Das neue AC-Format: Goodbye, 80er und 90er

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Da kommt dieses typisch deutsche Schubladendenken wieder hervor. "Um gottes willen, der Song ist von 1999 und nicht aus dem Jahr 2000, würde gut passen, aber spielen wir deswegen nicht".
Warum müssen eigentlich ruckartig ganze Jahrzehnte auf die Blacklist kommen? Man sollte doch eher Jahr für Jahr an der "Altersgrenze" arbeiten, Titel aussortieren, einige gewisse vielleicht sogar weiter laufen lassen. Macht Arbeit, klar. Meines Wissens gibt es Leute, die dafür bezahlt werden.
 
Du weißt, dass es auch VOR den 60ern Musik gab? Bill Haley, Buddy Holly, Elvis Presley, Everly Brothers, Fats Domino, Platters... Schon mal davon gehört?

Bei dem von dir angedachten "Supermix" würde ich im ersten Moment denken: tolle Mischung. Im zweiten Moment würde ich denken: auch nicht das Wahre, meine ganz großen Favoriten fehlen. Damit wären wir wieder beim Denken in Jahrzehnte-Schubladen. Das Problem dieser Denkweise liegt darin, dass infolge dessen gesamte Musik-Jahrzehnte aus dem Programm fliegen, weil sie angeblich zu alt für die angepeilte Hörerschaft sind.

By the way: Auf Radio F laufen gerade "Sigis Jukebox Heroes" mit Sigi Hoga. Klasse Sendung, denn Herr Hoga hat keine Angst vor Musik den 50ern... :thumbsup:
Und vor den 1950ern und Elvis und Buddy Holly gabs auch Musik. Das ist irgendwie kein Argument.
 
Diese strikte Trennung in Jahrzehnte bzw. Zeiträume ist doch völlig realitätsfern. Welcher Mensch hört den ausschließlich und exklusiv 80er, oder Songs die nicht älter als x Jahre alt sind? Der Hot AC-Hörer kann doch, obwohl seine Präferenzen in aktuellerer Musik liegen, auch Songs aus den 80er Jahren gut finden. Genauso setzt sich der "80er-Fan" auch kein Limit bei 1990 aufwärts.

Es gibt dafür wie gesagt auch andere Formate, darauf habe ich hingewiesen. Und dennoch gibt es eine Kernzielgruppe, auch bei Hot AC.

Aber natürlich, man könnte theoretisch auch ein JACK FM Format machen, dann ist für jeden etwas dabei. Funktioniert zu 100 Prozent.
 
Was mir fehlt, ist ein "progressives Oldie/Classics-Format". Alle Programme, die auf die erwachsene Zielgruppe aus sind, senden mehr oder weniger nur Softrock- und Pop. Ausnahmen sind vielleicht das Berliner Radio Eins für die Prenzlberg-Hipster und in Ansätzen noch SWR1BW, das sich ab und an mal an progressivere Titel rantraut und wo in Sternstunden auch schon mal der Tom Tom Club lief.
Ja, ich vermisse ein Programm, in dem sich munter The Who, Joy Division, Sugarhill Gang, Talking Heads, Daft Punk, Green Day, Ramones, DAF, James Brown, Kraftwerk, Die Fantastischen Vier, Plastic Bertrand, Run DMC, B52s tummeln, ergänzt durch passende aktuelle Songs von zB Arcade Fire, Inhaler, White Lies etc...dafür bitte "Kreischpop"-frei.
 
Radiocat, Du sprichst etwas Wahres aus. Im deutschsprachigen Raum ist man noch immer der Ansicht, Ältere sind - böse formuliert - verweichlicht und lediglich Soft-Pop-orientiert. Dabei ist diese Denke schon seit zwanzig Jahren überholt. Immerhin haben es Sender wie Bob und Radio 21 verstanden, die Hard-Rock-Fans, die in den 70ern und 80ern sozialisiert wurden, mehr oder weniger erfolgreich abzuholen. Diese hatten bis zur Jahrtausendwende in vielen Gegenden Deutschlands keine entsprechende musikalische Heimat und werden bis heute noch nicht überall versorgt - außer über die Randerscheinung DAB+ (aber das ist ein anderes Thema).

Im Musikmarkt ist dagegen ein umgekehrter Trend erkennbar. Die rebellischen Züge in Richtung Gitarren oder Drum & Bass sind weitestgehend ausgeschlachtet und harmonisiert worden. Es lässt sich nicht mehr sagen, dass neue Musik unbedingt wehtut (bis auf den deutschen Hip Hop vielleicht, der aber an sich auch lediglich eine Weiterentwicklung ist) oder laut ist, sie wird leiser. Deswegen funktioniert auch die Herangehensweise nicht mehr: "Die Jüngeren wollen laut und wild, die mittlere Generation gemäßigt und die Älteren soft." Jede Dekade hat wilde und ruhige Titel und der Mensch mag - je nach Tageszeit und Stimmung - mal das eine, mal das andere hören. Man kommt also gar nicht drum herum, sich mit der Musik intensiver auseinander zu setzen, wenn man die entsprechenden Zielgruppen ans Medium Radio binden möchte.
 
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Musik und Musikgeschmäcker in Jahrzehnten und in Alterszielgruppen zu denken - und daraus Radioformate zu basteln - ist so eindimensional beschränkt und kulturbanausisch, dass es eigentlich nur mit dem Bedürfnis der Sender und ihrer Berater erklärt werden kann, den Weg zur Voll-Automatisierung zu bahnen, bis zu dem Punkt, an dem der Computer auf Knopfdruck ein Programm ausspuckt, welches der 450-Euro-Praktikant dann im Selbstfahrerbetrieb betreuen kann.
Ich verstehe die Leute, die das hier mit den (professionellen) Gepflogenheiten und Entwicklungen im deutschen Radiomarkt erkläären, aber ich habe keinerlei Verständnis für die Leute, die das mit Verve verteidigen wie eine Heilslehre. Es ist für mündige Hörer mehr eine heilsame Leere. Sie schalten nämlich nicht mehr ein.
 
Da kommt dieses typisch deutsche Schubladendenken wieder hervor. "Um gottes willen, der Song ist von 1999 und nicht aus dem Jahr 2000, würde gut passen, aber spielen wir deswegen nicht"
Ich weiß nicht, ob das typisch Deutsch ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass je konzernartiger eine Firma ist, sich nur noch strikt nach
Prozessbeschreibungen und Vorgaben von "denen da oben" gerichtet wird.
Eigenständiges Denken ist schon fast nicht gewollt ("Eigeninitiative" war früher mal ein Einstellungsmerkmal,heute i.T. schon abmahnfähig da nicht an Vorgaben gehalten)
 
Musik und Musikgeschmäcker in Jahrzehnten und in Alterszielgruppen zu denken - und daraus Radioformate zu basteln - ist so eindimensional beschränkt und kulturbanausisch
Das ist von DIR auch sehr eindimensional gedacht. Nur weil die Dekadensender oft nicht gut gemacht sind, ist die Idee dahinter nicht per se schlecht. Wie gesagt: Meine Jugend fand in den frühen 2000ern statt und ich würde einen Sender, der mir diese Songs serviert, regelmäßig einschalten. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass ein durchschnittlicher Hörer nicht die Zeit und meist auch nicht das Wissen hat, sich eine entsprechende Playlist selbst zusammenzubauen. Schaut euch doch mal die 80s oder 90s Playlists an auf Spotify. Was fällt auf? Dass die auch keine Ahnung haben, weil sie einer klassischen Radioplaylist sehr ähnelt?
 
Es lässt sich nicht mehr sagen, dass neue Musik unbedingt wehtut (bis auf den deutschen Hip Hop vielleicht, der aber an sich auch lediglich eine Weiterentwicklung ist) oder laut ist, sie wird leiser. Deswegen funktioniert auch die Herangehensweise nicht mehr: "Die Jüngeren wollen laut und wild, die mittlere Generation gemäßigt und die Älteren soft."
Der Witz ist ja, dass früher immer gegen Schlager geätzt wurde, und heute das, was die Jammerpopper von sich geben (und das durchaus sehr erfolgreich) schmalziger und schnulziger ist, als es die schlimmsten Schlager jemals waren.
 
Diese strikte Trennung in Jahrzehnte bzw. Zeiträume ist doch völlig realitätsfern. Welcher Mensch hört den ausschließlich und exklusiv 80er, oder Songs die nicht älter als x Jahre alt sind?
Vielleicht weiß 80s80s die Antwort 🤔
Aber natürlich, man könnte theoretisch auch ein JACK FM Format machen, dann ist für jeden etwas dabei. Funktioniert zu 100 Prozent.
Wo bitteschön in Deutschland? Sendername(n) und Frequenz(en)?

Aber bitte nicht den leicht albernen Verweis auf USA, Niederlande, Schweden, UK oder sonstige Radiovielfalltsperlenländer wenn da steht: "Funktioniert zu 100 %."
 
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Wo bitteschön in Deutschland? Sendername(n) und Frequenz(en)?
Praktisch alles, was man unter Current- oder Major-AC einordnen kann, kommt dem Jack FM-Format in der zeitlichen Vielfalt der Musik nahe. Das sind vor allem alle möglichen Lokalradios, ob Radio NRW, die Antenne-Radios in Rheinland-Pfalz oder die sächsischen Lokalsender. Die sind in ihrer lokalen Berichterstattung oft konkurrenzlos, und legen deswegen viel Wert auf (lokale) Nachrichten und Wetter-/Verkehrsservice, weniger auf ein musikalisch charakteristisches Klangbild, weswegen da oft auch 80er, 90er, 2000er und 2010er in halbwegs gleicher Stückzahl laufen. Von den Öffentlich-rechtlichen würden mir da spontan SR1, HR3 und vielleicht noch NDR2 einfallen.
 
Nein, Spotify-Playlisten generieren sich u.a. durch Interaktivität der Nutzer. Nur woher sollen Nutzer bemerkenswert Titel zusteuern, wenn sie sie nicht kennen? Schon gar nicht durchs Radio.
Quod erat demonstrandum.

Und deine "Woher sollen die Leute es denn wissen" Argumentation, kann auf jedes Themengebiet angewandt werden und ist daher für mich albern.
 
Wo bitteschön in Deutschland? Sendername(n) und Frequenz(en)?

Aber bitte nicht den leicht albernen Verweis auf USA, Niederlande, Schweden, UK oder sonstige Radiovielfalltsperlenländer wenn da steht: "Funktioniert zu 100 %."

Zwischen den Zeilen lesen ist nicht so dein Ding, oder?

weswegen da oft auch 80er, 90er, 2000er und 2010er in halbwegs gleicher Stückzahl laufen. Von den Öffentlich-rechtlichen würden mir da spontan SR1, HR3 und vielleicht noch NDR2 einfallen.

NDR 2 ist ja nun das schlechteste Beispiel. Da denkste, es ist Hot AC, bevor dann nach 2 Stunden ein 80er Witz-Hit läuft. Total Panne und inkonsequent.

Antenne Brandenburg ist am ehesten noch Major AC, von der musikalischen Auswahl her.
 
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Eine Spezialisierung wäre ja nicht schlecht, aber wenn in Deutschland einer umformatiert gehen in Deutschland sämtliche reichweitenstärkeren Wellen den gleichen Weg. Das Prinzip Gleichschritt, das jahrzehntelang mangels Alternativen mehr schlecht als recht funktioniert hat, hat aber längst keine Daseinsberechtigung mehr.
 
Nur weil die Dekadensender oft nicht gut gemacht sind, ist die Idee dahinter nicht per se schlecht.
Und exakt zum Stichtag 1. Januar gefallen mir plötzlich sämtliche Songs eines Jahres nicht mehr? Ja, das ist mir an mir selbst auch schon aufgefallen. Da kippen plötzlich zum Jahreswechsel die Sympathien für bestimmte größte und beste Superhits aller Zeiten und werden stichtagsgenau zum Abschaltimpuls. Muss in der Natur des Menschen liegen, einem Affen würde das nicht passieren.
 
Das ist sehr polemisch und das weißt du auch. Wenn das Konzept einer Station lautet, nichts Älteres zu spielen als 20 Jahre alte Titel, dann ist das ein Konzept, das eben Jahr für Jahr angefasst werden muss um sanft, aber bestimmt modern zu bleiben. Große Marken wie zB Brand Zwieback machen das seit Jahrzehnten mit ihrem Logo/Schriftzug. Regelmäßige, kleine, moderate Veränderungen halten das Erscheinungsbild der Marke aktuell, ohne, dass es je wirklich auffällt. Die Marke bleibt dem Konsumenten also in allem vertraut, ohne, dass sie jemals angestaubt wirkt.
 
Selbstverständlich war das polemisch, gebe ich gerne zu. Aber ich spitze damit nur etwas zu, was auch aus Deinem Posting #44 wieder deutlich herausscheint: Es geht wohl nicht mehr um Musik, Musikgeschmäcker, die kulturelle Vielseitigkeit, sondern es geht um Marke/Markenbranding.
 
Ja natürlich geht's um Marken und Branding. Das ist ein Business, von dem Leute leben. Von kulturellen Träumereien wird niemand satt.
Schau dir doch die kulturell vielseitigen Produkte an mit egoFM und Radio 2day. Wo sind die denn?
Oder mit Einschränkungen auch Radioeins und Schwarzwaldradio.
 
Die von dir genannten Beispiele egoFM und 2day zeigen doch gerade, dass es funktionieren kann. 2day ist seit Anbeginn des Privatfunks mit dabei, und ist programmlich nahezu unverändert geblieben. Auch egoFM gibt es schon eine Weile. Die Quote beider Programme ist relativ klein, aber was ist schlimm daran? Offenbar reicht's, um zu überleben.
 
Offenbar reicht's, um zu überleben.
Ja das schon. Mal abgesehen davon, dass sich die Mitarbeiter dort kaum ein Kellerloch zum Wohnen leisten können. Cahja und bei egoFM reichts für den Verkauf an einen Liebhaber, weil Gong keine Lust mehr hatte, Geld reinzupumpen. So toll läuft das. Außerdem wird hier doch immer argumentiert, dass man damit die Massen erreichen könnte. Scheint ja offensichtlich nicht der Fall zu sein.

Und das wir uns nicht falsch verstehen: Wünschen, täte ich es mir auch anders und es ist garantiert dringen mehr Mut nötig , aber realistisch müssen wir schon auch bleiben.
 
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Ja natürlich geht's um Marken und Branding. Das ist ein Business, von dem Leute leben. Von kulturellen Träumereien wird niemand satt.
Schau dir doch die kulturell vielseitigen Produkte an mit egoFM und Radio 2day. Wo sind die denn?
Oder mit Einschränkungen auch Radioeins und Schwarzwaldradio.
Etwas off-topic, aber zum Business gehört auch oft eine Website: Die Website von Radio 2DAY scheint da eher ein Museumsrelikt aus den frühen 2000er zu sein. Die Technik wurde aber vermutlich etwas erneuert inzwischen?
 
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