Ja aber das ist doch auch längst überholt - es ist doch klar, dass man das nicht mehr braucht. Wer rennt denn noch zum Plattenhändler? Das ist eine kleine Nische. Die Mehrheit hört heutzutage nicht mehr auf diese Art und Weise Musik.
Sicher. Gefällt mir zwar nicht und ich halte es eigentlich auch für falsch, nicht zuletzt, weil ich den meist inspirierenden Gedanken- und Informationsaustausch mit Händler und Kundschaft im ehemaligen knuffigen Plattenladen meiner Wahl vermisse, aber ändern läßt sich so was schwer.
Das gilt für manche ja aber grundsätzlich entwertet es die Musik nicht zwingend. Man ist ja nicht nur dann ein Musikliebhaber wenn man einen Schrank voll CD's hat. Ich hab mir damals die Maxi-CD's auch nur gekauft weil es keine andere Möglichkeit gab - gäbe es damals schon Streaming hätte ich das genutzt. Für mich ist Streaming ein Segen. Dabei geht es mir auch nicht unbedingt um den Kostenfaktor - wären es 30 Euro statt 9,99 Euro im Monat für Streaming würde ich das immer noch zahlen wollen. Es geht mir da um diese technischen Möglichkeiten, die es nicht gab. Damals gab es auch viele Lieder, die ich nie als Maxi-Single CD hatte und trotzdem hab ich eine Verbindung zu dem Song. Da geht nicht unbeding was verloren nur weil man an alten Methoden festhält. Ich bin auch schon zu Konzerten von Künstler/innen und Bands gegangen von denen ich nie eine CD hatte aber die Musik trotzdem rauf und runter gehört habe.
Natürlich entwertet es die Musik.
Denk Dir mal: wer vor 1860 Musik hören wollte, der war darauf angewiesen, entweder selbst zu musizieren oder sich an einen Ort mit musizierenden Menschen zu begeben. Musik war zu dem Zeitpunkt praktisch untrennbar mit einem sozialen Ereignis verknüpft. Und wer ein Stück häufiger hören wollte, der mußte dafür Zeit und oft genug auch Mühe und Geld investieren. Wenn man Zeit und oft genug auch Mühe und Geld investiert, dann hat das für den Konsumierenden zwangsläufig einen bestimmten Wert.
Der Wert veränderte sich wie grundsätzlich die Art des Konsums durch Tonträger, angefangen bei den Orchestrion/Spieluhr-Scheiben, weiter über die Welte-Mignon-Papierrollen, die Wachswalzen, die Schellack-Trümmer, die Vinylplatten etc., und irgendwann auch mal das Radio weiter. Nun kam man leichter mit Musik in Kontakt, mußte weniger Mühe, aber meistens noch Zeit und Geld investieren, wenn man überhaupt etwas oder eventuell sogar etwas häufiger hören wollte. Mittlerweile konnte man aber die Musik auf Konserve erwerben und praktisch jedes Lied, das man erworben hatte, theoretisch so lange abspielen, wie man lustig war. Musik hatte nicht mehr denselben Wert wie früher, war auch nicht mehr zwangsläufig mit (denselben) sozialen Ereignissen verknüpft, aber man mußte immer noch Mühe und Geld investieren, um in den Besitz der Musik zu gelangen, oder Zeit investieren und warten, bis sie im Radio oder meinetwegen später im Fernsehen lief.
Bei Streaming besteht Deine Mühe in einem Mausklick - wenn überhaupt - und Dein monetärer Aufwand je nach monatlichen Konsum in 0,000[...]1 Cent pro Stück und Dir steht ein Großteil der aktuell von Labels zur Verfügung gestellten Stücke zur Verfügung. Ist das wirklich derselbe Wert wie bei demjenigen, der sich einen Tonträger aussucht und käuflich erwirbt, in der Absicht, diesem Zeit zu widmen? Oder gar derselbe Wert wie bei demjenigen vor 150 Jahren, der in seinem Leben viel Zeit und Mühe und eventuell auch Geld darauf verwenden mußte, um ein Musikstück häufiger zu hören?
Nun gut, Streaming-Dienste nutze ich nicht. Nicht, daß ich's nicht versucht hätte, aber mittlerweile bin ich eigentlich recht zufrieden damit, nicht zur Zielgruppe zu gehören. Ich find's sogar regelrecht gruselig, wenn sich unmittelbar nach Erscheinen von Rezensionen Menschen zu Wort melden, die sich das Album via Streaming direkt reingezogen haben, zu einem abschließenden Ergebnis gekommen sind, das dann zu posten und direkt im Anschluß zum nächsten Album weiterspringen. Das sind Menschen, die Musik nutzen wie ein Wegwerf-Produkt.
Ich für mich hoffe auf die Zeiten, in denen Corona etwas weniger durch die Gassen tobt, denn ich stehe in Kontakt mit einem DJ, der mich zu sich eingeladen hat, damit wir uns bei einem entspannten Täßchen Bier ein wenig über afrikanische Musik austauschen. Und ich schätze, daß ich danach einige Zeit und einiges Geld investieren werde, um die Original-Scheiben in meine Bestände aufnehmen zu können. Das ist eher nach meinem Geschmack.
Es gab "damals" auch nicht viele Möglichkeiten seine Musik bekannt zu machen. Heutzutage braucht man nicht mal mehr einen Plattenvertrag um bekannt zu werden - man kann auch als Hobbymusiker schon Erfolg haben. Die Releasedichte ist auch eine viel größere. Freitag kommt so viel neue Musik heraus. Früher gab es da gefühlt totale Monopole.
Das halte ich für einen Denkfehler. Ja, die Releasedichte ist viel größer als früher. Aber nur das Raushauen von Material macht einen nicht bekannt. Youtube oder Streaming-Dienste sind keine Werbeplattformen. Dort braucht man im allgemeinen Suchbegriffe, um überhaupt etwas zu finden - woher kenne ich die Suchbegriffe? Meistens braucht es immer noch irgendein externes Medium, um überhaupt wahrgenommen zu werden, oder ein größeres Medium, um auf youtube so etwas wie einen Hype auszulösen. War früher bei den Plattenfirmen aber auch nicht anders. Nur weil eine Plattenfirma was veröffentlicht hat, hat davon nicht automatisch jeder Notiz genommen. Für solche Sachen brauchte es Einsatz in den Medien, Werbespots, Anzeigen, Litfaßsäulen-Anschläge, je nach Zielgruppe, um überhaupt erst mal auf das Produkt aufmerksam zu machen. Um solche Sachen zu bewegen, braucht man in der Regel Vitamin B, Zeit und Geld, das ein reiner Hobbymusiker oft genug nicht hat.
Gruß
Skywise