Image eines Sängers fürs Radio wichtiger als das Lied/Genre selbst?

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UKW 100

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Hallo,
ich habe mal eine Frage, die sich vor allem auf die Musikauswahl im AC-Format bezieht. Natürlich ist klar, dass die Songs sich an der allgemeinen Klangfarbe orientieren. Nicht nachvollziehbar ist für mich allerdings, warum das Image des Interpreten wichtiger zu sein scheint als das Genre des Titels selbst. Denn ganz oft werden Titel im AC-Radio ignoriert, weil der Künstler hauptsächlich in einem anderen Genre unterwegs ist, also ein "falsches Image" hat, auch wenn der Titel selbst klanglich ins Format passen würde.

Auf so ziemlich jedem AC-Sender hört man öfters mal "Westerland" von den Ärzten. Das stilistisch nahezu identische "Ruhrgebiet" von Wolfgang Petry wird auf denselben Wellen ignoriert, weil letzterer offenbar ein "Schlager"-Image hat. Die Bläck Fööss werden oft in die Karnevals-Ecke geschoben, haben mit "Kölsch, Alt und Pils" aber einen Punkrock-Titel aufgenommen, der stilistisch den Ärzten oder Toten Hosen in nichts nachsteht. Der läuft aber auf keinem AC-Sender.

Herbert Grönemeyer wird i.d.R. in die Kategorie "Deutschrock" gesteckt und macht dann auf einmal einen Song wie "Morgenrot" - Trance in Reinform. Der könnte ohne groß zu stören in die Rotation eines Dance/Trance-Formates zwischen Calvin Harris und Armin Van Buuren gepackt werden - aber damit tun sich die Sender schwer.

Die Helene Fischer wird aufgrund ihres Images als "Schlager"-Sängerin im AC-Tagesprogramm i.d.R. nie gespielt - viele Songs von ihr passen da nicht rein. Aber warum wird dann in der Weihnachtszeit ihre Version von "Little Drummer Boy" ignoriert - auch wenn das defintiv kein Billig-Schlager ist? Nur weil es Helene Fischer ist?

Die Kelly Family hat auch ein extrem polarisierendes Image, und viele Titel von denen passen tatsächlich kaum ins AC-Radio, insbesondere viele ganz alten Sachen von früher, als noch die Kinderstimmen dominierten. Aber was ist z. B. mit der aktuellen Version von "Once In A While"? Es ist m.E. nicht rationell zu erklären, weshalb stilistisch identische Songs (z. B. Proclaimers - "I'm Gonna Be 500 Miles") in den AC-Rotationen sind und das hier nicht.

Ist das Image eines Künstlers so wichtig? Den sieht man im Radio ja sowieso nicht, und die Stimmen erkennt man auch nicht immer.

Eine andere mögliche Erklärung, die ich hätte, ist der Zeitmangel der Redakteure: Produziert ein Künstler überwiegend Musik, die nicht ins AC-Format passt, sortiert der Musikredakteur ein Album sofort in den Papierkorb ("Metallica = Metal - können wir hier nicht brauchen") und "verpasst" dadurch vielleicht auch manche AC-kompatible Nummer......... Oder: Ein Redakteur zappt die ersten drei Titel an, sagt "Passt nicht", schmeißt das Album beiseite und bekommt gar nicht erst mit, dass vielleicht Track 6 ein AC-Song ist.... Wäre es in diesem Fall hilfreich, wenn die Labels Formatradio-taugliche Titel mit dem Vermerk "AC-kompatibel" kennzeichnen würden, so dass Radio-Redakteure sofort wissen, was sie gebrauchen können?

Mich würde diese Sache mal interessieren.
 
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Absolut richtig! So ist es leider. Auch die Beispiele von @UKW 100 sind treffend. Von Helene Fischer gibt es etliche nichtdeutschsprachige Aufnahmen, die weder im AC-Bereich, noch bei den konservativen Programmen eingesetzt werden. Sahen wir letztens bei ihrem "See You Again" als Titelmusik zum Kinofilm "Traumfabrik".

Einschränkung bei Kelly Family: Bei Michael Patrick Kelly hat's geklappt.

Nicht nur ausübende Interpreten trifft der Image-Stempel, sondern auch Komponisten. Wehe, es steht Dieter Bohlen als Komponist dort: Schon sind alle AC-Formate raus.
 
Bei einer Downloadseite wurde mir Helene Fischer in der Sparte Heavy Metal angeboten... ich habe trotzdem die Finger davon gelassen. Obwohl es gratis war...
Herbert Grönemeyer ist bei mir (wegen seines "jammerigen" Gesangs) schon immer Auslöser eines sofortigen Abschaltimpulses à la Last Christmas (2 Sekunden bis zum Aus- oder Umschalten). Aber vor einiger Zeit wurde mir da mal ein Stück von ihm vorgespielt durch einen Freund, das war doch mal anders. Im Radio werden aber nur die Jammerstücke von ihm gespielt.
 
Absolut richtig! So ist es leider.
Aber woran liegt das? Diese Frage würde mich halt interessieren.

Einschränkung bei Kelly Family: Bei Michael Patrick Kelly hat's geklappt.
Aber das ist komisch... Warum gerade da? Zumal viele Titel, die von ihm im Formatradio laufen, gar nicht so eingängig sind. Aber warum wird der Top-Ohrwurm "Good Neighbour" so ignoriert?

Nicht nur ausübende Interpreten trifft der Image-Stempel, sondern auch Komponisten. Wehe, es steht Dieter Bohlen als Komponist dort: Schon sind alle AC-Formate raus.
Bei dem ist es auch total inkonsequent: Als Modern Talking sich 1998 kurzzeitig wieder vereinigten, liefen sie sehr wohl im AC-Radio. Dieter Bohlen steckte aber auch z.B. hinter dem Projekt Hit The Floor ("Love Generator"). Der lief nie im Kommerzradio, obwohl stilistisch gleiche Titel (z. B. Snap - "Rhythm Is A Dancer") im AC laufen.

Das wirft ein Licht auf diese "eine Downloadseite". Ich nehme stark an, dass Du dies als Blödsinn erkannt hast.
Manchmal spucken diese Internet-Portale ordentlich Müll aus. Aber die dahinter steckenden Computer-Algorithmen scheinen allerdings auch damit überfordert zu sein, wenn ein Künstler wie Heino auf einmal (wie tatsächlich geschehen) zusammen mit Rammstein auf der Bühne steht. Auch sind z. B. bei Festivals wie "Rock am Ring" immer wieder auch Acts aus "NIcht-Rock"-Genres wie HipHop oder Electro vertreten. Auf CD-Compilations wie "Future Trance" und "Dream Dance" - letztere mit dem Werbeslogan "The Best Of Dream House & Trance" mischten sich plötzlich EDM-Titel. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass bei der anfänglichen Namenswahl von Events oder Compilations nicht bedacht wurde, dass die namengebende Musikrichtung eines Tages einmal "out" sein könnte, der Name des Festivals sich aber längerfristig etabliert. Es war offenbar in den 80ern noch nicht absehbar, dass Rockmusik in den 2020ern keinen so hohen Stellenwert mehr hat, aber z. B, Hip-Hop oder Soul zunimmt.
 
Aber woran liegt das? Diese Frage würde mich halt interessieren.
Weil bei den Musikredakteuren der Wellen, die sich der angeblichen "besseren" Musik im Vergleich zur Schlagermusik verschrieben haben, jeder Ableger und Ausflügler aus diesem Bereich verhasst ist. Ihre Ablehnung begründen sie mit dem "Image" des Künstlers, das ihren Hörern keinesfalls zuzumuten sei.

Als Modern Talking sich 1998 kurzzeitig wieder vereinigten, liefen sie sehr wohl im AC-Radio
Nein, nicht wirklich. 1998 jubelten die 37jährigen Assistentinnen der Musikchefs: "Hurra, da sind sie wieder", während ihre Chefs Mitte 50 stöhnten: "Bitte nicht schon wieder! Die waren 1986 schon Sch...e"
 
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Was Grönemeyer betrifft sollte man aber dazu sagen, das es sich da lediglich um ein mittlerweile fast 30 Jahre altes, na sagen wir mal Experiment handelt. 1994 hat er auf seinem Album "Cosmic Chaos" bereits existierende Titel (fast alle vom zuvor erschienen Album "Chaos") im Trance-Stil neu abgemischt. Damals lief besagte Version von "Morgenrot" (war die Single-Auskopplung) durchaus auch im Radio, insbesondere bei den Jugendsendern. Marusha, Love-Parade und Co. hatten dem Musikstil einen ordentlichen Schub verpaßt und vor allem die artverwandte Tekkno-Musik schaffte es des öfteren bis auf vordere Plätze der Charts.
Grönemeyer hat auch drei oder vier Alben in englischer Sprache veröffentlicht, wo ich persönlich die Songs teils wesentlich besser finde als die deutschen Versionen, weil die Songs dort mehr Drive haben. Im deutschen Radio hörte man die allerdings nie. Die Liebeserklärung an seine Tochter Marie gibt es sogar in französischer Sprache von ihm.
Ansonsten trifft es die Erklärung von count down ganz gut. Es ist zum Teil die Faulheit und zum anderen Teil die Unwissenheit von denen, die sich heutzutage Musikredakteure nennen. Ist ein Künstler erstmal in eine Schublade einsortiert, hat er es meistens sehr schwer aus dieser wieder rauszukommen. Beispiele dafür gäbe es einige.
 
Das deutsche Radio scheint mir nur die Produkte der beiden großen Thinktanks der deutschen Musik zu spielen. Alles andere fällt hinten runter.
 
Was mir auch auffällt ist, dass neue Tracks von bekannten Künstlern oftmals direkt schon als Hit angekündigt werden, obwohl sie das eigentlich noch nicht sind. Da kann man schon auf den Gedanken kommen, dass da jemand unbedingt was verkaufen möchte. Das macht auf mich persönlich einen unglaubwürdigen Eindruck, sollte man eigentlich noch nicht so nennen dürfen. Gerade bei SWR3 habe ich das öfter mal gehört.
 
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Da die Bedingungen für Hits immer geringer werden, kann man schon bei Veröffentlichung davon sprechen, das der neue Song ein Hit wird. Da werden soviele Einheiten vorbestellt, das ein Song gleich ziemlich hoch in die Hitparade einsteigt. Das häufige Airplay tut srin übriges dazu. Bei LPs und CDs ist das ja auch zu beobachten, das eine CD gleich auf sieben oder sechs einsteigt, eine Woche später auf Platz eins ist und zwei Wochen später aus den Top Ten rausfällt.
 
Die werden vorher tausendmal getestet. Der Begriff "Hit" ist daher richtig, über die Behauptung "neu" kann man dagegen streiten. Entweder der Hit ist noch "Aktuell", also in den Charts vertreten, oder eben bereits ein "Greatest Hit". Musikalische Neuentdeckungen sind auch eher die Aufgaben der Jugendwellen. Welche massentauglichen Hitradios/Popwellen machen denn wirklich noch Hits? Außer vielleicht in den hörerschwachen Abendstunden.
 
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Ich bin ja nur ein Radiohörer im Vergleich zu anderen hier im Forum. Aber heißt tausendmal vorher getestet, gleich das dieser neue Song ein Hit ist? Mir gehts um neue Titel von bekannten Interpreten wie zb Adel Tawil oder Robin Schulz. Da lautet die Moderation oft, jetzt kommt der neue Hit von....
Aber dieser Song wird dann evtl erst ein Hit und ist es noch nicht. Ich weiß ist ein bisschen kleinkariert aber nervt mich schon, weil es dann einfach nicht richtig ist.
 
Gleichzeitig ein Beispiel dafür und auch dagegen:
aktuell ist die LP "Goats head soup" (1973 bereits erschienenen mit "Angie" und "Star Star" (andere Version Starf**cker war auch im Handel) in UK und D von Null auf Eins in den LP-Charts eingestiegen.

Ich warte auf den/die Ansager/Ansagerin/Ansagende(n), der vom "neuen" Hit der Stones spricht.

2Stain
 
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Ich war Jahrelang im Einkauf im Plattenladen. Die Industrie kam stets mit genauen Vorstellungen rein: „Den brauchst Du nur einmal„, der wird Top 30“, „der wird top 5“ je nachdem was an Marketing geplant war. Ich habe mir die Musik vorher nie angehört, die ich bestellte sondern nur auf das Marketing geschaut, darunter eine Liste mit Radiosendern. Wenn kein hessischer Sender dabei war oder nur sowas wie Zündfunk/Unfrisiert, wurde wenig bis nichts bestellt.
 
Ich muss mich selber ergänzen:
Was seeehr gut lief, war damals „FFH-Cappuccino„ Musik aus Italien und Spanien. Tags drauf gab es sehr hohe Nachfrage. Bis man es der Durchhörbarkeit opferte.
 
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