Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Ich als miefiger Radiojournalist schnappe jedesmal nach Luft, wenn ich Nachrichten höre und dabei feststelle, wie die Nachrichten in Musikradios zum Sammelbecken der journalistischen Darstellungsformen werden, da sie außerhalb der Nachrichten formatbedingt nicht stattfinden dürfen.
Da gibt es Pseudo-Interviews oder Pseudo-Reportergespräche, Kurz-Reportagen, kommentierende Reporter-Statements, die durch ihre Form in keiner Weise einem Aufsager entsprechen sondern eher einem Kollegengespräch herausgeschnitten wurden.
All dies ganz nette Darstellungsformen, bei denen ich mich frage, wieso dem Hörer diese da vorenthalten werden, wofür diese eigentlich bestimmt sind: nämlich in einem (Flächen-)Magazin.
Ebenso frage ich mich, ob die objektiven Nachrichten dadurch nicht zunehmend überflüssig gemacht werden?
Für meinen Geschmack sind beispielsweise der NDR 2-Kurier oder die RSH/PSR-Nachrichten dermaßen verwässert, dass ich annehme, diese Aussendungen dienen mehr dem journalistischen Touch, als einer journalistischen/ hörerfreundlich Funktion.
Oder bin ich von gestern?
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

"Nachrichten als Sammelbecken journalistischer Darstellungsformen"..

fein gesagt!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Stört aber nicht wirklich, zumindest nicht im "Hitradio".

Ganz im Gegenteil: Je mehr die Fläche inhaltlich reduziert wird, desto mehr sind die Hörer auf das Konzentrat der Nachrichten angewiesen. Oder anders ausgedrückt: In den 3 Minuten Nachrichten erträgt man auch "Gelaber". Also alles hinein, was hinein passt und eine gewisse Dynamik erzeugt.

Ansonsten könnten die Hitwellen ja auch die Nachrichten des DLF übernehmen.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Ansonsten könnten die Hitwellen ja auch die Nachrichten des DLF übernehmen.
Ich habe grad keine Lust, das zu begründen, aber diese Schlussfolgerung ist ziemlicher Quark. Vielleicht kommst du ja selbst darauf, wenn du nochmal unter dem Stichwort "Nachrichten" nachschaust und dann darüber reflektierst, was die Darstellungsform "Nachrichten" ausmacht.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

wohlmöglich ist die Aufgabenstellung :

"macht mir moderne Nachrichten ! Schnell, abwechslungsreich, unterhaltsam und bitte mit wenig Aufwandt. Ich habe nur den Praktikanten zum Texten frei....";)
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Und, wer hat das definiert, was die Darstellungsform Nachrichten ausmacht und was nicht? Wovon haben sie sich leiten lassen? Wie, meinst Du wohl, wird die journalistische Lehre in 20 Jahren aussehen?
Ich habe vor einigen Jahren für eine Geschichte in Ausgaben einer Zeitung gewühlt, die mittlerweile 80 Jahre alt sind. Aus heutiger Sicht war das Blatt von damals eine Katastrophe: Ein Layout wie Blei, thematisch nicht einmal im Ansatz eine Orientierung am Leser, eine Schreibe zum Davonlaufen, ohne jede Dramaturgie. So würde heute kein einziges Printmedium mehr erscheinen und kein Dozent würde das noch so lehren. Eine Reihe von Genres, die hingegen mittlerweile in jedem Lehrbuch stehen, spielten damals noch überhaupt keine Rolle. (Sozial)Reportagen etwa kamen im Zusammenhang mit der Soziologie auf. Das ist in Deutschland noch keine 100 Jahre her.
Zeiten ändern sich, Rahmenbedingungen auch, und damit immer auch das Produkt. Die Änderungen können gut oder schlecht sein, das ist Geschmackssache. Aber dass ein Lehrbuch kein in Stein gemeißeltes Wissen ist, sondern lediglich den Stand zum Zeitpunkt seines Erscheinens abbildet, sagt so natürlich kein Dozent. Nur könnte man das als Student ziemlich leicht erraten, wenn man die umfangreiche Lehrbuchsammlung seiner Universitätsbibliothek zur Kenntnis nimmt und sich den Spaß macht, zu ein und dem selben Thema ein älteres und ein neueres Buch zu lesen.
Journalismus - egal in welcher Spielart und von welcher Qualität - ist niemals ein Zustand, sondern immer ein Prozess. Lehren sie das in Leipzig wirklich nicht??
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Wie, meinst Du wohl, wird die journalistische Lehre in 20 Jahren aussehen?

...eine sehr schöne Frage ! Natürlich ändert sich jede Form von Gesellschaft und damit ändern sich auch die Formen, mit denen darüber geschrieben oder sonstwie berichtet wird.
Mich interessiert dabei eigentlich besonders, ob die Berichtenden dabei eine Art Bildungsauftrag haben sollten im weiteren Sinne ("kulturelle Qualität" ?) oder ob sie die Interessen des Bevölkerungsquerschnitts bedienen sollen. ("Brot und Spiele" ).
Ich hab halt das Gefühl - da mag die selektive Wahrnehmung täuschen- daß zunehmend Medien als Wirtschaftsgut letztere Entwicklung nehmen (was sich dann auch in Lehrbüchern irgenwann wiederfindet....). Ob das "gut" ist, darüber mag man trefflich streiten......
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Das Hauptproblem ist weniger, dass sich die Formate immer weiter entwickeln.
Alles andere wäre ja langweiliger Stillstand.

Das Hauptproblem ist die sich inzwischen wie ein Flächenbrand verbreitende Schluderei:
Ätzende Wortwiederholungen, falsche Begriffe, hippe Schnöseligkeiten, schlimme Schnitte, völlig nichtssagende O-Töne, nur weil irgendwo noch ein Schnippsel Konfetti in ein Kessel Buntes rein soll.

Alles egal?
Na dann: Gute Nacht, Radio!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Ein Hauptproblem ist aber wie gesagt, dass die wirklich wichtigen Meldungen oft zu kurz kommen. Vor allem die Antenne Bayern Nachrichten möchte ich da mal als Negativbeispiel aufführen. Zuerst wird berichtet wer in der Nacht vom Traktor überfahren wurde und wie viele Menschen bei Autounfällen ums Leben gekommen sind. Und dann kommt noch die Meldung, dass eine Person tot in ihrer Badewanne aufgefunden wurde (natürlich wurde die Anzahl der Messerstiche ganz genau mitgezählt!). Dann werden noch die Sportnachrichten vermeldet, wenn man Glück hat ist auch noch eine politische Meldung dabei und am Ende kommen dann die tollen Bayernreporter. Das sind doch keine Nachrichten! Das sind doch nur Meldungen bestehend aus Sensation und Unterhaltung. Das kann man auch im laufenende Programm erzählen (wenn es denn sein muss), aber die Nachrichten sollten sich auf die wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Ereignisse begrenzen!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Ein Hauptproblem ist aber wie gesagt, dass die wirklich wichtigen Meldungen oft zu kurz kommen. Vor allem die Antenne Bayern Nachrichten möchte ich da mal als Negativbeispiel aufführen. Zuerst wird berichtet wer in der Nacht vom Traktor überfahren wurde und wie viele Menschen bei Autounfällen ums Leben gekommen sind. Und dann kommt noch die Meldung, dass eine Person tot in ihrer Badewanne aufgefunden wurde (natürlich wurde die Anzahl der Messerstiche ganz genau mitgezählt!). Dann werden noch die Sportnachrichten vermeldet, wenn man Glück hat ist auch noch eine politische Meldung dabei und am Ende kommen dann die tollen Bayernreporter. Das sind doch keine Nachrichten! Das sind doch nur Meldungen bestehend aus Sensation und Unterhaltung. Das kann man auch im laufenende Programm erzählen (wenn es denn sein muss), aber die Nachrichten sollten sich auf die wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Ereignisse begrenzen!

Auch wenn ich deiner Kritik im wesentlichen zustimme, muss ich den letzten Satz dann doch in Frage stellen. Mit welcher Begründung sollen etwa die wirtschaftlichen Ereignisse wichtiger sein als, sagen wir, die sportlichen? Natürlich kann man sich darüber streiten, ob man immer dem Geschmack des Publikums nachrennen oder die (hoffentlich) hehren eigenen Ideale in den Nachrichten hochhalten sollte - aber letztlich mache ich die Nachrichten ja dann doch für meine Hörer. Wer sagt also, dass Politik und Wirtschaft nachrichtentauglich sind, und alles andere nicht? Ich bin ja auch dagegen, unreflektiert auf die komplette Boulevard-Schiene abzurutschen, aber genauso bin ich dagegen, ebenso unreflektiert nur aufs Staatstragende zu setzen. Für den Balance-Akt braucht's aber eben eine gewisse Kompetenz, und die haben nicht in allen Sendern alle Redakteure, Volos oder Praktis, die die Nachrichten machen. Leider.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Da muss ich dir vollkommen zustimmen. Es ist schon richtig, dass natürlich auch die Sportmeldungen in die Nachrichten gehören und dass die Balance in den Nachrichten stimmen muss. Das hab ich bei meinem letzten Satz nicht so ganz bedacht...
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Wir leisten uns z.Z. fünf verschiedene Nachrichtenformate. Die sogenannten "klassischen Nachrichten" kommen vom CvD-Tisch zum Sprecher. Meistens ist es ein 5-Minutenblock inkl. Wetter und o-ton-frei, der auch in der Themenauswahl eher "konservativen" Mustern folgt: die Weltpolitik, Wirtschaftsmeldungen und natürlich auch Ereignisse wie Flugzeugabstürze oder Erdbeben sowie Sport. Die Gewichtung würde also eher ein Treffen Bush-Merkel an den Anfang setzen und mit dem Sport enden. Regionale Themen werden nur berücksichtigt, wenn sie von überregionaler Bedeutung sind.

Ein zweites Format bemüht sich, den Hörer auch in seinem heimatlichen Umfeld "abzuholen". Es arbeitet mit O-Tönen und würde den Großbrand eines Reifenlagers in Eschwege eher auf die Eins stellen als weltpolitische Meldungen.
Boulevard darf stattfinden, wenn die Nachricht "Gesprächswert" hat. "Knut" hätte also mehr Chancen, erwähnt zu werden, als im klassischen Format.

Die zwei "jüngeren" Formate ähneln sich in Themenauswahl, Präsentation und Verpackung und setzen nur marginal unterschiedliche zielgruppenspezifische Schwerpunkte. Der Bezug zum Bundesland wird eher deutlich als in den klassischen Nachrichten. Boulevard auch nur, wenn der verantwortende Redakteur der Auffassung ist, dass es "meldenswert" ist. Buntes wird also nicht zur Pflichtveranstaltung.

Das fünfte Format will durch Verpackung und Themenauswahl und -gewichtung eine junge Zielgruppe erreichen, was zum Beispiel die MTV-Awards auch mal auf die Eins bringen könnte. Auch würden z.B. die Studentenproteste gegen die Studiengebühren breiter und mit Hintergrundinfos abgehandelt als in den obigen Nachrichtensendungsformen.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Auffächerung des Meldenswerten in so viele Formate ist m.E. ein hörerfreundlicher Luxus, der voraussetzt, dass man seine Zielgruppen mit ihren unterschiedlichen Informationsbedürfnissen auch gut genug kennt. Im Idealfall funktioniert es und mag dazu führen, dass "der Hörer" tatsächlich einen profunden Mehrwert erfährt gegenüber der "akustischen Bleiwüste" "klassische Nachrichten" (wobei ich nicht verhehlen will, dass mir genau diese Bleiwüste immer noch am sympatischsten ist)

Das Eingangsposting von Sachsenradio2 beschreibt das Sammelsurium an Darstellungsformen, die viele Musikradios während der oft schwachbrüstigen Info-Breaks ihren Hörern in die Ohren donnern.
Wir beschränken uns auf Korrespondenten-Namis und -seltener- Primär-O-Töne, so dass eine redaktionelle Linie erkennbar bleibt.

Amen und frohe Ostern!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Liebe Hexe,

du liegst leicht falsch mit deinem Posting. Zumindest dann, wenn du meinst, ich prangere beispielsweise O-Ton-News an und würde die DLF-News als das Non plus Ultra betrachten.
Mir geht es eher darum, dass in Nachrichten die Darstellungsformen abgeschoben werden, die woanders nicht statt finden. Und dabei dann - und das ist das Hauptübel - die Objektivität abhanden kommt.
Dass es unterschiedliche Präsentationsformen gibt und gar auch neue Präsentationsformen entstehen - ok. Nur dann sollten sie auch objektiv sein. EIne Reportage zum Beispiel ist nicht objektiv. Und ob ein nachgespieltes, stark geschnittenes Korrespondenten-/ Experteninterview geeignet ist, in einem Nachrichtenformat gesendet zu werden, bezweifel ich. Würde das Nachrichtenformat allerdings mindestens 15 Minuten Sendezeit haben, dann wäre es kein Nachrichtenformat mehr, sondern ein Nachrichtenmagazinformat.

Was die unterschiedliche Nachrichtenauswahl angeht - jeder Sender soll das machen, was die Zielgruppe glücklich macht. Aber ein Mindestmaß an journalistischer Hygiene - gründliche Recherche und Objektivität - sollte doch gegeben sein!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Hexe kritisiert an deinen Ansichten, dass du die wissenschaftlichen Darstellungsformen-Definitionen von heute (aus meiner Sicht von gestern) als Maßstab nimmst und dich neueren Entwicklungen verschließt bzw. sie pauschal als schlecht abtust. In den Universitäten wird auch der gebaute Beitrag noch fleißig gelehrt und von den Uniradios verbissen praktiziert, obwohl er (zumindest außerhalb von Info-Formaten) tot ist. Da kann man sagen: Die bösen Radioleute von heute halten sich nicht mehr an die Regeln. Oder man kann sagen: Radio entwickelt sich einfach weiter, und der klassische gebaute Beitrag entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Ähnlich verhält es sich wohl auch mit den "klassischen" Radio-Nachrichten.

Ich verstehe dennoch das Dilemma, das du ansprichst: Auch ich fühle mich von klassischen Nachrichten (mit oder ohne O-Ton oder Aufsager) deutlich mehr angesprochen als von Nachrichten, in denen Aufsager nach Kollegengespräch klingen oder Themen auftauchen, die eher in andere Programmteile gehören. Klar haut man hier Darstellungsformen rein, die sonst nicht mehr stattfinden, aber leider entspricht das wohl dem Zeitgeist. Ein durchschnittlicher Radiohörer will heute glaub ich keine 15-Minuten-Reportage oder ein 5minütiges Expertengespräch hören. Dem ist die Quintessenz aus beiden kurzgefasst in den Nachrichten wohl lieber. Das heiße ich nicht gut, aber ich nehme es hin. Was mich hingegen maßlos ärgert ist, dass gerade an den Stellen, an denen es auf journalistische Qualität ankommt, derartig gespart wird. Das hat mittlerweile Dimensionen angenommen, die nicht mehr schön sind - gerade im Privatradio. Und das fällt mir in Riesa sicher genau so auf wie anderen in Bayern, NRW oder sonstwo. Das ärgert mich zum Beispiel auch bei Moderatoren.Auch Moderation ist eine journalistische Leistung, und wenn diese sich im Ab- und Anmoderieren von Titeln und Interpreten erschöpft ("Das war Rosenstolz, und jetzt kommt Justin Timberlake. Schönen Abend wünsch ich mit Radio XY"), dann ist das einfach nur traurig. Selbst eine 0815-Gewinnaktion kann man moderativ einigermaßen anspruchsvoll verpacken und dabei journalistisches Know-How einfließen lassen. Macht aber keiner (mehr), weil es Aufwand macht und es einem keiner dankt. Die Veranstalter haben sich eben damit abgefunden, dass es auch mit "ungelernten" Leuten geht, wenn sie ne halbwegs ordentliche Stimme haben. Im Privatfunk brauchst du heute keine Journalisten mehr. Das ist das eigentlich traurige. Würde man neue Nachrichtenkonzepte entwickeln, in denen andere klassische Darstellungsformen Eingang finden, die aber dennoch von professionellen Journalisten gemacht und auf Hörerinteressen (nicht auf Kostenminimierung) ausgerichtet werden, dann hätte ich nix dagegen. Auch Nachrichten brauchen eine Weiterentwicklung. Leider ist dem nicht so, entsprechende Konglomerate entstehen zumindest im Privatfunk nur noch aus Kostengründen.

Nachtrag: Zeig mir mal eine Meldung, die objektiv ist. Dieses Gelaber von "Nachrichten, die unbedingt objektiv sein müssen" kann nur von jemandem kommen, der "was mit Medien" studiert bzw. studiert hat. Natürlich sollte eine Meldung immer möglichst frei von Meinungen und Wertungen sein, aber zu 100 Prozent erreicht man das ohnehin nicht, und oft sind es gerade die etwas wertenden Einordnungen, die einer Meldung den nötigen Informationswert geben (gerade bei Themen aus dem Ausland).
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

In den Universitäten wird auch der gebaute Beitrag noch fleißig gelehrt und von den Uniradios verbissen praktiziert, obwohl er (zumindest außerhalb von Info-Formaten) tot ist.

Die klassischen Hochkulturprogramme wären der Vollständigkeit halber auch noch zu nennen.

Davon abgesehen: Ja, tot auch an Orten, wo es Wort nicht zu knapp gibt. Und ich muß bekennen, daß sich meine Trauer in Grenzen hält. Kollegengespräche muten mir da „direkter“ an, insbesondere auch weniger anfällig für die Schere im Kopf, von der ich nur hoffen kann, daß an den Universitäten wenigstens eine Sensibilisierung für dieses Phänomen stattfindet. Für mich war es nämlich eine fast schon verstörende Erfahrung, zu bemerken, was für eine riesengroße Schere da zuschlagen wollte. Und die Methode, sich zu verdeutlichen, daß man doch sowieso nichts zu verlieren hat, dürfte bei Universitätsabsolventen wohl eher nicht anwendbar sein.



Auch ich fühle mich von klassischen Nachrichten (mit oder ohne O-Ton oder Aufsager) deutlich mehr angesprochen als von Nachrichten, in denen Aufsager nach Kollegengespräch klingen oder Themen auftauchen, die eher in andere Programmteile gehören. Klar haut man hier Darstellungsformen rein, die sonst nicht mehr stattfinden, aber leider entspricht das wohl dem Zeitgeist.

Naja, ob es das wirklich tut oder der Zeitgeist nur eine schöne Ausrede für die Entwortung ist, das würde ich aber durchaus nicht für gesagt halten wollen.

Ansonsten ist das sicher in erster Linie eine Frage des allgemeinen Elends, was journalistische Arbeit im Privatfunk angeht, und höchstens vordergründig eine von „Darstellungsformen“.



Zeig mir mal eine Meldung, die objektiv ist.

Und selbst, wenn man die Meldung in sich als absolut objektiv ansehen will: Nachrichten sind zwangsläufig eine Auswahl von Meldungen. Man höre sich einmal die Nachrichten verschiedener Sender an und vergleiche, welche Meldungen da jeweils gebracht werden. Da kann man recht interessante Beobachtungen machen.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Radio entwickelt sich einfach weiter, und der klassische gebaute Beitrag entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Ähnlich verhält es sich wohl auch mit den "klassischen" Radio-Nachrichten...Klar haut man hier Darstellungsformen rein, die sonst nicht mehr stattfinden, aber leider entspricht das wohl dem Zeitgeist. Ein durchschnittlicher Radiohörer will heute glaub ich keine 15-Minuten-Reportage oder ein 5minütiges Expertengespräch hören
Die Sender haben die Hörer doch in diesem Sinne erzogen bzw. vom Wort entwöhnt. Und das einzig zur Gewinnmaximierung. Claims aufsagen ist halt billiger.
Derweil versumpfen die Nachrichten bei ABY & Co. im Boulevardesken.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Und ob ein nachgespieltes, stark geschnittenes Korrespondenten-/ Experteninterview geeignet ist, in einem Nachrichtenformat gesendet zu werden, bezweifel ich.

Diese Kollegeninterviews haben ganz große Vorteile:

- sie zwingen dazu dialogisch zu texten

- sie zwingen dazu, darüber nachzudenken, welche Drehe für den Hörer tatsächlich relevant ist. Wenn Dir nur Fragen einfallen, die unauthentisch und gestellt wirken, ist das ein Zeichen dafür, dass das Thema für den Hörer eher uninteressant ist.

Das Kollegeninterview fällt streng genommen nicht in die Kategorie Nachrichten, aber ich sehe keinen Konflikt zur angestrebten Objektivität. In einem sagen wir mal "Informationsblock" ist diese Präsentationsform doch eine schöne Abwechselung.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Hallo Sachsenradio,

ich finde, hier geht es um mehrere Ebenen. Der Reihe nach:

Deine Meinung darüber, dass Nachrichten mit den von Dir erwähnten Elementen boulevardesk werden und damit verlieren, werde ich Dir nicht wegdiskutieren. Das steht mir nicht zu. Vielleicht muss es in der alten Tagesschau-oder-RTL2-News-Debatte überhaupt kein allgemein gültiges Ergebnis geben. Eine andere Meinung als Quark abzutun, mit dem Hinweis, man möge den strittigen Teil einfach nachschlagen, halte ich aber prinzipiell nicht für befriedigend.

Desweiteren überzeugt mich Dein Objektivitätsargument nicht. Die Kategorien "objektiv" und "subjektiv" würde ich prinzipiell nur Anfängern und Laien als erste Orientierung an die Hand geben. Mit erfahrenen Kollegen rede ich normalerweise über "kontrollierte Subjektivität". Mehr, das ist zumindest meine Erfahrung und die der meisten meiner Kollegen, ist aus keiner journalistischen Arbeit herauszuholen - zumindest nicht, solange Menschen und keine Maschinen dahinter stecken. Dass Reportagen oder andere Konstellationen, in denen ein Journalist vorkommt, daher grundsätzlich "nicht objektiv" sind, halte ich für ein Gerücht. Eine GUTE Reportage ist ein qualifizierter Augenzeugenbericht, bei welchem der Beobachter über genügend (recherchiertes) Hintergrundwissen verfügt, um seine Beobachtungen einordnen und bewerten zu können. Es erschließt sich mir nicht, warum das als Quelle automatisch weniger wert sein soll, als die Beobachtung eines Amtes oder der Satz "Augenzeugen berichten, dass..." in einer Agenturmeldung. Im Gegenteil: Beim Kollegen kann man sogar viel leichter kontrollieren, wie das Ergebnis zustande kam.


Ob das nun alles in die Nachrichten gehört, ist ein trefflicher Streitpunkt. Ich höre dort Reporterstücke, habe selber auch schon welche abgeliefert, kann mich aber an keine Reportage im Nachrichtenblock erinnern. Deine Ansicht, außerhalb selbiger dürften diese Formen nicht mehr statt finden, teile ich nicht. In den letzten Monaten sind - klar, keineswegs aus Gründen wiederentdeckten Anspruchs - Wortstrecken entstanden, deren journalistisch gute Umsetzung zwar nicht ausdrücklich gewünscht, aber auch nicht ausdrücklich verboten ist. Das Ergebnis ist nach meinem - subjektiven - Hörempfinden oftmals unbefriedigend. Soweit mir mein Einblick ein Urteil erlaubt, hat das aber nur teilweise etwas mit Arbeitsbedingungen zu tun. Ich beobachte ebenfalls, dass Kollegen, keineswegs Praktikanten, nicht in der Lage sind, Recherchepläne zu erstellen, eine Richtung zu bestimmen, eine Dramaturgie zu entwickeln und Elemente gezielt einzusetzen, um aus einem Thema das Maximale herauszuholen. Ergebnis: Hölzerne, holprig geschnittene Töne mit einem Inhalt, den genauso gut auch hätte der Sprecher/Moderator vortragen können, Umfragen an völlig unpassenden Stellen, sinnlose Aufsager/Reporterstücke/Kollegengespräche, bei denen der Mehrwert am Ende gleich Null ist. Aber das ärgert mich überall, nicht nur in den Nachrichten.

Ich persönlich halte PDs für kompetent, die ihre Nachrichtenformate so entwickeln, wie Otto es beschreibt: Sich klar machen, für wen man senden will. Und dann immer wissen, warum man was tut. Wenn bunte Elemente dann gezielt und nicht inflationär eingesetzt werden, mindern sie in meinen Augen den Nachrichtenwert nicht.

In dem Sinne: Frieden.

Viele Grüße
Die Hexe
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Die Sender haben die Hörer doch in diesem Sinne erzogen bzw. vom Wort entwöhnt. Und das einzig zur Gewinnmaximierung. Claims aufsagen ist halt billiger.
Derweil versumpfen die Nachrichten bei ABY & Co. im Boulevardesken.

Richtig. Stimme dir voll und ganz zu.

@K6 - Richtig, die Kulturprogramme habe ich vergessen. Sind in meinem Radioalltag leider nicht ganz so fest verwurzelt ;) Auch dir stimme ich sonst voll und ganz zu. Zeitgeist oder nicht, darüber kann man streiten. Es hat wohl was mit dem zu tun, was XXL-Funk sagt. man hat sich die Hörer entsprechend "erzogen".

@Hexe - Auch deinen Ausführungen kann ich mich ohne Bedenken anschließen. Sehr gut auf den Punkt gebracht.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Ich danke euch für diese konstruktiven Beiträge. Airwave, hexe und K6 haben es schön formuliert.
Kleine Berichtigungen dennoch: Airwave, gebaute Beiträge kommen wohl nach und nach wieder, habe ich das Gefühl. Zumindest hier und da. Kollegengespräche, wenn sie gut gemacht sind, finde ich auch hörerfreundlicher, wenn man auch nicht alle Themen ideal mit einem Kollegengespräch umsetzen kann.
Hexe: Subjektive Ansichten in eine Nachrichtensendung einzubauen ist nicht gleichzusetzen mit "boulevardesk".
Beyme: Wie ich schon erwähnte, ein Kollegengespräch ist nicht schlecht. Allerdings habe ich in Formaten wie dem NDR 2-Kurier den Eindruck, dass diese Gespräche stark geschnitten sind und es eben kein "echtes" Gespräch ist, sondern ein Pseudogespräch. Dabei ist zunächst erst einmal egal, wie tatsächlich es zu diesem Gespräch gekommen ist. Dass so ein Gespräch in einem engen Nachrichtenformat i.d.R. nicht live ist, ist mir klar. Allerdings klingt die Umsetzung grausig.
Und ich bin sehr wohl weiterhin der Meinung, dass solche Nachrichtenformate nur auf Sendern stattfinden, auf denen diese Darstellungsformen im restlichen Programm überhaupt keinen Platz mehr finden.
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Protokollnotiz: Ich sprach natürlich nicht von solchen Aktionen wie der, in den Nachrichten eine vermeintliche Frage zu formulieren und dann einen Aufsager abzufeuern, wie es bei einem landesweiten Privatsender gang und gäbe ist oder war. Grauenhaft!!
 
AW: Wischiwaschi – Sind Darstellungsformen obsolet geworden?

Gebaute Beiträge sind wieder im Kommen? Das ist mir noch nicht aufgefallen.

Zum Thema Kollegengespräch: Eine Zeit lang hat Sputnik das in den Nachrichten gemacht, und das war ganz grauenhaft. Da kam immer ein Satz vom Nachrichtensprecher, und dann hat der Moderator blöd dazwischen gefragt. Das klang sowas von gestellt und lächerlich ... aber sie haben es erst nach einer sehr langen Weile abgeschafft. Kollegengespräche sind auch aus dem Grund meist unsinnig, dass es heute in vielen Redaktionen keine wirklichen Spezialredakteure mehr gibt. Man kann natürlich immer einen Kollegen als Fachmann für Terrorismus in Algerien verkaufen, aber meist sind das auch nur Leute, die sich das Wissen aus den aktuellen Agenturen auf die Schnelle zusammengelesen haben. Der eigentliche Sinn von Aufsagern, auf Expertenwissen von Spezialredakteuren zurückzugreifen, ist ja auch nicht erhalten geblieben. Heute sind Aufsager meist Mittel zum Zweck, um sehr lange Meldungen aufzulockern. Ausnahmen sind vielleicht Sport und zu Aufsagern gekürzte Korrespondentenberichte bei den ARD-Sendern.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben