Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

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AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Nun will "BVZM" im Elaborat vom 21.2.2008 wissen, der WDR Rundfunkrat wäre von der Angelegenheit wenig begeistert und habe die WDR 3 "Reform" nicht durchgewunken.

Sofern dies der Wahrheit entspricht, wäre es in der Tat ein dicker Knüppel zwischen die Beine der Programmschleifer.
 
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Ja, was ist das denn? Der morgige SPIEGEL (18.2.08) berichtet, dass der WDR-Rundfunkrat die geplante WDR 3-Reform erst einmal gestoppt hat. Der RR-Vorsitzende Grätz: "Es gibt die Sorge einer Entwortung des Programms." Er verstehe zwar, dass bei einer Reichweite von unter zwei Prozent "die Alarmglocken klingeln, aber ein kulturgeprägtes Programm wie WDR 3 kann man nicht allein an der Quote messen." WDR 3 sei "einer der letzten Solitäre in einer austauschbaren Hörfunkwelt und war stets weniger windschnittig als die anderen."

Weise Worte - und richtige von Herrn Grätz.

Im Übrigen möchte ich gern mal wissen, was in den Köpfen von BVZM und Konsorten vor sich geht. Anscheinend muss Wort und Musik strikt getrennt werden und eine Programmausrichtung oder ein Format immer starre Grenzen haben. :rolleyes: Kultur ist nicht gleich Klassik und Wort ist mitnichten ungleich Kultur. Zudem hinterlässt der Kommentar des Herrn von zur Mühlen einige Fragen.

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Ein ungewöhnlicher Vorfall: Der WDR-Rundfunkrat lässt sich für die Reform von WDR 3 nicht begeistern und bremst das Projekt aus. Das teuerste WDR-Radioprogramm kann sich nicht recht weiterentwickeln. Der Marktanteil ist beängstigend gering und die komplexe Mischung aus intellektuell anspruchsvollen Wortbeiträgen und klassischer Musik steht sich selbst im Weg.

Seit wann stehen anspruchsvolle Wortbeiträge und klassische Musik, welche überwiegend auch anspruchsvoll ist, sich selbst im Weg?

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Für Wortredakteure sind Mozart, Bach und Dvorak störend.

Sicher? Inwiefern? Wenn ein Wortbeitrag kulturellen Hintergrund hat, warum stören dann Mozart, Bach oder Dvorak?

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Für Musikredakteure sind Features über äthiopische Landreformen und Umweltprobleme in China eine Last.

Inwiefern eine Last?

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
In Jahrzehnten hat sich WDR 3 immer mehr Kleininhalte und Spezialdramaturgien aufgeladen, die für sich alleine genommen interessant sind, aber im linearen Hörfunk stören und kontinuierliche Zuhörer abschrecken.

Hier wieder meine Frage - warum muss Hörfunk linear sein? Ein Hitradio kann als Hintergrundberieseler geeignet sein. Bei Kultur steht nunmal intensives Hören im Vordergrund - beim Wort wie bei der Musik.

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Als WDR 5 als reines Wortprogramm entstand, hätte WDR 3 zum Hörpalast für klassische Musik herausgeputzt werden müssen: nur Musik, nur Genuss, nur Emotion.

Jetzt widerspricht sich der Herr selbst im Gegensatz zu vorheriger Aussage. Wie soll "nur Musik, nur Genuss, nur Emotion" entstehen, wenn der Zuhörimpuls wegfällt? Aus kultureller Sicht ist die Musik allein nicht unbedingt Impuls.

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Alle Worte, alle Features und jedes Gespräch hätten ins Programm von WDR 5 gehört.

Ach - und zur Kultur gehören sie nicht? Hier spielt das Thema (des Wortes) mal wieder eine Rolle.

http://www.medienbote.de/1_home.htm BVZM zum Thema WDR 3 schrieb:
Wenn jetzt WDR 3 erfolgreich reformiert werden soll, wenn Reichweite und neue Zielgruppen erreicht werden sollen, muss die Kultur das Internet endlich entdecken. Die reichen Schätze der Spezialbeiträge, der Diskurs, die Juwelen müssen im Long tail des Netzes ausgebreitet werden. Der Rundfunkrat sollte grünes Licht für die Expansion von WDR 3 ins Internet geben.

Ist Kultur nicht schon längst im Internet angekommen, wenn auch möglicherweise noch nicht unbedingt seitens WDR 3? (schreibe extra unbedingt, da es sich meiner Kenntnis entzieht, inwiefern eine Kulturpräsenz seitens WDR 3 im Netz voller Ideen vorhanden ist!)

Zum Mitschreiben für BVZM und Co.: Kultur besteht nicht nur aus Musik! Es gibt durchaus Wortbeiträge, die zu kulturellen Themen passen. Der Deutschlandfunk bietet hierfür beste Beweise. Von daher ist eine Abtrennung von (kulturellem) Wort Richtung WDR 5 völliger Humbug. Und wer sagt, dass kurze Informationssendungen a là Themen des Tages nicht in einem Kulturradio erwünscht sind? Dann könnten, streng gesehen, sogar die Nachrichten störend erscheinen. Ich kommentiere die Aussagen von Herrn von zur Mühlen mit den Worten von Herrn Grätz

RR-Vorsitzender Grätz schrieb:
...ein kulturgeprägtes Programm wie WDR 3 kann man nicht allein an der Quote messen.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Ich bin der meinung das WDR 3 sich bereits zu einem "mehr Musik" Sender entwickelt hat. Spätestens seit der Einführung von WDR 5 sind viele wortlastige Sendungen vom 3. ins 5. Programm gewandert um dort mit mehr oder minder großem Erfolg weitergeführt zu werden. Die freigewordenen Sendeplätze auf WDR 3 sind meist mit anderen Sendestunden zusammengefasst worden, weggefallen oder wurden mit neuen Sendungen gestaltet. Zuvor durfte man auf WDR 3 sogar noch Sprachkursen und anderen "bildenen" Programmen lauschen !!!.:D:D Ich denke, das die Wellen WDR 3 und 5 sich in manchen Bereichen der Programmgestaltung leider immer häufiger gegenseitig im Wege stehen. Was in welches Programm gehört scheint dabei die große Frage zu sein. Und auch ob sich WDR 3 als Klassikwelle oder als Kulturprogramm profilieren sollte.
Meiner Meinung nach hat auch der Klassikfan ein Recht auf tiefgreifende Information !! Und ich meine das Zeitfunkformate bzw. Sendungen wie das Echo des Tages dort immer noch gut aufgehoben sind. Bei der Abendschiene von WDR 3 gibt es sicher ein paar Programmschrecken mit denen man auch den Abend auf WDR 5 gestalten könnte.
Jedenfalls bin ich eher für seinen sinnvollen Tausch von Sendungen zwischen WDR 3 und 5, als das man das 3. Programm mit seinen Inhalten vollends zerschlägt und zu einem Klassikdudler verkommen lässt. Denn das wäre meiner Meinung nach der Anfang vom Ende für das 3. Programm.
 
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Dunkel ist des Zwinkersmileys Sinn. Geht es darum, daß auch Vertreter des kommerziellen Rundfunks eine Meinung dazu haben? Oder was soll die augenzwinkernde Präsentation dieses Links eigentlich zum Ausdruck bringen?
Nein, ich wollte lediglich (mit einem Augenzwinkern) darauf hinweisen, dass man den Text, auf den sich Dr.Znorko bezog, vollständig nachlesen kann.
 
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Bei der Abendschiene von WDR 3 gibt es sicher ein paar Programmschrecken mit denen man auch den Abend auf WDR 5 gestalten könnte.


Es gibt im deutschen Radio schon genügend weibliche und männliche Programmschrecken. Und ihn außerdem hier und da generell - als unpersönliches Faktum. :wow:
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Die grundsätzliche Frage mag somit auch sein - daher mein Verweis auf BVZM -, ob ein sogenannter Berater überhaupt versteht, was Radio tatsächlich heute ist und künftig sein kann.

Die Auswüchse des Formatradios sind nun allerorten zu hören und es kann niemand guten Gewissens von Programmqualität sprechen. Zudem zu bedenken ist, was BVZM aus Radio Luxemburg gemacht hat und sich dieser Berater von daher komplett disqualifiziert.

Zu WDR 3 ein letztes Wort: Es ist halt noch so etwas wie ein kulturelles Vollprogramm und wenn man die "Ärgernisse" im Programm auf die "Musikpassagen" und eine gewisse selbstgefällig-schräpende Moderatorin in den "Resonanzen" reduziert, schränkt sich der Handlungsbedarf des Rundfunkrates schnell ein.

Übrigens - weil derzeit standortbedingt im Empfänger - zum Studium empfohlen mag der Sender "Österreich 1" sein. Der Sender liefert genügend Ideen, wie man WDR 3 ausbauen (und nicht zusammenstreichen) kann, gleiches gilt auch für die Tagesstrecken beim DRadio... ;)
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Ein bißchen OT, aber...
...Die Auswüchse des Formatradios sind nun allerorten zu hören und es kann niemand guten Gewissens von Programmqualität sprechen. Zudem zu bedenken ist, was BVZM aus Radio Luxemburg gemacht hat und sich dieser Berater von daher komplett disqualifiziert...

Das hat er damals den Arno machen lassen. Sich selbst hat er nicht die Hände schmutzig gemacht. o-Ton Müller aus einem SWR Feature über Radio Luxemburg:
"Das erste war 'ne Modernisierung, von einer riesigen, teuren Mannschaft, die überaltet war. Da war ja noch Camillo Felgen auf der Antenne, der seine Sendungen gemacht hat - ein Mann, der über 70 ist. Eine riesige Personaldecke, riesige Kostenstruktur und ein relativ veraltetes Radioknowhow. Es wurde halt alles so gemacht, wie es früher immer gemacht wurde. Das war ein ziemlich großer Kampf und 'ne ziemlich große Anstrengung, das alles auf Selbstfahrerbetrieb umzustellen, neue Leute 'reinzuholen, statt einer Musikredaktion, wo alles von Hand geplant wird, das alles mit Computern zu machen.“

Menschenverachtend !
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Programmreform bei WDR 3 wird gestoppt

Der Vergleich mit "Österreich 1" ist weltfremd und abwegig. Die Macher von Österreich 1 geben ihre Welle vollmundig als "erfolgreichstes Kulturprogramm Europas" aus, wohl wissend, dass dieses Faktum mit der fehlenden Konkurrenz und dem einzigartigen Informationsmonopol zusammenhängt.

Österreich 1 ersetzt insbesondere in Süd- und Ostösterreich, wo keine ARD-Wellen empfangen werden können, eine ganze Flotte von Spartenkanälen. Es positioniert sich gleichermaßen als "Informationssender" mit langen Politjournalen und Gesprächssendungen, als Klassikwelle mit Konzerten und Live-Übertragungen, als Kulturradio, als Lifestylekanal (Gesundheit, Wellness, Kochen) und als Minoritätenprogramm mit allerlei Zusatzformaten, die anderswo nicht unterzubringen sind (Bildung, Alltagsportraits, Features etc.). Das Ergebnis ist ein typisches Sammelsurium mit Versatzstücken, die nach den Maßgaben des heutigen Formatradios nicht massenkompatibel und damit unwirtschaftlich sind. Ö2 und Ö3 hingegen dudeln nur noch werbefreundlich vor sich hin.

In weiten Teilen Österreichs genießt Ö1 eine sagenhafte Monopolstellung. Während in Deutschland die meisten Landessender seperate Informations- und Kulturwellen veranstalten, überschneiden sich deren Sendegebiete oft großflächig. Außerdem besetzen die beiden Programme des Deutschlandradios weitgehend das selbe Segment. In Relation betrachtet wirkt das massive Eigenlob der Ö1-Macher schon recht vermessen.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Folgendes Gerücht machte zuletzt beim WDR die Runde: Die Reform sei nur deshalb so extrem ausgefallen, weil man das Nein des Rundfunkrat provozieren wollte. Ich hielt das für völlig übertrieben. :p
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Der Vergleich mit "Österreich 1" ist weltfremd und abwegig.

Absolut, denn niemand hat WDR 3 mit Österreich 1 verglichen - aber wer versteht heute schon noch den Unterschied zwischen Vergleich und Hinweis. Jeder schwätzt halt schnell und laut drauflos. Ich hatte nichts anderes erwartet.

Die Macher von Österreich 1 geben ihre Welle vollmundig als "erfolgreichstes Kulturprogramm Europas" aus, wohl wissend, dass dieses Faktum mit der fehlenden Konkurrenz und dem einzigartigen Informationsmonopol zusammenhängt.

Das mag vor dem Hintergrund einer in Ermangelung von Konkurrenzangeboten erwirkten "Zwangsquote" durchaus kritisiert werden. Fraglich allerdings, ob Bayern 2 oder Bayern 4 für Österreicher wirklich einen Einschaltimpuls bieten.

Österreich 1 ersetzt [..] eine ganze Flotte von Spartenkanälen.

Mit anderen Worten, es ist ein Vollprogramm alter Schule. Recht so.

Das Ergebnis ist ein typisches Sammelsurium mit Versatzstücken, die nach den Maßgaben des heutigen Formatradios nicht massenkompatibel und damit unwirtschaftlich sind.

Heutiges Formatradio ist Ohrenkrebs und völliger Unsinn!

Seit wann ist bei einem Programm wie Österreich 1 nach Wirtschaftlichkeit zu fragen? Ist es nicht gerade die Aufgabe öffentlich-rechtlichen resp. staatlichen Rundfunks, solche Programme zu senden, die gerade *nicht* unter Wettbewerbsbedingungen (privat) produziert werden können?

Wie dem auch sei. Aus einer derartigen Argumentation gegen Österreich 1 sprechen Neid und Unwissen.

Hinsichtlich WDR 3 - und darum geht es hier eigentlich - sei noch angemerkt: Was auch immer sich aus dem "konkreter Formulieren" ergeben wird, zumindest bleibt die Hoffnung, daß beim WDR etwas Verständnis geschaffen wurde, die eigenen Programme womöglich nicht der allgemeinen Verdummung zu opfern.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Ich wollte keineswegs Österreich 1 kritisieren, der Sender ist bestimmt sein Geld wert. Auch ich bin kein Freund billiger Formatsender. Wenn ich WDR und ORF vergleiche, muss ich allerdings feststellen, dass das Konzept der Spartentrennung in Wort und Klassik sinnvoller ist als ein wildes Durcheinander schwer verträglicher Programminhalte. Mir ist schon klar, dass sich der ORF kein ganztägiges Wortprogramm nach dem Vorbild von WDR5 leisten kann. Wer aber sagt, dass der Hörer des Mittagsjournals (einer ausgezeichneten Informationssendung) gleichermaßen aufs Promenadenkonzert abfährt? In der Schweiz hat man mit DRS1 eine Art WDR5 light mit mindestens 50% Wortanteil und abwechslungsreichen Infomagazinen geschaffen, das dank der (hervorragenden) Musikeinspielungen auch mal Gelegenheit zum Verschnaufen bietet. In Österreich gibt es zu Österreich 1 keine anspruchsvolle Alternative. In Westösterreich erfreut sich Bayern 4 angeblich großer Beliebtheit. Kein Wunder, füllt ja auch 'ne Marktlücke.
 
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In der heute veröffentlichten MA gabs für WDR 3 minimale Verluste:
Media-Analyse 08/I (Mio) 0,22
Media-Analyse 07/II (Mio) 0,24
Derweil WDR 5 jene 0,02 dazugewonnen hat, von 0,49 auf 0,51.
Reichweiten in Prozent für WDR 3:
Media-Analyse 08/I (Prozent) 1,6
Media-Analyse 07/II (Prozent) 1,7
WDR 5 wiederum verbesserte sich von 3,5 auf 3,7
Quelle
(K)ein hinreichendes Futter für die Reformfreunde?
 
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Das ist aber eher was für die Kundschaft von WDR 2.

Was dieses Thema hier angeht: Das leistungs- und karriereorientierte Milieu, das Klassik mag – danke, keine weiteren Fragen mehr.
 
Warten wirs mal ab...

In der RADIOJOURNAL-Ausgabe 3/08 wird die inzwischen für den Herbst 2008 geplante Reform unter der Überschrift "Modernisierung mit Augenmaß - WDR 3 passt sein Programm den heutigen Hörbedürfnissen ein" auf 2 Seiten besprochen. Ein paar Aussagen von Programmchef Professor Karl Karst:
- Das Programm ist künftig von 6 bis 18 Uhr live, wodurch das Programm "spürbar aktueller und lebendiger" sein soll.
- eigene Kulturnachrichten kommen (DLRK lässt grüßen), "spezifische WDR 3 Politik-Journale", "insgesamt mehr Zeitbezug und auch Landesbezug".
- der Live-Anteil der Konzertstrecke ab 20.05 wird deutlich erhöht.
- "WDR 3 open" bleibt unberührt.
- Für die Kulturstrecken des Tagesprogramms gilt das Motto: Die Welt aus der Perspektive der Kultur.
- Nach den Konzerten wird es grundsätzlich Jazz geben und mindestens einmal im Monat eine "WDR 3 Jazz-Nacht".
- "Es geht nicht um eine brachiale Neupositionierung, sondern um eine den veränderten Hörgewohnheiten angepasste maßvolle Weiterentwicklung"
- Karst hat die von ihm sehr ernst genommene Weiterentwicklung dessen, was das größte Kulturradio der ARD ausmachen soll, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern intensiv besprochen. Er wird sie auch ausführlich den WDR-Gremien erläutern und setzt auf deren Unterstützung.
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Weia, ist diese Gesellschaft bzw. die Erwartungshaltung an ihre Bewohner wirklich so seltsam?

Den klassisch bildungsorientierten Hörern steht eine Zielgruppe gegenüber, die nicht nur auf die Hochkultur abonniert ist.
Gut erkannt: es gibt tatsächlich Menschen, die "Kultur" nicht zur Abgrenzung benutzen. Die sich vielleicht als ganz "normale" Menschen betrachten, sich aber einfach bloß nicht anprollen lassen wollen und weder Superhitmixe noch super-Gewinnchancen im Radio erwarten. Aber was hat "bildungsorientiert" mit "Hochkultur" zu tun? Hier lese ich schon wieder "entweder E-Klassikhörer oder Proll".

Schönen Dank auch, da bleibe ich lieber Proll, höre weiterhin Prollmusik von Arcade Fire oder Wir sind Helden und freue mich jedesmal diebisch, wenn ich irgendwo als Doktor aufgerufen werde, aufstehe und die völlig verstörten Blicke um mich herum genießen kann.

Und wo sortieren die Rundfunk-Menschenbild-Planer von heute so seltsame Gestalten wie meinen Chef ein? Der hört Klassik und singt in mehreren Chören (soweit ich weiß auch in einem Kirchenchor), geht dann aber auch zu 2raumwohnung und hört auf der Fahrt zum Managementmeeting bei passender Laune affig laut Metallica im Firmenwagen? Hat der ein Recht auf Berücksichtigung im Kulturfunk? Oder ist er wegen seiner Vergehen gegen die "Hochkultur" nur noch als Jump-Hörer zugelassen?

Die gehen auch ins Kino
Pfuibäh, perverse, sozialethisch desorientierte Schweine!

Unter ihnen sind selbst leistungsorientierte Hörer
Oh Schreck, was machen wir jetzt nur mit denen? Die zerstören doch der reinrassigen Hochkultur-Elite das Hör- und Abgrenzungsvergnügen. Wie können wir das bereinigen? Wir verlieren doch sonst die, die uns als Abgrenzungs-Waffe verwenden...

die das Radio einschalten, um morgens eine Buchbesprechung zu hören, damit sie abends auf der Party mitreden können
Ach, dafür wird Radio also gemacht. Damit sich irgendwelche unwichtigen Pfeifen abends beim inhaltsfreien Smalltalk wichtig fühlen können? Radio-Weisheiten als Ausstopfwolle für Hohlkörper? Ist diese Welt wirklich so kaputt? Bloß gut, daß ich lieber in die Natur oder Schwimmen gehe als auf solcherart Ego-Schaulaufen.

Dieses Potential gilt es auszuschöpfen.
Bitte nicht! Schickt die leeren Gestalten lieber auf ein buddhistisches Meditationsseminar oder für ein halbes Jahr zur Entwicklungshilfe nach Afrika, statt das Radio zum Neurosenbefriediger umzubauen.

Das beschreibt zunächst einmal die Herausforderung, vor der wir stehen. Wie kann WDR 3 ein neues Publikum finden, ohne dass wir den Anspruch an die Qualität aufgeben?
Ich sehe eine Antwort, die hat aber nichts mit den oben zerpflückten Gedankenspielen zu tun. Sondern schlicht und einfach mit der Erkenntnis, daß sich in den vergangenen Jahrzehnten neben der "zeitlosen" E-Kultur eine lebendige, gerne mit den Jahren etwas variirende "junge Kultur" oder "Pop-Kultur" oder wie auch immer herausgebildet hat, deren Freunde längst nicht mehr pauschal in die "Rabauken-Ecke" geschoben werden können. Ich behaupte, daß die Beatles und The Who, aber auch Arcade Fire oder Get Well Soon längst musikalische Bestandteile einer frischen, lebendigen Kultur sind. Einer Kultur, deren Anhänger durchaus mehr können als mit der Bierflasche in der Ecke herumzustehen und zu pöbeln oder Gaststättenmobiliar zu zerklopfen. Vielleicht sind sie sogar etwas gebildet. Zu dieser Kultur gehört gewiß auch Theater, es ist vielleicht nur anderes Theater als das, in das E-Klassik-Hörer gehen würden. Zu dieser Kultur gehört definitiv Kino, aber gewiß nicht "Stirb langsam 3". Zu dieser Kultur gehören Lesungen, seien es die von Wiglaf Droste oder die, die man "Poetry Slams" nennt.

Wie soll diese Kultur, wie soll diese Bevölkerungsschicht in ein E-Kultur-Programm integriert werden, ohne dessen "Qualität" aus Sicht der militanten "Abgrenzungs-Hörer" zu zerstören? So wird und muß das scheitern!

Entweder man bekennt sich zu all dem Gedöns von "Bildungselite" als Gegenteil zum "Niedrigperformer" (letztens aufgeschnappt, bezeichnet Menschen, die weniger als 70 Wochenstunden in der Chefetage arbeiten und sollte man als Unwort des Jahres vorschlagen) und hält weiterhin daran fest, daß es außer dieser Kultur keine andere geben kann - dann muß man tatsächlich auf große Hörerpotentiale verzichten und in Kauf nehmen, daß einem die Hörer wegsterben. Es sind einfach zu wenige junge Menschen da, die E-Kultur als Abgrenzungsmittel nutzen wollen. Dazu muß man schon recht abgebrüht sein, denn das macht in dieser Generation sehr, sehr einsam. Programme, die stur weiter diese Schiene fahren, werden unter den jüngeren Hörern allenfalls Programm-Hopper haben, die gezielt zu bestimmten Sendungen reinschalten, da ihr Leben aus mehr besteht als aus der Zelebrierung der E-Kultur. Ich habe ihn nicht gefragt, aber der junge Tenor in meinem weiteren Umfeld, der nebenbei auch noch gerne alte Kirchenorgeln bespielt und in Physik promoviert, wird durchaus auch schon zu Popmusik gehüpft sein und hat neben seinen musikalischen Wegbegleitern auch ganz "normale" Freunde.

Oder man öffnet sich einer bunten kulturellen Mischung, nimmt frustrierte "Alt-Hörer" in Kauf und wird in wenigen Jahren erstaunt feststellen, daß man den E-Kultur-Anteil immer weiter reduzieren muß - um der gesellschaftlichen Realität zu entsprechen. Das ist aber nicht der vielbeschworene Untergang der Kulturgesellschaft (die kann ich sowieso nirgendwo erkennen, das liegt aber auf ganz anderen Ebenen), sondern Ausdruck einer lebendigen Kulturlandschaft.

Vielleicht könnte so ein "Mischprogramm" sogar bestimmten Schichten einen Zugang zur E-Klassik verschaffen. Das dürfte aber kaum funktionieren, wenn man vermittelt, daß man E-Klassik höre, um seine Andersartigkeit zu belegen. Nein, gesunde Menschen haben viel primitivere Gründe, etwas zu tun: es muß ihnen Freude bereiten. Vielleicht sind solche schlichten Zusammenhänge ja zu profan für die selbsternannte "Hochkultur-Elite".

D-Kultur versucht bereits das Spagat zwischen den traditionellen und den jüngeren Kulturwelten. Warum dann noch weitere Programme auf diesem Sektor?

Natürlich kann ich sagen: Ein Beitrag hat Qualität, wenn er eine Viertelstunde dauert. Aus meiner Sicht hat eine solche Argumentation wenig Sinn.
Womit Herr Schmitz auch aus meiner Sicht eindeutig Recht hat. Wenn es aber ein Thema erfordert, sich ihm mehr als 3:30 zu widmen, dann muß dafür aber auch repressalienfreier Raum vorhanden sein. Sonst kommt der böse Radiowaves und reißt das "Kultur"-Etikett runter.

. . . der Vorwurf der „Entwortung“ ist ein geradezu unerträglicher Kampfbegriff geworden. Der WDR hat verschiedene Programme im Angebot. Eines davon, WDR 5, besteht zu achtzig Prozent aus Wortbeiträgen.
Ist das wirklich so schwer zu begreifen? Sucht Herr Schmitz auch, wenn er abends mit Freunden oder Geschäftspartnern gut essen gehen will, nacheinander ein Dutzend Restaurants auf? Im ersten mampft man lustlos Kartoffeln "ohne alles". Im zweiten schlürft man dann die Soße und versucht, sich an die Kartoffeln zu erinnern, während man gleichzeitig das Fehlen von Gemüse diskutiert, welches sich im dritten Restaurant "ohne alles" auf dem Teller findet? Im vierten Restaurant gibt es dann Salz und Gewürze und falls jemand beim Salzlecken der Meinung ist, gerade jetzt wären die Kartoffeln von vorhin schön, bekommt er als Antwort, er wäre doch mündiger Bürger und könne jederzeit ins erste Restaurant zurückgehen.

Genau so mutet für mich die heutige Konzeption des Hörfunks an. Beispiel MDR: wortfreier Prollfunk auf der einen Frequenz, nonstop-Nachrichten auf der anderen. Ich hätte aber gerne intelligentes Radio mit Aussage und Meinung zusammen mit Musik (die auf Jump streckenweise sogar meinen Geschmack träfe, zumindest deutlich mehr als die der anderen Musikwellen im Lande)! Man hat das Wort meist abgeschoben in eine Alibi-Veranstaltung, um auf den anderen Wellen das zu machen, was heute jeder 14-jährige mit seinem MP3-Player kann: Mucke. Das ist so langweilig, daß es durchaus dem Radio zum Sargnagel werden könnte.


Ach so:
WDR 3 ist von der Prägung her ein Musikprogramm.
Ähh, hat Herr Schmitz nicht vorhin gesagt, WDR 3 sei
einer der wichtigen Kulturleuchttürme in unserem Land, bekannt für hochwertige Musikbeiträge und Qualitätsjournalismus.

Ja was denn nun? Mucke-Spieler oder Kulturwelle mit Qualitätsjournalismus? Falls wirklich ersteres: macht ein Downloadportal auf WDR3.de auf, wo die Hörer nach Eingabe ihrer GEZ-Nummer den besten Klassik-Mix des Tages als 192er MP3 für den eigenen Player ziehen können.

Ach so, Klassik Radio gibt es ja schon...


Man muss bloß sehen, dass Radio tagsüber weitgehend ein Begleitmedium geworden ist.
Wie soll es auch anders sein, außer bei Rentnern, Arbeitslosen, Schichtarbeitern und Studenten? Das war auch nie anders. Gerade die beschworene "Bildungselite" ist tagsüber in Managementmeetings, hat einen Notes-Kalender, der grün und blau aussieht, telefoniert selbst auf stundenlangen Autofahrten unentwegt in Firmendingen - oder hat das Glück, die Zeit eines abgesagten Termins nutzen zu können, um selbst einmal einige Minuten konzentriert zu arbeiten. Wie sollen die dabei auch noch gezielt und aktiv Radio hören?

Ich erinnere mich, daß auf DT64 vormittags Wiederholungen der wertvollen Spätsendungen liefen - zu DDR-Zeiten hat man dieses Angebot dann sogar explizit als "für Schichtarbeiter" gekennzeichnet. Und wäre ich Programmchef einer Welle mit Anspruch, ich würde tagsüber hochwertige Magazine fahren mit abwechslungsreicher Musik und durchaus interessanten Themen; die ausfühliche Beschäftigung mit einem wichtigen Thema und die Musik-Spezialsendungen liefen aber definitiv abends ab 20 Uhr. Sie wären sonst verschwendet - auch im Zeitalter des digitalen Festplattenrecorders. Und dazu wären sie mir zu schade.

Wir haben einen neuen Medien-Nutzungstypus vor uns, der mit Magazinradio groß wurde, nicht mit sogenanntem „Einschaltradio“.
Komisch, ich kenne die, die beides sind beziehungsweise waren. Tagsüber mit weniger Aufmerksamkeit Magazinhörer, ohne großen Verlust auch mal "nebenbei". Abends dann "Einschalt-Hörer". Wie, wenn nicht als "Einschalt-Hörer", kann man heute als auch nur ein kleinwenig anspruchsvoller Mensch noch Radio hören?

Schon jetzt ist es so, dass zwei Drittel der WDR- 3-Hörerinnen und -Hörer auch andere Sender einschalten.
Das ist doch schon eine erfreuliche Erkenntnis: die Hörer sind in der Lage, ihre Empfangsgeräte zu bedienen und auch ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen...
 
AW: Wird WDR 3 ein Kultur-Leichtgewicht?

Hier lese ich schon wieder "entweder E-Klassikhörer oder Proll".

Das eigentliche Problem ist doch, dass die Anstalten versuchen, auf ihren Kulturradios ein Potpourri für alle Hörer anzubieten, die im Entferntesten irgendwie an Kultur interessiert sind. Also schmeißt man Klassik mit Jazz zusammen, verdünnt diesen Brei mit Beiträgen über Kunstausstellungen und würzt die Pampe schließlich mit politischen Kommentaren. Sowohl die Musik, als auch die journalistischen Beiträge mögen von hoher inhaltlicher Qualität sein, bringt man sie jedoch zusammen wie zwei Chemikalien, fangen sie manchmal an zu stinken...
Dabei stehen den Ö/R genügend Senderketten zur Verfügung, um diese Bereiche vernünftig zu trennen. Diese jedoch nutzt man aus mir nicht näher nachvollziehbaren marktwirtschaftlichen Gründen, um den privaten Sendern Konkurrenz zu machen. Es wäre jedoch durchaus möglich, drei Einschaltradios zu produzieren. Eines für Information und Unterhaltung, eines für Popkultur und eines für E-Kultur und niemand müsste sich aufregen. Ironischerweise hat der WDR mit WDR 3, 5 und 1Live-Kunst genau diese drei Programme, die man nur stärker in Richtung Einschaltradio umbauen müsste. Vulgo: Es wäre ein Leichtes. das Magazin "Resonanzen" auf WDR 3 rauszuwerfen sowie 1Live-Kunst auf bisher redundanten UKW-Kapazitäten durchzugeben. Letzterer Sender dürfte Deinen Vorstellungen von Radio teilweise entgegenkommen, auch wenn es zur Zeit wegen des Webradio-Charakters freilich nur Konservenfunk ist und die Musik auch noch nicht allzu stark aneckt.
Eine Sendung mit Magazincharakter bei einem E-Programm zeigt nur, dass man nicht verstehen will, dass Menschen zuhören, weil sie ein Thema/eine Themenrichtung interessiert. Kommt im Feature über Bananenplantagen in Ecuador plötzlich Beethoven, stört das genauso wie ein Dreiminüter über den Ausbau des Frankfurter Flughafens im Metallica-Konzert.

Der hört Klassik und singt in mehreren Chören (...), geht dann aber auch zu 2raumwohnung und hört auf der Fahrt zum Managementmeeting bei passender Laune affig laut Metallica im Firmenwagen?

Schön zu hören, dass es nicht nur mir so geht. Je nach Situation wechselt mein Musikgeschmack gerne mal von Klassik zu Power Metal. Und ja, nach einem anstrengen Tag will ich kein WDR3-open mehr hören und lasse mich lieber vom Liebesleben der Anrufer Domians berieseln. Manchmal jedoch packt mich die Lust, und ich sauge die Psychohörspiele oder das Nachtkonzert voller Begeisterung in mich auf und will am liebsten ins Radio kriechen, weil die journalistische/musikalische Qualität mich fasziniert. Nur woher soll der MDR oder WDR wissen, ob sich Dein Chef gerade anhand von AC/DC vom Meeting abregen möchte oder lieber zum Wiegenlied von Brahms in der Badewanne einschlummern mag? Die Lösung kann nur sein, verschiedene Sender für die unterschiedlichen Lebenslagen anzubieten, auch wenn ich damit Deinem Restaurantvergleich wiederspreche. Man muss eben vorher wissen, ob man guad boarisch, italienisch oder persisch essen gehen möchte.

Entweder man bekennt sich zu all dem Gedöns von "Bildungselite" als Gegenteil zum "Niedrigperformer"

Der Kulturgehalt der gehörten Sendungen verhält sich meiner Beobachtung nach nicht proportional zu den wirtschaftlichen "Erfolgen" der Hörer. Das vermutet möglicherweise Herr Schmitz, jedoch wird diese Bevölkerungsschicht schon durch die politischen Ansichten bei WDR 3 verschreckt. Bei liberal-konservativen Rundfunkanstalten kann das jedoch wiederum anders ausehen. Ich glaube eher, dass diese Bevölkerungsschicht an ihrem Lebensstil zweifeln würde, setzte sie sich ausführlicher mit Kultur auseinander.
Wir dürfen die Verflachung eines Großteils der Gesellschaft nicht als Vorwand benutzen, um die letzten Inseln auszurotten, die noch Impulse zum kritischen Denken geben. Auch wenn kritisches Denken heutzutage ziemlich frustrierend sein kann. Das widerspricht auch nicht unbedingt deiner Popkultur-Zielgruppe, die sich irgendwo zwischen Mainstream und E-Kultur befindet, nur ist diese nicht durch Kulturwellen, sondern speziell durch eigene Programme anzusprechen, die früher einmal SDR 3 und DT64 hießen, und nach Umwidmung von UKW-Sendern, also dem Gewinn messbarer Hörerzahlen, vielleicht 1Live-Kunst heißen könnten.
 
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