Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

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Das hat mich die letzten Tage bewegt:

Viele Beiträge in diesem Forum sind mehr oder minder offene Unmutsäusserungen von Moderatoren und Redakteuren. Und diese wiederum, wenn man genau liest, überwiegend aus den öffentlich-rechtlichen Funkhäusern.
Und dann war da noch die kürzlich vorgetragene Meinung von radiowaves, einem der heftigsten Kritiker jeglicher „Kommerzialisierung“ von ÖR-Wellen: „Man“ möge die Arbeit verweigern, boykottieren, niederlegen !?

Die Aussage hat mich ganz schön erschreckt. Denn: Wer bin ich denn (angenommen, ich wäre hier oder dort als Moderator vor Ort), um Entscheidungen von „oben“ hinsichtlich O-Tönen (oder nicht), Musik (wenige gern gehörte Titel oder mehr Vielfalt) oder Programmänderungen (Absetzen von Programmen, mehr Boulevard-Themen) zu kritisieren?
Oder gar dagegen zu arbeiten? Bis hin zu arbeitsablauf-lähmenden Diskussionen und und Protestaktionen im Funkhaus (oder per Internet, Unterschriftslisten).?

Eine weise und gerechte Antwort habe ich darauf nicht. Nur sehe ich es so: In jedem Haus gibt es Befehlsstrukturen und in jedem Haus sind die Mitarbeiter eben Mitarbeiter, und nicht die Firma selbst.
Bin ich nicht automatisch schon dann ein Arbeitsverweigerer und renitent, wenn ich mir aktiv Gedanken über Verhinderung von „Programmreformen“ mache und versuche, diese in Frage zu stellen ? Und damit kündigungswürdig?
Gibt es eine moralische Berechtigung, "subversiv" zu agieren?
Wenn ja, woher leitet sie sich ab?
 
AW: RÄSON, LOYALITÄT oder RENITENZ und BOYKOTT?

Ich antworte jetzt mal allgemein auf der Ebene Arbeitnehmer/Arbeitgeber, da ich selbst nicht im Radio arbeite (sorry ;)):

Wer bin ich denn (angenommen, ich wäre hier oder dort als Moderator vor Ort), um Entscheidungen von „oben“ hinsichtlich O-Tönen (oder nicht), Musik (wenige gern gehörte Titel oder mehr Vielfalt) oder Programmänderungen (Absetzen von Programmen, mehr Boulevard-Themen) zu kritisieren?

Solange Kritik sachlich und ohne jegliche Beleidigung geäußert wird, ist sie legitim. Der Grundsatz der Meinungsfreiheit besteht auch auf der Arbeit. Sie sollte allerdings intern ausgesprochen werden. Natürlich haben die Herren "von oben" die Entscheidung und sitzen (in der Regel) am längeren Hebel. Das heißt aber nicht, dass man mit jeder Entscheidung sofort und ohne (berechtigte) Einwände konform sein muss.

radiovictoria01 schrieb:
Oder gar dagegen zu arbeiten? Bis hin zu arbeitsablauf-lähmenden Diskussionen und und Protestaktionen im Funkhaus (oder per Internet, Unterschriftslisten).?

Solche Aktionen würde ich mir im Rahmen dessen überlegen, wie sicher mein Arbeitsplatz ist. Ich bin bestimmt kein Mensch, der sich nicht traut, für seine Meinung einzustehen, aber allzu großes Engagement (Dein aufgeführtes Beispiel mit der Protestaktion) gegen die Führung kann auch entsprechende Einträge im Arbeitszeugnis hinterlassen, vor allem, wenn es nach außen getragen wird (ich sage nur: Medien vergessen nicht). Da wäre ich vorsichtig.

radiovictoria01 schrieb:
Eine weise und gerechte Antwort habe ich darauf nicht. Nur sehe ich es so: In jedem Haus gibt es Befehlsstrukturen und in jedem Haus sind die Mitarbeiter eben Mitarbeiter, und nicht die Firma selbst.
Bin ich nicht automatisch schon dann ein Arbeitsverweigerer und renitent, wenn ich mir aktiv Gedanken über Verhinderung von „Programmreformen“ mache und versuche, diese in Frage zu stellen? Und damit kündigungswürdig?

Intelligente Menschen stellen Fragen und können so auch zur Bereicherung auf der Arbeit beitragen. Ein kritisches Wort zu äußern ist sehr wohl in Ordnung. Ich würde sowieso immer versuchen, mit sachlichen Argumenten zu hantieren, wenn ich etwas entsprechendes geltend machen bzw. durchsetzen möchte. Falls aber die Entscheidungsträger etwas beschließen, wohinter man selbst nicht stehen kann und möchte, bleibt entweder die Möglichkeit, die Entwicklung der Entscheidung abzuwarten und ggf. neu zu argumentieren oder der Wechsel zu einem anderen Brötchengeber (sofern möglich). Bis dahin heißt es: zumindest mitspielen, auch wenn die Überzeugung nicht vorhanden ist. Aber auch nach einem Wechsel immer gewisse Loyalität gegenüber dem/n vorherigen Entscheidungsträger/n halten! Merke: Der Ton macht die Musik und auch der jetzige Arbeitgeber kann evtl. feststellen, ob Du unsachlich mit Deinem bisherigen Dienstherrn abrechnest bzw. ob es ihm auch so ergehen könnte.

radiovictoria01 schrieb:
Gibt es eine moralische Berechtigung, "subversiv" zu agieren?

Moralisch bestimmt, nur wird diese Moral auch von der Gegenseite geteilt bzw. angenommen? Das wage ich stark zu bezweifeln.

P.S.: Ich möchte jetzt nicht belehrend wirken, aber bitte ändere die Großbuchstabenwörter in herkömmliche Wörter um. Das hinterlässt einen Charakter wie "Anschreien". Danke.
 
AW: RÄSON, LOYALITÄT oder RENITENZ und BOYKOTT?

... In jedem Haus gibt es Befehlsstrukturen und in jedem Haus sind die Mitarbeiter eben Mitarbeiter, und nicht die Firma selbst.

Von Befehlsstrukturen würde ich nicht sprechen wollen, sondern eher von Weisungsstrukturen, denn wir reden sicherlich hier nicht über das Militär.

Mitarbeiter sind genau so ein Teil der Firma, wie die oberste Ebene der Hirarchie. Ich gebe es zu, wenn in frühkapitalistischen Strukturen des 19. Jahrhunderts gedacht wird, mögen deine Aussagen ihre Berechtigung haben. Nur leben wir heute im 21. Jahrhundert (auch wenn ich mich manchmal nicht des Eindrucks erwehren kann, dass sich die Gesellschaft Deutschlands in Richtung des Frühkapitalismus entwickeln soll), und da gibt es zwischenzeitlich das Instrument eines "Qualitätsmanagement" (vgl. hierzu DIN ISO 9000 ff). - Dort kann nachgelesen werden, wie innerbetriebliche Abläufe gestaltet werden sollten bzw. könnten, um alle Mitarbeiter in die Außenwirkung betreffende Entscheidungen einzubeziehen. Zufriedene Mitarbeiter sind nun einmal für ein unternehmen wichtig, und diese Zufriedenheit erreiche ich durch eine konstruiktive (und auch kontroverse) Diskusion innerhalb eines Hauses bei anstehenden Entscheidungen grundsätzlicher Natur. Mit "Befehlen" ist wenig zu erreichen, motivierte Mitarbeiter schon gar nicht.
Nur leben wir hier leider in Deutschland, wo alles etwas konservativer und dem Alten verhaftet ist. Und die Medien scheinen noch etwas mehr dem Alten zugetan, nach dem Motto, um einmal, das dem Untergang geweihte, "christliche Abendland" zu zitieren: "Ich bin der Herr Dein Gott..."

Gibt es eine moralische Berechtigung, "subversiv" zu agieren?
Diese Frage erübrigt sich, wenn die Arbeitnehmer als Mitarbeiter und nicht als Sklaven definiert werden.
 
AW: RÄSON, LOYALITÄT oder RENITENZ und BOYKOTT?

Es gab eine Zeit in einer Gegend, da gab es auch Befehlsstrukturen, und das Volk war auch nur das Volk.
Wer ernst genommen werden will kann doch garnicht anders, als sich dem Politbüro zu widersetzen. Es ist ja nicht so, dass dort nur hin und wieder etwas nicht gefällt, dort wird konsequent am Auftrag vorbeigesendet, und man gibt sich reform- und beratungsresistent. Als Moderator hat man ja auch eine Verantwortung gegenüber dem Gebührenzahler.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Wenn Rundfunk (und auch Zeitung) eine Branche wie jede andere auch wäre, ein Arbeitgeber wie der Pharmakonzern oder die Schraubenfabrik oder der Autohersteller, dann würde die wohl von allen akzeptierte Antwort lauten:
Wem es hier nicht passt, der kann sich ja was anderes suchen und gehen!

So einfach ist es überall da nicht, wo Information, Meinung, Wissen und dahinterstehende moralische, ethische und verfassungsrechtliche Werte vermittelt werden.
Dort sehe ich sogar eine Pflicht des Mitarbeiters zu kritischem und konstruktivem Widerstand und bisweilen auch zur Subversivität, wenn sich erkennbare Fehlentwicklungen abzeichnen.

Nur, und damit sind wir bei einer Frage, die dieses Forum seit Jahren beschäftigt, - ist der Rundfunk in Deutschland, so wie er sich entwickelt hat, überhaupt noch ein Informationsmedium mit journalistischem Anspruch?

Nach meiner Einschätzung nur noch in Nischen. Die Masse der deutschen Rundfunkanbieter ist zum belanglosen Unterhaltungsmedium entwickelt worden und trägt das Prädikat "journalistisch, informativ" nur noch im Etikett.

Manche Sender, insbesondere beim ÖR, tanzen auf beiden Hochzeiten, sind unentschiedene Zwischendinge, würden gerne bei der Dudelfunkparty mitmachen, wissen aber, dass der Papa (Staat) streng aufpasst, und weiterhin auf Teilnahme an der trögen Grundversorgungsveranstaltung dringt.

Dort sind wahrscheinlich die inneren Konflikte für die Mitarbeiter am größten. Bei den vielen austauschbaren privaten Dudlern herrscht ja längst die Haltung: "Ist der Ruf erst ruiniert..." Entsprechend lesen sich auch die Wortmeldungen in den Radiforen, die aus diesem Lager kommen.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

@Arbeitnehmer: Immer mitdenken, konstruktiv sein und zum richtigen Zeitpunkt die Schnauze halten.
@Arbeitgeber: Konstruktiv mitdenkende Mitarbeiter hören, dann Entscheidungen fällen, hinter denen die Mitarbeiter auch stehen.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Mir wäre es sogar lieber, ich würde diese Unmutsäusserungen live on air hören, anstatt nur hinter Pseudonymen hier im Forum. Jedes Unternehmen, das erfolgreich ist, überlässt wichtige Entscheidungen seinen Mitarbeitern. Also denjenigen, die für den Erfolg desselben wirklich etwas tun. Und nicht irgendwelchen hemdsärmligen Beratern von aussen. Wenn also das eigene Werk, das man sich u.U. jahrelang in mühevoller Kleinarbeit aufgebaut wird von irgendeinem Hanswurscht in einer "Chefetage" zerstört wird, dann sollte man dagegen ganz klar Stellung beziehen und auch die Hörer dagegen mobilisieren!
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

@Radiocat:

Eine solche Unmutsäußerung werden wir on Air kaum hören, da die Person hinter dem Mikro vermutlich zum letzten Mal dort gesessen hat. Ich denke, ein Moderator hat seine "Plattform" nicht für seine persönliche Belange zu benutzen.

Ist es nicht so, dass viele (vor allem junge) Moderatoren über einen Zeitraum von ein paar Jahren oder weniger die Sendervorgaben akzeptieren, weil sie dort eh nur einen beruflichen "Zwischenstop" einlegen? Man nimmt dann auch eher den geforderten primitiven Moderationsstil an. Zudem weiß man auch vorher, wo man anheuert und welche Zustände dort herrschen. Wer z.B. bei BigFM einen Moderationsplatz bekommt wird sich im Klaren sein, dass er dort eher Teenie-Einträge der Community runterrattert als sich mit der politischen Entwicklung des Irans am Mikro zu befassen. Man schluckt diese Pille weil der Weg nach oben beim Radio vermutlich steinig ist.

@Victi: sind die Unmutsäußerungen der ÖR-Mods nicht jammern auf hohem Niveau? Denen sollte es doch aus finanzieller Sicht nicht schlecht gehen, oder?
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Rotationskatze: Typisch deutsches Denken. Bei mir nullkommanull ausgeprägt. Hierarchien waren mir schon immer schnurzpiepegal und werden mir es immer immer immer sein. Ich halte es eher mit: Ich schwätze, wie mir der Schnabel gewachsen ist und sage grade raus, was ich denke, immer und überall. Probleme hatten damit bislang allenfalls andere, ich noch nie ;)
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Boahh, sowat Cooles hab' ich hier noch nie jeleesen! Endlich spricht es mal einer aus! Danke dafür!
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

@Radiocat:

Eine solche Unmutsäußerung werden wir on Air kaum hören, da die Person hinter dem Mikro vermutlich zum letzten Mal dort gesessen hat. Ich denke, ein Moderator hat seine "Plattform" nicht für seine persönliche Belange zu benutzen.

Es geht doch gar nicht um persönliche Belange eines einzelnen Menschen hinterm Mikrofon, Mann!
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

rv01 schrieb:
Gibt es eine moralische Berechtigung, "subversiv" zu agieren?
Wenn ja, woher leitet sie sich ab?
Daraus das Moderatoren, Techniker und sämtliche andere "niedere Wesen" zur Spezies Mensch gehören und somit des selbstständigen Denkens fähig sind. Und genau aus diesem Grund, und weil sie ein Teil der Firma und damit die Firma sind, sollte es ihnen erlaubt sein, ihre Einwände und Kritiken vorbringen zu dürfen, zu sollen oder gar zu müssen.
Davon ab wundere ich mich doch schon sehr über das Eingangsposting. Ausgerechnet von dir solche Sätze... In welcher Konzern-Chefetage hast du wieder mal das falsche Gras geraucht? :rolleyes:
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

@radiokult: Die Frage bewegt mich wirklich, da ich beide Seiten der Medaille kenne... Zum einen kommt man vielleicht in ein Funkhaus und will (soll) an neuen Ideen einiges umsetzen. Dann gibt es (nur mal als Beispiel) den ChR, zwei andere Redakteure, einen Nachrichtensprecher und zwei (bisherige) Musikredakteure: Die das alles nicht gut finden und konterkarieren (und hinter den Kulissen "hetzen"), nur weil sie die neue Linie nicht gut finden (alles schon erlebt).
Was sollste machen? Auf sie einreden, versuchen zu überzeugen, oder Renitenz dulden? Oder "feuern"?
(Intendanten, "Wellenchefs" , PDs haben mitunter die gleichen Problemstellungen).

Auf der anderen Seite (Beispiele gibt es genug...) haben Mitarbeiter vielleicht berechtigte Einwände (gerade, um in punkto Musik auf die Niedrig-Rotationen zu kommen). Nur: Berechtigt dies zu nachlassender, lässiger und ständig kritischen weiteren Mitarbeit bis hin zum Konterkarieren des Ganzen?
Zwischen "Einwände vorbringen" und "gegensteuern" / "sabottieren" / "Arbeitsverweigerung" ist für mich ein himmelweiter Unterschied.
Braucht Dich nicht zu wundern, ich habe beide Seiten miterlebt. Und eines finde ich auf jeden Fall ein UNDING: Wenn die Mitarbeiter auf den unteren Ebenen mein(t)en, sie wären die "Firma".
Bei aller (zum Teil berechtigter) Kritik an den privaten Stationen: Da gibt es eine klare Weisungsstruktur (um das böse Wort "Befehl" zu entschärfen) von oben nach unten. Oben wird beredet, durchdiskutiert (ggf. auch mit Meinungen aus den darunter liegenden Ebenen) und beschlossen.
Und das Beschlossene wird dann von allen Mitarbeitern umgesetzt. Oder man geht oder wird gegangen...
Schon mal Gedanken über das alles gemacht? Wenn Du reiner Moderator, Redakteur oder Techniker bist, siehst Du das ganz bestimmt anders als auf der Position eines PD, Intendaten oder GF (oder consultant).

Wir sollten uns alle mal Gedanken machen.... wie weit darf berechtigter oder unberechtigter "Widerstand" gehen. Beim hr hat das ja teilweise schon massive Formen angenommen, wenn ich an viele Aktionen wie die mit den gelben T-Shirts, "Rettet das Radio!" oder "Der Ball ist rund" und und und denke.

Ich habe NICHT gesagt, daß das eine grundfalsch ist und das andere vollkommen berechtigt: Nur muß es doch eine LINIE der Zusammenarbeit geben, oder? Und mit jemanden, der in einer Firma -egal welcher- permanent herumstänkert, kann man doch nicht auf Dauer zusammen arbeiten (also nix mit Gras oder so....! Man muß beide Seiten mal sehen).
 
AW: RÄSON, LOYALITÄT oder RENITENZ und BOYKOTT?

ich sage nur: Medien vergessen nicht.

Richtig. Nicht vergessen habe ich beispielsweise den "Skandal" im MDR, nur weil Herr Escher (ja, der "Escher") sich getraut oder angemaßt hat, einen vorgegebenen ABBA-Titel durch einen anderen Titel von ABBA zu ersetzen.

Ehrlich - darüber kann ich nur Lachen. In solch einem Sender möchte ich gar nicht arbeiten!

vg Zwerg#8
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Je höher die Identifikation mit dem Sender um so heißer werden bestimmte Standards auch verteidigt. Übrigens nicht nur von den Mitarbeitern, sondern auch von den Hörern. Denn interessanterweise hast Du im Falle des hr Initiativen von Mitarbeitern mit solchen von Hörern vermengt.

Auch wenn es bei irgendwelchen Privatdudlern immer mehr den Anschein hat: Wir sind hier nicht in der DDR, wo so mancher kritische Geist als Heizer in den Kohlekeller geschickt wurde. In einem öffentlich-rechtlichen Sender darf man von einer etwas höheren Diskussionskultur ausgehen, erst Recht wenn es um die Zukunft des renommierten politischen Regionalmagazin eines regionalen Senders geht. Dass das mit gelben Hemden - und geschlossenen Mündern - zum Ausdruck gebracht werden muss, ist schon schlimm genug.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Damit mal etwas klarer wird, worüber wir hier eigentlich reden:

Welches Verhalten entlang welchen konkreten Beispieles ist denn gemeint, wenn hier von "mutigen", "aufgeklärten" "mündigen" und sonstwie "aufrechten" Redakteuren und Moderatoren die Rede ist?

Wenn ich als Angestellter eines Ladens mit der Geschäftspolitik des Ladens nicht einverstanden bin, dann ist doch ziemlich klar, dass ich das bestenfalls intern mit den zuständigen Leuten ausdiskutiere, nicht jedoch on air. Und wenn ich in dieser internen Diskussion nicht überzeuge, dann habe ich zwei Möglichkeiten: Ich verlasse den Laden, oder ich akzeptiere die Geschäftspolitik und bleibe.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Ich verlasse den Laden, oder ich akzeptiere die Geschäftspolitik und bleibe.

Sehr richtig. Punkt!
Und man sollte einen Teufel tun, sich einer Sache schuldig zu machen:
auch die Hörer dagegen mobilisieren!

Denn:
Probleme hatten damit bislang allenfalls andere, ich noch nie ;)

Und so sieht es der Sender, vor allem die Kollegen, auch. Dein Problem ist deines und nicht deren, am allerwenigsten das der Hörer. Bei welchem Sender, Radiocat, hast du denn das letzte mal die Hörerschaft gegen den PL, CvD oder wen auch immer aufgewiegelt, ohne anschließend Frischluft zu atmen?

So ganz nebenbei:
Wenn ich mich als Moderator nicht wohl fühle bei dem, was ich tun muss, mache ich meinen Job ohnehin mit dickem Hals. Das bleibt niemandem ewig verborgen, am wenigsten mir. Darüber sollte man im Idealfall reden können. Geht das jedoch nicht, bleibt nur Handlung. Die kann aber ja wohl nicht so ausfallen, dass ich gegen Kader rebelliere, deren Hebel ohnehin der längere ist. Das funktioniert in keinem Unternehmen und somit auch in keinem Radio.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Ich kann in einem Betrieb NIE gegen die Mitarbeiter agieren...weil die nämlich der Betrieb SIND. Im Mittelpunkt stehen Menschen: Mitarbeiter und Kunden, in dem Fall also die Hörer. Klar geht es nicht (nur) um persönliche Belange. Aber wenn einer meint, beliebte Sachen plötzlich abschaffen zu müssen, dann will ich wenigstens erklären (ja, on air, wo sonst), dass die Idee NICHT auf meinem Mist gewachsen ist. Und ich finde es gut, den Hörern dann die Möglichkeit aufzuzeigen, dass man sich ja auch dagegen beschweren kann. Wie lang der vermeintliche Hebel von einem ist, interessiert mich wie gesagt nicht die Bohne. Meine Vorstellung eines Unternehmens ist eh eine genossenschaftliche.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Ich kann in einem Betrieb NIE gegen die Mitarbeiter agieren...

Ach, nicht? Wieso willst du es dennoch tun?

..., dann will ich wenigstens erklären (ja, on air, wo sonst), dass die Idee NICHT auf meinem Mist gewachsen ist.
Damit agierst du gegen das gesamte Team von der niedrigsten Ebene bis zur höchsten, weil du das Produkt beim Kunden schwarz redest. Das wird sich keiner gefallen lassen.

Wie lang der vermeintliche Hebel von einem ist, interessiert mich wie gesagt nicht die Bohne.

Natürlich nicht.
Egal was du nimmst - lass' die Finger davon! Es tut dir nicht gut.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Wir hatten das Thema hier schon oft, aber es passt wohl zum Faden:

Am Beispiel Elmi und SWR3 konnte man damals miterleben, dass auch einer der bekanntesten Moderatoren im Land nicht so reden darf, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Es handelte sich dabei um sehr derbe Witze, die über das Ziel hinaus schossen. Der SWR hat ihn seinerzeit umgehend vom Mikro entfernt. Dieser Vorfall ist ein gutes Beispiel für das, was geschieht, wenn ein Moderator öffentlich über vermeintliche Missstände bei seinem Sender spricht.

In jedem Job gilt: Man sägt nicht auf dem Ast, auf dem man sitzt. Konstruktive Kritik ist garantiert erlaubt, wenn man diese intern übt. Es wurde oben auch schon mehrmals geschrieben: wem die gegebenen Arbeitsbedingungen nicht passen, muss diese entweder akzeptieren oder gehen.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Wenn die Antwort so einfach wäre. Ich sehe und lese, man tut sich schwer damit. dea hat es in den zwei postings recht gut auf den Punkt gebracht, auch mit mannis fan und hr25 bin ich d'accord: Die Quintessenz aus allem muss (müsste) immer lauten "Wem es nicht passt, geht".
bei radiocat bin ich bass erstaunt, habe ich bisher eine andere Haltung bei ihm vorausgesetzt. So kann man irren... ok, das genossenschaftliche Modell war gemeint. Selbst das birgt die Gefahr einer Zerfaserung und Zerreden der Problematik in sich. Man sieht es bei manchen NKL-Radios, wo es mitunter ein Wunder ist, daß überhaupt noch eine Sendung on air geht... so sehr sind sie mit sich selbst beschäftigt.

Nein, radiocat, es kann auf gar keinen Fall angehen, daß ICH mich als Moderator (oder sonstwas) dann im Äther (mißfallend, aufmüpfig, zum Widerstand aufrufend) äußere. Selbst wenn aus dem (nur als Beispiel) bisherigen CHR-Station ab morgen eine volkstümelnder Heimatsender wird.
Ich gehe dann eben und es wäre meine letzte Sendung, weil das kommende nicht mehr "meine" Musik ist?
Oder ich bin Profi genug und versuche diese (mit neuem Anlauf ab morgen) mit Freundlichkeit in der Stimme und "Überzeugung" zu "verkaufen".


Kam noch der Einwand, das dieses oder jenes (rund um den hr) Höreraktionen gewesen seien. Ja, auf den ersten Blick sicherlich. Es sind und waren auch genug hr-Mitarbeiter mit dabei und es betraf (siehe KW-Protestaktionen) auch noch im Hause befindliche Moderatoren. Wie verhält man sich da, wenn man plötzlich eine "Hörer"aktion zum eigenen Gunsten am Hals hat?
Und genutzt hat sie ja nichts, weil sich da dann wieder gesellschaftliche Kreise mit einigen undiplomatischen Äusserungen eingemischt haben... Woraufhin der ganze Schuss sowieso nach hinten los ging.
Oder gibt es, in punkto ÖR, für involvierte Mitarbeiter eine moralische Verpflichtung oder ein verbrieftes Recht, auch offen und nach außen und von außen Kritik zu äussern (bis hin zu diversen Aktionen), weil dies aus dem Grundversorgungsauftrag abzuleiten ist?
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Die Witze, die Elmi seinerzeit gemacht hat, waren harmlos. Da haben halt beim SWR ein paar rumgesponnen. Hat dem SWR mehr geschadet als Elmi. Das Image war am Boden, und das direkt nach der Fusion. Gut, mittlerweile ist das verjährt, SWR3 kam aber nie mehr an die Glanzzeiten seiner Vorgängerprogramme heran und lebt nur davon gut, dass die private Konkurrenz gar nix zuwege bringt. Die haben jetzt die Hörer, denen Antenne1, RPR und Co. zu blöd und zu inhaltslos geworden sind. Die ehemaligen Hörer von SWF3 und SDR3...die hören heute allenfalls noch SWR1, oder gar nix mehr.
Nun ja, es kommt immer darauf an. Wenn ich z.B. eine erolgreiche, gut laufende Sendung habe, die von den Hörern geliebt wird und irgendeiner meint, er müsse die jetzt kippen, dann kann ich wohl meine Hörer mobilisieren. Die würden sonst vielleicht gar nicht davon erfahren, sondern plötzlich vor verschlossenen Türen stehen, bildlich gesprochen. Vielleicht merkt dann der Gute, dass er sich geirrt und die Hörerbindungt unterschätzt hat. Bei sowas noch gute Miene zum bösen Spiel zu machen, ist ein bissl viel verlangt. Das läuft dann eher unter "Seele verkaufen". Ja, und wie gesagt, Hierarchien sind für mich uninteressant. Wenn andere sich an Pöstchen aufgeilen, sollen sie.
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Heute kann sich ein Moderator glücklich schätzen, der seine eigene Radioshow bekommt. Bis es aber soweit ist, muss man wohl einen langen Weg gehen. Zudem dürften diese markanten Stationvoices langsam rar werden.

Wenn ein Programmverantwortlicher denkt, er müsse ich gutes Programmschema gegen ein schlechteres tauschen, müssen nicht zwingend die eigenen Mitarbeiter auf die Barrikaden gehen: das erledigen vermutlich die Hörer selbst per Mail oder Anruf. Wenn der PD dann nicht reagiert, ist er die falsche Person für diesen Posten.

Wenn ein Sender noch so blöd daherdudelt; irgendwo sind genügend Stammhörer, die das toll finden und jedes auch noch so dämliche Gewinnspiel mitmachen! Wer sich die Sendungen und Reportagen der meisten Privat-TV-Sender ansieht, erkennt, wie es um das Niveau des Zuschauers steht. Beim Radio ist es wohl ebenso. Es wird vermutlich noch schlimmer. Alsbald lässt sich ein trotteliger Hörer eine Woche lang mit Handschellen an seine Schwiegermutter ketten, um ein paar 1000€ zu erhalten (nächste RPR-Aktion), sofern sich ein Opfer findet. Und es wird genügend Moderatoren dort geben, die das alles kommentieren und ankündigen (müssen). Eigentlich zum schreien und abhauen! Interessieren würde mich diese Aktion erst dann, wenn die beiden Kandidaten täglich ein starkes Abführmittel bekommen. Dann wäre auch RTL Explosiv schnell dabei. :D

Gerade merke ich, mein Niveau passt sich gerade dieser Aktion an...

Schönes Wochenende!
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

eine Woche lang mit Handschellen an seine Schwiegermutter ketten, um ein paar 1000€ zu erhalten (nächste RPR-Aktion),

Das hat Tradition! Manche ketten sich nach der Hochzeit ein Leben lang an ihre Schwiegermutter, nur um die Mitgift zu kassieren.:D
 
AW: Räson, Loyalität oder Renitenz und Boykott?

Pauschalisieren lässt sich der Rahmen der Möglichkeiten schlecht. Zuviele Faktoren spielen eine Rolle, welche in unzähligen Varianten der Kombination bezeichnend für die Individualität eines Verhältnisses zwischen einem Sender und einem Moderator ist.
Wieso auch nur Moderator? Er ist nichts ohne diejenigen, die rückwärtig "Dienst tun" und "seine Show" erst möglich machen. Auch andere personifízierte Schnittstellen zwischen Hörer und Programmveranstalter sind von Veränderungen immer wieder betroffen. Erinnert sei an den Thread
Klassische Nachrichten - will die noch jemand?,
in dessen Verlauf deutlich wird, wie sehr auch andere Veränderungen im Radio Mikrofonarbeiter beschäftigt. Sicher ist aber eins:

Jener könnte nicht auf mehrere Dienstjahrzehnte beim Rundfunk zurückblicken, wenn er sich nie im Rahmen seiner Möglichkeiten angepasst und sich, statt herumzutoben, auf seine Arbeit konzentriert hätte. Was allerdings passiert, wenn man im Rahmen eines Forums die wiederholt auftretenden, unsinnigen OnAir-Äußerungen eines Kollegen im eigenen Funkhaus zur Diskussion stellt, haben wir auch gesehen.

Wer seinen Unmut über senderinterne Querelen nach außen trägt, wird einen Kopf kürzer gemacht. Das ist nicht verwunderlich - in wievielen Arbeitsverträgen steht geschrieben, dass über Betriebsangelegenheiten Stillschweigen zu bewahren ist?

Der Ausgang solcher Aktionen scheint auch wieder stark abhängig davon zu sein, welches Verhältnis Sender und Mikrofonarbeiter und wie sich später herausstellte, kann sich ein Starmoderator allerhand leisten, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Abseits dieser Einzelfälle und Extreme gilt für Mikrofonwerker: Sie repräsentieren ihren Sender, ihr Programm, ihr Team. Als Repräsentanten können sie sich einfach nicht leisten, ihren Hörern zu erzählen, was im Hintergrund liefe, wäre Mist und die Hörer hätten doch bitte den Sender zu stürmen. Es ist mir schleierhaft, wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, das könne funktionieren. Wenn man beim Radio arbeiten würde und entsprechend Realität um sich hätte, ist das jedenfalls ausgeschlossen.
 
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