Die Sprachlotterei treibt neue Blüten

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Ich glaube, auch so etwas passt hier hinein, hat es doch mit "Sprachlotterei" zu tun, auch wenn es in meinen Augen positiv zu bewerten ist (geht es hier doch häufig nur um "Sprachschluderei"):

Im Hintergrund der Berichterstattung um Enkes Tod gelobte NDR 1 Niedersachsen heute Nachmittag oder Mittag, je nach Zeitverständnis (es war nach 13.00 Uhr), Besserung bei der Wortwahl in der Berichterstattung. Aufhänger war das zuhauf genannte Wort "Selbstmord", welches die Hörerinnen und Hörer wohl am Telefon beanstandeten und dafür die (in heutiger Zeit besseren) Begriffe "Suizid" oder "Selbsttötung" einforderten.

Hört man im heutigen Rundfunk selten, eine Selbstkritik am eigenen Handeln.
 
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Aufhänger war das zuhauf genannte Wort "Selbstmord", welches die Hörerinnen und Hörer wohl am Telefon beanstandeten und dafür die (in heutiger Zeit besseren) Begriffe "Suizid" oder "Selbsttötung" einforderten.
Der Hörer ist König, auch wenn er unrecht hat ;) Wer sich mit Pillen umbringt, vollzieht eine Selbsttötung. Wer wie Jacques in Luc Bessons "Le grand bleu" in den Tiefen des geliebten Ozeans verschwindet, der wählt meinetwegen den Freitod. Wer sich aber vom Zug überrollen lässt, dadurch Dritte in Gefahr und Leid über den Zugführer bringt, der ist als Selbstmörder treffend charakterisiert.
 
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Minuswachstum
Friedenseinsatz
Wachstumsbeschleunigungsgesetz
Kollatoralschaden
Umsiedlung
Entsorgungspark

Wir können grade so weitermachen, die Euphemismen gedeihen prächtig, und die Medien machen mit...
 
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Man sagt auch nicht mehr "Zigeuner", sondern "mobile ethnische Minderheit". Wir haben echt Probleme!

Das ist mir neu. Du gehst doch auch nicht in ein Restaurant und bestellst ein Mobiles ethnisches Minderheits-Schnitzel in Mobiler ethnischer Minderheits-Soße.

Diese Political Correctness nimmt langsam echt heftige Ausmaße an.


Und was passt der Masse denn auf einmal an der Bezeichnung Selbstmord nicht mehr? Die scheinen sich echt noch alle viel zu wohl zu fühlen. Als gäbe es nicht zig andere Sorgen.
Tanzt doch am Rande eines aktiven Vulkans, dann habt ihr keine Probleme mehr.
 
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Das mit dem Zigeuner sehe ich seit letzter oder vorletzter Woche differenzierter, denn da gab es im Fernsehen einen Bericht über eine Kartenlegerin(?) in Hamburg, deren Familie noch "fahrendes Volk" ist, und die behauptete von sich, eine "Zigeunerin" zu sein.

Wie dem auch sein, ihr wisst sicherlich noch, dass für "Selbstmörder" auf dem Friedhof eigentlich kein Platz ist.
 
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Apropos

Berichterstattung um Enkes Tod


Ist es eigentlich richtig von Enkes hinterbliebener Frau als "Robert Enkes Witwe" zu sprechen?

Nach meinem Sprachempfinden kann sie nur EINE, nicht aber SEINE Witwe sein.

Für mich war und ist sie Roberte Enkes EHEFRAU oder eben hinterbliebene....

Oder kann man das echt sagen: SEINE Witwe?
 
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Ich habe das "Zigeuner-Thema" von der Polizei. Die Pressesprecher im Bereich der Polizeidirektion Freiburg/Südbaden dürfen jedenfalls nicht mehr von "Zigeuneren" schreiben oder sprechen, wenn fahrendes Volk irgendwo eine Serie von Wohnungseinbrüchen hingelegt hat, sondern sie müssen "mobile ethnische Minderheit" formulieren. - Und das schon seit einigen Jahren.
 
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Es gibt ein genaues Reglement im Archivwesen, wie deutsche, englische, romanische und andere Titelzeilen geschrieben werden. Leider ist dieses Reglement heute kaum noch jemand bekannt.
[...]
Also:
Englische Zeile: Jedes Wort beginnt mit einem Versal

Ich wollte eigentlich sofort protestieren (oder zumindest den Geltungsbereich des „Reglements“ hinterfragen), aber der Zwerch hat ja mit seinem Wiki-Link schon darauf hingewiesen, daß es im Englischen durchaus verschiedene Konventionen zur Großschreibung in Titeln, Überschriften usw gibt.

Ich persönlich finde übrigens die zweite Version von oben (alles groß außer Artikel, Präpositionen und Konjunktionen) am schönsten. Das liegt sicher daran, daß ich das mal so als „(einzig) richtig“ gelernt habe.

[OT]
Wie es halt oft mit Schulweisheiten so ist. Dies wurde hier besonders schön charakterisiert:
New York Times schrieb:
Usage rules like these, especially if we learned them young, tend to have the ring of eternal truth.
[/OT]

Man läuft aber leider bei der von mir favorisierten Variante unweigerlich in Probleme, daß sich Wortart oder part of speech nicht immer eindeutig bestimmen läßt - doch das näher zu behandeln, führte hier zu weit.
 
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Zum Thema Zigeuner empfehle ich Dieter E Zimmers Wortlupe (dort ganz unten).

Und auch die anderen Themen, die Zimmer unter die Lupe legt, passen gut in diesen Thread.
 
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Ich habe das "Zigeuner-Thema" von der Polizei. Die Pressesprecher im Bereich der Polizeidirektion Freiburg/Südbaden dürfen jedenfalls nicht mehr von "Zigeuneren" schreiben oder sprechen, wenn fahrendes Volk irgendwo eine Serie von Wohnungseinbrüchen hingelegt hat, sondern sie müssen "mobile ethnische Minderheit" formulieren. - Und das schon seit einigen Jahren.
Das Problem ist bekannt und belastet die Kollegen im Einsatz bei Personenbeschreibungen im Rahmen der Fahndung nicht minder. ;)
 
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Vorhin um 12.17 Uhr in der Infothek... Kein Aufreger sondern einfach nur spaßig - und irgendwie typisch für radio nrw.

Der Moderator gibt bekannt, daß Michael Schumacher bei der F1 wohl doch nicht im Mercedes sitzen wird, wechselt dann offenbar ohne Ankündigung in den Zitiermodus und sagt: "Das wären natürlich Gerüchte gewesen, die sich viele Leute gewünscht hätten."

Die Leute hätten sich die Gerüchte gewünscht? :D

Ab gesehen davon: Durch Verwendung des falschen Konjunktivs wird der Satz vollends konfus. Waren die Gerüchte oder wären sie gewesen? Haben die Leute gewünscht oder hätten sie? Und warum waren das natürlich Gerüchte? Oder wollte er eigentlich sagen, daß sich viele das natürlich gewünscht haben?
 
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Keine Sprachlotterei, aber durch unglückliche Formulierung eine echte Sprecher-Falle:

www.tagesschau.de/ausland/dubai192.html schrieb:
Wirtschaftsexperten verweisen außerdem darauf, dass das ölreichere Nachbaremirat Abu Dhabi Dubai bislang finanziell gestützt hat.
Dudidubidu-was?

Jodeldiplom mit der Tagesschau, jetzt auch im Nachbaremirat zu erwerben. :wow:
 
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Ich bin sicher, wenn unser verehrter Onkel hier noch schriebe, hätte er schon längst darauf hingewiesen. Hier und hier führte er es ja schon als Beispiel an.

Es geht um die Aussprache von

Vancouver,​

des Austragungsortes der kommenden Olympischen Winterspiele. Mit Herannahen dieses Ereignisses wird sich die Gebrauchsfrequenz des Ortsnamens zwangsläufig extrem erhöhen. Um so wichtiger erscheint mir, daß man bereits jetzt die richtige Aussprache in die Köpfe der Reporter, Moderatoren und Sprecher bringt. Und ja, gestern hörte ich auch bei einer erfahrenen Berufssprecherin die falsche Aussprache. :(

Deshalb, verehrte Medienschaffende, so höret und helfet als Multiplikatoren beim ehrgeizigen Ziel, die populäre - aber falsche! - Aussprache von Vancouver ein für allemal auszumerzen.

Es heißt nur [vænˈkuːvə(r)] oder, falls die IPA-Zeichen nicht lesbar sind, van-KOO-vuh(r). Betonung auf der zweiten Silbe! Und kein ng-Laut, sondern nur n.

Vielleicht hilft es ja, die Herkunft des Ortsnamens (von „van Coevorden“) im Hinterkopf zu haben und an van Beethoven, van Gaal oder das allererste Posting in diesem Thread zu denken?
 
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Auch ich vermisse den Onkel (wie auch Makeitso) sehr, weil ich hier mal weniger den Fall der Sprachlotterei, sondern eher einer Zweifelsfrage in den Raum werfe:

Tiefstand oder Tiefststand?​
Meldung des DLF:

www.dradio.de/nachrichten/2009121013/9/ schrieb:
Donnerstag, 10. Dezember 2009 13:00 Uhr
Zahl der Verkehrstoten sinkt dieses Jahr voraussichtlich auf Tiefstand
Keine Einwände, wenn es einer der niedrigsten wäre - es ist aber der niedrigste:

www.dradio.de/nachrichten/2009121013/9/ schrieb:
Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich den niedrigsten Stand seit Erhebung der Statistik in den 50er Jahren erreichen.
Beide Varianten sind sicher grammatisch richtig, aber ich hätte mich dann doch für den Superlativ entschieden - bei "Tiefstand" musste ich erst mal innehalten.

Schauen wir in die andere Richtung, nach oben, kennen wir ja auch nur den Höchststand, oder etwa nicht?

Mit der Bitte um freundliche Aufklärung. :)
 
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Ich hätte der Schlagzeile einfach noch ein Wörtchen mehr gegönnt, und "bisherigen Tiefststand" draus gemacht.
Auch wenn es so aussieht, als würde es dieses Jahr ein Tiefststand werden, kann er ja im kommenden Jahr noch niedriger ausfallen.

Einfach um deutlich zu machen, dass es eben noch tiefer möglich ist, und um Haarspaltern (wie mir ;)) den Wind aus den Segeln zu nehmen, würde ich diese Formulierung bevorzugen.
 
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Egal wie das hier alles ausgeht, ich stifte symbolisch den "Bitte Aussenhahnen benützen" - Preis für verdiente Sprachlotterer(innen?)


Zugegeben, der Preis wurde nach einem real existierenden Beispiel aus der Schweiz benannt. (Gesehen in einer Toilette auf einem Parkplatz an der Autobahn. Damit dürfte auch klar sein, was mit dem Spruch gemeint ist.)


Grüßle Zwerg#8
 
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Wenn man sich hier schon wegen totaler Nichtigkeiten so weit aus dem Kellerfenster lehnt, dass die Korinthen fliegen, dann sollte man doch wenigstens in seinen intellektualistischen Beiträgen zur Sprache auch selbst davor gefeit sein, als "grammatisch richtig" zu titulieren, was einfach nur "grammatisch" ist; oder eben "ungrammatisch".

Man, geht mir dieses Schlaubergergetue in dieser Branche auf den Keks. Aber das ist typisch für Gruppierungen, in denen die meisten Menschen nichts Vernünftiges gelernt haben und deshalb an jeder Stelle ihren Intellekt beweisen wollen.
 
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[...] dann sollte man doch wenigstens in seinen intellektualistischen Beiträgen zur Sprache auch selbst davor gefeit sein [...]

Es werfe der den ersten Stein, der jegliche Fehler (Tipp-, Rechtschreib-, Grammatik-, ...) bei sich selbst zu 100 Prozent ausschließen kann.

Ein Forum lebt gerade auch davon, daß jeder Leser potentiell immer was dazulernen kann. Dabei spielt der Ton in den einzelnen Beiträgen eine wichtige Rolle.

Nun zum Thema:
1) In Beitrag #1542 kann ich keine fliegenden Korinthen sehen; schon eher ein paar Postings darunter. Es war eine einfache Frage.
2) Ich halte Tiefstand für sachlich falsch. Tiefststand war wohl gemeint und hätte so auch geschrieben werden sollen.
 
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Nein, ich meine explizit: grammatisch.
Und, Inselkobi: Wenn Du mir einen Beitrag in diesem Thread zeigen kannst, in dem ich mit flatternden Händen anprangere, wie rufdiepolizeimäßig fuhuhuhurchtbarrrr ich es fand, dass Sprecher X nachts um 3.12h einmal "bestbezahlteste" statt "bestbezahlte" gesagt hat, nehme ich sofort alles zurück.

Nicht zurück nehme ich allerdings: es ist charakteristisch, dass in Deutschland Bildung oder eher vermeintliche Bildung gerne dazu verwendet wird, sich umso glanzvoller von anderen Menschen abzuheben. Das ist nur eine Ausprägung der deutschen Neidgesellschaft auf anderer Ebene. Besonders gerne schmücken sich mit Bildungsfedern die, die damit Ängste um das wackelige Fundament ihrer eigenen beruflichen Laufbahn kaschieren möchten.

Neben auswendig gelernten Bastian Sick-Kolumne-Verbesserungen ("du meinst sicher: du hast die gleiche Lampe, nicht die selbe") erhöht sich in der Gegenwart dieser Menschen meist auch die Konzentration unnötiger Anglizismen. Kein Wunder, dass in Promotion-Agenturen, Musikredaktionen und Blogger-Spots so unheimlich viel gehandelt und gescheduled wird, wenn man nicht gerade wichtige Events cancelt oder mit Headset am Ohr über den Forecasts hängt.
Da ist nämlich auch die Personenzahl der Kategorie "ausbildungsarm reingeschliddert, hängengeblieben, weggebissen" besonders hoch.
 
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Der Grat zwischen angebrachter Sensibilisierung gegenüber „Sprachlotterei“ (was ich für nützlich halte, und so sehe ich diesen Thread auch überwiegend) und Sprachmeisterei ist in der Tat sehr schmal. Warum nun aber gerade die einfache Frage in #1542 in einen Topf geworfen wird mit „rufdiepolizeimäßig fuhuhuhurchtbarrrr“en Beckmessereien, verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.

Und zu Sick selbst noch ein Zitat:

Theodor Ickler schrieb:
Gutmütige Menschen werden sagen, daß Sick zwar nicht immer das Richtige treffen möge, aber doch durch seine Bestseller zur "Sensibilisierung" breiter Massen für Sprache beitrage. Ich bestreite das. Sick hat jene Haltung bestärkt, die Eduard Engel als "Sprachmeisterei" kritisierte und zu der sowieso viel zu viele Menschen neigen. Das zeigen auch wieder die zitierten Ausführungen des Herrn Sawitzki im Mannheimer Morgen.
Sick versteht gerade genug von Sprache, um den Sprachgebrauch einfacher Leute zu verhöhnen, aber nicht genug, um es zu unterlassen.
 
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