine Show veranstalten, weil mich die Personen begeistern. Davon lebt ja auch zum Beispiel ein Harald Schmidt.

Die Betonung liegt auch "noch". Wer schaltet schon bei Harald Schmidt ein? Dessen Fan-Gemeinde ist mittlerweile recht überschaubar.
 
Das liegt aber vielleicht auch an der Sendezeit. Welcher normale Arbeitsbürger kann sich unter der Woche nach 23 Uhr noch Late-Night-Shows angucken. Ich jedenfalls nur selten.
 
Das liegt aber vielleicht auch an der Sendezeit. Welcher normale Arbeitsbürger kann sich unter der Woche nach 23 Uhr noch Late-Night-Shows angucken. Ich jedenfalls nur selten.
Ja, ich weiß. Deutsche Arbeitnehmer müssen immer um 4 Uhr aufstehen, damit sie spätestens um 6 an der Maschine stehen und malochen. Da liegen sie dann frühabends halbtot im Bett. Ist schon klar.
 
Wenn ihn angeblich so wenige zuschauen, warum hat er denn jetzt den Donnerstag mit dazu bekommen? Und spät war er schon immer.
 
Ich stelle mir die Frage, warum in den vergangenen 10 Jahren von den etablierten Programmveranstaltern hierzulande noch niemand versucht hat, ein solches Format nach US-amerikanischem Vorbild zu etablieren.

Deren fehlende Innovationsbereitschaft, verbunden mit einem höchst erfolgreichen Bemühen, unabhängigen, kleinen Anbietern einen Zugang zum Markt auf UKW zu erschweren oder gar ganz unmöglich zu machen, führen in der Konsequenz dazu, dass die Radiolandschaft in Deutschland so ist, wie sie ist.

Mal ganz spontan gefragt: Wäre es nicht möglich, Programme wie bspw. Radio 21 oder Rockland Radio (die offensichtlich ein gemeinsames Rahmenprogramm haben) zu einem auf Personality-Shows basierenden Format umzugestalten?
Natürlich beinhaltet dies die Gefahr, dass in der Anfangszeit evtl. mit einer Verschlechterung der Quote zu rechnen ist; zumindest lässt sich dieses Risiko nicht komplett ausschließen.
Was meint Ihr: Ob jemand wie der Geschäftsführer von Radio 21, Steffen Müller, die Courage hätte, sich auf dieses Wagnis einzulassen?
Und: Wie würden die Mitgesellschafter, der Heise-Verlag, die Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland, die Antenne Niedersachsen und die RTL Radio GmbH, darauf reagieren?
 
Ich stelle mir die Frage, warum in den vergangenen 10 Jahren von den etablierten Programmveranstaltern hierzulande noch niemand versucht hat, ein solches Format nach US-amerikanischem Vorbild zu etablieren.

Wo wären denn da die Werbekunden? Es geht doch nicht um Hörer, es geht um Werbekunden! (Für die doofen Werbekunden: NATÜRLICH geht es um die Hörer. HA HA. Kleiner Scherz. Die HÖRER stehen doch im Mittelpunkt!)

Pinnocchio-Nase: "Go!"
 
An Ihrer Stelle würde ich mal dezent bei radio 699+1 insistieren.
Ist das Programm nicht eine Kopie von WDR 4?

Benno Benz schrieb:
Wo wären denn da die Werbekunden? Es geht doch nicht um Hörer, es geht um Werbekunden! (Für die doofen Werbekunden: NATÜRLICH geht es um die Hörer. HA HA. Kleiner Scherz. Die HÖRER stehen doch im Mittelpunkt!)

Pinnocchio-Nase: "Go!"
Warum sollten die Werbekunden ausbleiben?
 
Ich stelle mir die Frage, warum in den vergangenen 10 Jahren von den etablierten Programmveranstaltern hierzulande noch niemand versucht hat, ein solches Format nach US-amerikanischem Vorbild zu etablieren.
Hast du gerade ein paar Beispiele parat, und ist davon irgendwas von Deutschland aus im Web zu hören? Würde mir gerne mal ein Bild davon machen.

Ist nicht eigentlich jede "Morning-Show" Personality-Radio?
 
@stereo: Man braucht nur mal eine Zeit lang Radiostationen aus den USA zu hören, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie richtig gutes Personality-Radio klingen kann.
Mit den hiesigen Morning-Shows hat dies nicht viel gemeinsam.

Hier die Adressen von zwei Icecast-Servern, über die verschiede Programme von unabhängigen Veranstaltern (also kein Clear Channel, CBS und dergleichen), die in den USA auf UKW zu empfangen sind, im Internet verbreitet werden:

http://out1.cmn.icy.abacast.com und http://out2.cmn.icy.abacast.com - zum anhören einer Station jeweils oben rechts auf "M3U" klicken.
 
Die Beantwortung des Grundthreads ist nicht einfach. Kommt drauf an- wie man Personality begreift! Leute wie damals in den 80ern sind heute undenkbar! Dafür ist bei der Abfragetechnik und Konkurrenzsituation, durchhörbarkeit zu wichtig. Am Beispiel SWR3, kann man aber sehen- dass in einem Gewissen Rahmen - deutlich mehr möglich ist- als Claims ablesen!
 
@Internetradiofan: in den USA ist aber vieles anders. Schon alleine, weil nicht alle Sender die selbe
Musik spielen. Das macht Zielgruppenbezogene Personaliy einfacher!
 
Rapunzel schrieb:
Leute wie damals in den 80ern sind heute undenkbar!
Warum?

Genau so ein Programm könnte heute vielleicht zu einem echten Renner werden. Damit hätte man zum erstenmal eine echte Alternative zum Einheitsbrei, den der Rest liefert.

Rapunzel schrieb:
In den USA ist aber vieles anders. Schon alleine, weil nicht alle Sender die selbe Musik spielen. Das macht Zielgruppenbezogene Personaliy einfacher!
Deshalb wäre es wichtig, dass auch in der deutschen Hörfunklandschaft endlich mal jemand neue, innovative Akzente setzt, oder?
 
@Internetradiofan: Aber was glaubt ihr denn alle, warum Radio in D so gemacht wird, wie es gemacht wird? Glaubt ihr denn, die Radiomacher- machen extra Programm dass alle doof finden?

Ich arbeite in einem ganz anderen Job und da gilt die Regel. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Also, auch wenn viele Radioliebhaber es nicht wahr haben wollen. Der Großteil der Menschen, scheint doch genau das zu wollen- was läuft!!
 
Es gibt in Deutschland ein strukturelles Problem. Die Märkte sind zubetoniert und abgeschottet gegen Konkurrenz. Pro Bundesland funken ein bis zwei landesweit gut zu empfangene private Stationen gegen ebenso viele öffentlich-rechtliche Unterhaltungswellen der Landesmedienanstalten. So hat ein NDR 2 oder N-JOY es überhaupt nicht nötig, sich zur Abwechslung mal selbst was zu überlegen (damit meine ich nicht Claims wie ... und das Leben beginnt). Stattdessen schielt man auf den privaten Marktführer, scannt den bundesdeutschen Einheitsbrei ab, fragt vielleicht noch einen geldgeilen Berater und das wahrs. Heraus kommt der "Sound der Achtziger und die beste Musik von heute" oder so ähnlich. In so einem Formatkorsett kann sich ein Moderator überhaupt nicht einbringen.

In Berlin dagegen dürfen die öffentlich-rechtlichen Programme nicht wie 104.6 RTL klingen. Denn es gibt ja noch RS2, Energy, Spreeradio, usw. Wozu also ein fünftes Programm mit der gleichen Soße. Wo der Markt wirklich geöffnet wird, gibt es meiner Meinung nach wirkliche Vielfalt durch ein gutes öffentlich-rechtliches Angebot. Auf liberalisierten Märkten im Ausland klappt das ebenfalls bestens. Mein Lieblingsbeispiel in den Niederlanden, 3FM, zeigt, dass es geht. Personality rund um die Uhr.
 
Exakt darin liegt der Grund, warum ich die Internetradioszene mittlerweile beobachte und manchmal auch begleite. Neben den UKW-Kopierern und den "ich weiß nicht warum und wie, aber ich mach's"-Stationen gibt es noch ein paar Perlen und Nischen, die Spaß machen.
Das hat mit der Radioszene Deutschland zwar nicht mehr viel zu tun, aber es verändert meine Hörgewohnheiten. Qualitativ hochwertige Information und Hintergrundberichte aus den öffentlich-rechtlichen Infowellen, gute Unterhaltung und spannende Moderatoren hingegen, denen ich gerne zuhöre, im Internet.

Dabei gibt es Webradios, die eine gute technische Qualität liefern und deren Musikauswahl zumindest nicht schlecht ist, die mich aber langweilen, weil sie nichts bieten, was Freude beim zuhören bedeutet.
Es gibt einige Moderatoren im Webradio, die bei mir echte Einschaltimpulse auslösen. Der Sender spielt dabei keine Rolle. Im Grunde könnte der Webradiosender sogar nur da auf Sendung gehen und danach wieder abschalten; die unmoderierte Playlist ist wieder langweilig.

Ich glaube, dass das Webradio diese Ecken bietet, in denen sich Personality entwickeln kann.
"Hier bin ich Personality, hier darf ich's sein."
Kann ich mir im UKW-Markt nur noch schwer vorstellen. Genau da zerfasert die Hörerschaft. Der Zug ist abgefahren.
 
@spezi: Besser kann man die Problemlage wohl nicht auf den Punkt bringen!

@Hefeteich: Ich stimme Dir weitestgehend zu.

Möchte man ein reines Personality-Radio etablieren, kommt man jedoch m.E. um UKW nicht herum: Professionelle Radio-DJs haben meiner Meinung nach ein Anrecht auf eine angemessene Vergütung und die kann nur erbracht werden, wenn ein Programm genügend Geld durch Werbeeinnahmen erwirtschaftet. Das ist bisher leider ausschließlich mittels einer UKW-Verbreitung möglich.

Wir brauchen in Deutschland dringenst eine Schaffung von Zugangsbedingungen zum Markt auf UKW für unabhängige, private Programmveranstalter; dabei dürfen die Änderungen nicht nur legislativer Natur sein (wie in NRW mit einem ultraliberalen Landesmediengesetz, was auf die Praxis keinerlei auswirkungen hat), sondern müssen sich, wenn man in einem der Ballungsräume einen Scan durch das UKW-Band macht, hörbar niederschlagen!
 
"Zugangsbedingungen zum Markt auf UKW"
Nicht zwingend auf UKW, die Zukunft wird wohl doch digital sein. Wenn per DAB eine Vielfalt entsteht, soll es mir auch recht sein.
 
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