Wie Internet und Social Media den alten Rundfunk abschaffen

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Komplett glücklich bin ich damit nicht, aus mehrerlei Gründen.

Es liegt nicht daran, daß ich - der Wohn- und Lebensssituation geschuldet - immer noch mit einem 56-k-Modem herumgurke und Internetradio genau wie Downloads und zunehmend auch einst simple Webseiten für mich komplett ausfallen.

Es liegt daran, daß die meisten der im Netz verbreiteten Angebote entweder seelenlos sind, keine Identifikation über eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe bieten (mir sehr wichtig!) oder von minderwertiger technischer Qualität sind.

Man kann heute schon neben 100-Euro-Kisten affig teure standalone-Internetradios kaufen, mit Wandlern, die weitaus mehr könnten, als simple CD-Qualität wiederzugeben. Und dennoch bleiben viele Internetradios deutlich unter den 192 kbps, die ich als Mindeststandard für wohnraumgerechte Wiedergabe ansehe. Auch heute sind 128 kbps noch oft Standard. Schlimmer noch: das, was vor Wandler und Codec geschieht, entspricht vertsändlicherweise meist nicht dem Rundfunk-Qualitätsstandard, den wir seit den 60er Jahren geboten bekommen. Es brummt, es zerrt, die Mikrofone klingen scheußlich, der Raum hat hundsmiserable Akustik. Wenn - ja wenn überhaupt ein moderiertes Programm vorliegt und nicht eine seelenlose Musikschleife.

Es gibt nur wenige Internetradios, die ich als handwerklich ordentlich empfinde. Byte FM gehört als moderiertes Programm da an die Spitze, das ist letztlich ein klassisches Kulturradio, dem nur die UKW-Frequenzen fehlen. Radio Paradise aus den USA ist immerhin mit Liebe zusammengestellt. Irgendwelche Musikschleifen aus einem Kinderzimmer erfüllen diesen Qualitätsanspruch nicht. Das ist dann wiederum Dudelfunk.

Eine Chance auf keinen Dudelfunk hat man wohl auch in Zukunft nur dann, wenn Menschen mit Anspruch und Leidenschaft hinter dem Programm stehen. Das wird auch kein noch so intelligenter "ich-beobachte-was-du-hörst-und-empfehle-dir-darauf-aufbauend-was-neues"-Algorithmus leisten können. Solche Angebote werden wohl immer seelenlos bleiben. Ohne das Wissen (und das Gefühl!), daß da auf der anderen Seite der Glasscheibe jemand sitzt, der mit Liebe Programm gestaltet, wird das nichts mit der Freude am Hören. Und jenseits von reinen Musikprogrammen braucht man sowieso Menschen, wer hätte das erwartet...

Und nochwas: mir nutzen 10.000 Webradios nichts und online-Archive auch nichts, wenn da kein Redakteur ist, der etwas aussucht und zusammenstellt, das ihm gefällt und das er gerne mit anderen teilen möchte. So war es doch beim guten Musikprogramm im Radio: man schaltete ein, weil man wußte, die oder der macht jetzt 2 Stunden und das gefällt meist. Ich würde völlig untergehen im Abgebot, gäbe es diese Vorauswahl nicht. Und ich hätte keine Lust, statt 2 Stunden einer liebevoll zusammengestellten und moderierten Musikauswahl zuzuhören, mich 2 Stunden durchs Netz zu klicken, Einzeltitel zu laden und auf Wikipedia nachzulesen, was andere über die Band irgendwo abgeschrieben haben. Schlimmer noch: ich kann am nächsten Tag mit niemandem drüber sprechen, da natürlich niemand außer mir Ohrenzeuge dieser Zusammenstellung war. Das war beim richtigen Radio auch anders - das war Tags drauf Gesprächsthema, zumindest bei uns. Und das verband auf angenehme Weise. Radio war für mich ein lebendigeres "soziales Netzwerk" als die längste "Freundesliste" auf Facebook.

Wenn ich mir anschaue, in welcher Realität die Autoren schweben, dann habe ich auch wirklich keine Fragen mehr. Wessen Tagesablauf sieht schon so aus außer dem von Schülern in den Ferien - oder dem von Arbeitslosen, die alsbald keinen Nerv mehr für solcherlei Tun haben werden?

Nee, so wird das nichts, zumindest nicht für mich. Und ich kaufe weiterhin CDs, die mir gefallen, nehme das Booklet raus, rieche an dessen Druckfarbe, freue mich, wenns so riecht wie der Modelleisenbahn-Katalog um 1984, den ich als Kind einst regelrecht verschlungen habe. Dann kann ich nämlich die Augen schließen und bin kurz wieder in dieser Zeit.

Vielleicht killt das Internet aber den Dudelfunk auf andere Weise: die, die Dudelfunk wollen, bekommen ihn schon heute im Netz deutlich personalisierter als im Radio. Vielleicht wandern die ab und nicht die Anspruchsvollen. Hätte zur Folge, daß man keinen klassischen Dudelfunk mehr gewinnbringend anbieten kann und sich auf die alten Werte besinnen muß. So, wie ich die ARD einschätze, wird sie dann aber eher komplett ins Netz gehen, um dort gebührenfinanziert in Dudelfunk-Konkurrenz zu den Automaten zu gehen (und zu verlieren), während man das klassische Radio endgültig killt.
 
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Ja, deswegen hoffe ich, dass Radios mit Seele, die mit einem ähnlich hohen Wortanteil wie Radioeins daherkommen, auch überleben werden. Obwohl ich die technischen Möglichkeiten hätte, mache ich kaum Gebrauch davon, eben aus dem Grund, dass mir ein gutes Musikprogramm wie bei motor oder 971xfm nicht reicht.
 
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Eyh, den Ausdruck "radio mit Seele" haste aber von mir
superbiggrin.gif


ich höre aber auch Internetradio ganz ohne Moderation (z.B. den hier:
http://www.andys80s.com/index.php)

dann wieder mal Byte FM, dann Motor, dann Radio Eins aber Dudelfunk kommt mir nicht ins Haus.
 
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Wobei andy bis vor einiger Zeit noch einen grottig schlechten Sound mit 96kbit hatte, hat sich glücklicherweise geändert... Nur zufrieden bin ich damit nicht: Unmoderierte, automatisierte wilde Mischung, jedoch so manche Perle dabei... byte fm ist inhaltlich zwar sehr gut, aber nicht dauerhaft hörbar, sondern nur für Einzelsendungen (die einem interessieren...). Radio Eins ist gut, hat aber viele breaks im Musikprogramm und ist phasenweise etwas wortlastig-
"Dudelfunk"- tja, altes leidiges Thema.
Zitat aus dem verlinkten Artikel...
Eins ist es am Ende sicher nicht: Adult Contemporary, auch Dudelfunk genannt.
Die Aussage ist Quatsch. Von jemanden geschrieben, der die Formatdefinitionen nicht kennt... :rolleyes:
Sie umfassen gerade einmal 120 bis 150 Titel, die in ständiger Rotation gespielt werden.
Insoweit richtig. Das gab es damals auch schon- in Europa erstmals mit Big L Radio London und Veronica, Aber mit dem feinen Unterschied, dass Woche für Woche ergänzt, ausgetauscht, rein- und rausgenommen wurde. Heute ist der Übergang vom mcurrent zum recurrent nicht mehr hörbar, weil nicht vorhanden- und das ist nun wirklich annoying, würde der alte Brite sahen.
Doch irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft werden Fernsehsender keine Daseinsberechtigung mehr haben. Genauso wenig wie Dudelfunk. Denn die Distribution passender Inhalte erledigen andere Anbieter schon heute viel besser, smarter und kundenfreundlicher. Wir werden für Inhalte zahlen, die wir uns selbst zusammenstellen
Nun, ganz so wird es wohl nicht kommen. Denn um sich was "zusammenstellen", muss das Angebot erst einmal vorhanden sein. Und wer sich die Tagesschau oder "Wer wird Millionär" zeitversetzt anschauen möchte, braucht erst einmal ein TV-Programm, das die entsprechende Sendung ausstrahlt.
Dass die Medien an sich durch das Internet unter Druck geraten werden, zunehmend, sicherlich... aber überflüssig wird das gute alte Radio und die Flimmerkiste sicherlich nicht...
 
AW: Wie Internet und Social Media den alten Rundfunk abschaffen

Ohne zu weit abschweifen und wieder aufs leidige Immerwiederthema kommen zu wollen: Wie siehst du das mit der Formatdefinition? Ich würde ja auch sagen, dass Adult Contemporary und Dudelfunk Synonyme sind. Faktisch. Dass dies aber der wörtlichen Bedeutung von AC und wohl auch seiner ursprünglichen Intention ganz und gar nicht gerecht wird.
 
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Nochmal hochgezuckt... zunächst mal sorry, meine Tastatur klemmt irgendwo oder ich haue dauernd eine Taste daneben rein - und so ergeben sich beim Tippen unsinnige Wörter... würde der alte Brite sagen, z.B. ...
Ich würde ja auch sagen, dass Adult Contemporary und Dudelfunk Synonyme sind. Faktisch
Faktisch... aber auch (ehemalige) CHR-Stationen laufen derzeit in einer Mini-Musikladung, es ist nicht allein AC in allen Varianten.
Dass dies aber der wörtlichen Bedeutung von AC und wohl auch seiner ursprünglichen Intention ganz und gar nicht gerecht wird.
Da sind wir durchaus einig, wenn Du "wörtliche Bedeutung" austauscht gegen "ursprüngliche Definition", die Zielgruppe ist in etwa gleichgeblieben, wird aber heutzutage anders "bedient".
goeie nacht...
 
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