Wer Genderformen verwendet, damit sich bloß jeder auch überdeutlich direkt angesprochen wähnt, findet natürlich auch dass pseudo-individuelle "Du" gut.
Warum nur überrascht mich das nicht.
Passt irgendwie zu meiner eingangs aufgestellten These mit der Hyperindividualisierung in unserer Gesellschaft. Irgendwie drollig, dass überall immer mehr auf voll individuell gemacht wird, die tatsächliche individuelle Freiheit, dank immer engeren Meinungskorridors tatsächlich aber abnimmt. Womöglich hat das eine ja auch explizit mit dem anderen zu tun.
Komm, das ist jetzt wirklich weit hergeholt, sag' ich als jemand, der, wie man andernorts nachlesen kann, nun wirklich alles andere als ein Freund der Gendersprache ist. Das eine hat mit dem anderen nach meinem Empfinden absolut nichts zu tun. Eigentlich ist es sogar genau gegenteilig. Die Verfächter des Genderns sind ja darum bemüht, niemandem irgendwie eine Ansprache überzustülpen, die für ihn nicht zutrifft. Alles soll möglichst allgemein gehalten werden, damit jeder angesprochen, beziehungsweise niemand mehr als andere gemeint ist. Meiner Meinung nach führt das zwar oft genug dazu, dass dann gar niemand mehr richtig angesprochen wird, weil wir es dann mit irgendwelchen zerfetzten Wörtern oder unzureichend beschreibenden Formulierungen zu tun haben, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Bei "Du" im Radio hingegen passiert ja genau das Gegenteil. Wenn der Moderator einen Beitrag beispielsweise mit den Worten "Viele von Euch kennen das ja bestimmt" einleitet und ich das, was dann im Anschluss beschrieben wird, nicht kenne, kann ich mir ja immer noch denken, dass ich dann wohl zu denen von uns (also den Hörern) gehöre, die das nicht kennen. Macht ja nichts, ich lasse mir ja jetzt was darüber erzählen. Leitet der Moderator dasselbe Thema aber mit "Du kennst das bestimmt" ein, fühle ich mich gleich weniger angesprochen. "Nein, ich kenne das nicht. Und woher willst Du denn eigentlich wissen, was ich kenne und was nicht? Hör doch mal auf damit, so zu tun, als würdest Du mich als Person wirklich kennen. Ich bin Teil Deiner Hörerschaft. Da sitzen gerade auch noch andere Menschen vor ihren Lautsprechern und hören genau dasselbe. Macht nichts, ich bin nicht eifersüchtig oder so, aber tu doch bitte nicht so, als säßest Du gerade für mich allein in diesem Studio."
Gut, das Ergebnis, dass am Ende niemand so richtig angesprochen wird, kommt aus meiner Warte gesehen tatsächlich beim Gendern wie beim Duzen im Radio zustande, aber die Intenzion und die Vorgehensweise dahinter ist wohl doch jeweils eine andere.
Bislang wurde das Forum, meiner Ansicht nach, dem eigentlich sehr spannenden Thema leider nicht gerecht.
Ich habe TORZ so verstanden, dass er sich auch eine etwas andere Diskussion erhofft hatte. Nicht zwingend, meine Einwürfe, aber doch mehr eine Analyse warum immer häufiger mit "Du" angesprochen wird und was sich Radiomacher davon erhoffen etc.
Ach, an und für sich bin ich schon ganz zufrieden mit der Diskussion. Ich hatte eben diese skurile Situation erlebt, dass von oben her zwar das "Du" angeordnet worden war und auch von allen brav umgesetzt worden war, gleichzeitig aber alle, die ich privat danach fragte, auch bedeutend lieber "Ihr" gesagt hätten. Witzig war, dass manche bei der Redaktionskonferenz, auf der ich das mal thematisiert hatte, noch dem Sendeleiter den Rücken stärkten, um mir dann hinterher hinter vorgehaltener Hand dann doch zuzustimmen. Daher wollte ich, wo ich doch schon mal hier angemeldet bin, einfach mal Meinungen von mindestens ebenso radiobegeisterten, aber unabhängigen, weil am fraglichen Projekt nicht beteiligten Menschen einholen. Und das hat ja schon ganz gut funktioniert. Ja, sogar von Usern, von denen ich nicht erwartet hätte, dass ich sie in diesem Thread oder überhaupt nochmal irgendwo hier im Forum lesen würde, gab es Rückmeldungen.
Allenfalls hätte ich mir tatsächlich noch ein paar Statements von Radiomachern erhoft, die das "Du" dem "Ihr" vorziehen. Die Gründe dafür hätten mich interessiert und vielleicht auch Erfahrungen, wie man beispielsweise die Verwirrungen in der Doppelmoderation vermeiden kann. Wenn da noch jemand etwas dazu zu sagen hat, nur zu!
Ich glaube, er hatte noch mehr auf den Herzen als die Ansprache, was auch okay ist.
Ja, wenn ich so drüber nachdenke, hast Du recht. Als ich diesen Thread hier aufgemacht habe, war ich gerade noch mittendrin in der "Aufarbeitungsphase" meines kurzen Ausflugs in die Radiomacherei. Im Laufe der letzten zwei Wochen kamen freilich noch mehr Fragen als nur die nach der Ansprache des Hörers dazu und generell hat mich einiges im Nachgang ziemlich beschäftigt, wobei ich entschieden anmerken muss, dass das ganz überwiegend auf eine positive Art passiert ist. Vielleicht hätte ich also noch ein bisschen mit dem Thread warten dann meine gesammelten Fragen hier stellen sollen, allerdings hätte das wohl zu einer großen Unübersichtlichkeit geführt, weil ein und derselbe Thread für völlig unterschiedliche Fragestellungen genutzt worden wäre. Vielleicht komme ich aber ja irgendwann nochmal auf andere Fragen zu sprechen, die mich seit der Hörfunkschule beschäftigen.
Ob es tatsächlich …
… ist, liegt offenbar in der Empfindung des jeweils Angesprochenen.
Ja, genau das denke ich auch. Das ist, wenn man mich fragt, kein Generationenkonflikt, sondern eine Frage der persönlichen Einstellung und des Anspruchs, den man an den Sender hat.